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Kindheitsmomente

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Charaktere: Rodolphus Lestrange, Rabastan Lestrange

Weitere Charaktere: Mr Underwood (OC), Mr Lestrange, Tom Riddle/Voldemort Komplett anzeigen

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Eine schmerzhafte Lektion

Ungeduldige Schritte erfüllten das große Arbeitszimmer und vermischten sich mit dem Takt, den das dumpfe Ticken der alten Standuhr vorgab. Es fiel Rodolphus schwer sich zu konzentrieren. Immer wieder schweiften seine Gedanken ab, lauschten der Geräuschkulisse und taten eigentlich alles, um sich nicht mit dem langweiligen, staubtrockenen Text beschäftigen zu müssen, der vor ihm lag.

Neben ihm erging es Rabastan nicht viel besser. Das kindliche Gesicht trug einen Ausdruck tiefster Frustration, während die grünen Augen angestrengt auf die kleinen Buchstaben sahen. Es wirkte ganz so, als würde sein kleiner Bruder glauben, dass sich ihm der Text schon noch erschließen würde, wenn er nur lange genug darauf starrte.

„Das ist doof“, stieß Rabastan schließlich hervor, während er sich trotzig zurücklehnte. „Ich versteh das nicht.“

„Junger Herr, wenn Sie sich keine Mühe geben, kann das auch nichts werden.“

„Ich gebe mir Mühe!“, empörte sich Rabastan. „Du hast mir einfach was zu Schweres ausgesucht.“

„Ich habe Ihnen etwas gegeben, womit Ihr verehrter Bruder in Ihrem Alter keine Probleme gehabt hatte.“

Die Stimme Mr Underwoods nahm einen harten Tonfall an. Missbilligend trat der Hauslehrer hinter seinem Schreibtisch hervor, zu dem Pult der beiden Lestrange Brüder und begutachtete Rabastans Werk. Doch mehr als irgendwelche belanglosen Kritzeleien konnte er auf dem Pergament des jüngsten Lestrange nicht entdecken.

„Noch einmal von vorne“, seufzte Underwood und deutete auf das erste Wort des Anfangssatzes. „Ibi…“

„Da, dort.“

„…rex…“

„König.“
 

Nachdenklich hielt Rodolphus in seiner Lektüre der Zaubereigeschichte inne und lauschte dem holprigen Versuchen seines Bruders, den lateinischen Text zu übersetzen. Mr Underwood hatte recht gehabt. Ihm war es damals wesentlich leichter gefallen, die Sprache zu lernen; andererseits hatte er sich auch größere Mühe gegeben. Er hatte gewusst, dass es wichtig war, hervorragende Kenntnisse im Lateinischen zu besitzen, um die Zauberei tadellos meistern zu können.

„Probieren wir es noch einmal“, versuchte es soeben Mr Underwood, dem die Geduld sichtlich zu neige ging. „Was bedeutet dieser Satz?“

„Latein … ist … stink-lang-wei-lig“, erklärte Rabastan, wobei er tat, als würde er genau das aus dem Text vor sich entziffern. Dann huschte ein breites Grinsen über sein Gesicht. „Und der Text hier ist blöd.“

„Mr Lestrange, das reicht!“

„Aber ist doch so“, versuchte sich Rabastan zu rechtfertigen. „Ich verstehe gar nicht, wa- auuuu!

Mr Underwoods Rohrstock war auf Rabastans Hand niedergefahren und schwebte nun neben dem strengen Lehrer in der Luft.

„Hände ausstrecken, Mr Lestrange“, befahl dieser kalt. Als Rabastan sich weigerte, donnerte er: „Sofort!“

Widerwillig zog Rabastan die Hände aus den Taschen und legte sie mit zusammengebissenen Zähnen vor sich auf den Tisch. In dem Moment spürte er, wie der Ganzkörperklammerfluch Mr Underwoods von ihm Besitz ergriff und ihn zwang, seine Strafe bewegungslos abzusitzen.

Es knallte, als der Stock ein weiteres Mal auf die kleinen Finger von Rabastan fuhr.

Und dann wieder und wieder.
 

Schweigend saß Rodolphus daneben und versuchte sich auf triviale Details der Koboldaufstände zu konzentrieren, die auf der eng bedruckten Seite vor ihm standen. Neben sich hörte er, wie Rabastan bei jedem Schlag die Luft schmerzerfüllt einsog. Es passte ihm nicht, dass dieser Wicht von einem Hauslehrer seinen kleinen Bruder bestrafte, nur hatte er leider alle Berechtigung dazu.

„Nun, junger Herr, möchten Sie noch einmal versuchen den Text zu übersetzten?“

Rabastan schwieg. Wut und Trotz blitzten in den grünen Augen. Wenn er gekonnt hätte, hätte er wahrscheinlich die Arme vor der Brust verschränkt, doch Mr Underwoods Fluch lastete noch immer auf ihm.

„Mr Lestrange?“, ertönte die Stimme des Hauslehrers mit Nachdruck.

„Ich lasse mir von einem Halbblut wie dir keine Anweisungen geben“, erklärte Rabastan da stolz.

Unwillkürlich sah Rodolphus von seiner Lektüre auf. Sein Blick wanderte zu seinem Hauslehrer, dem jegliche Fassung zu entgleiten schien.

„Also … das …“, schnappte er und bemerkte zu spät seinen Fehler, als ein kleines, finsteres Grinsen Rabastans Lippen umspielte. Hastig riss er sich zusammen und baute sich bedrohlich vor dem kleinen Lestrange auf. Ein weiteres Mal zischte der Rohrstock durch die Luft.

„Ein solches Betragen werde ich mir nicht bieten lassen!“, polterte Mr Underwood nun mit hochrotem Kopf. „Dafür setzt es zehn weitere Schläge und ich werde Sie erst gehen lassen, wenn Sie den vorliegenden Text fünfzehnmal übersetzt haben!“

„Mein Eltern werden davon hören“, entgegnete Rabastan wimmernd vor Schmerz, während er mühsam versuchte sich zusammenzureißen. „Und wenn ich ihnen erzähle, wie gemein Sie zu mir sind, dann können Sie gehen.“

„Ich werde mir doch nicht von einem kleinen Rotzlöffel wie dir drohen lassen!“, rief Mr Underwood außer sich vor Wut und holte gerade zum nächsten Schlag aus, als Rodolphus plötzlich aufstand und den Rohrstock abfing.

„Mr Underwood, Sir, mein Bruder hat leider recht. Ihr Benehmen ist unserer Familie unwürdig und ich glaube, mein Vater wird nicht wollen, dass so mit uns umgegangen wird. Nicht wenn es sich dabei um einen Halbblüter handelt, der wahrscheinlich mehr schmutziges Muggelblut in seinen Adern hat, als er zugeben möchte.“

Ruhig erwiderte Rodolphus den Blick seines Lehrers. Eigentlich war es bedauerlich den alten Mann als Lehrer zu verlieren, denn Rodolphus hatte viel bei ihm gelernt, doch wenn er die Familienehre aufrecht erhalten wollte, musste er für seinen Bruder einstehen.

„Ich glaube, Sie reagieren über“, fügte er deshalb noch hinzu.

„Eine Frechheit ist das!“, rief Mr Underwood. „Na, warte, ich werde dafür Sorgen, dass ihr bekommt, was euch Rotzlöffeln zusteht.“

Mit vor Empörung zitternden Händen rückte er seine Robe zurecht und verließ hoch erhobenen Hauptes das Studierzimmer, um den Herrn des Hauses aufzusuchen.
 

Als die schwere Tür ins Schloss gefallen war, war wandte sich Rodolphus seinem kleinen Bruder zu, der erleichtert, dass die Ganzkörperklammer aufgehoben war, die rot geschwollenen Finger vom Tisch nahm.

„Du Dummkopf!“, rief Rodolphus wütend und gab Rabastan eine halbherzige Backpfeife. „Was glaubst du, was du da gerade gemacht hast?“

„Ich hab mir von dem blöden Underwood nichts gefallen lassen“, erklärte Rabastan beleidigt. „Ich will nicht, dass der mich so doofe Sachen lernen lässt.“
„Das musst du aber“, knurrte Rodolphus. „Jeder muss so Sache lernen. Sonst sind wir nicht besser als Muggel oder irgendwelche Schlammblüter, wenn wir nach Hogwarts kommen.“
„Dafür muss ich nicht lernen.“

„Doch musst du!“

„Aber ich will nicht!“, rief Rabastan und stampfte mit dem Fuß auf. „Das ist doof. Ich will nach draußen und spielen.“

„Na und? Vater ist das egal. Du darfst nicht einfach machen, was du willst“, erwiderte Rodolphus heftig und packte seinen Bruder wütend bei den Armen. Er merkte gar nicht, wie sich seine Finger schmerzhaft in dessen Fleisch gruben. „Und wegen dir kriegen wir jetzt Ärger.“

„Aua, du tust mir weh“, jammerte Rabastan, während er vergeblich versuchte, sich aus dem starken Griff seines großen Bruders zu befreien. Doch als er nach seinem Bruder boxen wollte, zuckte stechender Schmerz durch seine wunden Finger. „Lass mich los, du Blödian. Sonst sag ich, dass du mir wehtust.“

Rodolphus grinste böse. „Vater ist bestimmt schon wütend wegen dir. Das hier ist dann auch egal.“

„Auaaa“, flennte Rabastan und versuchte diesmal nach seinem Bruder zu treten. Seine Beine waren jedoch zu kurz und trafen nichts weiter als Luft.

Plötzlich erklangen laute Stimmen draußen auf dem Flur, die sich ihnen zu nähern schienen.

Hastig ließ Rodolphus wieder von seinem Bruder ab und starrte mit bangem Herzklopfen auf die verschlossene Tür des Studierzimmers. Er wollte keinen Ärger bekommen, nur weil sein Bruder mal wieder was falsch gemacht hatte.
 

Die Türflügel wurden von einer unsichtbaren Wucht aufgestoßen und gaben den Blick auf die kräftige Gestalt von Mr Lestrange frei, der mit unheilschwangerer Miene den Raum betrat.

„Was muss ich da hören?“, fragte er mit lauter Stimme.

„Mr Underwood war gemein zu mir“, antwortete Rabastan schnell, wobei er sich unwillkürlich hinter die Lehne seines Stuhls duckte.

„War er das?“ Mr Lestrange trat weiter vor, bis er bedrohlich vor seinem jüngsten Sohn aufragte. „Ich habe mir sagen lassen, dass du dich weigerst zu lernen.“

„Aber das ist ja auch blöd. Ich will nicht sowas Langweiliges lernen. Kann ich nicht einfach zaubern?“

Mit einem leisen Aufschrei wurde Rabastan auf einmal von einer unsichtbaren Macht am Schlafittchen gepackt und in die Luft gerissen.

„Das ist mir einerlei, ob du das lernen willst. Du hast das gefälligst zu lernen und hörst auf, deiner Familie Schande zu bereiten.“ Der Rohrstock führte zum dritten Mal an diesem Tag ein Eigenleben und steuerte nun auf Rabastans Hinterteil. „Ich will nicht, dass ich einen unfähigen und dummen Sohn mein Eigen nenne, wenn dieser nach Hogwarts kommt. Haben wir uns verstanden?“

Rabastan nickte mit tränenden Augen, während ihn der Stock ein weiteres Mal traf. „Ja, Sir“, brachte er mit erstickter Stimme hervor.

„Rodolphus“, Mr Lestrange wandte sich an seinen ältesten Sohn, „ich möchte, dass du besser auf deinen kleinen Bruder Acht gibst, verstanden?“

„Ja, Sir“, nickte Rodolphus und sah teilnahmslos von seinem Vater zu Rabastan. „Aber Rabastan hat recht“, fuhr er schließlich fort. „Mr Underwoods Lehrmethoden waren nicht gut und er hat ihn vielleicht zu unrecht bestraft.“

Ein kleines Lächeln regte sich in dem strengen Gesicht Mr Lestranges. „Aus diesem Grund habe ich das unnütze Halbblut gerade entlassen.“

„Siehst du, ich hatte recht“, rutschte es aus Rabastan triumphierend heraus, wofür er sich augenblicklich einen weiteren Schlag einholte.

„Das bedeutet noch lange nicht, dass ich dein beschämendes Verhalten deswegen gutheiße.“
 

„Na na“, ertönte da eine unbekannte Stimme leise. „Ganz so falsch schien dein Sohn aber nicht zu liegen.“

Überrascht sah Rodolphus an seinem Vater vorbei und beobachtete, wie die schlanke Gestalt eines hochgewachsenen Mannes aus den Schatten des Flurs trat und selbstsicheren Schrittes in das Studierzimmer ging. Er hatte pechschwarzes Haar, das ordentlich aus dem bleichen Gesicht gekämmt war. Seine dunkle Robe war elegant und sprach von Wohlstand.

Etwas beim Anblick des fremden Zauberers jagte Rodolphus einen Schauer über den Rücken. Und das war nicht nur wegen der katzenhaften, rötlichen Augen, die sich auf ihn und seinen Bruder richteten. Die bloße Präsenz des Unbekannten sprach von Macht.

„Es tut mir leid, dass du dabei sein musst“, wandte sich Mr Lestrange an den Unbekannten, doch dieser winkte ab.

„Schon in Ordnung“, sagte er mit einem kleinen Lächeln, dem jegliche Wärme fehlte. „So konnte ich mich mit eigenen Augen vergewissern, wie es um die Ausbildung unseres Nachwuchses steht. Ein wirklich bedauerlicher Vorfall. Unwürdige wie Underwood dürften eigentlich gar nicht auf unsere Schützlinge gelassen werden.“

Rodolphus verfolgte, wie sein Vater seinen Gast schweigend beobachtete und keine Anstalten machte zu widersprechen. Stattdessen lauschte er ihm mit einem Ausdruck der Zustimmung im Gesicht, während der Fremde mit einer nachlässigen Geste seines Zaubsterstabs dafür sorgte, dass Rabastan von jeglichem Fluch befreit war. Unwillkürlich hielt Rodolphus den Atem an. So etwas hätte sich nie jemand zu tun gewagt! Mit großen Augen verfolgte er, wie der Unbekannte mit einem flüchtigen Lächeln auf den Lippen zu Rabastan sah.

„Dein Vater hat durchaus recht“, sprach er mit seiner hohen, kalten Stimme. „Es gehört bedauerlicherweise dazu, unliebsame Dinge zu tun, damit man sich den Respekt verschafft, der einem zusteht. Dennoch hast du sehr gut erkannt, dass es sich bei Underwood um einen alten Schwachkopf handelt.“

Rabastan strahlte bei diesen Worten.

„Und von dir habe ich auch schon sehr viel gehört“, wandte sich der fremde Gast an Rodolphus. „Rodolphus, nicht wahr? Ich mag deine Standhaftigkeit. Du wirst deiner Familie eines Tages bestimmt viel Ehre bringen. Ich hoffe, dass wir uns bis dahin … öfter begegnet sind.“ Der Fremde hielt ihm eine bleiche Hand mit langen schlanken Fingern entgegen. Zögernd ergriff Rodolphus sie mit seiner kleinen Kinderhand. „Ich freue mich, deine Bekanntschaft zu machen. Man kennt mich als Voldemort.“

„Es freut mich, Sir“, entgegnete Rodolphus höflich.

Dann wandte sich Voldemort wieder von den Söhnen seines Gastgebers ab.

„Nun, da das geklärt wäre, sollten wir uns dringlicheren Angelegenheiten zuwenden. Hattest du schon mit Avery und Dolohow gesprochen?…“

Wie in Trance starrte Rodolphus seinem Vater und dem fremden Zauberer hinterher. Das seltsame Gefühl beschlich ihn, dass soeben etwas von folgenschwerer Bedeutung geschehen war und er wusste, dass es Rabastan ähnlich erging, denn seit dem Erscheinen Voldemorts hatte kein Wort mehr das lose Mundwerk seines Bruders verlassen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Vorgegebenes Wort: Ärger Komplett anzeigen

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