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Amalia

Auf Anhieb Freunde treffen
von

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Caipi-Abend

„Zwei Caipis, bitte.“

Arnie, der hinter der Bar stand, nahm zwei Gläser zur Hand, gab Limetten und Rohrzucker hinein und zerstampfte das Ganze dann. Es folgte Eis und erneut Zucker, zum Schluss wurde der Cachaca darüber gegossen und ein Strohhalm hineingesteckt.

„Kann ich bitte deine Getränkekarte haben.“

Arnie nahm die Karte und strich sechs Kästchen ab.

„Danke.“

Der junge Mann nahm die zwei Gläser und lief zu dem Sofa am anderen Ende des Raumes, wo bereits seine Freundin auf ihn wartete.

Karibische Musik klang durch das Erdgeschoss des Corpshauses. Im Wintergarten und im Wohnzimmer waren bereits etliche Gäste, Rene, Julian und Karl unterhielten sich mit den Gästen oder führten Interessierte durch das Haus. Arnie stand hinter der Bar und Vincent zerkleinerte das Eis in der Küche mit dem Hammer. Pedro saß im Foyer, empfing die Neuankömmlinge, nahm die Jacken ab und verkaufte die Getränkekarten. Immer wieder klingelte es.

„Hallo! Herzlich Willkommen!“

„Hallo.“

„Eure Jacken könnt ihr gern hier an die Garderobe hängen“, sagte Pedro und half der jungen Dame beim Ausziehen der Jacke. „Bei uns gibt es Getränkekarten. Das heißt, ihr bekommt so eine Karte für zehn Euro. Ein Kästchen steht für 50 Cent und die werden dann je nach Preis des Getränks angestrichen. Ist die Karte voll, bekommt ihr bei mir eine neue, ist am Ende noch was übrig, zahl ich es euch aus, wenn ihr gehen wollt, was hoffentlich nicht allzu bald sein wird.“

Er begleitete sie noch ins Wohnzimmer und musste dann erneut zur Tür. Dieses Mal stand Amalia vor selbiger.

„Hallo.“

„Komm doch bitte rein.“

Pedro schloss die Tür und Amalia zog ihre Jacke aus. Er erklärte die Getränkekarte und während Amalia nach ihrem Portemonnaie kramte, fragte sie: „Ist Vincent eigentlich auch da?“

„Bist du etwa das Mädchen, das bei ihm übernachtet hat?“

„Ja, das bin ich.“

„Da kann ich nur sagen, der Junge hat Geschmack.“

„Vielen Dank.“

Lächelnd nahm sie die Karte entgegen.

„Vince dürfte übrigens in der Küche sein, die ist gleich hier nebenan“, sagte Pedro und zeigte auf den kleinen Durchgang auf der rechten Seite.

„Okay. Danke.“

Durch den Nebengang lief sie zur Küche, öffnete leise die Tür und sah hinein. Vincent stand mit dem Rücken zu ihr.

„Bist wirklich nicht so der Partytyp, wenn du dich hier in der Küche versteckst“, sagte sie und sofort wirbelte Vincent herum.

„Amalia, hi!“

Sie lachte.

„Schön, dass du gekommen bist.“

„Tja, ich habe vielleicht jemanden wiedersehen wollen.“

„Ach, tatsächlich. Wen denn?“, fragte Vincent und legte den Hammer, mit dem er das Eis zerkleinert hatte, auf den Tisch.

„Wenn ich dir das jetzt sage, dann wirst du nur übermütig.“

Wieder lachte sie und umarmte ihn endlich zur Begrüßung.

„Wollen wir uns rüber setzen? Ich denke, ich habe das Eis genug drangsaliert.“

„Okay.“

Er führte sie hinter der Bar entlang in das Wohnzimmer.

„Was möchtest du trinken?“

„Ich fang erst einmal mit einer Cola an.“

„Machst mir bitte ne Cola und nen Caipi“, sagte Vincent zu Arnie und reichte ihm seine Karte.

„Ich hab doch meine eigene Karte“, warf Amalia ein, doch er winkte ab.

„Passt schon.“

Sie setzten sich zu Karl, der mit einem Gast über den Sinn oder auch Unsinn des akademischen Fechtens diskutierte.

„Sicher weiß ich, dass man dabei theoretisch nicht sterben kann. Aber warum muss ich mir den Kopf und das Gesicht verschandeln lassen?“

„Es ist ja nicht so, dass man immer kassiert. Wenn man technisch versiert ist, dann kann einem eigentlich nichts passieren und eine kleine Schramme verheilt ohne Narben zu hinterlassen“, meinte Karl.

„Trotzdem ist es in der heutigen Zeit ziemlich archaisch.“

„Es ist ja auch eine Art Mutprobe“, mischte sich Amalia ein. „Man stellt sich seinem Gegenüber, beweist Mut und Standfestigkeit. Wenn du einmal auf Partie standest, hast du bei Vorträgen oder anderen Reden kein Lampenfieber mehr, weil du schon ganz andere Situationen erlebt hast.“

„Und das von einer Frau…“

„Ich weiß, ich habe eigentlich keine Ahnung davon und ich hätte auch Angst davor, aber ich kann nachvollziehen, warum jemand das macht.“

Vincent betrachtete Amalia beeindruckt. Sie ist wirklich unglaublich. Fast schade, dass wir ein Männerbund sind, sie würde es schaffen, alle Zweifler zu überzeugen.

 

 

Der Abend nahm seinen Lauf. Vincent hatte sich verabschiedet, um seine Bar-Schicht zu übernehmen, während Amalia sich eine Weile mit zwei Gästen über das Thema Corps und Traditionen unterhalten hatte. Als sie bemerkte, dass Vincent hektisch durch den Raum lief, ging sie zu ihm.

„Was ist denn los?“

„Wir haben nicht mit so vielen Gästen gerechnet und langsam gehen uns die Caipi-Zutaten aus“, sagte Vincent. „Wir können doch nach knapp drei Stunden nicht sagen, dass der Abend vorbei ist.“

„Hat einer von euch ein Auto?“, fragte Amalia.

„Arnie. Aber wir haben alle schon was getrunken.“

„Ich aber nicht. Frag ihn nach dem Schlüssel und wir fahren noch Zeug holen. Ich weiß, welches Geschäft bis Mitternacht geöffnet hat.“

Fünf Minuten später waren Amalia und Vincent unterwegs, während die Jungs die Cachaca-Flaschen mit Rum und Wodka auffüllten. Bei dem vielen Ruhrzucker würde niemand den Unterschied schmecken. Immer wieder klingelte es an der Tür und neue Gäste betraten das Haus.

 

„Lia, du holst den Rohrzucker. Ich geh zur Obstabteilung.“

„Wie viele Päckchen?“

„Nimm fünf. Wird ja nicht schlecht.“

Ihre Wege trennten sich und kurz vor den Kassen trafen sie sich wieder, um noch die Alkoholika zu holen. Zehn Minuten später saßen sie bereits wieder in Arnies Auto und fuhren zurück zum Corpshaus. Amalia stellte den Wagen in einer Nebenstraße ab.

„Wir gehen am besten durch den Kücheneingang, da fallen wir nicht so auf“, meinte Vincent und trug den Beutel mit den Flaschen.

Sie liefen durch den Garten am Haus entlang zur Küchentür. Er zog den Schlüssel aus der Hosentasche und öffnete. Amalia trug einen Beutel mit Limetten und etliche Päckchen Rohrzucker auf dem Arm, die sie auf dem Küchentisch abstellte.

„Ich bring den anderen schnell die Flaschen“, meinte Vincent und reichte drei weiter an die Bar.

Amalia machte sich währenddessen bereits daran die Limetten aufzuschneiden. In der Spüle stapelten sich die benutzten Gläser. Als sie mit dem Schneiden fertig war, zog sie sich den Mülleimer heran, schüttete die übrigen Limetten und den Zucker hinein und spülte die Gläser dann aus. Vincent hatte die Schüssel mit dem Rohrzucker nachgefüllt und klopfte nun wieder die großen Eisbrocken klein.

„Wir brauchen Gläser!“, rief Karl in die Küche und Amalia reichte ihm welche.

Sie spülte die restlichen Gläser aus, trocknete sie provisorisch von außen ab und stellte sie an die Bar.

„Danke, aber wir werden noch mehr brauchen“, sagte Karl und schüttete Rohrzucker in ein Glas.

„Okay“, sagte Amalia und lief durch die Küche, um in die anderen Räume zu gelangen.

„Wo willst du hin?“

„Ich geh mal auf die Suche nach leeren Gläsern“, antwortete sie Vincent und verließ die Küche.

Im ganzen Erdgeschoss des Hauses waren Menschen, die auf Stühlen und Sesseln saßen oder sich im Stehen unterhielten. Es war beinahe kein Durchkommen. Mit viel Geduld und freundlichen Worten schaffte es Amalia, durch die Räume zu laufen und Gläser einzusammeln.

In den nächsten zwei Stunden kamen die Corpsbrüder hinter der Bar und Amalia und Vincent in der Küche überhaupt nicht mehr zur Ruhe, zwischendurch wechselten sie sich ab.

„Wir brauchen noch Rohrzucker“, rief Vincent.

„Limetten, bitte!“

Gegen halb zwei begann das Haus sich zu leeren. Amalia und Vincent hatten sich an der Bar ablösen lassen und einen Platz im Wintergarten gefunden. Nach dem Stress war es schön gewesen, zu sitzen und sich einfach auszuruhen. Sie tranken selbst einen Caipi und unterhielten sich.

„Hast du Lust, mir das Haus zu zeigen? Das haben wir in der letzten Woche ja nicht mehr geschafft“, fragte Amalia.

Sie war nach dem Stress plötzlich wieder voller Tatendrang.

„Na dann komm mal mit.“

Sie begannen mit den Räume im Keller an und machten dann in der ersten Etage weiter.

„Das ist unser CC-Zimmer. Hier darf unser Subsenior Protokolle tippen, Briefe beantworten und den Posteingang verwalten.“

„Sieht genauso aus wie bei den Jungs von meinem Bruder. Total unordentlich“, meinte Amalia lachend.

„Na ja, sah auch schon mal schlimmer aus.“

„Wohin führt die große Glastür?“

„Auf unseren Balkon. Da sind auch schon coole Partys gelaufen. Er ist zwar nur klein, aber mit ein paar Leuten, einem Kasten Bier und Sitzgelegenheiten wird ein super Platz daraus.“

Vincent lief zur Glastür herüber, öffnete sie und trat mit Amalia hinaus. Um das Haus herum waren etliche Bäume, die es von den Nachbarhäusern abschirmte. Man konnte den Paukboden sehen und das Phantom, das beim Pauken[1] (#_ftn1) die Schläge der Klingen aushalten musste. Um das Geländer war eine Lichterkette gebunden, die noch von der Weihnachtszeit übriggeblieben war, jetzt aber auch ihren Zweck erfüllte.

„Sieht schön aus euer Garten. Hier kann man bestimmt gut grillen oder sich sonnen.“

„Beim nächsten Mal bist du herzlich eingeladen.“

Amalia lächelte. Sie sah in sein Gesicht und fühlte sich plötzlich unglaublich zu ihm hingezogen. Sie schloss kurz die Augen und schüttelte unmerklich den Kopf. Vincent hätte sie geküsst, doch dieses leichte Kopfschütteln ließ ihn davor zurückschrecken. Wollte sie nicht von ihm geküsst werden? Oder war es nur eine Art Reflex?

„Soll ich dir noch die anderen Zimmer zeigen?“

„Gibt es denn noch viel zu sehen?“

„Du kennst die Leichenkammer noch nicht und der Dachboden ist auch ganz sehenswert“, meinte Vincent.

„Na dann.“

Sie sahen sich den restlichen Teil des Hauses an und gingen danach noch einmal in das Erdgeschoss. Inzwischen saßen im Wintergarten nur noch drei Gäste, die sich mit Pedro unterhielten. Arnie und Rene hatten unterdessen begonnen die Bar und die Küche aufzuräumen. Sie spülten Gläser, schmissen die Reste in den Mülleimer, räumten übriges Eis zurück in den Tiefkühlschrank. Amalia wollte ihnen helfen, doch die beiden lehnten ab.

„Du hast heute schon genug für uns getan.“

„Wie viel ist noch weggegangen?“, fragte Vincent.

„Caipis sind komplett alle, Rum und Wodka auch, zwei Kästen Bier haben wir noch. Die haben uns komplett leer gemacht“, antwortete Arnie.

„Und das soll bei einem Corpshaus schon was heißen.“

Amalia schüttelte fast ungläubig den Kopf, so etwas hatte sie noch nie erlebt.

„Pedro kümmert sich um die letzten Gäste und versucht sie langsam raus zu spülen. Er meinte, wir könnten dann abhauen.“

„Okay.“ Vincent sah auf die Uhr. „Es ist ja auch schon halb vier.“ Er wandte sich an Amalia. „Wollen wir schlafen gehen?“

Sie nickte nur, inzwischen hatte die Müdigkeit sie eingefangen.

„Na komm.“

Er nahm ihre Hand und gemeinsam verließen sie die Küche, um in Vincents Zimmer zu gehen. Arnie und Rene sahen sich an. Ob heute Nacht etwas zwischen ihnen laufen würde?

 

Sie lagen nebeneinander in dem großen Bett. Amalia fühlte sich zu Vincent hingezogen und als er sie bat, bei ihm im Bett zu schlafen, wusste sie, dass auch er etwas fühlte. Das Licht war bereits ausgeschaltet, nur der Mond, der hoch am Himmel stand, warf sein warmes Licht durch das Fenster in das Zimmer.

„Hat dir der Abend gefallen?“

„Ja.“

„Danke, dass du uns geholfen hast, als es eng wurde.“

„Das war doch selbstverständlich.“

„War es nicht und dafür möchte ich dir danken.“

Behutsam, fast vorsichtig rutschte er näher an sie heran. Seine Hand berührte ihren Arm, begann ihn zu streicheln. Die Berührung ließ sie erschauern. Ein wohlig, warmer Schauer. Zwischen ihnen gab es eine unbeschreibliche Anziehungskraft, aber keiner von ihnen traute sich den ersten Schritt zu machen. Seine Hand fuhr über den Arm hinauf über ihre Schulter bis zum Hals. Er streichelte ihren Nacken. Sie genoss jede einzelne Berührung. Die ganze Woche hatte sie immer wieder an ihn gedacht, sich vorgestellt, er würde sie berühren, er würde sie küssen. Seine Finger strichen über ihre Lippen. Er musste sie küssen, er wollte ihre Lippen auf den seinen spüren und er küsste sie. Die Spannung, die den ganzen Abend zwischen ihnen bestanden hatte, steigerte sich noch. Ihr Körper schmiegte sich an den seinen und sie konnte seine Erregung spüren.

„Lia…“

Sie brachte ihn mit einem erneuten Kuss zum Schweigen und begann seinen Körper zu erforschen. Der Kuss hatte etwas ausgelöst, hatte die Schranken, die im Kopf vorhanden gewesen waren, gesprengt. Sie waren zärtlich zueinander und doch fordernd. Die Spannung entlud sich, ein heftiges Gefühl wurde frei.
 

[1] (#_ftnref1) Den Begriff Pauken kennt man heute als Synonym für Lernen. Etwas Ähnliches bedeutet er im Corpsjargon - das Erlernen und Üben des Akademischen Fechtens.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  CaveJohnson
2017-04-27T16:34:52+00:00 27.04.2017 18:34
Und da bin ich schon beim vorerst letzten Kapitel, huh?
Schade eigentlich, weil mir die Geschichte eigentlich richtig gut gefällt...

Ich werde erstmal auf das Kapitel an sich eingehen.
Der Titel ist mal wieder etwas... unkreativ?^^ Da könnte man auf jeden Fall was besseres finden. ;)
Ich meine, natürlich geht's um den Abend, aber trotzdem...
Ansonsten gefällt es mir aber sehr gut, zwischendurch ,,zieht" es sich vielleicht ein wenig, aber ansonsten sehr schön geschrieben.
Besonders am Ende, ist die Beschreibung wieder wirklich gelungen, da bekommt man ja fast Gänsehaut.
Da hast du auf jeden Fall ein Talent für, wenn ich das mal so sagen darf. ;)

Angesichts der Tatsache, dass es ja erst vier Kapitel sind, kann ich noch nicht sooo viel sagen.
Sagte ja schon vorher, dass mir die gesamte Thematik eigentlich ganz gut gefällt, vor allem, weil ich eben nicht sehr viel Ahnung davon hab.^^
Ich wäre jedenfalls an einer Weiterführung interessiert, selbstverständlich stehe ich dir da auch gerne zur Seite. :D
Hätte auch einige Ideen, aber du hast ja sicher auch irgendwelche Pläne gemacht, also möchte ich da jetzt nicht zuviel reinpfuschen.^^
Das muss auf jeden Fall weitergehen!

Viele Grüße
CJ



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