Von Abenteuern und dergleichen von Yosephia (Die Geschichte eines Hobbitmädchens) ================================================================================ Kapitel 14: Trost und Rat ------------------------- Lass ihn nicht im Stich, haben sie zu mir gesagt. Ihn im Stich lassen! habe ich gesagt. Ich denke nicht daran. Ich gehe mit ihm und wenn er auf den Mond klettert. – Samweis Gamdschie In seinem fünfzehnten Lenz hatte Eómer das erste Mal Bier trinken dürfen. Er hatte mit seinem Vater im Schloss von Bockland am offenen Fenster gesessen, hatte den Duft der Pfeife seines Vaters eingeatmet und andächtig seinen kleinen und nur halb gefüllten Humpen betrachtet. Merry hatte eine Hand auf das Gefäß gelegt und mit ernster Miene erklärt, dass Bier durchaus auch zum Feiern ganz vortrefflich sei, dass es jedoch in rauen Mengen keinerlei Genuss mehr bereit halte. „Zuerst stellst du peinlichen Unfug an, dann entleerst du dich und am nächsten Tag pocht dir der Kopf und du erinnerst dich nicht einmal mehr an die Feier. Erspare dir so etwas, dann hast du mehr vom Leben, mehr vom Feiern und mehr vom Bier.“ Eómer war damals ein junger Bursche gewesen, ungeduldig wie alle seines Alters, und hatte die Belehrung kaum gewürdigt, doch jetzt, mehr als zehn Jahre später, kam sie ihm wieder in Erinnerung, während er Faramir betrachtete. Sein Freund hatte das Gesicht in den Händen vergraben und atmete schwer. Immer wieder erzitterte sein Körper, ehe er sich anspannte. Keinen Laut gab er von sich, gab durch nichts zu verstehen, ob er die Anwesenheit seines besten Freundes bemerkte, geschweige denn zu würdigen wusste. Alles an Faramir schrie die Verzweiflung und Selbstverachtung geradezu heraus – und Eómer konnte nicht mehr tun, als an der Innenseite der Tür zu stehen und so zu verhindern, dass noch jemand sah, was ohnehin jeder wusste. Der Vorfall zwischen Faramir und Goldfranse war zumindest den Ringgefährten und ihren Angehörigen nicht verborgen geblieben. Nach Faramirs Flucht war Eómer von den Festlichkeiten verschwunden, aber sein Vater hatte ihm am nächsten Morgen erzählt, dass Goldfranse noch den ganzen Abend mit einer der Rohirrim-Prinzessinnen getanzt hatte, ganz so, als wäre nichts geschehen. Heute war der Hochzeitstag des Thronfolgers. Keiner würde strengstens verlangen, dass Eómer und Faramir zugegen waren, aber Eómer hatte den Eindruck, dass es für seinen Freund nicht förderlich war, sich weiter hier zu verschanzen. Die Frage war jedoch, wie er Faramir aus diesem vegetativen Zustand reißen sollte. „Ich habe ihr gesagt, dass ich sie zur Frau will…“ Die dumpfen Worte seines Freundes ließen Eómer zusammenfahren. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Faramir die Initiative ergreifen würde, aber die vielen Stunden verzweifelten Schweigens schienen ein Ende gefunden zu haben. „Ich habe gesagt, dass sie das Auenland nicht verlassen soll… Ich habe ihr gesagt, dass ich Kinder mit ihr haben will… Wie konnte ich nur so dumm sein?!“ Eine gute Frage, ging es Eómer durch den Kopf. Das war genau das, wovor sein Vater ihn gewarnt hatte – und er würde seine rechte Hand darauf verwetten, dass Pippin seinem Sohn eine ganz ähnliche Belehrung hatte angedeihen lassen. Aber das nützte alles nichts. Das Bier war bereits vergossen, wie der steinalte Ohm immer sagte. „Meinst du es denn ernst?“ Aus blutunterlaufenen Augen blickte Faramir verständnislos auf. Eómer unterdrückte ein Seufzen. Liebesangelegenheiten waren so fürchterlich kompliziert. Hoffentlich ließ Eówyn sich noch viele, viele Jahre damit Zeit. Obwohl es natürlich einiges wert wäre, die immer gelassene Miene seines Vaters entgleisen zu sehen, wenn seine einzige Tochter schon in den Tweens einen Freier mit nach Hause bringen würde. „Willst du sie wirklich zur Frau nehmen und Kinder mit ihr haben?“ „Natürlich! Das war mein voller Ernst! Aber-“ „Dann warst du in den letzten Jahren ein noch größerer Dummkopf, als ich dachte“, unterbrach Eómer seinen Freund schroff. „Du hast dich von Goldi abgewandt und sie in Bruchtal sogar beleidigt. Und du hast dich für dein Verhalten an der Pforte von Rohan auch nie entschuldigt. Dir war es gestern also ernst, aber auf Goldi konnte es gar nicht so wirken.“ Faramir schrumpfte unter dieser Tirade derartig in sich zusammen, dass es Eómer beinahe wieder Leid tat, ihn so angegangen zu sein. Mit milderer Miene und Stimme fuhr er fort: „Aber wenn es dir mit Goldi ernst ist, dann solltest du jetzt auch nicht aufgeben.“ Verzweifelt blickte Faramir wieder auf. „Aber was kann ich denn jetzt noch tun?“ „Heute reißt du dich zusammen und gehst mit mir zur Hochzeit. Und in den nächsten Tagen entschuldigst du dich bei Goldi und erklärst ihr alles richtig.“ In Faramirs Augen lagen immer noch Zweifel, aber zumindest ließ er sich von Eómer zum Badezuber schieben… Als sie kurze Zeit später neben ihren Vätern und deren Freunden standen und die Hochzeitszeremonie beobachteten, blickte Eómer aus dem Augenwinkel zu Goldfranse, die zwischen Merry und Gimli stand. Sie trug eines der Kleider, welche für ihre Schwester Eleanor angefertigt worden waren, als diese mit den Eltern ein Jahr lang in Minas Tirith gelebt hatte. Es stand ihr außerordentlich gut, sie war nach Hobbitmaßstäben eine richtige Schönheit. Darin stand sie ihrer älteren Schwester nicht nach, die doch im ganzen Auenland für ihre Schönheit berühmt war. Doch für Eómer lag etwas in ihrer Miene, das er nur als hässlich bezeichnen konnte. Ein ganz und gar seltsamer Ausdruck, halb Wahnsinn, halb Frohsinn. Aufgesetzt und doch von Grund auf ehrlich. Goldfranse versuchte, sich beherrscht und unnahbar zu geben, und offenbarte gerade dadurch ihre Verletzlichkeit. Eómer wandte den Blick nach Links zu Faramir, der steif und mit starrem Blick da stand, als fürchtete er, zusammen zu brechen, wenn er in Goldfranses Richtung blickte. Es kostete Eómer alle Beherrschung, nicht laut zu seufzen. Oh ja, er legte wirklich keinen Wert auf Liebesangelegenheiten. Und der Spaß über den Blick seines Vaters war so etwas auch nicht wert. Er würde wie ein Drache über seine Schwester wachen, wenn er wieder im Auenland war! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)