Zum Inhalt der Seite

Von Abenteuern und dergleichen

Die Geschichte eines Hobbitmädchens
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Reise gen Süden


 

Die Gemeinschaft zerfällt, es hat bereits begonnen. – Galadriel
 

Von der Ferne bot der Caradhras ein atemberaubend schönes Bild. Es war schier unvorstellbar, was für eine tödliche Gefahr er in sich barg.

Selbst Pippin ließ sich für einige Zeit davon blenden, während die Ponys seiner kleinen und sehr schweigsamen Reisegesellschaft mehrere Tage lang in der Sichtweite des schneebedeckten Gipfels dahin trotteten.

Merry ritt an der Spitze, dahinter Faramir, dann Eómer mit dem Packpferd und danach Goldfranse. Pippin bildete die Nachhut, um alle Kinder und die Umgebung im Blick zu behalten.

In Wahrheit hing sein Blick jedoch nur allzu oft am Rücken seines Sohnes. Da war der Caradhras eine willkommene Ablenkung.

Während der vier Tage Aufenthalt in Bruchtal hatte Pippin mehrmals versucht, seinen Sohn wegen der Sache vor dem Empfang zur Rede zu stellen, aber irgendwie war immer etwas dazwischen gekommen. So beschaulich Bruchtal auch immer noch war, die Elben, die dort noch lebten, waren den weltlichen Dingen weitaus mehr verbunden als ihrerzeit Elrond, Galadriel und die anderen Elben, die Mittelerde bereits verlassen hatten.

Diese Elben wollten erfahren, wie es im Auenland zuging, welches seit Jahren nicht mehr von den Angehörigen der großen Völker betreten werden durfte. Diese Elben begegneten Hobbits mit Neugierde und Geselligkeit. Das hatte es besonders Merry und Pippin schwer gemacht, sich ihren Söhnen zu widmen.

Auch ein Gespräch mit Goldfranse war unmöglich gewesen. Das Mädchen hatte sich entweder in der Bibliothek verschanzt oder sich in der Gesellschaft von Elben befunden, die nur allzu bereit waren, ihm dabei zu helfen, seine Elbischkenntnisse zu verbessern.

Seit der Abreise von Bruchtal waren nun zwei Wochen vergangen und noch immer sprachen Goldfranse und Faramir kein Wort miteinander. Die atemberaubende Landschaft des Mittelgebirges zog zu ihrer Linken gemächlich dahin, aber keiner schien es so recht genießen zu können.

Die Art, wie Goldfranses Blicke immer wieder den kaum noch erkennbaren Pfaden folgten, die in Richtung der Berge führten, bereitete Pippin zunehmend Sorgen und ließ ihn zweifeln, ob es wirklich richtig gewesen war, Goldfranse mitzunehmen. Merry erging es nicht anders.

„Sie erinnert mich an Herrin Eówyn zu ihrer schlimmsten Zeit“, hatte er einmal zu Pippin gesagt und diesem war dabei ganz beklommen zumute gewesen.

„Onkel Pip?“

Pippin wandte seine Aufmerksamkeit vom fernen Caradhras ab und Goldfranse zu, die sich zu ihm hatte zurückfallen lassen.

„Warst du schon einmal beim Einsamen Berg und im Düsterwald?“

Er schüttelte den Kopf. „Bevor ich zum Tuk und Tain wurde, hat es sich nie ergeben.“

„Wolltest du denn nie die Reise von Herrn Bilbo nachvollziehen?“

Wieder schüttelte er den Kopf. „Ich hatte meine eigene Reise, meine eigene Geschichte. Und wenn ich Legolas und Gimli besuchen wollte, stünden meine Chancen im Düsterwald oder beim Einsamen Berg eher schlecht. Die Beiden sind als Botschafter viel unterwegs.“

Er konnte Goldfranse ansehen, dass sie diesen Mangel an Abenteuerlust nicht nachvollziehen konnte. In ihrem Alter hätte er das damals auch nicht verstanden. Es hatte erst zahlreicher Begegnungen mit Orks, Uruks, Ringgeistern, Balrogs und irren Königen und mehrerer Schlachten bedurft, um ihm klar zu machen, dass es sich auch dann gut leben ließ, wenn man nicht ganz Mittelerde gesehen hatte.

Allerdings hoffte er, dass Goldfranse diese Lektion nicht so schmerzhaft erleben musste. Ein Erlebnis wie mit Boromir wünschte er ihr im ganzen Leben nicht.

„Goldi, vermisst du das Auenland denn gar nicht?“ fragte er vorsichtig.

Sie antwortete nicht sofort, sondern blickte zunächst zum weit entfernten Caradhras, als versteckte sich dort eine Antwort. Sie rang mit sich und Pippin begriff, dass ihm ihre Antwort nicht gefallen würde.

„Ich liebe meine Familie“, erklärte sie leise und richtete den Blick auf die Zügel in ihren Händen, „aber ich vermisse sie nicht. Nicht einmal Frodo.“

Allmählich fühlte Pippin sich überfordert. Wie hatte es im Kreise der warmherzigen Gamdschies zu so etwas kommen können? Sam mochte ein etwas überfürsorglicher Vater sein, aber hatte er seine Tochter tatsächlich derartig in Ketten gelegt, dass sie nicht in der Lage war, ihn zu vermissen? War das nur das Drama, welches jeder jugendliche Hobbit in einem bestimmten Ausmaß durchmachte? Bei wem lag hier die Schuld? Gab es hier überhaupt eine Schuld?

„Willst du überhaupt jemals wieder zurück?“, wagte Pippin einen erneuten Versuch.

Goldfranse blickte für einige Sekunden in seine Augen und er erkannte in den ihren so viele Zweifel und Unsicherheiten wie damals bei Frodo, als sie aus den Minen von Moria heraus gekommen waren. Wie konnte das sein? Sie hatte keine Reise voller Gefahren hinter sich, sie trug keinen Ring voller bösartiger Magie bei sich und sie hatte auch keinen langjährigen Freund verloren.

Was ging in diesem Mädchen vor?

Ihre Worte schließlich waren kaum mehr als ein schwaches Hauchen, welches die stetigen Winde ihr beinahe von den Lippen rissen.

„Die Geschichte von Herrn Bilbo heißt Hin und wieder zurück. Ich frage mich, wie meine Geschichte wohl heißen würde…?“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  lula-chan
2019-01-30T21:35:58+00:00 30.01.2019 22:35
Oh Mann. Na das kann ja echt noch was werden. Trotzdem ein tolles Kapitel. Gut geschrieben. Gefällt mir. Sehr gut dargestellt.

LG


Zurück