Von Abenteuern und dergleichen von Yosephia (Die Geschichte eines Hobbitmädchens) ================================================================================ Kapitel 4: Eine Etappe in Bree ------------------------------ Na schön, ich folge dir durch jeden Sumpf und Graben. – Peregrin Tuk Seit sie lesen konnte, hatte Goldfranse bei jeder Gelegenheit die zahlreichen Karten der verschiedenen Winkel Mittelerdes studiert, welche seinerzeit Bilbo Beutlin zusammen getragen oder selbst angefertigt hatte. Mit klopfendem Herzen hatte sie mit den Fingern den Weg der Ringgefährten verfolgt, hatte die Namen von Städten, Flüssen, Wäldern und Gebirgen auswendig gelernt und jeden Reisebericht gelesen, den sie hatte finden können. Irgendwann hatte sie sogar selbst eine Karte von Mittelerde gezeichnet und all die Orte markiert, die sie gerne besuchen würde. Mit all dieser Vorarbeit war es ein Leichtes gewesen, über Schleichwege nach Bree zu gelangen. Dass sie ihr Versprechen gegenüber Faramir gebrochen hatte, tat ihr Leid, aber sie hatte sich zu lange mit Hobbingen zufrieden geben müssen. Es war einfach an der Zeit gewesen, das hatte sie irgendwie gespürt! Es war berauschend, über die Brandyweinbrücke zu reiten, zum ersten Mal Bockland zu sehen und schließlich das Auenland zu verlassen, um der nun wieder gut ausgebauten Straße bis nach Bree zu folgen. Die Handelsstadt war noch viel größer und lauter, als Goldfranse es sich vorgestellt hatte – und obwohl sie davon zunächst auch verunsichert wurde, wollte sie es sich nicht nehmen lassen, das Gasthaus Zum tänzelnden Pony aufzusuchen. Hier waren Frodo und seine Hobbitgefährten vor vielen Jahren König Aragorn begegnet, der damals unter dem Namen Streicher durchs Land gezogen war! Während Goldfranse ungeschickt auf einen viel zu großen Barhocker kletterte, überlegte sie, wo wohl damals Aragorn gesessen hatte. „Na, junges Mädchen, heiße Milch vielleicht?“, fragte der Wirt spöttisch, während er einen Bierkrug sauber wischte. Er hatte einen Schmähbauch und einen großen Schnurrbart – anscheinend typische Merkmale für einen Wirt –, aber er ließ das gütige Lächeln vermissen, das der Wirt vom Goldenen Drachen in Hobbingen immer trug. Goldfranse errötete vor Ärger, aber sie versuchte, ruhig zu bleiben, und erwiderte: „Nein, mein Herr, mir steht der Sinn eher nach einem halben Krug Bier.“ Zweifelnd sah der Mann sie an. Erst als sie einige Münzen für ihr Bier auf den Tresen legte, zuckte er mit den Schultern und griff nach einem hobbitgerechten Krug, um ihr Bier abzuzapfen. Nachdem er den Krug vor ihr abgestellt hatte, zählte er die Münzen dreimal, dann wandte er sich wortlos ab. Zufrieden nippte Goldfranse an ihrem Bier und sah sich um. Ihr Vater hatte ihr erst vor fünf Jahren das erste Mal erlaubt, Bier zu trinken, aber sie hatte es auch vorher schon mehrmals probiert. Frodo hatte es ihr einige Male ermöglicht – wobei er sie immer dabei überwacht hatte – und ein paar Mal war sie mit ihren Brüdern Merry und Pippin in den Vorratskeller von Beutelsend geschlichen. Diese Erfahrungen genügten, um dieses Bier als ausgesprochen schmackhaft einstufen zu können. Wohlig seufzend zog Goldfranse eine der Karten aus ihrer Jackentasche, die sie aus der Bibliothek von Beutelsend geliehen hatte, und fuhr mit dem Finger den Weg von Beutelsend nach Bree nach. Ihre nächsten Ziele waren die Wetterspitze und Bruchtal. Es lebten nur noch wenige Elben dort, aber zu diesen wenigen zählten auch Elladan und Elrohir, die Söhne Elronds, welche ihrerzeit an der Seite Aragorns und der Dúnedain auf den Pelennor-Feldern und vor dem Schwarzen Tor gekämpft hatten. Zu gerne würde Goldfranse die Beiden kennen lernen und durch diesen geschichtsträchtigen Ort wandeln. Und ihre Elbisch-Kenntnisse würde sie auch gerne erproben! Als sie gerade wieder nach ihrem Bierkrug greifen wollte, schubste ihr rechter Sitznachbar sie an, als er von seinem Hocker stieg. Der Krug fiel um und sein Restinhalt ergoss sich über den Tresen. Goldfranses Karte war ruiniert und nicht nur die: Ihr Sitznachbar zur Linken schien ein Kaufmann zu sein. Oder etwas ähnlich Geschäftiges – auf alle Fälle hatte er mehrere Verträge vor sich liegen, welche prompt der Bierflut zum Opfer fielen. „Du dumme Göre, pass’ doch auf!“ Goldfranse hatte keine Chance, den Vorgang zu erklären. Der Kaufmann zog seine eigenen Schlüsse, packte sie am Kragen und hätte wohl auf mehr als nur eine Weise seine Wut an ihr ausgelassen, wenn sich da nicht auf einmal eine Hand auf seinen Arm gelegt hätte. Gemeinsam blickten Goldfranse und der Kaufmann den Arm entlang, der zu der Hand gehörte, und schließlich ins Gesicht des hochgewachsenen Hobbits, der zu ihnen getreten war. Es war niemand Geringerer als Meriadoc Brandybock, der Herr von Bockland und Mitglied des Königlichen Rates im Norden Mittelerdes. Ganz offensichtlich erkannte der Kaufmann ihn, denn er ließ Goldfranse augenblicklich los. Zwar schien er immer noch wütend zu sein, aber er wollte sich wohl nicht offen mit einer lebenden Legende anlegen. „Gibt es ein Problem, mein Herr?“, fragte Merry betont gelassen, aber Goldfranse entging nicht, dass seine freie Hand auf dem Schwertknauf ruhte. Selbst als einer der größten Hobbits der Geschichte war er immer noch ein gutes Stück kleiner als der Kaufmann, aber er bot ein beeindruckendes Bild. Gestraffte Schultern, stählerner Blick, das Schwert an seinem Gürtel, dessen abgewetzter Griff verriet, wie oft er die Waffe bereits in der Hand gehabt hatte… „Ein Missgeschick, nichts weiter“, murmelte der Kaufmann und wandte sich brüsk ab. Zufrieden wandte Merry sich dem Wirt zu, der das ganze Geschehen wachsam beobachtet hatte: „Fünf halbe Bier, mein Herr. Und das dort geht auf meine Zeche.“ Er deutete auf Goldfranses umgestoßenen Krug. Ohne auf eine Erwiderung zu warten, fasste er danach Goldfranse am Arm, griff mit der anderen Hand nach ihrem prallen Rucksack und zog sie mit sich in eine ruhigere Ecke des Schankraums, wo Pippin, Faramir und Eomer saßen. Goldfranse wurde auf einen leeren Stuhl gedrückt. Unbehaglich rutschte sie darauf herum und mied jeden Blick in Faramirs Richtung, der sie böse anfunkelte. Merry und Pippin warteten noch ab, bis alle ihr Bier hatten, dann fixierten sie das Hobbitmädchen mit ihren Blicken. „Pip, mein Freund, mir war so, als hätten wir ihr gesagt, dass sie zu ihrem Vater zurückgehen soll…“ „So habe ich es auch in Erinnerung“, sagte Pippin und blickte mit einem Stirnrunzeln zu seinem Sohn. Der errötete und öffnete schon den Mund, um etwas zu sagen, doch Goldfranse kam ihm zuvor: „Ich habe ihn an der Grenze von Hobbingen überredet, mich alleine weiter reiten zu lassen.“ „Weiter geritten bist du auch, nur nicht in die richtige Richtung“, stellte Pippin fest, der zu Goldfranses großer Erleichterung davon Abstand zu nehmen schien, seinen Sohn zu schelten. „Und du wirst auch nicht in die richtige Richtung reiten, nicht wahr?“, seufzte Merry und nippte an seinem Bier, ohne das Mädchen aus den Augen zu lassen. Als Goldfranse den Kopf schüttelte, brummte Pippin in seinen Krug hinein. „Irgendwann musste es ja so weit kommen…“ „Was heißt das jetzt?“, mischte Eomer sich ein. „Das heißt…“, seufzte Merry erneut, schob seinen Bierkrug beiseite und begann in seinen Taschen zu kramen, „dass wir Sam einen sehr unerfreulichen Brief schicken müssen…“ Lieber Sam, Wir wollten uns gewiss nicht über deinen Willen hinweg setzen, aber Pip und mir bleibt keine Wahl mehr. Goldi wird sich so oder so auf die Reise machen. Man müsste sie fesseln und Tag und Nacht bewachen, um sie daran zu hindern. Da ist es besser, wenn sie mit uns kommt. Wir werden sie wie unsere Augäpfel hüten, versprochen! In aller Freundschaft, Merry Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)