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Aus dem Leben eines Meisters der Dunkelheit

Oder: Piedmons Alltagsprobleme [Trailer online]
von

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Der Tag, an dem Piedmon sein Kunststudium begann

Es gab eine Zeit, da suchte Piedmon etwas, um sich zu profilieren. Eine Art Secret Talent, könnte man sagen. Machinedramon zum Beispiel war irrsinnig intelligent und konnte es mit den besten Computerprozessoren aufnehmen. MetallSeadramon war sehr schlau, was es bei diversen Jagdübungen mit seiner Deep Server-Armee unter Beweis stellte. Puppetmon war ... nun ja, es war immerhin verspielt. Aber Piedmon hatte es ohnehin längst aufgegeben, sich mit ihm zu vergleichen.

Die Sache war die: Meister der Dunkelheit mussten einfach bestimmte Eigenschaften wie überdurchschnittliche Intelligenz besitzen, frei nach dem Motto: Böse sein kann jeder, aber böse Megalevel-Digimon werden nur die Klügsten. Darum war die Laufbahn von Digimon wie einem gewissen DemiDevimon denkbar kurz, wie man weiß. Oder man nehme ein gewisses Etemon als Beispiel, das erst sterben musste, um das Mega-Level zu erreichen, und dessen intellektuelle Glanzleistungen sich zu Lebzeiten darauf beschränkten, ein extrem störanfälliges Netzwerk zu warten, das den einzigen Zweck hatte, eine tote, öde Wüste zu überwachen. Piedmon wollte nicht in diese Kategorie fallen, es brauchte etwas, in dem es wirklich gut war, eine Herausforderung, neue Erfahrungen. Ob man‘s glaubt oder nicht, zu dieser Zeit war noch nicht viel von seinem sprichwörtlichen Selbstbewusstsein vorhanden.

Piedmon war nicht gänzlich ohne Interessen. Die unterhaltenden Künste verstand es in der Tat zu genießen. Es hatte allerdings eine Aversion gegen Unterhaltung, die auf Zaubertricks fußt - ein Umstand, der einem erst seltsam erscheinen mag. Jedoch gibt ein richtiger Zauberer nie seine Tricks preis, wie man weiß, und Piedmon konnte es nicht ausstehen, wenn es besonders vertrackte Zaubertricks nicht zum Nachahmen erklärt bekam. Viele Wizardmon mussten wegen einem gewissen unzufriedenen, maskieren Clown im Publikum ihr Leben lassen, aber das ist eine andere Geschichte. Was Piedmon gern mochte, waren Gemälde, Skulpturen, die bildenden Künste eben. Und diese Vorliebe öffnete ihm die Tür auf seinem persönlichen Weg zum institutionalisierten Erwerb von Wissen.

In jener Zeit war die Erste Interkontinentale Universität auf Server errichtet worden, weil Bildung in der DigiWelt recht rar war. Gäbe es so etwas wie eine Pisa-Studie, hätten die Digimon extrem mies abgeschnitten, was wahrscheinlich auch der enorm schlechten Auswirkung von Digimon wie Numemon oder Sukamon – Letztere mit bekanntlich nur einem halben Gehirn – zu verdanken gewesen wäre. Um diese Schmach zu beseitigen, wurde jene Universität eröffnet.

Die erste Hürde war allein der Bau. Da es keinen einzigen Verantwortlichen gab, sondern mehrere Initiatoren, die lediglich der Schrei nach Bildung vereinte, wurde die Universität das wohl kunstvollste Patchwork-Gebilde, das die DigiWelt je gesehen hatte. Die zweite Hürde war die Leitung: Natürlich sollte für diese intellektuelle Einrichtung ein Dekan gewählt werden, der selbst über beachtliche geistige Kapazitäten verfügte. Das alles trug sich zu einer Zeit zu, als man in der DigiWelt noch dachte, Größe sei alles – und so bekam ein Vademon aus der Gegend den Posten, das als einziger Bewerber tatsächlich beweisen konnte, ein überdimensioniertes Gehirn zu besitzen.

Es gab in diesem Anfangsstadium der Universität natürlich nur wenige Anwärter, weshalb Piedmon in Minutenschnelle inskribieren konnte. Zwei, drei Schwertstiche später hatte es sogar seine Wunsch-Matrikelnummer – eine große, schlanke Eins. Erst danach verbot die Studienleitung den Studenten, ihren toten Kommilitonen die Matrikelnummern zu stehlen.

Die Aufnahmeprüfung war allerdings ein harter Brocken für Piedmon. Für ein Kunststudium war es Voraussetzung, dass man einer Kommission eine Probe seines Könnens vorstellte. Wer sich an die zeichnerische Qualität der Bildergeschichte erinnert, mit der Piedmon in absehbarer Zeit acht DigiRitter begrüßen würde, der wird verstehen, warum die Kommission von seinem selbstgemalten Gemälde nicht überzeugt war.

Aber Piedmon gab nicht auf. Entschlossen, die Datensplitter seiner künftigen Professoren nicht durch die Gänge der Universität wehen zu lassen, versuchte es sich als Nächstes als Bildhauer. Das Ergebnis war ganz passabel, fand Piedmon zumindest.

Um die Präsentation seines Meisterwerks zu pointieren, verbarg es die Skulptur unter einem Tuch und zerrte sie auf einem Karren vor die Prüfungskommission. Schon als es an der Zeit war, den „Gaukler“, wie es sein Werk nannte, zu enthüllen, kam er ihm plötzlich merkwürdig klein vor. Nichtsdestotrotz zog es mit einer glamourösen Geste das Tuch fort.

Die Kommissionsmitglieder beugten sich erwartungsvoll vor. „Nun gut“, sagte Vademon, das neben dem Dekansposten natürlich auch den des Kommissionsvorsitzenden innehatte, „ein sehr fein gearbeiteter Schlüsselanhänger mit dem Motiv einer Clownsstatue, aber so etwas gehört in einen Souvenirladen und nicht auf eine Universität.“

Nun wusste Piedmon nicht mehr weiter, weigerte sich aber standhaft, aufzugeben. Es suchte widerwillig Hilfe bei seinen Mitmeistern der Dunkelheit. MetallSeadramon hatte von Kunst ungefähr soviel Ahnung wie ein Kieselstein vom Schuhebinden, daher fiel es von vornherein nicht in die engere Auswahl. Piedmons nächste Adresse war Machinedramons finsteres Fabriks-Hauptquartier.

Das Maschinendigimon hatte tatsächlich Rat parat. Getreu seinem Spezialgebiet, berechnete es mit der Präzision eines Supercomputers den Weg, mit dem Piedmon die höchsten Chancen auf ein erfolgreiches Bestehen seines dritten Prüfungsantritts erzielen könnte. Dieser lag in der abstrakten Kunst: Für beide nachvollziehbar ergaben Machinedramons Berechnungen die Theorie, dass Piedmon, bar jeden Zeichentalents, mit einer inhaltslosen Kritzelei am ehesten zu einem Kunststudium zugelassen werden würde – immerhin bestand die Möglichkeit, dass das fragliche Kunstwerk an das Innerste eines der Kommissionsmitglieder rührte. Piedmon machte sich eifrig ans Werk.

Ein simpler Umstand pfuschte ihm auch dieses Mal ins Werk: nämlich dass Maschinen bekannter Weise keine Ahnung von Kunst hatten. So stieß auch Piedmons abstraktes Kunstwerk „Blut meiner Feinde, oder: Blutsurrogat, weil meine Feinde nicht lange genug leben, als dass ihr Blut sich nicht in Daten auflösen würde“ auf wenig positive Resonanz.

Piedmon war verzweifelt. In seiner Not wandte es sich an Puppetmon, dessen Talent zum Puppenbauen es sich wieder entsann. Wenn es noch Hilfe gab, dann von seinem verspielten Finsterniskollegen.

Natürlich legte Piedmon seine Karten nicht offen auf den Tisch. Stattdessen schlug es die Wette vor, dass Puppetmon es nicht schaffte, eine lebensgroße Puppe nach Piedmons Abbild zu schaffen, und stellte diese Wette als Spiel hin. Puppetmon war sofort Feuer und Flamme, und keine Stunde später präsentierte es sein Werk.

Piedmon gefiel sich nicht wirklich, aber die Puppe stand auf ihren eigenen Beinen und war besser als alles, was es je selbst gebastelt hatte. Die Stiefel waren recht realistisch aus Filz genäht, in ebenfalls genähte Hosen und Jacke war Stroh gestopft worden. Die Schwerter hatte Puppetmon durch ein schlichtes Holzkreuz, wie es selbst eines trug, ersetzt, doch Piedmon wollte nicht kleinlich sein. Der Kopf war ein Football-Kürbis, auf den eine weiße und eine schwarze Bodenfliese gekleistert waren, das Gesicht war gemalt. Den krönenden Abschluss bildete ein großer Pilz, der in den Football genagelt und in den Farben von Piedmons Haupthaar gestrichen war.

Piedmon gab widerwillig zu, dass Puppetmon das Spiel gewonnen hatte. Dieses war davon so erfreut, dass es gar nicht merkte, wie Piedmon sich mit seiner Puppe davonstahl.

Alles lag nun an Piedmons viertem und letztem Antrittsversuch. Die Prüfungskommission, allen voran Dekan Vademon, überlegte lange hin und her. Schließlich wurde entschieden, dass Piedmons Abbild seiner selbst als Kunst durchgehen konnte – zu dieser Zeit nahm man es in der DigiWelt mit Plagiaten noch nicht so genau.

Für Piedmon war es der schönste Tag dieser Woche. Mit der Matrikelnummer 0000001 trat es in das Unileben der Ersten Interkontinentalen Universität der DigiWelt ein.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das war's auch schon wieder - hoffe, es hat euch gefallen.
Ich möchte mich an dieser Stelle (weil ich es nicht geschafft habe, es persönlich zu tun) bei allen bedanken, die so nett waren, einen Kommentar beim letzten Kapitel zu hinterlassen - danke! :)
Das nächste Kapitel heißt - erraten - "Der Tag, an dem Piedmon wieder mit seinem Kunststudium aufhörte" ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Maloich
2015-05-09T12:34:53+00:00 09.05.2015 14:34
Komme etwas spät mit dem Kommentar, aber muss einfach trotzdem mal sagen, dass das eine gute FF ist. Ich habe jedesmal ein Grinsen im Gesicht, wenn ich was über Piedmon lese... wahrscheinlich liegt es auch daran, dass es zu meinen lieblings Digimon gehört, v. a. als Lieblings-Bösewicht.
Antwort von:  UrrSharrador
13.05.2015 10:51
Und hier auch nochmal danke! Freut mich, wenn es dir gefällt. Ich glaube, nachdem ich das geschrieben habe, kann ich Piedmon auch nicht mehr ernst nehmen^^
Von:  fahnm
2015-04-25T01:36:46+00:00 25.04.2015 03:36
Das Kapitel ist Super gewurden.
Mach weiter so
Antwort von:  UrrSharrador
25.04.2015 13:24
Danke :)
Von:  EL-CK
2015-04-23T17:17:26+00:00 23.04.2015 19:17
>>Erst danach verbot die Studienleitung den Studenten, ihren toten Kommilitonen die Matrikelnummern zu stehlen.<< Irgendwie verständlich XD

bin mal gespannt warum Piedmon aufhören muss...ob der Plagiats-"Versuch" aufgeflogen ist??? Oder ist sind die Profs alle samt Piedmons Launen zum Opfer gefallen....
Antwort von:  UrrSharrador
24.04.2015 11:22
Danke für deinen Kommi^^
Hehe, nein, was viel Banaleres ;)


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