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Aus dem Leben eines Meisters der Dunkelheit

Oder: Piedmons Alltagsprobleme [Trailer online]
von

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Der Tag, an dem Piedmon seine Brokkolifrisur bekam

Als die Meister der Dunkelheit noch jung waren, zumindest jünger als zu der Zeit, in der sie schließlich die DigiWelt eroberten, hatten auch sie ihre Sturm- und Drangphase. So etwas wurde natürlich von einem Meister der Dunkelheit erwartet, und vermutlich hätte Apocalymon sie gar nicht erst gesponsert, wäre es anders gewesen.

Neben einer gewissen aggressiven Ader und Rebellion gegen alles Gegenwärtige gehörte natürlich auch der passende Musikgeschmack dazu. MetallSeadramon und Machinedramon waren selbstverständlich beide eingefleischte Metalheads, und Puppetmon, das eher ein Faible für Holzblasinstrumente besaß, wurde von den beiden ordentlich verspottet. Aber auch Piedmon kehrte seiner geliebten, trällernden Zirkusmusik den Rücken und stieß in härtere Musikgefilde vor. Die schwarzweißen Gesichtsbemalungen mancher Digimon-Bands machten es ihm leicht, sich einzugewöhnen.

Wollte man zu jener Zeit damit angeben, mir einer gewissen Musikrichtung verheiratet zu sein, so tat man das nicht, indem man laut Songs johlend die Straße hinunter tanzte, auch nicht indem man Konzerte besuchte, die Musik selbst spielte oder auch nur hörte. Wer wirklich in die Szene gehören wollte, brauchte einen passenden Haarschnitt, so einfach war das.

Der in diesem Fall vom Schicksal bevorzugte Meister der Dunkelheit war MetallSeadramon, dessen Mähne eindrucksvoll beim Headbangen – in seinem Fall eher: Bodybangen – schwang. Puppetmon geriet auch darüber in geringfügige Depressionen. Lange Zeit hatten die anderen Meister gerätselt, was es unter seiner roten Mütze verbarg – vielleicht ein riesiges Astloch oder eine schlimme Termitennarbe? Die Wahrheit war ebenso naheliegend wie schlicht: Puppetmons hölzerner Schädel war völlig kahl.

Machinedramons Frisur, die naturgemäß ebenfalls nicht vorhanden war, veranlasste es zu den Worten, die der Digimon-Metalszene noch lange im Gedächtnis blieben und irgendwann Kultstatus erlangten: „Ich bin so sehr Metal, dass sogar meine Haare ein Metallpanzer sind.“ Irgendwie kam es mit dieser Ausrede durch.

Piedmon hatte es einfacher. Man muss wissen, dass seine Haare ursprünglich nicht einem orangegelben Brokkoli nachempfunden waren, sondern in ordentlichen Locken über seine Schultern fielen. Hätte Piedmon es gewollt, hätte es vielleicht sogar einen Schönheitswettbewerb gewinnen oder zumindest Server’s Next Topvillain werden können, so füllig und prachtvoll – wenn auch ungewöhnlich bunt – war sein Haupthaar. Genau genommen hatte es das auch einmal versucht; nachdem es einen der Juroren nach der ersten bissigen Bemerkung mit seinen Schwertern an die Wand genagelt hatte, war es jedoch rausgeworfen und die Show aus Personalgründen abgesetzt worden.

Piedmon war mit seinem wallenden Haar dennoch nicht ganz zufrieden: Es war zu lockig. Glatte Haare wären cooler, kämpferischer und entsprachen ganz allgemein eher dem damaligen Modebewusstsein. Es musste also etwas daran geändert werden, und zwar schnell.

Sein modischer Berater wurde MetallSeadramon. Auch dessen Haare kräuselten sich gerne, doch es war praktischerweise sein eigenes Glätteisen. Man darf nicht vergessen, dass MetallSeadramon Feuer spucken kann. Der einfache Glättungsprozess begann damit, dass es seine beiden metallenen Schwanzspitzen vor sein Maul brachte, ein paar Minuten Feuer darauf pustete und dann wieder so weit abkühlen ließ, dass es die betreffenden Haare nicht gleich verbrutzelte. Es war schwierig, den richtigen Zeitpunkt beim Aufheizen zu erwischen, aber in der Abkühlphase konnte MetallSeadramon schon bald den rechten Augenblick zwischen glühend rot und ozeankühl abpassen.

Sobald die Schwanzspitzen die richtige Temperatur erreicht hatten, nahm es Piedmons Haare damit in die Zange und verfuhr wie mit einem normalen, wenngleich etwas großen Glätteisen. Dabei beobachtete es sein Werk akribisch genau. Was für andere Szenenfreaks das Tätowieren von sich selbst oder anderen war, war für MetallSeadramon das Glätten von welligem Haupthaar. So ergab es sich, dass sein gigantischer Schädel während der gesamten Prozedur nur einen halben Meter von Piedmons Gesicht entfernt war.

Die Eintracht, die zwischen zwei Meistern der Dunkelheit zu jener Zeit nur selten herrschte, störte wieder einmal Puppetmon, das in dem Moment Piedmons Zirkuszelt betrat. Es war aus zweierlei Gründen schlecht gelaunt. Zum einen, weil niemand mit ihm spielen wollte, zum anderen, weil Machinedramon es heute wieder aufgrund seiner Glatze und mangelnder Gruppenzugehörigkeit gehänselt hatte. Erstens, hatte es gesagt, würde Puppetmon mit Haaren eindeutig dämlich aussehen, zweitens sähe es ohne Haare jedoch genauso dämlich aus. Drittens würde es niemals ein Metalhead werden, sondern immer ein Holzkopf bleiben. Viertens wäre es ein kleines Kind, das erst noch wachsen müsste – etwa auf Machinedramons Größe –, ehe man es ernst nehmen könnte. Fünftens hätte es ja wohl Holzwürmer. Sechstens sähe es ohne Haare dämlich aus – ja, diesen Punkt brachte Machinedramon zweimal. Siebtens wäre das Einzige an ihm, das entfernt etwas mit Metal zu tun hätte, seine Nase, und was entfernt mit Rock zu tun hätte, seine Intelligenz, die Machinedramon mit der eines Steins verglich. Achtens sähen Puppetmons Hosenträger absolut kindisch aus, neuntens wäre auch der Rest an ihm kindisch. Zehntens wäre es eine Schande für alle Meister der Dunkelheit, elftens schwach mit seinen dünnen Astärmchen, zwölftens müsste es ja wohl über sein Level lügen, da es auf keinen Fall höher als Rookie sein könnte, dreizehntens wäre es total uncool, vierzehntens ein Loser, fünfzehntens ein kleines Würstchen. Sechzehntens könnte es ja nicht mal headbangen, wenn es wollte, da sein Kopf sicher nur angeschraubt wäre und irgendwann davon kullern würde, siebzehntens müsste es sich vor jeder heißen Rockerbraut in Acht nehmen, da es allein dadurch in Brand geraten könnte, achtzehntens würde es, sollten sie einmal gegen ernsthafte Gegner kämpfen müssen, sicher als Erstes sterben, neunzehntens hätte es keine Freunde – eine Aussage, die übrigens einen tiefgehenden Komplex in Puppetmon auslöste, dem es schließlich nur mit eiserner Verdrängung beikommen konnte –, zwanzigstens wäre sogar sein Haus – damals nur eine Hütte mit zwei Zimmern – furchteinflößender als es selbst, einundzwanzigstens könnte es die Digimon-Mädels nur heiß machen, wenn man es zu Holzkohle verarbeitete, zweiundzwanzigstens wäre es ein Hinterwäldler, dreiundzwanzigstens sollte es gefälligst was arbeiten, anstatt immer nur Spiele zu spielen, und vierundzwanzigstens bedachte Machinedramon Puppetmon mit einer Behauptung, die in der Menschenwelt wohl äquivalent dazu wäre, dass es ungefähr so wichtig war wie Klopapier neben einem Pissoir.

Man muss dazu sagen, dass Machinedramon zu jener Zeit ziemlich gemein war – richtig gemein nämlich, auf jeden Fall viel gemeiner als zu Zeiten der DigiRitter. Hätte es nicht all seine Gemeinheit schon viel früher an seinen Mit-Meistern der Dunkelheit aufgebraucht, hätte es die DigiRitter allein mit einer Welle aus purer Gemeinheit töten können. Man kann sich vorstellen, dass Puppetmon an diesem Tag äußerst mies gelaunt war und die Gelegenheit daher nur zu perfekt für einen Streich fand.

Während MetallSeadramon sich mit der zweiten Hälfte von Piedmons Haaren zu beschäftigen begann, schlich Puppetmon sich von der Seite an es heran, mit einem Tuch in der Hand, das es hinter sich her zog. Zwischen MetallSeadramon, das auf dem Höhepunkt seiner Konzentrationsfähigkeit balancierte, und Piedmon, das sich einen Spiegel herbeiwünschte, um die Fortschritte an seiner megacoolen Frisur zu begutachten, schnellte Puppetmon schließlich in die Höhe. „Kommt her, spielt mit mir!“, rief es, weil ihm nichts Besseres einfiel, und schwenkte das Tuch.

Eigentlich hatte es nur vorgehabt, MetallSeadramon abzulenken. Man muss jedoch wissen, dass Piedmons Zirkuszelt kaum bis nie von ihm geputzt wurde und der Staub daher allgegenwärtig war – einer der Gründe, warum Piedmon sich in absehbarer Zeit eine Haushälterin zulegen wollte. Puppetmons Tuch wirbelte daher eine gewaltige, graue Staubwolke auf, die mächtig in MetallSeadramons Nase kitzelte.

Das Unglück war unvermeidlich. Wer MetallSeadramon einmal niesen gesehen hatte, wusste, dass das keine ungefährliche Körperfunktion war. Aus nächster Nähe pfiff Piedmon ein mittlerer Powerfluss ins Gesicht; das Donnern des Niesens ließ die Zeltplanen flattern und schließlich das ganze Zirkuszelt in sich zusammenbrechen.

Als sich die drei Meister der Dunkelheit aus dem Chaos von Stoff und Metallstangen hervor arbeiteten, tränten MetallSeadramon die Augen, der Bommel an Puppetmons Mütze war verbrannt und Piedmon Frisur war – erraten: Der Powerfluss hatte sie in einer brokkoliartigen Form nach hinten gekämmt und bewies auch einen derartigen, wenngleich unerklärbaren Einfluss auf seine Haarwurzeln, dass sie nie wieder ihr altes Aussehen annehmen würde, egal was Piedmon auch versuchte.

Vor jenem Ereignis waren alle Meister der Dunkelheit untereinander per Du. Nach diesem Tag jedoch schlug Piedmon stets ein reserviertes Ihr an, wenn es mit Puppetmon sprach, das zum Ausdruck bringen sollte: Eigentlich kenne ich dich nicht.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das war's auch schon wieder. Hoffe, es hat euch gefallen - das nächste Kapitel heißt: Der Tag, an dem Piedmon sein Kunststudium begann ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Mad-Dental-Nurse
2015-04-05T18:43:59+00:00 05.04.2015 20:43
Bwahahahahahahahaha
*Sich vorlachen vom Stuhl schmeiß* Das ist einfach zu komisch...armer Piedmon...
Von:  EL-CK
2015-04-01T07:49:15+00:00 01.04.2015 09:49
XD
Ich an Puppetmons Stelle wäre Piedmon nie mehr unter die Augen gekommen. ..
aber jetzt wissen wir zu mindestens mal wie die 4 in ihrer "Jugend" waren ;)
Von:  fahnm
2015-04-01T01:27:36+00:00 01.04.2015 03:27
So kam es also zu seiner Frisur.
Ich habe mich das immer schon gefragt wie es dazu kam. XD

Ich freue mich schon aufs nächste kapitel


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