Aus dem Leben eines Meisters der Dunkelheit von UrrSharrador (Oder: Piedmons Alltagsprobleme [Trailer online]) ================================================================================ Kapitel 2: Der Tag, an dem Piedmon keine Lust auf Spaghetti hatte ----------------------------------------------------------------- Als gemeiner Superschurke hat man es bekanntlich nicht leicht. Auf jeden Fall nicht leichter als die Streiter des Guten, die man zu bekämpfen hat. Und am wenigsten leicht hat man es, wenn besagte Streiter des Guten noch gar nicht auf den Plan getreten sind. Dann nämlich ist der Alltag eines Superschurken vor allem von Langeweile geprägt. So ergab es sich, dass, als es an der Zeit war, Gennai und seine Helfer in ihrem Versteck beim Tor zur Welt auszuräuchern und die Wappen, die sie so mühsam angefertigt hatten, zu stehlen, alle vier Meister der Dunkelheit darüber diskutieren, wer von ihnen denn nun den Vorstoß leiten sollte. Auf der einen Seite war der Angriff keine große Sache, und von einem Meister der Dunkelheit erwartete man, dass es ihm aufs Äußerste zuwider war, sich mit einem so kleinen Fisch abzugeben. Auf der anderen Seite war es, wie gesagt, im Moment stinklangweilig; es gab noch keinen Spiralberg und kein lustiges DigiWelt-Zerlegen-und-Herumschieben, und so brannte insgeheim jeder der vier darauf, die Mission für sich zu ergattern. So auch Piedmon, und die beiden Hälften seines Gesichts hätten vor Scham die Farben getauscht, hätten die anderen es auch nur ansatzweise durchschaut. Puppetmon schlug vor, die Sache ganz demokratisch durch ein Spiel zu lösen. Das war zu erwarten gewesen, und deshalb hatte Piedmon die Würfel, die sie benutzen würden, gezinkt. Manch einer wird sich fragen, wie es möglich ist, Würfel zu zinken, sodass einem selbst die höchsten Zahlen beschieden sind, aber man sollte dabei nicht vergessen, dass Piedmon nebenberuflich so etwas wie ein Zauberer war. Darum zeigten auch alle vier Würfel sechs Augen, als Piedmon sie über den Tisch in seinem alten Zirkuszelt rollen ließ. Wie gesagt gab es damals noch keinen Spiralberg, und somit auch kein Hauptquartier auf dem Spiralberg. Daher fanden die Besprechungen der angehenden Meister der Dunkelheit in einem Zirkuszelt auf irgendeinem Hügel in irgendeinem abgelegenen Teil der DigiWelt – der natürlich trotzdem irrsinnig düster und gefährlich war – statt. Die anderen warfen nur niedrige Zahlen. Machinedramon vier Zweien, MetallSeadramon vier Einsen, und Puppetmon schaffte es dank Piedmons gezinkter Würfel sogar, mit vier Würfen nur zwei Punkte zu machen. Diese erstaunliche Rechnung sollte ihm noch Jahre zu denken und letztlich den Ausschlag dafür geben, dass das Puppendigimon dem Glücksspiel den Rücken kehren und lieber zu begreiflicheren Spielen wie Räuber und Gendarm oder Mit-Bleikugeln-auf-DigiRitter-Schießen greifen würde. Wie auch immer, Piedmon gewann und durfte mit einer Horde Blechbüchsen das Labor im Keller jenen Gebäudes aufmischen, das später von einem größenwahnsinnigen, sexistischen und erstaunlich langlebigen Vampirdigimon bewohnt werden würde. Kaum dass sie eingebrochen waren, sah sich Piedmon mit einem unerwarteten Problem konfrontiert. Das Zerstören des Labors war zwar weniger langweilig als nur im Zelt herumzusitzen, allerdings trotzdem noch langweiliger als über Puppetmons Angebot nachzudenken, nach getaner Arbeit in einem Digitamamon-Restaurant Spaghetti essen zu gehen. Die Sache war nämlich die: Piedmon hatte diese Woche bereits zweimal Spaghetti gegessen, notgedrungen, weil es sich beim Zubereiten der ersten Portion bei der Menge der Nudeln gehörig verschätzt hatte. Es hatte von Spaghetti also bedingt die Nase voll. Bedingt deshalb, weil die Spaghetti von Digitamamon doch ein Stück weit anders, würziger und wohlschmeckender waren als seine eigenen. Während die Guardromon und Mekanorimon also die hilflosen Kapuzenträger in mehrere Teile schossen, wägte Piedmon gewissenhaft das Für und Wider ab. Ein Essen mit den anderen Meistern der Dunkelheit war stets lebendig und weniger langweilig, als eine traurige Single-Mahlzeit zu verzehren, allerdings wurde es mit Konsorten wie Puppetmon auch recht bald anstrengend. Das Labor war nun so gut wie ausgeräuchert. Vor Piedmon erhob sich, korrekt an eine Wand gerückt, der Glaskasten mit den DigiEiern und Wappen. Da Piedmon böse bis aufs Blut war, musste es bei Schandtaten ähnlich wenig nachdenken wie andere beim Kauen, Atmen oder Radfahren. Seine Gedanken kreisten um Spaghetti mit dunkelroter Soße, Spaghetti mit Rahm und Kräutern und Spaghetti mit so viel Parmesan, dass man davon ins Würgen kommen konnte. Die anderen drei Meister der Dunkelheit waren verrückt nach italienischer Küche. Böse Zungen behaupten, dass sie, wären die DigiRitter Italiener gewesen, sie mit offenen Armen empfangen und eine Art kulturbedingten Waffenstillstand geschlossen hätten. Nebenbei zerstörte Piedmon also das Glas vor dem Kasten, nahm die Wappen heraus und erinnerte sich daran, dass Puppetmon, als sie zuletzt auswärts essen waren, die Unverfrorenheit besessen hatte, seine Nudeln zu einem langen Strang zusammenzuknüpfen und Piedmon damit quer über den Tisch hinweg Soße ins Gesicht zu klatschen. In dem Moment fällte Piedmon die Entscheidung. Sollten sich MetallSeadramon und Machinedramon allein mit dem ungezogenen Kind herumärgern. „Nein“, sagte es bestimmt. Aufmerksame Beobachter mögen sich, lange Zeit später, als die DigiRitter den einseitigen Kampf über eine aufwändige 3D-Projektion nachverfolgten und Mimi fragte, ob sie nicht verhindern könnten, dass Piedmon die Wappen stahl, die Frage stellen, wie es sie wohl aus der Zukunft hören und ein Nein zur Antwort geben konnte, aber Tatsache ist, dass Piedmon mit seinen Gedanken rein bei peitschenden Nudeln und spritzender Fleischsoße war. Zum Abschluss lieferte es sich noch ein kleines Gefecht mit Gennai. Somit hatte der Tag doch noch ein wenig Unterhaltungswert. Dass Gennai mitsamt den DigiEiern und DigiVices ihrer schlimmsten Feinde entkam, fand Piedmon in dem Moment auch nicht weiter schlimm. Schließlich würde es noch dauern, bis es sich vor seinen Mitschurken rechtfertigen musste – und mit etwas Glück verfluchten Machinedramon und MetallSeadramon Puppetmon dann so sehr, dass Piedmons kleines Missgeschick niemandem auffiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)