Dunkles Licht von Bella91 ================================================================================ Kapitel 6: Lügen ---------------- Kapitel 6 – Lügen Was sollte das bloß? Ich hatte ihm nur helfen wollen und er verhielt sich so abweisend. Eigentlich sollte es mir egal sein, aber aus irgendeinem Grund war es das nicht. In dem Moment als mir bewusst wurde, dass er ein schwarzer Engel war, war für mich auch klar, dass er keinesfalls böse war, sondern tatsächlich Schreckliches erlebt hatte, wodurch er einen triftigen Grund hatte Engel zu hassen. In gewisser Weise verstand ich es ja. Ich war ein weißer Engel. Eben diese hatten sein ganzes Volk ausgelöscht, und wenn es stimmte was er sagte, dann völlig grundlos. Natürlich hatte er eine Grundabneigung gegen mich. Aber warum gab er sich dann überhaupt mit mir ab? Jetzt hatte er doch gar keinen Grund mehr dazu. Das einzige was mir einfiel war, dass es mit den Steinen zu tun hatte. Ich musste also abwarten, bis er mich endlich in deren Bedeutung einweihen würde, bevor ich entschied wie es weitergehen sollte. Plötzlich wurde mir bewusst das ich einfach wahllos in eine Richtung lief und so blieb ich stehen und sah mich nach Kain um. Er lief ein kleines Stück hinter mir und schloss nun zu mir auf. Irgendwie wirkte er aufgewühlt und durcheinander. Was ging bloß in seinem Kopf vor? „Ist schon richtig“, sagte er. Ich wusste sofort, dass er sich auf den Weg bezog und so lief ich weiter, wurde jedoch von einer Hand auf meiner Schulter zurückgehalten und umgedreht. Kain sah mir direkt in die Augen und sagte: „Es war mir nicht Zuwider.“ Ungefragt machte mein Herz einen kleinen Hüpfer und ich hatte keine Ahnung wieso ich mich so über seine Worte freute. Wahrscheinlich wurde ich auch noch rot. Wie peinlich. „Ist.. schon okay“, stammelte ich, etwas mit seiner plötzlichen Freundlichkeit überfordert. Vielleicht war es ihm zuvor ähnlich ergangen. Nur das er es nicht durch Verlegenheit, sondern Abweisung zeigte. Wirklich paradox. Wir liefen weiter und mittlerweile standen nur noch vereinzelt Bäume um uns herum. Diese waren aber immer noch schwarz. Jedoch wurden sie nun von der schon wieder tief am Himmel stehenden Sonne beleuchtet und schimmerten leicht silbrig, wodurch sie mystisch und sehr schön aussahen. „Ich hätte nie gedacht, dass der Wald sich soweit erstreckt!“, sprach ich nun seit einiger Zeit des Schweigens die ersten Worte. „Wir haben es fast geschafft“, entgegnete Kain und deutete dann mit der Hand in eine Richtung. „Siehst du dort vorne?“ Meine Augen suchten die angezeigte Richtung und weiteten sich dann. Das war ein Dorf oder eine Stadt. Man konnte die Dächer der Häuser bereits erkennen. „Was für ein Ort ist das?“, wollte ich wissen und Kain sah nachdenklich aus. „Ein einfaches Dorf. Hier leben hauptsächlich Menschen. Ich glaube es heißt Homs.“ „Menschen? Sind das nicht Engel die ihre Flügel verloren haben?“ Kain nickte. „Die ursprünglichen Menschen ja. Ich nehme an, die meisten von ihnen sind nur Nachkommen dieser flügellosen Engel. Verliert ein Engel seine Flügel verliert er damit auch all seine magische Energie und altert schnell. Von daher sind Menschen schwach und sterben schnell.“ „Ja, ich hörte davon. Aber ich habe nie einen gesehen“, sagte ich und schaute nun wieder in Richtung des unbekannten Dorfes. Meine Neugier war geweckt. „Na, dann, wer als erster dort ist!“, bestimmte ich und rannte los. Ich meinte ein belustigtes Schnauben hinter mir zu hören und dann preschte Kain an mir vorbei. „Hey!“, rief ich ihm hinterher, doch er wandte sich nur kurz grinsend zu mir um und lief dann unbeirrt weiter. Na warte! Ich lief so schnell ich konnte und schaffte es tatsächlich ihn einzuholen. Im Endeffekt kamen wir beide gleichzeitig vor den Dorfmauern zum Stehen und ich grinste Kain an: „Du bist ganz schön schnell!“ „So wie du“, entgegnete er und kurz versank ich in seinen silbernen Augen, die direkt auf mir lagen. Mühsam wandte ich den Blick ab und fragte mich was nur mit mir los war. Ich musste zugeben, dass mich Kain auf irgendeine Art und Weise faszinierte. Ich sollte ihm vermutlich nicht vertrauen, immerhin hatte er mich entführt. Aber er hatte mir jetzt auch schon zweimal geholfen und außerdem hatte er einen guten Grund gehabt bisher den Dämonen zu dienen. Und nach den wenigen Sachen die Kain mir bisher erzählt hatte begann ich bereits zu zweifeln, ob die Grenze zwischen Gut und Böse wirklich so einfach zu erkennen war. Wenn das was Kain sagte wahr war, wäre dann nicht mein Vater derjenige der falsch gehandelt hatte? Ich war mir nicht sicher was ich glauben konnte oder sollte. Vielleicht war es traurig, aber ich traute meinem Vater durchaus zu, grundlos oder nur aus Angst ein ganzes Volk auszulöschen. Obwohl viele Engel eine Verbindung mit Dämonen wohl schon als Bedrohung ansehen würden. Aber mir gefiel das was Kain angedeutet hatte. Das Ende eines Jahrhunderte andauernden Zwistes. Frieden zwischen Engeln und Dämonen. Aber war das möglich? „Hey! Hör auf zu träumen! Du musst mit den Wachposten sprechen!“, fuhr mich plötzlich Kain an und ich schenkte ihm einen vorwurfsvollen Blick, bevor ich fragte: „Wieso ich?“ Nicht, dass es mich stören würde, nur hatte er sicher mehr Ahnung davon wie die Dinge hier in diesem Dorf abliefen. „Manchmal denke ich wirklich..“, begann er, brachte den Satz jedoch nicht zu Ende. Das war vielleicht auch besser so. Er seufzte. „Ich bin nicht gerade vertrauenerweckend. Du hingegen bist ein weißer Engel. Ihr habt Heilkräfte und besonders Menschen, die anfällig für Krankheiten sind verehren euch. Sie lassen dich sicher rein.“ Mir entging nicht sein abfälliger Ton, aber jetzt da ich verstand wieso er so redete, konnte ich es ihm nicht übel nehmen. Es gefiel mir nicht sonderlich, dass er mich herumkommandieren wollte, aber er hatte Recht und so ging ich die Dorfmauer entlang und sah schon bald ein großes Tor, vor dem zwei Personen standen. Langsam und etwas unsicher näherte ich mich ihnen, wobei Kain sich ein Stück hinter mir hielt. Während ich auf die Wachen zuging, deren Augen sich weiteten, als sie mich sahen, konnte ich nicht umhin mich zu fragen wozu sie eine so große und hohe Mauer brauchten. Obwohl wenn Menschen so schwach waren, dann wohl zum Schutz vor Dämonen und vielleicht auch Engeln. Ich wusste es nicht mit Sicherheit, aber in dieser Welt, in der es hauptsächlich um Ränge ging, besaßen Menschen sicherlich nicht viel Ansehen. Die beiden Männer hielten lange mit Spitzen versehene Stöcke in der Hand und kreuzten diese, als ich beinahe vor ihnen stand. „Halt!“, riefen beide und ich hielt wie befohlen inne, während ich neugierig die Waffen in ihrer Hand musterte. Ich hatte im Dorf davon gehört, aber wir hatten nicht die Materialien um so etwas herzustellen und hinzukam, dass Vater immer sagte, Engel seien zu mächtig um sich mit etwas Niederen wie einfachen Waffen zu verteidigen. Aber für den Nahkampf konnte so etwas sicher praktisch sein. „Was wollt ihr?“, fragte einer der Männer. „Ich bitte um Einlass“, sagte ich und der Mann warf einen unsicheren Blick zu seinem Partner. „Er hat weiße Haare“, sagte der so indirekt Gefragte leise. „Das sehe ich! Aber..“, dann verstummte er, als sei ihm bewusst geworden was das bedeutete. „Das kann nicht sein. Die Weißen sind schon lange verschwunden“, sagte er verblüfft und ich nutzte meine Chance. „Ich bin ein weißer Engel. Wenn ihr mich und meinen Begleiter einlasst, bin ich bereit Kranke oder Verletzte in eurem Dorf zu heilen. Wir wollen uns nur ausruhen.“ Wieder tauschten die beiden Männer einen Blick aus, dann sagte der linke Wachposten: „Dann beweise es.“ Ich brauchte nicht zu fragen wie. Ich konzentrierte die Energie in mir und nahm meine wahre Gestalt an. Ich schlug leicht mit den schneeweißen Flügeln, in der Hoffnung noch imposanter auszusehen. Hoffentlich würde Kain recht behalten und sie verehrten weiße Engel. Die Münder der beiden Wachposten klappten auf und ich schmunzelte leicht. „Tatsächlich“, sagte der Mann der zuvor auch den Beweis gefordert hatte. „Ich dachte ihr wärt alle Tod. Wenn ihr uns wirklich freundlich gesinnt seid, dann wartet bitte einen Moment. Die Entscheidung, ob ihr Eintreten dürft liegt nicht bei mir.“ Mit diesen Worten verschwand er und der andere Wachposten blieb allein zurück. Er sah mich gleichermaßen fasziniert wie misstrauisch an. Schnell ließ ich die Flügel wieder verschwinden und wandte mich Kain zu. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte finster drein. Als er meinen Blick bemerkte sagte er: „Das ist alles viel zu umständlich. Wir sollten einfach weitergehen und draußen übernachten.“ „Es wird sicher nicht lange dauern“, versuchte ich ihn zu beschwichtigen, doch Kain schnaubte nur. Geduld war wohl nicht gerade seine Tugend. „Du bietest diesen Schwächlingen Hilfe an und sie haben nichts Besseres zu tun, als dir zu misstrauen. Das ist dumm“, regte der Halbdämon sich auf und ich schüttelte nur den Kopf. „Sie sind nur vorsichtig. Gerade weil sie schwach sind“, entgegnete ich ruhig. „Wie auch immer“, sagte Kain und sah genervt in Richtung Tor. Ich konnte ihn schon verstehen. Auch ich wollte jetzt endlich dort hinein. Die Aussicht in einem Bett zu schlafen war sehr verlockend, nachdem wir den letzten Tag nur mit kurzer Unterbrechung durchgewandert waren. Gerade als ich das dachte kam die Wache zurück und nickte uns zu: „Willkommen in Homs!“ Er verbeugte sich galant und fügte dann hinzu. „Auf dem Hauptplatz erwartet euch jemand der euch eure Gemächer zeigen wird. Wir geben euch unsere besten Zimmer. Aber ihr müsst Morgen wie versprochen die Kranken in unserem Dorf behandeln.“ „Natürlich. Vielen Dank“, sagte ich und schritt gemeinsam mit Kain, durch das nun freigegebene Dorftor. Ich betrachtete interessiert die Häuser, doch diese unterschieden sich kaum von denen in meinem Dorf und so wanderte mein Blick wie von selbst zu etwas grünem, dass ich im Augenwinkel sah. Es waren Bäume. Viele nebeneinander, die den Rand einer breiteren Straße säumten. Aber das war für mich nicht das faszinierende, sondern die Tatsache, dass sie grüne Blätter hatten. Es waren die normalen Bäume von denen die Älteren im Dorf erzählt hatten und sie waren noch viel schöner, als ich sie mir vorgestellt hatte. „Noch nie Bäume gesehen?“, hörte ich Kains spottende Stimme neben mir, aber ich wandte den Blick nicht von den Bäumen ab. „Ah. Keine normalen“, beantwortete er sich seine, ziemlich dumme Frage, selber. „Wie faszinierend das für dich auch ist, wir sollten unseren Schlafplatzzuweiser nicht warten lassen.“ Nun sah ich den Halbdämon doch an und kam nicht umhin mich zu fragen, ob er sich nur ausruhen wollte und deshalb so drängte. Immerhin hatte er vielleicht gerade mal eine Stunde geschlafen, bevor die Dämonen angriffen. Die tiefen Ringe unter seinen Augen bekräftigten mich in diesem Gedanken. „Okay“, entgegnete ich und so setzten wir unseren Weg fort. Zum Glück war das Dorf nicht sehr groß. Immer noch wesentlich größer, als mein zu Hause, aber es war zu mindestens nicht allzu schwierig den als Treffpunkt genannten Hauptplatz zu finden. Dazu mussten wir nur die Straße entlanggehen, die ich zuvor noch so fasziniert gemustert hatte. Es war ganz interessant die verschiedenen Reaktionen der Menschen auf mich und Kain zu beobachten. Einige waren ganz offensichtlich neugierig. Sie starrten regelrecht oder blieben sogar stehen. Aber keiner von ihnen traute sich uns anzusprechen. Andere, und das erschreckte mich, schienen Angst zu haben und gingen mit gesenkten Köpfen und größtmöglichen Abstand an uns vorbei. Als wir den Hauptplatz erreichten, der im Prinzip eine große, freie Fläche mit Bänken und noch mehr ungewöhnlichen, grünen Bäumen war, kam uns sofort ein junger Mann entgegen, der furchtbar aufgeregt wirkte. Wenn man bedachte, dass diese Menschen keinerlei magische Fähigkeiten mehr besaßen musste es für sie auch spannend sein einem Engel gegenüber zu stehen. „Herzlich willkommen in Homs!“, sagte er, ich nickte und entgegnete: „Es freut mich, dass ihr uns in eurem Dorf willkommen heißt.“ Na ja, in solchen Situationen machte sich wohl meine gute Erziehung bemerkbar. Der Fremde schien etwas verblüfft, strahlte dann jedoch. „Ich werde euch zu euren Zimmern geleiten. Ich finde es ist eine Schande, dass man euch nicht sofort eingelassen hat." Seine Augen wanderten jedoch vor allem bei dem Wort „Euch“ zu Kain und bekamen einen deutlich misstrauischen Ausdruck. „Und euer Begleiter ist?“, wollte der Mann nun wissen, doch bevor ich irgendetwas sagen konnte, antwortete Kain mit einem Knurren: „Das geht dich gar nichts an.“ Ich schüttelte den Kopf und sagte: „Er ist sehr müde und erschöpft. Bitte nehmt ihm sein Verhalten nicht übel.“ Der Mann nickte nur, deutlich irritiert, und bedeutete uns dann ihm zu folgen. Offenbar würde er es fürs erste nicht mehr wagen etwas zu sagen. „Was hat er dir denn getan?“, wollte ich von dem Halbdämon wissen. „Nichts“, sagte dieser jedoch nur und den Rest des Weges folgten wir dem Menschen schweigend. Manchmal konnte ich Kain einfach nicht verstehen. Einen Moment konnte er wirklich nett sein und dann wieder vollkommen abweisend. Als wir die Zimmer erreicht hatten verschwand der Mensch hastig und mir war klar, dass er sich vor Kain fürchtete. Dieser ging, nachdem er mir knapp zugenickt hatte, sofort in seinen Raum und ließ mich etwas irritiert zurück. Gut, dann mussten die Erklärungen wohl bis Morgen warten. Ich betrat nun ebenfalls mein Zimmer und war wirklich überrascht wie schön es war. Ein großes, gemachtes Bett stand im Zentrum des Raumes. Eine Tür führte zu einem Balkon, auf den ich hinaustrat und zufrieden die angenehme, frische Luft einatmete und kurz den Ausblick über den ganzen Ort genoss. Dann ging ich jedoch wieder hinein und untersuchte eine weitere Tür. Hinter dieser verbarg sich ein Badezimmer und ich strahlte über das ganze Gesicht, als ich sah, dass die Badewanne bereits mit Wasser gefüllt worden war. Denn das war eine ziemlich mühselige Arbeit, von der ich froh war, dass sie mir erspart blieb. Ich zog mich rasch aus und ließ mich in das warme Wasser gleiten. Das war einfach nur herrlich. Ein wenig Essen und Trinken hatte ich unterwegs von Kain bekommen. Er hatte eine kleine Tasche, die an seiner Kleidung befestigt war und diese wurde ihm von den Dämonen nicht abgenommen. Daher hatten wir zu mindestens ein wenig Proviant gehabt, aber ich hoffte, dass wir hier noch die Gelegenheit bekommen würden unsere Verpflegung aufzustocken. Oder auch nur ich, falls meine Reise von hier aus allein weitergehen würde. Sich jetzt waschen zu können war genau das was ich gebraucht hatte. Ich hatte mich bereits dreckig und unwohl gefühlt. Immerhin hatte ich seit Tagen kein Bad genommen. Ob Kain wohl gerade dasselbe tat? Als ich das dachte zuckte ich etwas erschrocken zusammen und spürte Hitze in meine Wangen aufsteigen. Ich verlor wohl langsam wirklich den Verstand, wenn ich bereits anfing mir einen Mann in der Badewanne vorzustellen. Nicht, dass das ein Bild wäre was ich noch nie gesehen hatte. „Denk an was anderes Ayden“, sagte ich mir selbst, um mich von den äußerst irritierenden Gedanken abzulenken. Und jetzt wo es so ruhig war und ich mich sicher fühlte, stieg sofort wieder Sorge um meine Freunde in mir auf. Mittlerweile glaubte ich schon, dass Teran Kains Angriff überlebt hatte. Der Halbdämon mochte weiße Engel ja hassen, aber ich hielt ihn nicht für einen Lügner. Vielleicht war es dumm, aber wenn er sagte, er habe Teran nicht getötet, dann glaubte ich ihm das. Aber eine kleine Stimme in mir sagte, dass ich misstrauischer sein sollte. Denn, wenn Kain ein schwarzer Engel war und Engel über alles hasste, was veranlasste ihn dann dazu, sich gegen die Dämonen zu stellen? Irgendwie wollte alles nicht wirklich Sinn ergeben. Warum misstraute das Halbgesicht Kain, wenn ihm doch klar sein müsste, dass dieser sich niemals auf die Seite der Engel schlagen würde? Dass er es jetzt anscheinend doch tat, hatte Danur doch nur durch sein Verhalten bewirkt. War der König der Dämonen tatsächlich so dumm oder steckte etwas gänzlich anderes dahinter? Nur was? Ich wusste es nicht und mir blieb wohl nichts anderes übrig als abzuwarten, bis Kain mir mehr erzählen würde. Ich tauchte kurz unter und durchwuschelte meine Haare mit dem seifigen Wasser. Und dann war da ja auch noch Shana. Sie starb wahrscheinlich gerade vor Sorge und ich hasste mich dafür sie im Stich gelassen zu haben. Ich musste irgendwie zurück ins Dorf oder sie zu mindestens wissen lassen, dass ich lebte und dass soweit alles okay war. Wenn Teran wirklich Recht hatte und sie mich liebte, war mit meinem Verschwinden sicher ihr Herz gebrochen. Ich hatte zwar nicht wirklich gewusst wie ich mit ihren Gefühlen umgehen sollte, aber ich wollte sie nie verletzen. Ich seufzte und stieg schließlich aus der Badewanne, da meine Hände bereits schrumpelig wurden. Als ich mich in das gemütliche Bett legte drehten sich meine Gedanken noch eine ganze Weile im Kreis, bevor ich endlich Schlaf fand. Am nächsten Morgen klopfte ich sofort an Kains Zimmertür, nachdem ich mich angezogen hatte. Es dauerte eine Weile, doch dann öffnete mir der Schwarzhaarige. Sein etwas längeres Haar hing ihm wirr ins Gesicht und er trug nur seine Hose. Er war wohl gerade erst aufgestanden. Ungefragt wanderten meine Augen über seinen nackten Oberkörper. Ich war fasziniert von seinen doch recht ausgeprägten Muskeln und komischerweise machte mein Herz einen kleinen Hüpfer. Aber auch hier war nichts Auffälliges, nichts Dämonisches zu entdecken. „Genug gestarrt?“, fragte Kain, woraufhin ich sicherlich schon wieder rot anlief. Verdammt, was war in letzter Zeit nur mit mir los? Ich führte mich ja auf wie ein verknalltes Mädchen! Oh nein, hatte ich das gerade gedacht? Das war absoluter Blödsinn. Kain sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und schließlich lief ich an ihm vorbei in sein Zimmer. „Ich wollte nur, dass du mir endlich alles erklärst, bevor ich ins Dorf gehe, um mein Versprechen einzulösen.“ Er sah mich leicht nachdenklich an, dann sagte er: „Okay, dass dauert aber sicher einen Moment.“ „Ich denke ich habe noch etwas Zeit“, entgegnete ich und er nickte. Ich sah mich etwas unsicher im Zimmer um, da ich außer dem Bett keine weitere Sitzgelegenheit entdecken konnte. Kain musste es wohl bemerkt haben, denn er deutete auf eben dies und sagte: „Setz dich ruhig.“ Ich kam seinem Angebot nach, doch der Halbdämon machte keine Anstalten sich ebenfalls niederzulassen. Er lehnte sich lässig gegen die Wand und ich merkte deutlich wie seine Augen zu meinem Hals wanderten. Erst war ich etwas irritiert, aber dann wurde mir klar, dass er die Kette und den kleinen Stein musterte, der an ihr baumelte. „Vielleicht hast du von der Geschichte schon gehört“, begann er schließlich und sah mir nun in die Augen. „Ein Dämon, eingeschlossen, versiegelt in Steinen, da er zu mächtig war, um ihn zu besiegen.“ Er hielt kurz inne und ich runzelte leicht verwirrt die Stirn. „Aber das ist doch eine alte Legende. Das ist nicht wirklich passiert.“ Er zuckte mit den Schultern. „Das ist was heute viele denken. Tatsache ist, der Stein oder eher die Steine die wir beide tragen, sind nicht normal. Dein Stein kann von Niemandem außer dir berührt werden. Das ist wahrscheinlich der einzige Grund warum du noch lebst. Ansonsten hätte Danur ihn dir einfach abgenommen und eigenmächtig versucht den Dämon wiederzuerwecken.“ Das war es was die Dämonen vorhatten? Sie wollten einer alten Legende nachjagen und einen uralten Dämon wieder erwecken, um die Engel zu vernichten? „Das heißt, die Dämonen glauben, die Steine, die wir beide tragen, beherbergen die Seele dieses mächtigen Dämons“, stellte ich fest und Kain nickte. „Sie sind fest davon überzeugt. Und auch ich glaube daran. Dieser Stein strahlt eine ungewöhnliche Macht aus. Wir beide tragen die zwei Hälften der Seele des mächtigsten Dämons der je gelebt hat bei uns und Danur wird nicht eher ruhen bis er sie zurückbekommt.“ Ob ich nun daran glaubte oder nicht, nach allem was ich im Palast der Dämonen erlebt hatte, stimmte das, was Kain sagte eindeutig. Die Dämonen mussten wirklich davon überzeugt sein, dass die Steine, die wir bei uns trugen, die Seele eines mächtigen Dämons beherbergten. Und das würde auch erklären warum Danur Kain eingesperrt hatte, obwohl dieser bis vor kurzem ganz offensichtlich auf seiner Seite gewesen war. Er wollte einfach kein Risiko eingehen. „Aber was können wir dann tun?“, fragte ich und sah Kain an. Dieser atmete einmal tief ein. Dann sagte er: „Darüber denke ich jetzt schon eine ganze Weile nach. Ich.. Bis vor kurzem war ich mir sicher, dass ich Danur helfen würde die Steine zusammenzufügen. Ich gebe offen zu, dass ich allein schon aus Rache bereit dazu gewesen wäre. Aber Danur hat mich verraten und somit habe ich jetzt auch keinen Platz mehr bei den Dämonen.“ Er lief kurz ein Stück auf und ab und mir fiel auf, dass er mich mittlerweile nicht mehr direkt ansah. Vermutlich fiel es ihm schwer über diese Dinge zu reden. „Eine Herrschaft der Dämonen bringt mir keine Freiheit, aber auch wenn die der Engel bestehen bleibt ändert sich für mich nichts. Ich weiß nicht, was richtig ist. Tatsache ist aber, dass wir irgendetwas tun müssen. Die Dämonen werden nicht aufgeben und wenn wir nicht ewig auf der Flucht sein wollen, dann bleibt uns nur eine Wahl. Entweder wir fügen die Steine zusammen und erwecken damit einen mächtigen Dämon oder wir versuchen sie irgendwie zu zerstören und all dem damit ein Ende zu setzen.“ „In dem Fall ist meine Entscheidung klar. Ich kann dir unmöglich dabei helfen einen Dämon zu erwecken, der dann vielleicht Tausende von unschuldigen Engeln tötet. Ich weiß nicht, ob ich glauben kann, dass dieser Stein tatsächlich die Seele eines Dämons in sich trägt“, und bei diesen Worten drehte ich den kleinen, glatten Stein zwischen meinen Fingern hin und her. „Aber die Dämonen glauben daran und deshalb müssen wir wohl wirklich handeln.“ Ich meinte Kains Motive mittlerweile ziemlich gut zu verstehen. Er hatte seine Heimat und seine Familie verloren. Dann wurde er von Dämonen aufgenommen, in deren Obhut sein Hass gegen Engel nur noch mehr geschürt wurde. Nur, um dann, von eben diesen verraten zu werden. Ich verstand, dass er unsicher war. Dass er verwirrt war, weil alle Ideale für die er jahrelang gelebt hatte ins Wanken gerieten. Wem sollte er helfen, wo war sein Platz in der Welt? Ich musste zugeben auch ich war durcheinander. Mein Vater konnte im Hinblick auf die schwarzen Engel sicherlich gelogen haben. Und vielleicht waren Dämonen auch nicht abgrundtief böse. Aber einen Dämon zu erwecken, der der Legende nach in der Vergangenheit unermüdlich gekämpft hatte, um alle Engel zu vernichten konnte nicht richtig sein. Das war nicht der richtige Weg. „Für mich kommt nur eins in Frage. Die Steine zu zerstören“, sagte ich fest und suchte Augenkontakt mit Kain. Ich sah regelrecht wir er mit sich selbst zu kämpfen hatte. Doch dann kam mir ein Gedanke. „Aber das heißt ja nicht, dass das der Untergang der Dämonen sein muss. Würde dieser Dämon wieder erwachen, dann käme es unweigerlich zum Krieg. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es das ist, was du dir wünschst. Damals im Wald hast du von Frieden gesprochen, dass es das war was sich dein Volk gewünscht hat. Vielleicht erscheint es jetzt beinahe unmöglich dieses Ziel zu erreichen, aber damit es passieren kann, müssen die Steine zerstört werden.“ In dem Moment, als ich die Worte aussprach war ich vollkommen von ihrer Richtigkeit überzeugt. Kain jedoch schien wütend. „Woher willst du wissen, was ich mir wünsche!?“, knurrte er beinahe, aber ich ließ mich davon nicht beeindrucken. Diese Reaktion zeigte mir eher, dass ich richtig lag. Er versuchte schon wieder mich zurückzuweisen und ich war mir ziemlich sicher, dass er es deshalb tat, weil ich Dinge in ihm anrührte, deren er sich selbst vielleicht nicht mal bewusst war. „Ich habe nur gesagt, dass ich denke, dass es so ist“, entgegnete ich ruhig. Er schüttelte den Kopf, noch immer deutlich verstimmt. „Schön. Für mich ist es egal was wir machen und da wir zusammenarbeiten müssen, zerstören wir die Steine.“ Hosted by Animexx e.V. 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