Nach dem Regen von Alaiya (Ruki X Ryou) ================================================================================ Teil III: Unter Fischen ----------------------- „Wir dürfen keine Digimon hier herein lassen“, sagte die Kassiererin und beäugte Renamon und Monodramon nicht ohne Misstrauen. „Das tut mir wirklich sehr leid, aber wir dürfen es nicht.“ „Aber die beiden leben schon lange in der realen Welt“, protestierte Ryou. „Sie tun nichts.“ „Ich kann daran nichts ändern“, erwiderte die Dame in der Uniform des Aquariums nur. „Es sind die Vorschriften. Das tut mir wirklich sehr leid.“ Nun, Ruki musste zugeben, dass sie es verstehen konnte. Denn auch wenn sie sich sicher war, dass Renamon nichts tun würde – immerhin hätte es auch keine Probleme in das Aquarium zu kommen, ohne, dass es jemand merkte – so war sie sich bei Monodramon nicht sicher. Das kleine Drachendigimon neigte dazu sehr impulsiv zu handeln und wenn sein Impuls war, dass es Hunger auf Fisch hätte, so wäre es wohl schneller im Wasser, als es überlegen konnte, ob es überhaupt schwimmen konnte. „Lass uns woanders hingehen“, meinte Ruki halblaut zu Ryou. Nicht, dass sie generell ein Problem damit hatte, sich längere Zeit von Renamon zu trennen. Sie hatte auch keine Zweifel daran, dass ihr Partner für eine Weile Monodramon im Auge behalten konnte. Doch der Gedanke, für eine Stunde oder sogar noch länger ohne Begleitung der Digimon mit Ryou zusammen zu sein, bereitete ihr Unbehagen. „Ich kann auf Monodramon aufpassen“, bot Renamon an, als könnte es Rukis Gedanken lesen. Nun, zumindest kannte es sie gut genug, um tatsächlich sehr gut erahnen zu können, was sie dachte. „Aber…“, setzte Ruki an und warf Renamon einen vorwurfsvollen Blick zu. „Das ist nett von dir, Renamon“, meinte Ryou nur rasch. Er öffnete sein Portemonei, das er ohnehin schon in der Hand hatte, und drückte Renamon einen Schein in die Hand. „Ihr könnt euch etwas zu essen kaufen.“ „Ich wollte aber Fische sehen!“, protestierte Monodramon. Ruki sah es an und erinnerte sich nur zu gut, dass es vor ein paar Minuten noch alles andere als begeistert von der Idee gewesen war, ins Aquarium zu gehen. „Wir können auch in Tokyo ins Aquarium gehen“, murmelte sie. Doch auf der anderen Seite war ein Aquariumsbesuch wohl noch immer besser, als mit Ryou in einem Hotelzimmer zu hocken. „Es macht mir wirklich gar nichts“, erwiderte Renamon und hob ohne große Schwierigkeiten Monodramon hoch. „Vielen Dank, Ryou.“ Damit verschwand der Geldschein auf scheinbar magische Weise aus seiner Pfote und im nächsten Moment waren auch die beiden Digimon verschwunden. „Verräter…“, flüsterte Ruki leise, während Ryou für sie beide Eintrittskarten kaufte. Sie waren nun vor etwa drei Stunden in Kyoto angekommen und hatten ihre Sachen zum Hotel – ein kleines Ryokan im Westen der Stadt – gebracht. Doch noch immer regnete es draußen in Strömen, weshalb Sighseeing keine angenehme Aussicht darstellte, so dass Ryou entschlossen hatte, sie ins Aquarium einzuladen. Zugegeben: Sie war nie im Aquarium Kyotos gewesen, obwohl sie die Stadt selbst bereits zwei Mal besucht hatte, doch letzten Endes sahen doch die meisten Aquarien in Japan gleich aus und zudem befand sie, dass sie eigentlich aus dem Alter heraus war, indem man seine Nase an einer Glasscheibe plattdrückte, um ein paar Fische in einem Becken im Kreis schwimmen zu sehen. Sie war sich natürlich dessen bewusst, dass Aquarien dank ihrem ruhigen Ambiente ein beliebter Ort für Dates waren, doch letzten Endes kam bei ihr auch jetzt kein wirkliches Date-Gefühl auf. „Ist der Gedanke so schlimm?“, fragte Ryou, während sie gemeinsam zum eigentlichen Eingang des Aquariums gingen. Ruki erwiderte nichts und sagte auch nichts, als Ryou nach ihrer Hand griff. Stattdessen sah sie auf den Boden vor ihren Füßen, während sie weitergingen. Ein junger Mann kontrollierte ihre Eintrittskarten und dann betraten sie die eigentliche Ausstellung, die direkt mit einem künstlich nachgebauten Flussbett auf ihrer linken Seite begann. Einige Kinder, die offenbar bereits Schulschluss hatten und nun mit ihren Eltern den Beginn der Ferien feierten, knieten neben der Glaswand, in der das künstliche Flussbett endeten und betrachteten die recht farblosen Fische, die hier herumschwammen, während andere schwer beeindruckt auf einen der riesigen Flusssalamander starrten. „Ich frage mich, ob es irgendwann auch einmal Digimon Aquarien geben wird“, meinte Ryou scherzhaft. „Ja. Das wäre eine ausgezeichnete Idee. Ein paar Digimon miteinander einsperren“, entgegnete Ruki trocken und fragte sich, wie viele Minuten das Gebäude stehen bleiben würde – wahrscheinlich nicht besonders lange. „War doch nur ein Scherz, Ruki“, erwiderte Ryou beschwichtigend. „Ich weiß.“ Ruki seufzte. „Tut mir leid.“ „Schon gut.“ Auch Ryou seufzte und sah weiter auf das künstliche Flussbett, während eins der Kinder begeistert aufschrie, weil es eine Krabbe auf dem Grund entdeckt hatte. „Weißt du, ich denke nur, es wäre wirklich schön, wenn Kinder mehr über Digimon lernen könnten“, meinte Ryou, nachdem er das Treiben eine Weile lang beobachtet hatte. „Jetzt wo die beiden Welten miteinander verbunden sind…“ „Vielleicht“, murmelte Ruki und wandte sich um weiter zu gehen. Ryou folgte ihr, als sie in Richtung der nächsten kleinen Attraktion des Aquariums – dem Becken mit verschiedenen Meeressäugern ging. Auch hier standen einige Kinder und beobachteten die Tiere, nicht ohne lautstark alles kundzutun, das ihnen in den Sinn kam. Diese Bekundungen reichten von „Süß“, über „Wow“, hinzu „Gruselig“, als eine der Robben ihre Zähne zeigte. „Muss ganz schön langweilig sein“, murmelte Ruki, während sie eins der Tiere betrachtete, das auf einem Felsen über dem Wasser lag und zu schlafen schien. „Den ganzen Tag so herumzuliegen…“ „Glaub mir“, erwiderte Ryou, „ich verstehe das zu gut.“ Ruki sah ihn von der Seite an und verstand wovon er sprach. „Willst du wieder in die digitale Welt zurück?“, fragte sie. Er senkte den Kopf. „Das ist es nicht, was ich meine…“ Doch sie wusste, dass er log. Vielleicht konnte sie es sogar etwas verstehen. Die digitale Welt hatte vollkommen andere Regeln oder viel eher hatte gar keine Leben für das alltägliche Leben. Sie bot eine Freiheit, die es in der realen Welt nicht gab. Ruki selbst verspürte keine übermäßige Sehnsucht nach dieser Freiheit, doch sie wusste, dass Ryou anders dachte. Und nachdem er beinahe zwei Jahre seines Lebens in jener Welt verbracht hatte, konnte sie es ihm nicht verdenken. „Ich werde nicht in die digitale Welt zurückgehen“, murmelte er leise, so dass bei dem Krach, den die Kinder um sie herum machten, niemand sonst ihn hörte. Er drückte ihre Hand und sah sie matt lächelnd an. „Ich will bei dir bleiben, Ruki. Ohne dich, werde ich nicht in die digitale Welt zurückkehren.“ Für einen Augenblick sah Ruki ihn an, ehe sie wieder die Robbe betrachtete, die faul auf dem künstlichen Felsen lag. Sie bekam ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihn so reden hörte, denn sie wusste zu gut, dass er sie tatsächlich aus tiefstem Herzen liebte – selbst wenn er dieses Wort so nicht benutzte. Und sie wusste, dass sie ihn nie würde auf dieselbe Art lieben können, dass sie ihre Beziehung auch vor ihrem Geburtstag schon anders gesehen hatte als er. Vielleicht, sagte eine leise Stimme in ihrem Kopf, vielleicht solltest du es beenden. Vielleicht war es besser für sie beide, wenn sie einen Schlussstrich zog. Dann wäre er wieder frei und sie… Ja, und sie? Sie spürte die Wärme seiner Hand, die noch immer die ihre hielt. Sie fühlte sich so vertraut an. „Lass uns weitergehen“, meinte sie und bereitwillig folgte Ryou ihr, weiterhin ihre Hand haltend. Doch der Gedanke ließ Ruki auch nicht los, während sie die Pinguine im nächsten Becken beobachteten, die gerade gefüttert wurden und dabei – so musste es sogar sie zugeben – sich sehr niedlich gaben. Auch als sie die bunten Korallenfische in der unteren Etage des Aquariums beobachteten, kam sie nicht umher, den Gedanken in ihrem Kopf hin und her zu wälzen. „Ryou“, begann sie, während sie vor einer mit Wasser gefüllten Säule standen, in der eine Qualle langsam aufwärts schwamm. Er wandte sich ihr zu und lächelte sie an. Er lächelte auf diese sanfte Art, auf die er nur manchmal lächelte – meistens grinste er viel eher frech und herausfordernd. „Ja?“ Sie starrte ihn für einige Momente lang an, brachte aber kein Wort heraus. Wie konnte sie Schluss mit ihm machen, wenn sie doch noch immer Gefühle für ihn hatte. Auch wenn sie so nicht glücklich war, tat der Gedanke daran weh. Nein, das war es auch nicht, was sie wollte. „Es ist nichts“, murmelte sie. Er küsste sie auf die Wange. „Okay.“ Dann gingen sie weiter, während seine Hand noch immer die ihre hielt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)