Aeonar von Phinxie (Willkommen im berühmtesten Magiergefängnis Thedas') ================================================================================ Kapitel 4: Schrecken -------------------- Vor zwei Wochen. Anders tappte weiterhin durch das schummrige Licht der dritten Etage. Immer wieder drehte sich der abtrünnige Magier um, weil er glaubte, etwas hinter sich gehört zu haben; doch nie war etwas zu sehen. Wahrscheinlich wurde er noch paranoid aufgrund der vergangenen, quälenden Stunden, aber davon würde sich der Magier nicht abschrecken lassen. Oh, niemals im Leben würde er sich den Blechbüchsen beugen, niemals im Leben würde er vor dem hässlichen Narbengesicht in die Knie gehen. Denn natürlich wollten sie nur das mit der Gefangennahme erreichen; der Anderfelser hatte ja die apathisch wirkenden Gefangenen auf der ersten Etage gesehen. Immer wieder hatte der Blondschopf in den unendlich wirkenden Weiten des Irrgartens abgeschlossene, leere Zellen entdeckt. Ja, einmal hatte er sogar seinen eigenen kleinen, schwarzen Schlüssel hervorgeholt und ihn probeweise in eines der Schlösser gesteckt. Der Schlüssel hatte gepasst, sich aber nicht drehen lassen. Aber er schien aus dem gleichen Metall wie die Gitterstäbe zu bestehen und irgendetwas in dem blonden Kopf sagte dem eingesperrten Magier, dass irgendeine dieser leeren Zellen für ihn bestimmt war. Warum aber sollte er sich einsperren, wenn er frei herumlaufen konnte? Lächerlich. Beinahe hätte der Abtrünnige laut aufgelacht, doch er verkniff es sich; er war sich sicher, dass er nicht der einzige Mensch hier unten war und würde sich nicht verraten, indem er das Gefängnis und die Belegschaft verspottete. Also war Anders weitergegangen, mit tapsenden Schritten. Irgendwann – der Blondschopf hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war – hatte er sich auf dem nassen Boden niedergelassen. Seine dünne Hose war natürlich sofort durchgeweicht und die nasse Kälte kroch seine Knochen hoch, umarmte ihn unerbittlich und wollte ihn nicht wieder loslassen. Oh, bei Andrastes flammenden Untergewand… Der Geistheiler würde sich hier unten noch erkälten, so viel stand fest. Sein Atem stieg in der Kälte als weißer Dunst auf und der erschöpfte Magier lehnte den Kopf an die schwarzen Steine. Blöde Templer. Blödes Narbengesicht. Blöder Cullen. Der Gedanke an den ehemaligen Templer stimmte den Anderfelser traurig und gleichzeitig wütend. Oh, wie der Kommandant der Inquisitionstruppen ihn behandelt hatte! Das war einfach nur unerhört gewesen! Anders konnte sich nur allzu gut an jenen erinnern, wie er nackt über ihm gelegen hatte, um immer wieder wild und animalisch in ihn hineinzustoßen, damit er seinem Frust über den Korb vom Inquisitor freien Lauf lassen konnte. Wie der Krieger den Magier unter sich angeschaut hatte, wie sich seine kurzen Fingernägel in seine Haut gegraben hatte und wie der durchtrainierte Körper schließlich erzittert war, als jener zum Höhepunkt gekommen war. Und Anders hatte es genossen, oh ja. Niemals würde er den Blick der haselnussbraunen Augen vergessen, wie diese ihn angesehen hatten, während sich der schwitzende Anders unter ihm vor Lust gewunden hatte. In jenem Augenblick hatte sich der Abtrünnige wirklich in den ehemaligen Templer verliebt. Und er verfluchte sich dafür; natürlich hatte er den Krieger schon vorher anziehend gefunden, doch erst in jener verhängnisvollen Nacht hatte sich der Mann seine fragwürdigen Gefühle für den Soldaten eingestanden. Und, dumm und naiv wie er gewesen war, hatte er natürlich geglaubt, dass Cullen seine Gefühle erwiderte. Aber darin hatte sich der Anderfelser geirrt. Als Cullen ihn zu sich ins Büro gerufen hatte, hatte der Blondschopf nicht geahnt, was jener von sich geben würde. Er hatte gehofft, dass der Mann seine Gefühle erwidern würde, auch wenn es für ihn schwer gewesen wäre. Selbst wenn sie spezielle Differenzen in der Vergangenheit gehabt haben und nie wirklich gut miteinander ausgekommen waren… So hatte Anders geglaubt, diese Meinungsverschiedenheiten wären vergessen, Schnee von gestern. Immerhin war Cullen kein Templer mehr und sie arbeiteten ja in gewisser Art und Weise zusammen. Der Krieger hatte sich von dem Arschloch, das er in Kirkwall gewesen war, wieder ein wenig abgewandt und hatte den Charakter eines Mannes angenommen, den jeder respektierte und mochte; vor allem seine, ihm treu ergebenen Truppen. Und Anders? Ja, er hatte sich prompt in den Krieger verliebt. Natürlich war auch Eifersucht mit im Spiel gewesen, nachdem der anhängliche Magier bemerkt hatte, dass der Soldat eigentlich nur Interesse am Inquisitor hatte. Natürlich war es von dem Blondschopf geplant gewesen, in der Kaserne auf den Kommandanten zu warten, ihn in Empfang zu nehmen und zu trösten, weil er gewusst hatte, dass Trevelyan reinen Tisch machen würde. Natürlich hatte er sich vorgenommen, mit dem Mann im Bett zu landen, um jenem zu zeigen, dass er keine Frau, keine Trevelyan, benötigte, um glücklich zu werden. Und natürlich war dem Krieger die gemeinsame Nacht peinlich gewesen. Alleine schon, wie hektisch der Soldat am nächsten Morgen aus dem Bett gesprungen war, mit hochroten Wangen und ein paar gestotterten Worten, nur, um sich mehr schlecht als recht die Rüstung überzuziehen und sich voller Eifer in seine Aufgaben zu stürzen Und Anders? Er hatte geschmunzelt, das Verhalten des ehemaligen Templers als süß abgetan. In seinem verliebten Kopf hatte er sich bereits ausgemalt, wie Cullen zu ihm stehen würde und wie sie gemeinsam an der Seite des Inquisitors kämpfen würden, um die Welt zu retten. Oh, was war der Blondschopf von seinen Gefühlen geblendet gewesen! Und dann war der Schmerz gekommen. Die Einsicht, dass der Soldat ihn nicht wollte, obwohl jener sich nach dem Nichts im Körper des Magiers verzehrte wie sonst keiner. Ja, Anders hatte es dem Kommandanten angesehen, dass jener ihn begehrte, doch dieser war wohl zu stolz, um sich das selbst einzugestehen. Und wo war Anders deswegen gelandet? In Aeonar. Überwältigt von mehreren Templern, geschlagen und all seiner Sachen beraubt war der ohnmächtige Mann in dem Gefängnis eingeliefert worden, nur, um jetzt hier unten regelrecht zu vergammeln. Alles nur Cullens Schuld, befand Anders und dachte gar nicht daran, dass er es vielleicht ein wenig übertrieben hatte. Nein, nur der blöde Kommandant war Schuld an der Misere und er, Anders, der Leidtragende. Mit diesen Gedanken war es zumindest einfacher, den ehemaligen Templer zu hassen.   Seine Fingerspitzen glitten über den Boden und der Abtrünnige holte tief Luft. Er spürte gar nicht, wie ihm ein paar Tränen aus den Augen quollen und von der Nasenspitze tropften; zu sehr noch schmerzte es, wie Cullen ihn abgewiesen hatte. Gerechtigkeit hatte ja gejubelt, aber dies war nur ein schwacher Trost für den verliebten Blondschopf gewesen. Und jetzt hatte er noch nicht mal den Geist an seiner Seite, sondern war vollkommen alleine. Seine Finger fassten wieder in eine Pfütze. Sanft schwappte das Wasser gegen die Kuppen und benetzte sie mit der kalten Flüssigkeit. … Und dann fiel dem Anderfelser auf, wie zähflüssig das Wasser war. Ein wenig zu dick schien die Flüssigkeit zu sein, zu klebrig. Das hier war kein Wasser, so viel stand fest. Der Blonde hob die Hand wieder und hielt sie sich vor das Gesicht. Langsam tropften zähe Fäden nach unten, auf seine Hose und auf den Boden, beinahe so, als wäre Anders' Hand das Maul und seine Finger die Zähne, an denen der Speichel eines Monsters heruntertropfte. Oh. Der Anderfelser stieß einen erstickten Schrei aus, schüttelte die Hand, um den Speichel abzubekommen und rappelte sich dann schnell wieder hoch. Mit panisch aufgerissenen Augen stolperte er von der Stelle weg, stützte sich dabei an den glatten Steinen der Wand ab und starrte auf den Geifer, der sich am Boden gesammelt hatte. Wie, beim Erbauer, kam so etwas hier unten hin? Er wischte sich den Rest des Speichels an seiner so oder so schon durchnässen Hose ab und musste sich dazu zwingen sich jetzt nicht zu übergeben; und das, obwohl sein Magen ziemlich rebellierte. Er presste sich einen Arm auf den Bauch und hoffte so, der Übelkeit ein wenig entgegenwirken zu können und beugte sich vornüber. Seine wirren, blonden Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht und der entsetzte Magier gab ein ersticktes Keuchen von sich. Und erst jetzt registrierte der Blondschopf auch den schweren Atem, der durch die Gänge hallte. Er gab einen entsetzten Laut von sich und spürte, wie die Panik in seine Knochen kroch; alles in dem Körper des Magiers verkrampfte sich und vornübergebeugt stand er da, Tränen in den Augen. Nein. Das… das war unmöglich, oder? Er… er bildete sich das ein. Ja, eindeutig. Das war alles nur Einbildung. Er hörte kein schweres Atmen. Er hörte kein regelmäßiges, leises Tropfen in der Dunkelheit und das da auf dem Boden, das war auch kein Speichel, sondern nur Wasser. Seine Fantasie spielte ihm gerade einen Streich. Ja, anders konnte der Blondschopf es sich nicht erklären. Selbst hier in Aeonar waren die Templer nicht so grausam und sperrten die Magier mit einem Monster zusammen ein. Das hoffte der Anderfelser zumindest. Urplötzlich wünschte sich der Mann zu den ganzen Wahnsinnigen eine Etage höher zurück. Dort wäre es zwar laut gewesen, aber immerhin würde er da nicht an einer Angst sterben, die er noch nie empfunden hatte. Ganz langsam tappte der Blonde weiter; weg von der seltsamen Pfütze (Wasser. Das war und blieb Wasser.) und weiter den Gang entlang. Seine zitternden Hände fuhren dabei über den schwarzen, glatten Stein an den Wänden und mehrmals versagten seine Beine und er knickte ein; fiel auf den Boden hin, schlug sich die Knie auf. Das Blut lief ihm langsam an seinen Waden herunter, pulsierend und warm, doch der Abtrünnige ging weiter. Er wollte weg von hier. Weg von dem Atmen, das er sich bestimmt nur einbildete. Weg von diesem schrecklichen Ort. Einfach nur weg, ganz, ganz weit weg. Er bog um eine Ecke. Sein Atem ging aufgrund der aufsteigenden und immer größer werdenden Panik stoßweise und sein Hals war wie zugeschnürt. Es wunderte den Geistheiler beinahe schon, dass sie erst jetzt kam; aber offensichtlich hatte sein Körper schlussendlich wirklich wahrgenommen, wo er sich befand, genau, wie der aufgrund von zu viel Antimagie benebelte Geist des Magiers. Der Mann blieb stehen und hob den Kopf; eine Hand lag noch immer auf seinem rebellierenden Bauch und ein leises Wimmern drang aus seiner Kehle, während er in die große Höhle starrte, vor dessen Eingang er gerade stand. Und auf das, was dort, zusammengerollt und umringt von etlichen Wertgegenständen schlummerte. Dessen rote, schuppige Seiten hoben und senkten sich regelmäßig, während der warme Atem aus den Nüstern in weißen Rauchwolken aufstieg. Wie eine Katze lag der Drache dort zusammengerollt, sein Speichel lief ihm an der rosa gegabelten Zunge hinab und bildete am Boden eine kleine Pfütze. Den langen, mit Dornen besetzte Schwanz um den Körper geschlungen sah das Vieh nicht sonderlich groß aus, trotzdem war jede der scharfkantigen, schwarzen Krallen länger als der magere Unterarm des Geistheilers. Die Flügel waren auf dem Rücken zusammengefaltet, trotzdem konnten die braunen Rehaugen deren stechend rote Innenfarbe von ihnen ausmachen; die dünne, empfindliche Membran spannte sich zwischen den Flügelknochen und wenn man genau hinsah, konnte man sogar die Schuppen durchschimmern sehen. Anders gab ein verzweifeltes, lautes Stöhnen von sich. Er konnte nicht anders; seine Beine zitterten so unglaublich stark, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Er sank auf den Boden, ignorierte den stechenden Schmerz aufgrund seiner Wunden an den Beinen und stützte sich mit den Handflächen am Boden ab. Er würgte und schmeckte, wie ihm die Galle säuerlich in den Mund stieg, während dem verängstigten, verzweifelten Mann Tränen über das leichenblasse Gesicht liefen. Er öffnete den Mund, wollte laut losschreien. Wollte seine Panik rausbrüllen, in dem ganz genauen Wissen, dass das schlafende Tier auf ihn aufmerksam werden und ihn fressen würde. Bevor aber auch nur ein Ton seine trockenen, aufgesprungenen Lippen verlassen konnte, legte sich eine kalte Hand von hinten auf seinen Mund und zog ihn fort, zurück in die spärlich beleuchtete Dunkelheit.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)