Ist das wirklich Liebe? von May_Be (- Wir lieben uns nicht! -) ================================================================================ Kapitel 6: Süße Träume ---------------------- In den nächsten Wochen hatte sich wieder alles soweit normalisiert. Reita war wieder gesprächiger geworden. Er konnte sich ihr gegenüber einfach nicht anders verhalten. Selbst wenn sie nicht das gleiche empfand, konnte er nicht abweisend zu ihr sein. Er hatte es schon immer gehasst, sie traurig zu sehen. Da wollte er auch nicht der Grund dafür sein. Was ihn jedoch ziemlich nervte, waren Kais Annäherungsversuche. Er ließ keine Gelegenheit aus, um Tomoko näher zu kommen. In den Pausen suchte er sie ständig auf, setzte sich beim Mittagessen zu ihr. Mittlerweile simste er ihr sogar während des Unterrichts. Das alles war leicht mitzubekommen, wenn man ständig zusammen abhing. Da kam es ab und zu vor, dass Reita etwas genervt reagierte, wenn er sich mit Tomoko unterhielt. Das hatte sie sich aber selbst zuzuschreiben. Letztendlich war es unfair von ihm, aber das wollte er nicht einsehen. Bald schon standen die Prüfungen an. Und wie in jeder Prüfungsphase würde er zusammen mit Tomo durchpauken. Endlich hätte er sie dann etwas für sich allein. Die Lernphase lief immer auf dieselbe Weise ab. Sie trafen sich meistens bei ihm zu Hause und lernten bis in die Nacht hinein. Tomo übernachtete dann immer bei ihm und am nächsten Morgen wurde weiter gelernt. So sollte es auch diesmal sein. Am folgenden Samstagmorgen kam er sie extra mit einem Fahrrad abholen. Das Wetter bot sich dafür an. Außerdem würde sie ihre ganzen Lernunterlagen und Bücher mitnehmen müssen, die zu schwer waren, um diese bis zu ihm nach Hause zu schleppen. „Guten Morgen!“, begrüßte sie ihn herzlich, als sie aus dem Haus trat. Sie war ein kleiner Wirbelwind. Dabei konnte er nicht verstehen, wie man ausgerechnet heute so gute Laune haben konnte, wenn einem ein langer Lerntag bevor stand. „Hey.“ Reita nahm ihre Tasche, die sie ihm reichte, und legte sie in den Korb, der am Lenkrad befestigt war. „Spring rauf.“ Nachdem Tomoko sich auf den Gepäckträger gesetzt hatte, trat Reita in die Pedalen. Tomoko hatte ihre Hände auf seine Hüfte gelegt, um sich festzuhalten. Er mochte dieses Gefühl von Nähe, das zu selten zwischen ihnen lag. Vielleicht würde sie ihn eines Tages ja doch lieben lernen? Nein. Ein dummer Gedanke. Wie sollte denn das überhaupt funktionieren? Er sah bereits sein Haus in der Ferne. Am liebsten würde er noch eine Runde drehen, nur um den Körperkontakt etwas länger beizubehalten. Aber er bog um die Ecke und schlug den direkten Weg zu sich nach Hause ein. Wie würde denn das Aussehen, wenn er plötzlich in eine andere Richtung fuhr? Als sie ankamen, nahm er ihre Tasche und ging voraus. Im Zimmer angekommen, breiteten sie ihre Lernunterlagen auf dem Schreibtisch aus. „Meine Mum kocht später was für uns“, teilte er ihr mit, als er sich hinsetzte und nach einem Stift griff. „Oh ja! Was macht sie denn Leckeres?“ Tomoko setzte sich zu ihm und schlug das Mathebuch auf. Sie fing immer mit dem schwierigen Teil an, das wusste er. Das war ihre Taktik. Wenn das erst mal erledigt war, war alles andere ein Kinderspiel, hatte sie mal gesagt. „Ich glaube, sie wollte Miso-Suppe und Niku-Jaga* machen.“ Tomoko schien zufrieden zu sein. „Hört sich toll an!“ Der Small Talk war damit beendet und sie fingen mit dem Lernen an. Reita fiel es heute etwas schwerer, sich zu konzentrieren. Das war sonst nie sein Problem. Gewöhnlich war sie immer diejenige, der es schwer fiel, still zu sein. Aber warum musste sie sich heute auch so aufreizende Klamotten anziehen? Klar, es war ziemlich heiß draußen, aber das konnte doch nicht ihr Ernst sein! Ihr kurzer Rock bedeckte kaum ihre Oberschenkel und das enganliegende Top... Er schluckte. Man, gleich würde er noch anfangen zu sabbern -.- Es war schon ziemlich erbärmlich, dass er sich von ihren Reizen ablenken ließ. Damals hatte er doch zu ihr gesagt, sie hätte nicht einmal welche und nun machte sie ihn ganz kirre. Er wusste nicht genau, seit wann es angefangen hatte, dass er sie nicht mehr nur als Kumpel sondern viel mehr als Frau wahrnahm. Seit diesem Moment haben sich seine Gefühle ihr gegenüber verändert. Nein. Viel mehr haben sie sich verstärkt und sind zu etwas größerem geworden. „Reita?! Ich hab dich was gefragt. Ist das Ergebnis richtig?“ Abrupt aus seinen Gedanken gerissen, warf er einen Blick auf ihr Heft. Er sah nur Zahlen, aber verstand nicht den Sinn. „Sag nicht, du kannst das nicht lösen! Ich hab mich auf dich verlassen!“ Tomoko zog verzweifelt ihre Augenbrauen zusammen. Da hatte er nun den Salat. Sie lenkte ihn doch selbst ab -.- Wie sollte er sich in dieser Atmosphäre aufs Lernen konzentrieren? „Doch warte.“ Reita sammelte seine Gedanken und kontrollierte ihre Aufgabe. „Da ist ein Fehler. Hier, schau.“ Tomoko beugte sich über das Heft. Dabei kam sie ihm wieder so nah, dass sein Herz einen Schlag aussetzte. „He, wo denn? Und ich war mir so sicher, dass ich das endlich verstanden hab!“ Reita kam einfach nicht umhin, sie von der Seite zu mustern. Heute hatte sie ihr Haar zu einem lockeren Zopf zusammengebunden. Ein paar lose Strähnen hingen ihr ins Gesicht und ließen sie noch jünger wirken. Doch ein Blick auf ihren Körper verriet ihm das Gegenteil... Scheiße, er musste damit aufhören, sie anzustarren wie ein dahergelaufener Lustmolch. „Das ist auch gar nicht so schwer. Du musst einfach nur die Regeln beachten... Ich erklär's dir...“ So zog sich der Tag hin. Sie lernten und halfen sich gegenseitig, falls der andere eine Frage hatte. Später aßen sie gemeinsam mit Reitas Eltern und machten sich anschließen wieder an die Arbeit. Ein Blick auf die Uhr wies auf die späte Stunde. „Wir sind gut durchgekommen“, meinte Tomo zufrieden und streckte sich. „Ich bin so k.o.“ Sie erhob sich und machte ein paar Dehnübungen, bevor sie in ihre Tasche griff. „Ich geh kurz ins Bad.“ „Ok. Dann mach ich schon mal das Bett.“ Für die Zeit, in der sie bei ihm übernachtete, bekam sie immer sein Bett. Reita selbst breitete sich einen Futon auf dem Boden aus, direkt daneben. Wie sollte er diese Nacht bloß überstehen, ohne über sie herzufallen? Es fiel ihm eh schon die ganze Zeit nicht so leicht, sich zu beherrschen. Seine Hormone spielten verrückt, wenn sie in der Nähe war. Und heute mehr denn je. Als sie aus dem Bad kam, hatte sie einen hell blauen Pyjama mit Häschenmuster an. Konnte sie sich nicht vorher so etwas Geschlossenes anziehen? -.- Trotzdem. Der Anblick machte ihn fertig, wenn er daran dachte, was sich darunter verbarg. „Ist dir nicht zu warm darin?“ Im Zimmer war es wegen der Klimaanlage angenehm kühl. Aber er fand den Anblick von ihr im Häschenpyjama einfach nur komisch, wenn er daran dachte, was sie vorhin an hatte. Tomoko schien seinen neckenden Unterton herauszuhören, denn sie schob ihre Unterlippe hervor und schmollte. „Ich mag nun mal meine Pyjamas. Was dagegen?“ Reita lachte amüsiert. „Nein, nicht wirklich... Ich finde nur, dass du zu alt bist für Häschenpyjamas... Du bist echt noch ein Kind“, sagte er und tapste ins Badezimmer. Er schloss die Tür ab und lehnte sich von innen dagegen. Womit hatte er diese Qual bloß verdient? Er empfand etwas für das Mädchen, für das er nicht weiter als ein Kumpel war. Sie würde seine Gefühle nie erwidern. Warum sollte sie auch? Er war nicht gerade ein Traumtyp. Wortkarg. Gemein. Kühl. Sie verdiente jemanden, der sie stets nett und freundlich behandelte. Und so war er nicht. Grade hatte er sie ein Kind genannt. Das wollte ein Mädchen bestimmt nicht hören. Deswegen war es klar, dass sie nicht auf ihn stand. Er sagte ständig irgendetwas Dummes. Reita musste kurz an Kai denken. Der schien ein Frauenmagnet zu sein und vielleicht fühlte sich Tomoko auch zu ihm hingezogen. Aber Reita würde sie diesem Typen nicht überlassen. Selbst wenn er sie nicht haben konnte. Er ließ sich Zeit beim Zähneputzen und wusch sich dann mit kaltem Wasser das Gesicht. Diese kleine Abkühlung tat ihm gut. Dann erst kehrte er zurück ins Zimmer. Sein Blick glitt als erstes zum Bett, auf dem Tomoko bereits lag. Er hatte nur die Sicht auf ihren Rücken, da sie auf der Seite lag. Reita zog sich sein Shirt und seine Jeans aus, bevor er das Licht ausschaltete. Er legte sich auf seinen neuen Schlafplatz. Der Futon war nicht so bequem wie sein Bett, aber er war nicht zimperlich. Reita starrte in die Dunkelheit, den Blick zur Decke gerichtet. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er bei der letzten Übernachtung genau so empfunden hätte wie jetzt. Als sie noch kleiner waren, haben sie oft zusammen in einem Bett geschlafen. Das war damals nie etwas besonderes gewesen. Doch jetzt löste allein dieser Gedanke ganz andere Gefühle in ihm aus. Mit ihr in einem Bett zu liegen, ja, das wollte er. Ihm wurde ziemlich heiß unter seiner Decke. Scheiße. Er sollte aufhören, so etwas zu denken. Reita lag lange wach. Wenn er nicht wenigstens ein paar Stunden Schlaf bekam, würde er es nicht schaffen, morgen wieder den ganzen Tag durchzulernen. Aber es sah nicht gut für ihn aus. Selbst das Schäfchenzählen brachte nichts. Mit einem Seufzen setzte er sich auf. Er stützte einen Arm auf dem Knie ab und wartete bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Tomo schien tief und fest zu schlafen, denn er hörte ihren leisen, ruhigen Atem. Sie war direkt in seiner Nähe und zum Greifen nahe, jedoch stets unerreichbar für ihn. Dieser Gedanke machte ihn trübselig und er seufzte innerlich. Wie lange würde er so leiden müssen? Reita erhob sich vom Boden und ging zum Tisch, auf dem eine Flasche Wasser stand. Er trank einen Schluck und sah dann wieder zu ihr. Viel erkennen konnte er nicht, deswegen trat er näher, bis er direkt vor dem Bett stand. Tomoko lag auf dem Rücken. Ihr Haar lag zerzaust auf dem Kissen, die Decke bedeckte alles ab ihrer Hüfte abwärts. Ihr Pyjamahemd war etwas hochgerutscht, sodass er einen guten Blick auf ihren flachen Bauch hatte. Reita stellte die Wasserflasche auf den Boden, die er immer noch in der Hand hielt, und stieg aufs Bett. Er stützte sich etwas ab und beugte sich über sie. Wenn sie jetzt aufwachen würde, wäre das eine ziemlich peinliche Situation. Aber er war sich sicher, dass sie schlief. Er berührte ihr Haar, das sich wie Seide anfühlte, und ließ es zwischen seinen Fingern gleiten. Reita hörte sein Herz wild pochen. Sein Blick wanderte zu ihren Lippen. Wenn ihn jetzt keiner aufhielt, würde er es tun. Aber es gab grade niemanden, der ihn von ihr wegzerren und ihn zur Vernunft bringen würde. Er hielt kurz den Atem an und bevor er es sich anders überlegen konnte, legte er seine Lippen auf ihre. Sie fühlten sich weich an. Reita senkte den Blick und verharrte kurz in dieser Position. Der Kuss schien ewig zu dauern, doch er löste sich im nächsten Augenblick bereits von ihr. Reita war klar, dass es nicht richtig von ihm war, aber... er musste es einfach tun. Das war sein erster Kuss gewesen. Und das würde der einzige sein, den er von ihr bekommen würde. Auch wenn sie nichts davon mitbekam. Ob sie ihn hassen würde, wenn sie erfuhr, dass er sich einen Kuss von ihr gestohlen hatte? Er für seinen Teil hasste sich bereits jetzt dafür, denn er hatte sich etwas genommen, was ihm nicht gehörte. Leise wie er gekommen war, glitt er vom Bett und legte sich zurück auf den Futon. Jetzt würde er erst recht nicht schlafen können. *Niku-Jaga: Gedämpfte Kartoffeln mit Rindfleisch Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)