Du bist alles was aus Gold ist von Idris ([Scott/Stiles]) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Gute Pläne sind nicht unbedingt Scotts Stärke. Das weiß er selbst am allerbesten. Wenn er die Zeit hat, setzt er sich am liebsten mit Lydia und Derek zusammen um einen Plan zu entwickeln, der nicht alle umbringt und der nicht damit anfängt, dass sie zuerst was in die Luft jagen (nur Stiles hält das jemals für eine gute Idee). Lydia ist seine Planerin. Derek und Deaton sind diejenigen, die sich am besten mit Mythologie und Werwolf-Regeln auskennen. Kira und Malia sind seine besten Kämpfer, und Stiles ist… sein Stiles. Er braucht sie alle, und er weiß, dass die besten Pläne immer die sind, an denen alle beteiligt sind und jeder seine Rolle erfüllen kann. In seinem Herzen ist Scott ein Teamspieler. Meistens wenigstens. Aber tief drinnen - und das ist ein Charakterzug, der Stiles und Lydia regelmäßig maßlos aufregt und Kira Sorgenfalten bereitet - kann er sich doch nie ganz gegen die Überzeugung wehren, dass er es sein sollte, der sich zuerst in Gefahr begibt. Dass er derjenige sein sollte, der sich allein in Gefahr begibt. Nicht die anderen. Er. Er ist der Alpha, okay? Es ist doch seine Aufgabe sein Rudel zu beschützen. Das ist der Grund wieso er gerade kopflos und quer durch den Wald einer Hexe hinterherjagt. Einer Hexe. Zwei Tage vor Weihnachten. „Scott!“ Das ist Kiras Stimme. „Scott, warte!“ „Bleib bei Stiles!“, befiehlt er atemlos und ohne stehen zu bleiben. Stiles ist sicher bei Kira, das weiß er. Derek und Malia sind in der anderen Richtung und passen auf Liam und Lydia auf. Und direkt vor ihm ist die Hexe. Sie flimmert in der Luft und scheint willkürlich von Punkt zu Punkt zu springen, als ob sie sich beamen kann. Ihr hohes Gelächter schallt durch die Luft als ob sie sich wahnsinnig amüsiert über die albernen Versuche eines Werwolfes sie zu fassen. „Bleib stehen“, ruft Scott. „Ich will nur mit dir reden!“ Es ist eine Hexe in Beacon Hills. Sie hinterlässt Spuren ihrer Magie in der ganzen Stadt, harmlose Spielereien bisher (Autos, die sich in Kutschen verwandeln, Weihnachtsbäume, die ein Eigenleben entwickelt haben und fliegende Hunde in Deatons Praxis, die kaum noch von der Decke hinunter gekommen sind). Es ist Kleinkram, aber es ist genug, dass Scott spüren kann wie sich ihm die Nackenhaare aufstellen. Er spürt sie überall. Als ob die ganze Welt magisch aus den Fugen geraten ist. Er bricht hinter ihr durch das dichte Unterholz und stolpert direkt auf eine Lichtung. Sie ist weniger als fünf Meter von ihm entfernt. „Halt!“ ruft er atemlos. Zu seiner Überraschung bleibt sie diesmal wirklich stehen. Langsam dreht sie sich um. „Hallo, kleiner Wolf.“ Um ihre Lippen spielt ein amüsiertes Lächeln. Scott klappt den Mund auf und gleich wieder zu. „Hi“, stammelt er. Sie sieht jünger aus als er dachte und ganz und gar unhexenartig. In seiner Phantasie hat er sich Hexen immer alt und runzelig vorgestellt, mit Warzen auf der Nase und einem krummen Buckel. Aber diese Hexe sieht aus wie eine junge Frau. Sie hat keine Warzen, aber dafür leuchtend violette Haare, im gleichen Farbton wie ihr langes Kleid. „Wir wollen dir nichts tun“, beteuert Scott, während er sich mit erhobenen Händen nähert. „Ihr?“ wiederholt sie spöttisch und macht eine Handbewegung über die leere Lichtung. „Ich sehe nur dich, kleiner Wolf. Dein Rudel hast du ja abgehängt.“ „Du darfst in Beacon Hills niemandem mehr wehtun“, fährt Scott unbeirrt fort. „Keine Sorge, ich spiele doch nur.“ Sie wirft ihre luxuriöse, lila Mähne über eine Schulter nach hinten. „Ich erteile wertvolle Lektionen fürs Leben.“ „Aber dabei könnte jemand verletzt werden! Du musst damit aufhören, okay?“ Ja, Tatsache. Das ist sein Plan. Die Hexe alleine stellen und… ihr gut zureden. Zugegeben, Scott weiß, dass das keiner seiner brillanteren Pläne ist – aber hey bei Deucalion hat es ja auch geklappt. Irgendwie. Die Hexe hebt amüsiert einen Mundwinkel. Sogar ihr Lippenstift ist violett. „Wer sollte mich denn aufhalten, kleiner Wolf?“ fragt sie milde. „Deine schreiende Todesfee vielleicht? Dein Feuerfüchslein? Oder vielleicht dein kleines Menschlein?“ Scott spürt wie ihm heiß und kalt zugleich wird. „Woher…?“ „Oh, ich weiß vieles. Und ich sehe alles“, raunt sie. Ihre Augen leuchten. „Und ich sehe wie sie alle verzweifelt durch den Wald rennen, auf der Suche nach dir. Sie machen sich Sorgen, weil du mal wieder alleine nach vorne geprescht bist, nicht wahr?“ „Tu ihnen nichts“, rutscht es aus ihm heraus und mit einem Mal fühlt er sich hilflos und klein, und ihm wird kalt vor lauter Angst, was sie vielleicht mit einem Fingerschnippen anstellen könnte. „Bitte…“ Er hat nicht gewusst, dass sie so gut Bescheid weiß über sein Rudel. „Hm“, macht sie nachdenklich. „Wenn du mich schon so nett bittest…“ Sie lacht. „Oh, deine Zeit rennt davon. Sie sind bald hier. Hörst du das? Sie kommen, um dich ‚zu retten‘. Wie rührend ist das.“ Sie hat recht. Scott hört das Rascheln umknickender Blätter und das Trommeln hastiger Schritten auf dem Boden, im Gleichtakt zweier aufgeregt schlagender Herzen. Es sind Kira und Stiles. Und sie werden jeden Moment hier sein. „Bitte“, wiederholt er. „Du darfst ihnen nichts tun. Du musst aufhören Menschen wehzutun. Du kannst gerne hier bleiben, aber wir können nicht… du darfst nicht…“ „Du versuchst wirklich alles Böse von ihnen fernzuhalten, oder?“ fragt sie amüsiert. „Das ist sehr niedlich.“ „Ich bin ihr Alpha“, sagt Scott leise und entschlossen. „Es ist meine Aufgabe.“ „Ich bin sicher, deine Freunde sehen das nicht so.“ Sie legt nachdenklich den Kopf schief, als ob sie auf etwas lauscht. „Vor allem dein kleines Menschlein nicht.“ Stiles. Scott kann gar nicht in Worte fassen, wie bedrohlich und unangenehm er es findet, dass sie von Stiles redet, als ob er ein besonders leckeres Häppchen ist. Gleichzeitig fühlt er sich seltsam entblößt, als ob sie etwas weiß, was sonst niemand weiß. Dein kleines Menschlein. „Was willst du hier?“ fragt er tapfer. „Wenn es irgendetwas ist, was du suchst oder was ich dir geben kann, dann…“ „Was ICH will? Ich will wissen, was du willst, kleiner Wolf“ gibt sie zurück. „Ich?“ stammelt Scott überrascht. „Ich will nur, dass du niemandem wehtust.“ „Kannst du es nicht einmal vor dir selbst zugeben?“ fragt sie. Ihre Augen leuchten violett und Magie erfüllt die Luft zwischen ihnen, so spürbar und plötzlich wie elektrisches Knistern. „Was willst DU?“ „Nichts.“ Scott schüttelt den Kopf. „Ich will nichts. Ich habe doch alles.“ Die Antwort ist schallendes Gelächter, das über die Lichtung hallt wie ein aufkommender Sturm. „Scott? Scott!“ Stiles’ Stimme klingt frustriert und besorgt und gefährlich nah. „Wo bist du?“ „Komm nicht her, Stiles!“ brüllt Scott. Sein Herz stolpert schmerzhaft in seiner Brust. „Bleib weg!“ Dein kleines Menschlein. „Dummer kleiner Wolf“, murmelt die Hexe spöttisch. „Du musst noch so viel lernen. Du kannst sie nicht ewig auf Distanz halten, nur damit sie sicher sind. So funktioniert das Leben nicht.“ Ein seltsamer Wind kommt auf, der die feuchten Blätter vom Boden hochwirbeln lässt. Sie hebt die Arme und Scott stolpert reflexartig einen Schritt zurück. „Die Stärke des Packs ist der Wolf, und die des Wolfes ist das Pack“, rezitiert sie. „Der einsame Wolf stirbt und das Pack überlebt. Merk dir das. Merk dir das gut.“ Sie streckt Hand aus und bevor Scott registriert was passiert, schießt ein Strahl violetten Lichts auf ihn zu und trifft ihn mitten in die Brust. Es ist wie ein Faustschlag gegen den Solarplexus und einen Moment lang sieht er Sterne, bevor er auf die Knie sinkt. Mit schmerzverzerrtem Gesicht greift er nach seiner Brust und presst eine Hand auf die pulsierende Stelle. „Nein!" Stiles‘ entsetzter Aufschrei hallt über die Lichtung und Scott hört das Poltern rennender Schritte, die sich ihm nähern. „Scott!" Ohne abzubremsen und Rücksicht auf Verluste wirft sein bester Freund sich neben ihm in den Matsch und packt mit beiden Händen nach seinen Schultern. Schlamm spritzt in die Höhe. „Scott! Alles okay? Scotty." Scott würgt und japst keuchend nach Luft. Mit tränenden Augen hebt er den Kopf, aber die Stelle an der die Hexe eben noch gestanden hat ist leer. „Wo-…?“ Er hustet. „Bist du verletzt?" Stiles klingt aufgelöst. „Hat sie dich getroffen? Zeig her, zeig mir deinen Bauch." Zitternde Hände zerren besorgt an seinem T-Shirt und beginnen den Stoff nach oben zu schieben. Scott erwischt eine hektisch flatternde Hand und hält sie fest. „...okay“, keucht er. „Ich bin okay. Schnell, wir dürfen sie nicht…!“ „Bist du sicher?" fragt Stiles eindringlich. „Lass mich sehen…“ „Stiles! Prioritäten!“ „Alter! Einer von uns hat sie und du bist es nicht!“ „Scott!" Das ist Kiras Stimme. Scott sieht Metall aufblitzen als sie ihr Katana wieder zurück an ihre Seite schiebt, bevor sie neben ihm in die Knie geht. „Alles okay? Wo ist sie hin?" Ihr Kopf wirbelt herum und sie lässt eine Hand auf dem Schwertgriff ruhen, bereit es jeden Moment hervorzuziehen und Scott und Stiles zu beschützen, falls notwendig. „Ich weiß nicht", sagt Scott entschuldigend. „Es ging so schnell." Beiläufig tastet er über seine Rippen, aber da sind keine offenen oder heilenden Wunden, kein Blut, keine bloßliegenden Knochen. Er kennt das inzwischen allzu vertraute Gefühl wenn aufgerissene Haut sich wieder zusammenflickt und Knochen wieder zusammenwachsen. Aber nichts von dem passiert gerade. Was immer sie nach ihm geworfen hat, hat ihn offenbar nicht verletzt. „Was hat sie gemacht? Was hat die für Probleme?“, japst Stiles wütend. „Und was kommt die so komplett aus dem Nichts und völlig willkürlich mit Rudyard Kipling an? Geht’s noch?" Er klingt erschrockener als er zugeben will und seine Hände klammern sich an Scotts Arme, als bringt er es nicht über sich ihn wieder loszulassen. „Und du…! Du hast sie ja nicht mehr alle! Das war nicht abgemacht. Wir haben gesagt, wir verfolgen sie gemeinsam und nicht einer im… im Kamikaze-Alleingang!“ „Wir wussten doch nicht wie gefährlich sie ist“, sagt Scott entschuldigend. „Eben!“ faucht Stiles. „Wir müssen sie wiederfinden“, stellt Scott fest, um sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. „Wir müssen sie aufhalten, bevor sie irgendwelchen Schaden anrichtet!" Er steht auf, zieht Stiles mit sich hoch, und wischt sich mit beiden Händen Schlamm und feuchte Blätter von der Hose, wobei es ihm überwiegend nur gelingt, sie weiter zu verteilen. Seufzend gibt er auf. „Stiles, ich bin okay“, sagt er. „Wirklich.“ „Na gut.“ Zögernd nimmt sein bester Freund die Hände von seinen Schultern. Der heftige, pochende Schmerz trifft Scott so unerwartet, dass es sich anfühlt, als ob eine Panzerfaust ihn getroffen hätte. Mit einem Keuchen geht er zu Boden. Heiße Wellen an rotglühendem Schmerz bohren sich in seine Rippen, seine Eingeweiden, seinen Kopf und einen Augenblick lang wird ihm schwarz vor Augen. „-cott, SCOTT?“ Händen greifen nach ihm und erst dann registriert er, dass erneut auf dem schlammigen Boden kniet. Stiles hat ihn mit beiden Armen umschlungen und hält ihn fest. Er hat die Hände unter seinen Pullover geschoben und seine Fingern wandern prüfend über seine Schultern, seinen Rücken, seine Brust. „Ist okay, ist okay“, flüstert er atemlos. „Ich hab dich. Wo tut es weh? Wo bist du verletzt?“ „Ich...“ Verblüfft schüttelt Scott den Kopf. So plötzlich wie der Schmerz gekommen ist, ist er auch wieder verschwunden. „Ich weiß nicht...“ „Seine Pupillen“, schlägt Kira vor. Ihre warmen, kleinen Hände ruhen auf seinem Oberarm und sie kniet besorgt an seiner anderen Seite. „Sieh dir seine Pupillen an. Vielleicht ist es eine Kopfverletzung?“ Stiles gehorcht. Behutsam nimmt er Scotts Gesicht in beide Hände und sieht ihm prüfend in die Augen. Scott blinzelt zu ihm hoch. „Es tut gar nicht mehr weh“, versichert er. „Ehrlich.“ „Seine Pupillen sind gleich groß“, stellt Stiles fest und hebt seine Hand. „Wie viele Finger?“ „Drei.“ Scott seufzt. „Und danach machst du zwei und dann vier. Ich kenne dich, Stiles.“ „Hey", protestiert Stiles. „Nicht witzig. Kannst du meinen Fingern folgen?“ Scott kann. „Siehst du?“ beteuert er erneut. „Ich bin okay. Da ist nichts. Oder vielleicht war irgendwas und das ist längst wieder geheilt.“ „Hm.“ Stiles sieht nicht zufrieden aus. Er hat besorgt die Stirn gerunzelt und seine Hand ruht immer noch unnachgiebig auf Scotts Ellbogen als er erneut Anstalten macht aufzustehen. Ein Rufen hallt in diesem Moment durch den Wald und Kira dreht sich um. „Wir sind hier!" rief sie zurück. Eine Stimme, die Scott als Malia identifiziert, antwortet ihr. Sie bricht gleich darauf durch die Büsche, Lydia, Derek und Liam im Schlepptau. Ein Teil der Anspannung löst sich aus Scotts Schultern, als er sein Rudel unbeschadet und vollständig vor sich hat. „Na endlich!" keucht Malia. Sie hat die Zähne und die Klauen ausgefahren und ihre Augen leuchten blau. Kira läuft ihnen entgegen. „Es ist alles okay", versicherte sie. „Die Hexe ist weg." „Hast du sie gesehen? Wie sah sie aus?“ Derek nimmt sie beiseite und sieht aus, als ob er nach Einzelheiten fragt. Lydia steht mit gerunzelter Stirn daneben und gibt ab und zu Zwischenkommentare ab, vermutlich wenn er ihr etwas nicht passt, was Derek behauptet. Liam hat tapfer die Krallen ausgefahren, aber er hält sich ängstlich an Dereks Seite. Malia dagegen läuft schnurstracks auf Scott und Stiles zu. „Alles okay?" Ihr Blick flackert besorgt zwischen ihnen hin und her und das Blau in ihren Augen verlischt. „Das könnt ihr nicht machen! Einfach so abzuhauen." Sie klingt vorwurfsvoll. „Du hast gesagt, wir laufen nicht weg!" „Entschuldige." Stiles klingt zerknirscht. „Ich weiß, das ist nicht cool und es tut mir leid. Ich mach es nicht nochmal." Er macht einen Schritt auf sie zu und seine Hand gleitet von Scotts Arm. Diesmal trifft der Schmerz ihn so heftig und unvermittelt, dass ihm in die Luft wegbleibt. Heißglühende Lavawellen überrollen seinen gesamten Körper und verätzen seine Haut und seine Knochen, und dann endlich, endlich findet er die Luft um zu schreien. Arme umschlingen seine Taille und verschwommen wird ihm klar, dass er auf allen vieren am Boden kniet, die Finger haltlos in feuchtem Laub vergraben und die Stirn auf die nasse Erde gepresst. Seine Krallen sind hervorgeschossen und auch ohne es zu sehen, weiß er, dass seine Augen glühen. Er atmet schwer. „SCOTT!" Stiles Stimme hallt laut in seinen Ohren und der scharfe Geruch von Adrenalin und Angstschweiß dringt ihm in die Nase. „Scott!“ Sogar Kiras Stimme klingt aufgelöst. „Oh mein Gott“, haucht Stiles. „Oh mein Gott .. Scott... Sag was. Scott!“ Scott atmet keuchend aus. Er fühlt sich schwach und zittrig vor lauter Erleichterung, und das Gefühl nachlassender Schmerzen ist von solcher Intensität, dass ihm ganz schwummerig wird. Die Welt schaukelt sacht um ihn herum, und er spürt mehr als dass er sieht wie Leute um ihn herum in die Knie gehen. „Was ist los?“ Malia klingt entsetzt. „Stiles? Was ist los mit ihm?“ Liam, der neben ihr kniet, wimmert leise. „Ist er verletzt?“ Lydias Stimme ist scharf. „Wieso sagt denn keiner was? Wo...?“ „Ich weiß es nicht!“ faucht Stiles. „Ich weiß es doch nicht. Scott...? Scott! Rede mit mir. Sag was.“ „...okay", würgt er atemlos hervor und konzentriert sich darauf seine Krallen wieder einzuziehen. Seine Finger sind taub, aber es gelingt ihm. „Es ist okay." „Scott, NICHTS ist okay!“ Stiles' Stimme bricht und das ist vielleicht das Schlimmste. Es ist Kira, die an seiner Stelle weiterspricht. „Es ist das zweite Mal in wenigen Minuten“, sagt sie zögernd. Sie kniet in Scotts Gesichtsfeld und hat behutsam eine Hand nach ihm ausgestreckt. „Scott, irgendwas ist nicht in Ordnung. Sie hat irgendwas mit dir gemacht... die Hexe hat irgendwas mit dir gemacht.“ Scott nickt zögernd und versucht langsam sich aufzurichten. Stiles hat die Arme um ihn geschlungen und mit einem Gefühl von Erleichterung lässt Scott sich gegen ihn sinken. Er hinterlässt feuchte Schlammabdrücke auf Stiles weißem T-Shirt und seinem karierten Hemd, aber Stiles sieht nicht so aus, als ob ihn das im Moment besonders interessiert. „Was ist passiert?“ Dereks Stimme klingt ruhig und gefasst, aber Scott kann seinen unruhigen Herzschlag hören, das Pochen und Stolpern ein beinah greifbares Zeichen seiner Besorgnis. „Was hat sie gemacht?" „I-ich weiß nicht", wiederholt Stiles. Er streichelt mit einer Hand über Scotts Rücken und allein das fühlte sich so gut an, dass Scott sich am liebsten an ihn kuscheln und die Augen schließen möchte. Nur, dass das jetzt gerade wirklich gar nicht passend ist. Nicht wenn ihn alle so entsetzt ansehen und er ganz offensichtlich daran schuld ist, dass sich alle Sorgen machen. „Sie hat etwas gesagt. Dass Scott noch einiges lernen müsste? Dann hat sie Kipling zitiert. ' Die Stärke des Packs ist der Wolf, und die des Wolfes ist das Pack.' Und dann hat sie eine Handbewegung gemacht... als ob sie etwas nach ihm schleudert." „Ein Licht“, ergänzt Kira. „Eine Art violetter Lichtstrahl, der Scott getroffen hat.“ Stiles zerrt an seinem T-Shirt, um Scotts Brust zu entblößen und diesmal lässt er es widerstandslos geschehen. Aber was immer es ist, was sie ihm angetan hat, es hat keinerlei sichtbare Spuren auf seiner Haut hinterlassen. Da sind Schmutzspuren und Erde auf seiner Brust und ein einzelnes Blatt was sich in seinem Hemd verheddert hat. Stiles entfernt es sorgsam mit den Fingern, seine Bewegungen so sacht und behutsam als hätte er Angst Scott kaputt zu machen. „Tut das weh?" fragt er leise. Scott schüttelt den Kopf. „Es tut gar nichts mehr weh", sagt er und fühlt sich wie ein Idiot. Ungläubige Blicke landen auf seinem Gesicht. „Ernsthaft", beteuert er. „Im Moment ist alles in bester Ordnung. Keine Schmerzen, kein Schwindel, nichts.“ Er sieht wie Kira und Lydia über seinen Kopf hinweg einen Blick miteinander tauschen. Derek streckt wortlos die Hand aus und umschlingt mit den Fingern sein Handgelenk. Es dauert einen Augenblick bis Scott versteht, was er da versucht. Aber da sind keine schwarzen Wellen, die sich über Dereks Haut ziehen, kein geheimer Schmerz, der aus Scott herausgesaugt wird. „Er sagt die Wahrheit", sagt Derek zögernd und löst seine Finger von Scotts Arm. „Eben als du..." Er macht eine vage Handbewegung. „Da hat dein Herz gerast. Aber jetzt nicht mehr." „Hm“, macht Lydia. Ihr Blick ruht nachdenklich auf Scott und Stiles, und Scott kann beinah sehen wie es hinter ihrer Stirn arbeitet. „Ist das ein gutes ‚hm‘ oder ein schlechtes ‚hm‘?“ fragt Malia besorgt. „Ich weiß es noch nicht.“ Lydia hat die Stirn gerunzelt. „Tu mir einen Gefallen, Stiles. Steh auf und lass ihn los.“ „Was? Wieso? Nein!“ Stiles Griff um ihn verstärkt sich wenn möglich noch etwas und Scott wird beschützend an seine Brust gedrückt. „Nur ganz kurz“, sagt Lydia. „Ich will nur was überprüfen.“ „Schon okay“, beteuert Scott und drückt zuversichtlich seine Hand. „Mir geht's wirklich wieder gut. Siehst du?“ Zögernd nickt Stiles. Mit einem Gesichtsausdruck, der deutlich machte wie wenig angetan er von dieser Idee ist, erhebt er sich und nimmt die Hände von Scott. Scott will ihm aufmunternd zulächeln, aber der einsetzende Schmerz rammt ihn so heftig und plötzlich wie ein Güterwagen. Sterne explodieren vor seinen Augen und die Welt verschwindet um ihn herum. Sein eigener gellender Schrei hallt noch in seinen Ohren und sein Mund schmeckt nach Blut, als er wieder zu sich kommt. Panische Stimmen schreien alle durcheinander und ein halbes Dutzend Hände ruhen auf ihm, auf seinem Rücken, seinem Kopf, seiner Brust und seinen Armen. Scott würgt nach Luft. Ihm ist übel und zittrig, aber nichts ist vergleichbar mit dem Gefühl von bodenloser Erleichterung, dass sich ausbreitet überall wo er angefasst wird. Seine Krallen sind so weit hervorgeschossen, als ob sie aus ihm herausgepresst worden sind. „Was ist das?“ faucht Stiles. Er klammert sich mit beiden Armen an Scott, so fest als ob er versucht ihn vor einer bösartigen, unsichtbaren Macht zu beschützen. „Was passiert mit ihm? Lydia!“ „Es tut mir leid.“ Lydias sanfte weiche Hand fährt behutsam seinen Arm entlang. „Scott, es tut mir leid.“ „Schon okay“, bringt er hervor und ringt sich ein mattes Lächeln ab, bevor er zu ihr hochblickt. Schweißnasse Haare kleben in seiner Stirn. „Es ist ja nichts passiert.“ „Ist es meine Schuld?“ fragt Stiles erstickt. „Habe ich...? Bin ich verflucht?“ „Du bist nicht verflucht“, erwidert Lydia. „Ich glaube...“ Sie atmet tief durch. „Ich glaube, du bist die Heilung.“ „Was? Wovon zum Teufel…“ Stiles erstarrt und Scott kann beinah spüren wie die Rädchen in seinem Kopf endlich einrasten. „Die Schmerzen fangen an, sobald ich loslasse...“, sagt er langsam. „... und hören auf, wenn du mich wieder anfasst“, beendet Scott beinah unfreiwillig. Ihre Blicke treffen sich, einer so weit und erschrocken wie der andere. „Aber wie... wie kann das sein?“ Hilflos zuckt Lydia mit den Schultern. „Keine Ahnung. Wissenschaft ist mein Gebiet, aber mit Magie bin ich überfordert.“ Scott folgt ihrem Blick zu dem einzigen Werwolf in ihrer Mitte, der eine vage Ahnung von diesen Dingen hat. „Ein Fluch“, sagt Derek langsam. „Was für ein Fluch soll das denn sein?“ faucht Stiles ungläubig. „‘Kuschel-oder-stirb'?“ Derek zuckt mit den Schultern. „Ich hätte es anders ausgedrückt, aber ja, wenn du so willst. Taktile Reize scheinen die Schmerzen aufzuhalten oder wenigstens zu lindern." „Takti-TAKTIKLE Reize?!" Stiles atmet tief durch. „Okay, ich werde sicher irgendwann darüber wegkommen, dass du dreisilbige Fachwörter sinnvoll benutzen kannst. Aber weniger Gefasel und mehr Handlungsvorschläge, bitte! Was machen wir denn jetzt?“ „Wir müssten eine Reihe von Tests durchführen, um auf Nummer sicher zu gehen", sagt Lydia zögernd. „Und wir müssten überprüfen, ob es speziell 'du' bist, der es besser macht, oder ob es auch bei uns anderen funktioniert. Wie viel Berührung ausreicht. Ob…" „Auf keinen Fall!“ Stiles schnappt entsetzt nach Luft und klammert sich mit beiden Armen an Scott. „Ich lass ihn garantiert nie wieder los, wenn das bedeutet, dass er vor Schmerzen halb bewusstlos wird! Das kannst du vergessen!“ „Aber anders finden wir nicht heraus, mit was wir es zu tun haben.“ „Entschuldige mal, mein bester Freund ist kein Versuchskaninchen!“ „Stiles." Scott greift beruhigend nach seiner Hand. „Stiles, sie hat recht..." „Nein!" Er klingt unglücklich und stur zugleich. Scott wirft ihm ein mitfühlendes Lächeln zu. „Lydia hat immer recht, das weißt du doch", sagt er leise. Stiles schluckt. Sie knien so dicht beieinander, dass Scott sogar in dem matten grauen Dämmerlicht der Wintersonne jede einzelne seiner langen Wimpern erkennen kann. Stiles Lippen öffnen und schließen sich wortlos, als bringe er es nicht über sich zu zustimmen, auch wenn er weiß, dass Lydia recht hat. „Außerdem kannst du nicht für immer an mir kleben bleiben", fährt Scott entschuldigend fort. „Kann ich wohl", erwidert Stiles trotzig. „Das würde sowieso keinem auffallen." Damit hat er nicht unbedingt unrecht. Sie kleben auch so relativ viel aneinander. Aber Scott hat das deutliche Gefühl dass das hier, was auch immer das hier ist, noch ganz andere Dimensionen annehmen wird. Es ist Derek, der schließlich die Initiative ergreift. „Zu Deaton“, befiehlt er knapp. „Vielleicht kann er uns weiterhelfen.“ Fortsetzung folgt Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)