Saphirblau von S-Ra (Sasuke & Sakura) ================================================================================ Kapitel 4 --------- V I E R „Miss Haruno.“ Sasukes Chauffeur ließ ihr den Vortritt. Sie wünschte, er würde es nicht tun, weil es sie verlegen machte und ihr das Gefühl gab, ungelenk zu sein. Als sie das samtweiche, beigefarbene Leder im teuren Sportwagen ihres Chefs berührte, entdeckte sie keine Sekunde später den üblen Grund ihres Auftretens. Sakura strich den dünnen Stoff ihrer Jeans glatt, die sie in einem Secondhandladen in Wicker Park erstanden hatte. Der Dezemberabend hatte sich wärmer entpuppt als angenommen, und außer der lässigen Lederjacke hatte ihr Kleiderschrank nichts hergegeben, was zur Reise gepasst hätte. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie lächerlich sie neben diesem Inbegriff männlicher Eleganz wirken musste. Sie zupfte nervös einen Fussel ihrer Jeans weg, ehe sie den Kopf hob und trotzig das Kinn reckte. Der Anflug eines Lächelns spielte um Sasukes Lippen, bei dessen Anblick sie ein leises Ziehen im Unterleib spürte. „Können wir?“ Sakuras Pulsschlag beschleunigte sich. Sie überspielte das Zittern ihrer Hände mit einem Lächeln. „Klar.“ Er nickte ihr zu; seine Augen verborgen all seine Gefühle. „Wir können losfahren, Juugo.“ Als das laute Jaulen des Motors ertönte und die leichte Vibration in den Sitzen erschien, spürte Sakura die sofortige Angst. Ihr Puls raste förmlich, und das Zittern ihrer Halsschlagader begann nun ebenso zu zucken an. Warum um alles in der Welt reagierte sie so heftig? Es war ein Geschäftlicher Ausflug, nichts von Bedeutung. Es gab gar kein Grund, so nervös zu sein. „Sakura?“ Sie zuckte zusammen. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ Sasuke sah sie an, und sie hätte schwören können, ein Funkel Besorgnis in seinen Augen zu erkennen. Ihr schoss das Blut ins Gesicht. „J-ja. Mir ist nur etwas mulmig … Ich meine, weil wir jetzt nach Japan fliegen. Das kommt alles so ganz plötzlich, weißt du?“, erklärte sie beschämt und brach den Augenkontakt ab, indem sie auf ihre cremefarbene Turnschuhe starrte, die Ino mit einer ihrer schwindelerregende hohe Absätze ersetzen wollte. Du kannst dich doch nicht so anziehen, Sakura, hatte sie gesagt. Du besuchst seine Familie, da musst du dich eleganter anziehen! War es falsch, sich so zu präsentieren: Als sich selbst oder eine Person, die man nicht war? „Tut mir leid. Ich hätte dich nicht eher hergeholt, wenn es nicht wichtig gewesen wäre“, antwortete Sasuke. „Schon gut.“ Sie lächelte. „Ich glaube, ich reagiere einfach über. Es ist schließlich das erste Mal, dass ich auf Geschäftsreise gehe.“ Er hob mit ausdrucksloser Miene die Brauen, als er ihr ins Gesicht blickte. Sie hatte ihre Haare zu einem Dutt gebunden, doch eine feine Strähne löste sich, und Sasuke verspürte den seltsamen Drang, diese Haarsträhne hinter Sakuras Ohr zu streichen. Er räusperte sich, um den Drang zu widerstehen. Verdammt, was machte diese Frau nur mit ihm? „Aus welcher Stadt kommst du eigentlich ursprünglich?“, fragte er beherrscht. „Tokio“, antwortete Sakura nach kurzem Zögern. „Und du?“ „Auch.“ Diese Antwort überraschte sie. „Tatsächlich? Gings du auch auf der Kydõ-Oberschule?“ Er lächelte leicht. „Wird das etwa ein Frage-Antworte-Spiel?“ Enttäuscht ließ sie die Schultern hängen. „Ich hatte eher auf ein normales Gespräch mit dir erhofft“, gab sie zu bedenken. „Etwas, was normale, zivilisierte Menschen so tun.“ „Und? Hältst du mich etwa für unnormal?“ Er sah sie herausfordernd an. Vergiss eins nicht, bevor du das Haus verlässt und deinem Liebsten in die Arme rennst, Sakura. Egal, wie daneben er sich dir gegenüber benimmt: Bleibe respektvoll. Zügel dein Temperament, er ist immerhin dein Boss! Durch die Worte ihrer beste Freundin zuckte Sakura sichtlich zusammen und erinnerte sich schlagartig daran, dass sie ihre Klappe nicht so weit aufreißen sollte. Erst als Sasuke sie aufmerksam beobachtete, blieb sie ruhig und blickte aus dem getönten Fenster. Sie hörte lediglich, wie Sasuke schnaubte. Anscheinend gefiel ihm ihre abwehrende Haltung nicht. - × - „Sakura …“ „Vergiss es!“ „Stell dich nicht so an, verflucht.“ Ihre rechte Braue zuckte wütend. „Ich werde da nicht einsteigen!“, stellte sie zynisch klar. „Eher laufe ich nackt durch die Straßen, als diese Ausgeburt der Hölle anzufassen!“ Sasuke sah sie genervt an. Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Es ist nur ein Flugzeug, Sakura.“ „Das ist mir schon klar.“ „Dann sollte dir auch klar sein, dass wir mit dem Flieger fliegen müssen. Oder soll ich dir Nachhilfe in Erdkunde geben?“ „Oh, ich könnte dir –“ Sie riss sich zusammen. Stattdessen setzte sie ihr schönstes Lächeln auf, was Sasuke die Stirn runzeln ließ. „Sie müssen bedenken, Sir, dass ich unter Höhenangst leide und diese Maschine“ – sie zeigte auf das Privatjet hinter Sasuke – „wie die Pest verabscheue.“ „Dann kneifen Sie ihre Arschbacken zusammen, Haruno. Sie werden es schon überleben“, erwiderte er keine Spur freundlicher. Oh, jetzt siezen wir uns wieder? „Wer garantiert es denn mir, dass wir keinen Unfall machen? Was wäre, wenn ihr Pilot Scheiße baut und wir letztendlich im Meer vor Erschöpfung und Hunger sterben werden?“ Sasuke stieß seinen Atem raus. „Sie schauen eindeutig zu viele Filme, Miss Haruno.“ Wieder nahm ihr Gesicht einen dunklen Farbton an. Sie würde ihm niemals erzählen, dass sie tatsächlich jeden Action- und Dramafilme bereits schon geschaut hatte. In den meisten dieser Movies handelte es sich um Flugzeugabstürze, die Sakura mehrere Albträume bescherten. Sie hasste das Fliegen. Es hatte ihr schon eine große Würde gekostet, nach Amerika zu fliegen. Ein zweites Mal kam ihr definitiv nicht Infrage. „Sie steigen also nicht ein?“ „Nein.“ „Gut.“ Ohne weiteres packte Sasuke sie an den Kniekehlen und warf seine kreischende Sekretärin über seine Schulter. „Spinnst du?! L-lass mich gefälligst runter!“, wehrte sie sich mit empörtem Tonfall – jedoch erfolglos. Sie zappelte, versuchte sich irgendwie zu befreien, doch der Griff ihres Chefs um ihre Taille war zu stark. „Ich meine es ernst, verdammt nochmal!“ Sasuke ignorierte ihren Protest und wendete sich gelassen an Juugo. „Ist alles soweit vorbereitet?“ „Jawohl, Sir.“ Er verbeugte sich kurz und tritt mit eiserne Miene zur Seite. Währenddessen Sakura immer noch versuchte, sich zu befreien, stieg Sasuke mühelos die Treppen rauf. „Du solltest wissen, wann genug ist, Sakura.“ Danach ließ er sie herunter. „Das was du gerade abgezogen hast, nennt man Freizeit berauben. Ich kann dich deswegen anzeigen“, erwiderte sie bissig und strich energisch ihre losen Haarsträhne hinters Ohr. „Mach das.“ Ehe sie ein Konter rausbringen konnte, betrat ein älterer Herr den Flieger und gesellte sich zu den beiden. „Guten Tag, Ma’am. Mein Name lautet Tyler, ich bin heute Ihr Pilot.“ Er sah Sasuke an. „Sir, wir wären dann gleich soweit. Bitte nehmen Sie solange Platz und schnallen sich an.“ Angesprochener nickte, während Sakuras Gesicht kreidebleich war. „Werden … werden wir es überleben?“, fragte sie leise. „Machen Sie sich keine Sorgen, Ma’am. Ich bin ein erfahrener Pilot, ich weiß, was zu tun ist – selbst in Notfällen.“ Tyler schenkte ihr ein Lächeln. Schwach quittierte sie es. „Na dann bin ich erleichtert.“ Sasuke schnaubte. Unfassbar. Ihm glaubte sie kein Wort, aber wenn sie es vom Piloten selbst erfuhr, dann war alles okay? - × - „Liebe Fahrgäste, der Flug nach Tokio startet in Kürze. Bitte schnallen Sie sich an und lösen den Gurt nicht …“ Sakura hörte dem Piloten aus der Sprechanlage gar nicht mehr richtig zu, stattdessen musste sie mit ihrer Angst kämpfen, indem sie sich so tief in den Sitz lehnte und die Augen kräftig zusammenkniff. Ihr flacher Atem vermischte sich mit Furcht. Sie konnte niemals verstehen, wie Sasuke neben ihr seelenruhig seine Zeitung lesen konnte. „Na, Angst?“, stichelte er sie. Sakura konnte zwar sein Gesicht nicht sehen, wusste aber dennoch, dass er gerade dämlich grinste. Klappe, Uchiha, lag ihr auf der Zunge, doch sie verkniff sich diese Bemerkung gerade noch rechtzeitig. „Nein, überhaupt nicht. Wie kommst du nur darauf?“, erwiderte sie stattdessen sarkastisch. Endlich nahm er die Zeitung herunter – und tatsächlich! Er grinste. „Leidest du etwa an Aviophobie?“ „Du wirst gleich auch an etwas leiden, wenn wir landen sollten!“, spie sie ihm entgegen. „Aber um deine Frage zu beantworten: Ja, ich leide unter Flugangst. Aber schön, dass du es erst jetzt bemerkst!“ Ein Lächeln erschien um seine Mundwinkel. „Das war Ironie, Miss Haruno.“ Sie hasste es, wenn er ihren Namen so aussprach. Streng und unnachgiebig. Wo kam dieser Gedanke denn auf einmal her? „Können wir uns endlich mal entscheiden, ob wir uns duzen oder siezen? Das Ganze verwirrt mich“, schlug sie vor, um das Thema zu wechseln. Sie merkte vom Augenwinkel, dass Sasuke sich leicht anspannte. War ihr Tonfall etwa zu schroff gewesen? Wieder versteckte er mit eingemeißelter Miene sein Gesicht mit der Zeitung. „Duzen. Auf der Arbeit wird gesiezt. Das hatte ich dir aber schon mal gesagt, Sakura.“ „Aber wir sind doch gerade bei der Arbeit, oder etwa nicht?“, fragte sie verwundert, und ihre Flugangst war für eine kurze Zeit vergessen worden. Sasukes Augen weiteten sich drastisch. Fuck. Er konnte ihr unmöglich sagen, dass dieser Ausflug nichts mit seiner Arbeit zu tun hatte. Aber du musst es ihr erklären. „Wir reden später darüber, verstanden?“ Sakura blinzelte. „Kannst du mir das auch vernünftig sagen, sodass ich dir dabei in die Augen schauen kann?“ Abrupt nahm er die Zeitung herunter. „Warum?“, fragte er leise und näherte sich ihr ein wenig. „Damit du mir Nahe kommen kannst?“ Ihr schoss augenblicklich das Blut ins Gesicht. „R-rede gefälligst nicht so ein Unfug!“, stotterte sie peinlich berührt und rümpfte hochnäsig ihre Nase. „Bilde dir bloß nichts ein. Ich wollte nur eine normale Unterhaltung mit dir führen, aber selbst das kannst du nicht.“ Sasuke sagte nichts, stattdessen faltete er die Zeitung und legte sie weg. Genau in diesen Moment fing der Motor an zu starten, und blitzartig krallte Sakura sich mit schweißnassen Händen an Sasukes Anzug. Überrascht blickte er zu ihr herüber. „Sakura –“ Sie kniff ihre Augen abermals zusammen, atmete schnell mit ihrer Nase und spannte all ihre Muskeln an. O Gott, sie bereute es, Narutos Angebot bezüglich des Jobs angenommen zu haben. Warum konnte sie nicht einfach weiterhin als Medizinische Fachangestellte in der Praxis ihres Hausarztes arbeiten? „Beruhige dich. Noch fliegen wir nicht.“ „Du … bist so … schlecht beim Aufmuntern!“, keuchte sie ängstlich und wollte ihm am liebsten gleich dafür eine scheuern. „Dann lass mich los“, erwiderte er brüsk. Panik durchströmte ihren Körper. „N-nein … Es … Es tut mir leid, Sasuke.“ Sie begann noch heftiger an zu zittern, und irgendwann bemerkte er die Tränen in ihre mattlosen Augen. „Es tut mir wirklich leid, dass ich mein Temperament nicht zügeln kann, aber bitte … lass mich bei dir Halt suchen.“ - × - „Sakura, wird’s bald?“ „M-moment …“, rief sie zurück, schmiss die benutzte Kotztüte in den Mülleimer und verließ mit Sasuke ruckartig das Flugzeug. In ihrer Panik bei der sanften Landung überkam Sakura der Ekel hoch. Ohne ihre Flinkheit die Tüte rechtzeitig ergriffen zu haben, hätte sie wahrscheinlich auf ihre eigene Schuhe gekotzt. „Fertig mit Würgen?“ Sie mied seinen Blick. Sakura konnte ihn wahrscheinlich nie wieder mehr in die Augen schauen können. Warum hatte sie kurz vorm Start solche Sätze von sich gegeben? Lass mich … bitte Halt bei dir suchen. Ihr Gesicht glühte vor Scham. „Sasuke“, fiepte sie, ehe sie ihr rotes Gesicht mit den Händen verdeckte. „Bitte vergiss, was ich dir vorhin gesagt habe …“ „Was hast du mir denn vorhin gesagt?“, fragte er mit hochgehobener Augenbraue und legte den Kopf ein wenig schief, während er sie ansah. „Falls es dir bisher noch keiner gesagt hat: Du bist ein ganz schön großer Plappermaul.“ Da war sie wieder: Die Arroganz. Wie konnte er ihr so gemeine Sachen an den Kopf werfen, wenn er sich davor doch so rührend um sie gekümmert hatte? Nachdem sie ihn bat, dass sie sich bei ihm festhalten wollte, hatte er ihr behutsam übers Haar gestreichelt und sie in einer Umarmung gezogen. Alleinschon sein Duft von Aftershave hatte ihre Gedanken vollkommen vernebelt. Sasuke bat sogar der Stewardess, ob sie Beruhigungstabletten hätten. Nach der Einnahme der Tablette beruhigte Sakura sich tatsächlich, schlief sogar die ganze Zeit über, bis Sasuke sie irgendwann wecken mussten, weil sie endlich in Tokio gelandet waren. Tokio. Sie hasste diese Stadt einfach. „Wie lange ging der Flug?“, fragte sie in die Stille hinein, blickte Sasuke an und verlor sich in seine wunderschönen braunen Augen. „Vierzehn Stunden“, antwortete jener knapp. „Steig ein.“ Er hielt ihr die Tür von seinem Wagen auf. Sakura blinzelte verwirrt. Woher kam denn auf einmal der BMW 3er her? Sie fragte nicht nach – ihr Kopf schmerzte immer noch, stattdessen gehorchte sie einfach wie ein Schoßhündchen. Kurz, bevor Sasuke die Autotür schloss, beugte er sich nach vorn; sah schnurstracks in das leuchtende Grün. „Du schnarchst ziemlich laut.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)