Die Schatten werden länger von Memories_of_the_Moon ================================================================================ Kapitel 5: Die Adler kommen --------------------------- Wie vereinbart machte sich die buntgemischte Truppe aus Menschen, Elben, Zwergen und einem Zauberer eine Stunde später auf den Weg nach Mordor: ein letztes Mal hatten sie sich in diesem Sinne zusammengeschlossen, um Sauron ein für alle mal vernichtend zu schlagen. Allen voran ritt Aragorn. Auf seinem Wams prangte der weiße Baum von Minas Tirith, das Symbol des Königs von Gondor. Aragorns Miene sprach von Mut und Entschlossenheit: er hatte – unter anderem mit Legolas' Hilfe – alle Zweifel beiseite geräumt und all seine Konzentration und Anstrengung auf die bevorliegende Schlacht gerichtet. Als die Gruppe vor dem Schwarzen Tor, das einen der wenigen Eingänge nach Mordor war, ankam, empfing sie dort Totenstille und weit und breit war kein einziges Lebewesen zu sehen. In einigem Abstand vor dem Tor blieben die paar hundert Männer, die noch übrig geblieben waren, stehen und warteten. Da sich aber nichts tat, ritt eine kleine Gesandtschaft, Aragorn, Eomer und Merry, Legolas und Gimli, Gandalf und Pippin, nach vorne zum Tor, wo Ersterer mit lauter Stimme kundtat: „Lasst den Herrn des Schwarzen Landes herauskommen! Er soll seine gerechte Strafe erhalten!“ Einen Augenblick lang geschah nichts, dann aber begann sich das Tor mit einem lauten Knarren zu öffnen; Sauron hatte die Herausforderung angenommen. Dies veranlasste Eomer und die Gefährten zurückzukehren zu den übrigen Männern, unter denen manche beim Anblick des Feindes nun unruhig zu werden begannen. Aragorn aber, der nun endgültig dazu bereit war, das Amt des Anführers und Königs zu übernehmen, sprach ihnen Mut zu: „Haltet eure Stellung! Söhne Gondors und Rohans, meine Brüder, in euren Augen sehe ich die selbe Furcht, die auch mich verzagen ließe. Der Tag mag kommen, da der Mut der Menschen erlischt, da wir unsere Gefährten im Stich lassen und aller Freundschaft Bande bricht... doch dieser Tag ist noch fern.... Die Stunde der Wölfe und zerschmetterter Schilde, da das Zeitalter der Menschen tosend untergeht... Doch dieser Tag ist noch fern. Denn heute kämpfen wir! Bei allem, was euch teuer ist auf dieser Erde, haltet stand, Menschen des Westens!“ Bei den letzten Worten reckte er sein Schwert Anduril, das aus den Bruchstücken des sagenhaften Schwertes Narsil neu geschmiedet worden war, herausfordernd und zugleich triumphierend in die Höhe. Das Schwarze Tor war nun vollständig geöffnet und bot nun Ausblick auf ein bis auf die Zähne bewaffnetes, unerschrockenes Heer, das neben Orks auch aus allen möglichen anderen abschreckenden Kreaturen bestand. Außerdem konnte man jetzt dahinter Saurons Turm sehen, auf dessen Spitze er höchstpersönlich, das Ausmaß alles Bösen, in der Gestalt eines riesigen, lidlosen Auges, umrahmt von Feuer, thronte. Von dort oben ließ er seinen feurigen Blick über Mordor schweifen und machte es dadurch Frodo und Sam unmöglich, ungesehen zum Schicksalsberg zu gelangen, wo sie den Einen Ring vernichten könnten. Doch nun richtete sich sein Blick auf die Herausforderer; genau das hatte Aragorn erreichen wollen, den so konnten sie Frodo und Sam Zeit verschaffen, um Mittelerde endgültig von diesem Übel zu befreien. Sauron war sich sehr wohl bewusst, dass seine Feinde vermutlich versuchen würden, seinen Ring, seinen Schatz zu zerstören. Dennoch richtete er seine Aufmerksamkeit auf das Schwarze Tor. Erst einmal zuvor hatte man es gewagt, ihn in seinem eigenen Reich anzugreifen; damals, vor Tausenden von Jahren, war er beinahe vernichtet worden. Diesmal würde er besser aufpassen müssen. Und obgleich er die Kühnheit seiner Widersacher bewunderte, blickte er so siegessicher und herablassend wie noch nie von seinem Turm herab. Was konnten diese paar Menschen denn schon gegen sein Heer ausrichten, das ihnen nicht nur in der Anzahl, sondern auch in der Ausrüstung weit überlegen war? Er, Sauron, der Schöpfer des machtvollsten Ringes aller Zeiten, würde diese kleinen Würmer zerquetschen, sie unter seinen Schuhsohlen zerdrücken wie Ameisen. Und dann würde es niemanden mehr geben, der es wagen würde, sich gegen ihn zu erheben. Ganz Mittelerde würde unter seinem Befehl stehen und er würde es über und über mit Orks besiedeln. Und sein Namen würde in aller Munde sein und alle Lande würden vor ihm erzittern! Wie gebannt blickte die Männer das Auge an. Aragorn ließ sein Schwert sinken, als er Sauron zu sich sprechen hörte: „Aragorn! Elessar!“ Legolas nahm wahr, dass irgendetwas in Aragorn vorging, doch er konnte nicht sagen, was es war. Dennoch beunruhigte es ihn, als er sein Schwert sinken ließ als ob er aufgeben würde. Und dann drehte sich Aragorn mit gelöstem Gesichtsausdruck zu ihnen um . Legolas bereitete sich innerlich schon auf das Schlimmste vor, doch Aragorn sah Gandalf an und meinte leise, aber bestimmt: „Für Frodo!“ Und mit einem Schrei stürzte er sich auf die Orks, gefolgt von den Halblingen Merry und Pippin. Erst dann kam auch Bewegung in die anderen und sie rannte auf ihre Feinde zu, die sich ihnen von allen Seiten näherten. Die Schlacht war – wie auch jede andere – ein furchtbares Chaos. Man befand sich in einem Haufen von Orks, durch den man sich alleine kämpfen musste. Die Unterzahl der Menschen war – gelinde gesagt – entmutigend. Doch zum Glück hatte niemand wirklich Zeit, darüber nachzudenken; es gab eigentlich überhaupt keine Zeit um an irgendetwas zu denken. Man musste sich ganz auf seine Instinkte verlassen: Da einen Schwerthieb abwehren, dort eine Verteidigungslücke des Gegners blitzschnell erkennen und ausnutzen. Nicht mehr die Hand führte das Schwert, sondern umgekehrt. Wie ein Wirbelwind fegte Gandalf durch die Orks. Er schien alles bestens unter Kontrolle zu haben, doch plötzlich nahm er wahr, dass etwas nicht stimmte. Und tatsächlich sah er einen Nazgul im Sturzflug auf sich zukommen. Doch noch bevor ihn die fliegende Bestie erreichen konnte, fuhr ein Adler dazwischen. Gandalf hörte Pippin rufen: „Adler! Die Adler kommen!“ Seine alten Freunde hatten sich also dafür entschieden, ihm in dieser letzten Schlacht beizustehen. Aragorn rammte gerade einem Ork seine Klinge in den Leib, als er hinter sich das Brüllen hörte. Dieses unverkennbare Geräusch, das er schon so oft gehört hatte, und doch hatte er noch nie solche Angst davor gehabt. Ein Troll! Er drehte sich um und sah den Gigant direkt auf sich zukommen. Und da war sie wieder, die Szene aus seinem Traum. Das war der Troll, den er gesehen hatte. Panik stieg in Aragorn auf. Dennoch stürzte er sich mit erhobenem Schwert auf den Troll. Auch Legolas hörte das Brüllen des gewaltigen Monstrums, obwohl er einige Meter von Aragorn entfernt in einen Kampf verwickelt war. Blitzschnell schlug er dem Ork vor ihm den Kopf ab und wandte sich dem Troll zu. Er sah, wie sich Aragorn auf ihn stürzte. Legolas beschloss, ihm zur Hilfe zu eilen, da er aus eigener Erfahrung wusste, wie widerstandsfähig und zäh Trolle waren. In diesem Moment holte der Troll aus und schleuderte Aragorn nach hinten, wobei dieser sein Schwert verlor und zu Boden fiel. Verbissen versuchte Legolas, sich durch die Massen zu kämpfen, doch immer wieder stellte sich ihm jemand in den Weg. Aragorn drehte sich – auf dem Boden liegend – um und sah den Troll auf sich zukommen. Wo war nur sein Schwert? Er versuchte sich aufzurappeln, doch da hatte ihn der Gigant auch schon erreicht. Nein! So konnte es nicht enden! Legolas' Schwert sauste nur so durch die Luft, doch er kam einfach nicht voran. Panisch metzelte er Ork um Ork nieder, doch sie schienen einfach nicht weniger zu werden. In seiner Verzweiflung schrie er: „Aragorn!“ Gandalf hörte Legolas' Schrei und wusste, dass etwas nicht in Ordnung war. Und da erblickte er auch schon Aragorn, der am Boden liegend auf den Troll einhieb. Doch es schien aussichtslos. Und Gandalf konnte nichts dagegen machen. Aragorn rammte dem Troll seinen Dolch in den Fuß, doch der Gigant schien den Kratzer nicht einmal zu spüren. Das war es also, dies war sein Ende. Aragorn sah, wie der Troll die gewaltige Keule erhob und er hörte Legolas' Schrei. „Es tut mir Leid, mein Freund“, dachte er. „Es tut mir Leid.“ Der Traum hatte sich also doch nicht bewahrheitet. Aragorn hatte nie gedacht, dass es so kommen würde, doch war er erleichtert darüber, dass dem Elben dieses Schicksal erspart geblieben war. Und mit diesem Gedanken erwartete der den vernichtenden Schlag. Doch in diesem Moment passierte etwas noch nie zuvor Gewesenes: Das Auge, Sauron, bäumte sich auf, seinen Blick auf den Schicksalsberg gerichtet, und stieß einen markerschütternden Schrei aus. Die Kämpfenden hielten inne und Aragorn nutzte diese Gelegenheit, um sich aufzurappeln. Und das Unglaubliche wurde wahr: Während die Orks erschrocken das Weite suchte, beobachteten Aragorn und seine Freunde, wie ihr Traum wahr wurde und Saurons Turm einstürzte. Aragorn hatte Tränen in den Augen. All das, wofür er gekämpft hatte, all das, was er aufgegeben hatte, es hatte sich gelohnt. Soeben war er dem Tod entkommen und Sauron, sein schlimmster Feind, war besiegt. Aber was war mit Legolas? Erschrocken blickte sich Aragorn um, erblickte den Elben aber einige Meter weiter entfernt unversehrt. Und auch Gandalf, Gimli, Merry und Pippin konnte Aragorn lebend ausfindig machen. Und während Sauron mit einem Knall explodierte und all das Böse mit ihm in den Abgrund zog, fühlte sich Aragorn zum ersten Mal seit langem wieder frei und glücklich. Sie hatten es geschafft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)