Madness Returns von kaprikorn (Tales of the Dark Lord) ================================================================================ Kapitel 1: Those who are dead ----------------------------- Winter 1938 Es war die Nacht zum Neujahr, als Merope Gaunt an dem Londoner Waisenhaus um Asyl bat und dort das Kind gebar. Sie hatte eine lange Reise hinter sich gebracht, ausgehungert und geschwächt. Der Weg von ihrer Bleibe bis nach London war weit, zu weit ohne Geld. Die Dame des Waisenhauses, eine dicke und brummige alte Frau namens Mrs. Cole, nahm die geschwächte Mutter an diesem Abend bei sich auf. Der Entbindung beiwohnend, wurde sie wohl Zeuge des Erscheinen des grausamsten Menschen der Zukunft. Merope Gaunt hatte jedoch ihr Ziel erreicht. Sie erlag den Qualen der darauf folgenden Stunde im Kindsbett und nannte mich nach meinem Vater Tom und ihrem Vater, meinem Großvater, Marvolo. Ich wuchs in eben diesem Kinderheim zwischen Muggel - einfachen und nichtmagischen Menschen - auf. Es war ein befremdliches Gefühl, die Waisenkinder nach und nach gehen zu sehen. Klar, die Zeit des zweiten Weltkriegs machte die Adoption nicht unbedingt zu einem lukrativen Geschäft, aber je älter ich wurde umso mehr erreichte mich die schmerzende Erkenntnis, dass sich für mich kein Herz erwärmen würde. Der größte Wunsch eines jeden Kindes war es, von seinen Eltern geliebt zu werden. Da ich nie Eltern hatte, die mich lieben konnten, habe ich selbst auch nie die Notwendigkeit dieses Gefühls verspürt. Ich stumpfte ab und versuchte für meine Enttäuschung darüber, dass man mich als "unvermittelbar" einstufte, ein passendes Ventil zu finden, das sich bald als Rache an den übrig gebliebenen Kindern aus dem Waisenhaus heraus stellte. Egal, ob einer versehentlich die Treppen hinab stürzte und sich das Genick brach, plötzlich ein anderer den Weg nach Hause nicht mehr fand, oder eine ganze Gruppe auf einem gemeinsamen Ausflug spurlos verschwand. Ich hatte perfide Freude daran, meine Mitmenschen zu quälen um sie gleichsam meine eigene Qual spüren zu lassen. Und es dauerte nicht lange, da machte man einen großen Bogen um meine Person, da ich das böse Kind war, das Omen, das wie ein Fluch auf dem armen Waisenhaus lag und Unheil über alle brachte. Ein bitterer Zuspruch meiner selbst machte mir deutlich, dass ich irgendwann einsam und verlassen in einer Gosse sterben würde. Ich war ein Gefangener meiner selbst, vollgestopft mit unerfüllbaren Träumen und wachsenden Sehnsüchten nach Macht und Ansehen - und so rechnete ich gerade an jenem regnerischen Winteranfang am wenigsten mit diesem seltsamen, aber einprägsamen Besuches meines späteren Mentors. Tom war fast über dem Buch eingeschlafen. Das Licht in dem kleinen Zimmer war nicht hell genug um gegen die dunklen Wolken vor dem schmutzigen Fenster ankämpfen zu können. Der Regen prasselte gemächlich und monoton vor sich hin, wie die letzten beiden Tage zuvor und lud das Denken des Zehnjährigen dazu ein, eine Pause zu machen. Auf der Fensterbank sitzend, nickte Riddles Kopf immer wieder auf die Brust zurück, wobei er stetig aufschreckte um orientierungslos zu blinzeln und festzustellen, dass er immer noch in diesem modrigen Raum eingesperrt war. Ja, die Regentage waren die Schlimmsten. Er war wie ein Vogel in seinem goldenen Käfig eingesperrt, der sich nach echter Freiheit sehnte. Ob er das jemals sein würde? Frei? Freiheit begann für den Schwarzhaarigen immerhin schon einmal vordem Waisenhaus. Zeit seines kurzen Lebens war er hier, wusste nichts über seine Familie, seine Vergangenheit - seinen Vater. Tom war ein Tagträumer, verlor sich oftmals in den wahnwitzigsten Vorstellungen und schmiedete mit Vorliebe Pläne, aus London zu fliehen. Früher oder später, ja, früher oder später war es so weit, dann war auch er frei. Er musste nur noch etwas geduldiger sein. Tom schüttelte den Kopf zu sich selbst, klappte das Buch auf seinem Schoß zu und legte es behutsam beiseite. Er hatte in den letzten Monaten viele unerklärliche Dinge erlebt. Neulich erst kreuzte eine kleine Ringelnatter seinen Weg, als er durch die verwinkelten Gassen seines Viertels schlenderte und war überrascht und irritiert zu gleich, dass sie offenbar zu ihm sprach. Nein - so ganz richtig war das nicht, sie sprach tatsächlich, aber anstatt ihm Beachtung zu schenken, schimpfte sie über den Teer und den Gestank des Mülls am anderen Ende der Straße. Zuerst dachte Tom, er hätte den Verstand verloren. Tiere konnten nicht sprechen - das war wider ihrer Natur und höchstens den Fabelwesen aus seinen Phantasmen vorbehalten. An so etwas wie Magie glaubte er nicht, da er nur allzu gerne den anderen Kindern gegenüber der Spielverderber war. Nein, Tom war der festen Überzeugung, mit ihm sei alles in Ordnung, bis zu eben jener Begegnung. Seitdem hatte er seine Freizeit nicht nur damit zugetan, nach Schlangen Ausschau zu halten, sondern der Python im Londoner Zoo immer und immer wieder Besuche abgestattet, um sich mit ihr über Gott und die Welt zu unterhalten. Riddles neues Hobby sorgte natürlich unter den Kindern schnell für Aufsehen - und weil er die kleine Revolte gegen sich zu spät wahr nahm, fand er sich immer öfter im finsteren und mit Spinnweben übersäten Besenschrank wieder. Tom war von der Fensterbank geklettert und hatte sich bäuchlings auf seinem Bett ausgestreckt. Seine Stirn legte sich in missmutige und wütende Falten, als er an den starken Arnold und dessen Hohlköpfe dachte, die wie ein Traubenzweig aneinander hingen und es sich zur Aufgabe gemacht hatten, ihm auf die Nerven zu gehen. Meistens war Riddle schnell genug darin, seine Rache zu üben und die Beine in die Hand zu nehmen - aber die Ablenkung und die neu entdeckten und fremden Kräfte haben ihn zu sehr von der Wirklichkeit abgelenkt und seinen Kopf zur Zielscheibe werden lassen. Arnolds Kumpels und er wussten nämlich, dass Tom vor allem in dunklen und engen Räumen panische Angstzustände bekam - da war die Besenkammer selbstverständlich der beste Ort um ihm eins auszuwischen. Riddle spürte die Frusttränen aufsteigen und vergrub das Gesicht schützend in der Armbeuge. Er wollte hier raus, wollte ein selbstständiges Leben fernab von London führen. London war doof, widerlich, grau und tot. Tom wollte leben. War dieser Wunsch tatsächlich zu viel verlangt? Ein zartes Klopfen ließ den kleinen und schmächtigen Körper zusammen zucken. Zuerst reagierte er nicht, als sich dann jedoch die Türklinke bewegte und die Scharniere der Türe unter dem Druck auf der anderen Seite ächzten, sah der Schwarzhaarige mit kindlich zurückgehaltener Neugierde um. Unter dem Türrahmen standen zwei Personen: eine davon kannte er natürlich, es handelte sich um Mrs Cole, die Leiterin des Waisenhauses. Sie war ihm gegenüber vorsichtig geworden und ließ ihn meistens in Ruhe seinen eigenen Weg gehen, solange Tom sich an die Regeln hielt - was selbstverständlich nicht immer der Fall war und oft zu Konflikten führte, die Mrs Cole in ihrer dummen Naivität schnell gegen ihn verlor. Tom war ein Meister darin, wenn es darum ging Erwachsene mit sinnlosen Gegenfragen in den Wahnsinn zu treiben. Der Mann neben der Leitung war ihm völlig fremd. Vermutlich hätte er sein Großvater sein können, so bärtig und treudoof er ihm schmallippig entgegen lächelte. Einer dieser Männer, die ihm gut und gerne ihr halbes Leben vor seinen Füßen ausbreiteten, obwohl Tom kein Interesse daran hatte zu erfahren, wie schwer es anno dazumal war, sich Wohlstand, Ehre und Arbeit aufzubauen. Er existierte lieber in der Gegenwart. "Hallo Tom, hier ist Besuch für dich - bitte sei höflich." Der Mann trat ein. Er war ziemlich groß, fiel dem Zehnjährigen auf, der sich an den Bettrand gesellte und beobachtete, wie der Fremde sich auf den für ihn viel zu kleinen Stuhl vor seinem provisorischen Schreibtisch niederließ. Seine Augen waren von dem klarsten Blau das er je gesehen hatte, einschüchternd aber auf eine ergreifende Art auch herzlich. Tom konnte die Skepsis auf seinem Gesicht nicht ganz verbergen. Der Graubart begann erst zu sprechen, als Mrs Cole das Zimmer wieder verließ. Er nickte noch einmal zur Begrüßung und streckte Riddle seine Hand entgegen, die der Junge vorsichtig, jedoch argwöhnisch mit einem Handschlag annahm. "Hallo Tom", entgegnete er mit einer nahezu zärtlichen Stimme, die man ihm kaum zugetraut hätte. "Ich hoffe, ich habe dich nicht gestört. Ich bin gekommen, um dich abzuholen."Da war es, dieses Wort! Dieses Wort, das er von allen am Meisten fürchtete. Abholen. Sie wollten ihn also doch ins Tollhaus stecken, weil sie glaubten er habe den Verstand verloren. Tom zuckte abrupt vor dem Älteren zurück und presste seine schlanke Gestalt an die kalte Wand, an dem sein Bettgestell lehnte. "Wer sind sie?! Ich lasse mich nicht abführen! Ich bin nicht verrückt, die denken sich das alles nur aus weil sie mich nicht leiden können..! Ich habe keinem von denen etwas getan, fragen Sie sie doch, sie werden es Ihnen bestätigen!"Die Sanftheit auf Dumbledores Zügen nahm trotz Toms abrupten Wutausbruches zu und die Hände beruhigend erhoben, verneinte er freundlich. "Mein Name ist Professor Dumbledore. Ich bin Lehrer von Hogwarts, einer Schule für Hexerei und Zauberei. Du bist ein Zauberer Tom und ich bin hier, um dich einzuladen bei uns die Kunst der Magie zu erlernen. Du hast sicher schon bemerkt, dass du anders bist als die anderen." Der Argwohn auf Riddles Zügen nahm zu. War das ein Trick? Mit äußerster Vorsicht krabbelte Tom über die Bettdecke ein Stück näher, um dann wieder inne zu halten und Albus abschätzend zu mustern. "Wer sind Sie? Sagen Sie die Wahrheit!" Jetzt lachte der Graubart, der Tadel in seiner Stimme war plötzlich unverkennbar und ließ das Gesicht des Jungen einen Sekundenbruchteil lang unsicher erstarren. "Ich bin dein künftiger Lehrer Tom, also möchte ich dich bitten mich entweder mit "Sir" oder mit "Professor" anzusprechen. Du kannst mir vertrauen, ich bin wie du und ich verstehe dich und was du durchmachen musstest. Aber ich kann dir auch die Möglichkeit geben, dein Leben neu zu ordnen. Du hast ein wundervolles Talent, das man nicht vergeuden sollte."Der schwarzhaarige Junge kletterte auf die Bettkante zurück, dass sich er und der alte Mann direkt gegenüber saßen und er ihn unverhohlen mustern konnte. Eine Weile herrschte angespannte Stille, ehe sich Tom überwand und zu sprechen begann: "Ich wusste schon immer, dass ich etwas Besonderes bin. Vor allem in der letzten Zeit ist es mir vermehrt aufgefallen, dass etwas mit mir nicht stimmt - aber die anderen meinen immer nur, ich hätte den Verstand verloren. Doch ich kann machen, dass Tiere meinen Befehlen gehorchen. Wenn man mir etwas Böses tut, kann ich mich nur durch meine Gedanken wehren, wenn ich will."Inne haltend, blinzelte Tom mit errötenden Wangen auf. Ihm gefiel die Chance hier heraus zu kommen plötzlich immer mehr. "Ich möchte an Ihre Schule.. - Professor! Wie komme ich dahin? Was muss ich tun?" "Nun, zu aller erst musst du lernen dich zu benehmen. Wir haben auf Hogwarts gewisse Richtlinien und nicht nur dort - in unserer Welt gibt es Gesetze, an die es sich zu halten gilt. Nur, weil du Magie beherrschst, bedeutet das nicht, dass du frei von jeder Tugend bist, verstehst du das Tom?" Ein kurzer Schatten zuckte über Riddles Gesicht, der die Anspielung auf seine vorherigen Worte nur schwach begriff, doch er nickte langsam. Wie schwer konnte es schon sein, sich an ein Paar Regeln zu halten und zu anderen nett zu sein. Vielleicht verstand er sich ja auf diesem Hogwarts und in der anderen Welt mit den Menschen besser als hier. Ja, je länger Tom diese Möglichkeit in Betracht zog, umso mehr gefiel sie ihm. Er war also ein Zauberer; er, der rational denkende Tom Riddle mit dem gewöhnlichen Aussehen, dem einfachen Namen und der verlorenen Herkunft. Vielleicht war sein Leben doch nicht so hoffnungslos und erbärmlich wie er annahm. Dumbledore offenbarte mir also die Wahrheit. Ich war ein Zauberer und gehörte nicht zu den normalen und langweiligen Menschen - dieser Gedanke beflügelte mich. Obschon ich ermahnt wurde, keinen Humbug zu treiben, kam ich nicht umhin mich über den Lauf meines Schicksales zu freuen. Es war atemberaubend und unwirklich - aber alles geschah so, wie Albus Dumbledore es prophezeit hatte. *** {R} *** Schließlich kam ich mit 11 Jahren, September 1938, nach Hogwarts und begann im Laufe der Zeit Kontakte zu den reinblütigen Mitschülern zu pflegen, obenauf Abraxas Malfoy, der mein bester Freund werden sollte. Meine Beziehung zu Abraxas hatte jedenfalls mehrere Gründe: zum einen war er mit mir im Quidditchteam und teilte mit mir eine Position, nämlich die des Treibers, zum anderen schienen wir, was gewisse Ansichten anbelangte, auf einer Welle zu schwimmen. Und, um nicht zu vergessen, war er der Sprössling der reichsten und angesehensten Reinblutfamilie der Zauberergemeinschaft. Die Malfoys hatten beinahe überall Mitspracherecht - von der Schule angefangen, bis hin zum Ministerium. Sie stanken nach Geld, aber das war mir einerlei. Von Abraxas lernte ich alles, was ich über die magische Welt wissen musste, ohne mir ungewöhnlich dumm vorzukommen, oder mich meiner ungewissen Herkunft wegen zu schämen. Zwar hatte er manchmal die Eigenschaft, mich bevormunden zu müssen, konnte ich darüber aber gerne hinwegsehen. Er war einfach immer für mich da und unterstützte meine Pläne wo er konnte. Das war eine Erfahrung, die ich bisher noch nicht kannte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)