Wie Frühling und Herbst von Memories_of_the_Moon ================================================================================ Kapitel 18: ------------ Thranduils erster Gedanke war, dass er träumte, dass er es sich nur einbildete. Sein zweiter ließ ihm seinem Bruder die Schuld zuschieben: Sicherlich hatte Gornarbelethas Kalera geküsst, ohne dass diese es wollte... Er wollte bereits mit wütender Miene auf die beiden zustürmen, um Kalera zu „retten“, als ihm bewusst wurde, dass sich diese gar nicht gegen den Kuss zu wehren schien. Thranduils dritter Gedanke war, dass es sich hierbei um ein riesiges Missverständnis handeln musste. Doch als Kalera Gornarbelethas liebevoll anlächelte und ihn „mein Liebster“ nannte, dachte Thranduil gar nichts mehr. Er fühlte nur, wie sein Herz in tausend Stücke zersprang. ******************************************************************************** König Oropher war seit der Begegnung mit seinem Sohn allerbester Laune. Thranduil so lebenslustig zu sehen, ihn so glücklich zu wissen, erfüllte den Elbenherrscher mit tiefem Frieden und Zufriedenheit. Und erstaunlicherweise erschien ihm auch Gornarbelethas in letzter Zeit verändert, in positiver Weise. Jedenfalls wirkte er weniger gereizt, weniger genervt von allem und jedem. Und das war ziemlich ein Fortschritt. Blieb nur zu hoffen, dass es auch von Dauer war... Nachdem Oropher die Unterhaltung mit seinem Botschafter fortgesetzt und beendet hatte, beschloss er, ein wenig durch die Gänge des Palastes zu wandeln, um besser nachdenken zu können. Die Bedrohung aus Mordor bereitete ihm ernsthafte Sorgen und obwohl sich seine väterlichen Gedanken ganz um Thranduils Glück drehten, musste er sich als König doch um politische Angelegenheiten kümmern. So ganz in Gedanken versunken erschrak der Elbenkönig furchtbar, als er plötzlich beinahe in Thranduil hineingerannt wäre. Er wollte gerade sein Erstaunen zum Ausdruck bringen, als ihm die Veränderung in seinem Sohn bewusst wurde: Er war – selbst für einen Elben – furchtbar bleich im Gesicht und das Lächeln von heute Morgen war verschwunden. „Thranduil!?“ Die Besorgnis war Oropher deutlich anzusehen. „Man le trasta? Was bedrückt dich? Ist etwas geschehen?“ Doch der Elbenprinz schien so unter Schock zu stehen, dass er kein Wort hervorbrachte. Nur sein Gesichtsausdruck ließ seinen Vater darauf schließen, dass er Schmerzen hatte. Und Thranduils gekrümmte Haltung, ebenso wie die Hand, die er gegen sein Herz presste, verrieten Oropher auch die Ursache: die Menschenfrau... „Was ist geschehen, iôn nín? Sag es mir...“, bat er. Es dauerte eine Weile bis Thranduil so weit war, zu antworten. Und auch dann brachte er nur ein einziges Wort hervor: „Gornarbelethas.“ „Gornarbelethas!?“ Oropher verstand zunächst nicht, was das mit Kalera zu tun haben sollte. Hatte er sich womöglich getäuscht und es ging gar nicht um die Menschenfrau? Doch ein geflüstertes, kaum wahrnehmbares „Sie haben sich geküsst...“ von Thranduil machte ihm schlagartig alles klar. Gornarbelethas und die Menschenfrau. Warum war ihm das nur nicht schon früher aufgefallen? Hatte er sich durch Thranduils Glückseligkeit von der Wahrheit ablenken lassen? Und wenn ja, konnte man es ihm verübeln? „Iôn nín... Mein Sohn...“ Doch in diesem Moment kam eilig der Anführer der Wache gerannt. „Aran nín, aran nín! Mein König, mein König!... Herr Elrond aus Bruchtal bittet um Euer sofortiges Erscheinen!“ Und etwas leiser fügte er hinzu: „Er sagte, der Ring der Macht habe begonnen, seinen Schatten über Mittelerde auszubreiten...“ Genau das hatte Oropher befürchtet, genau diesen Moment. „Dann ist es also wahr...“ Er konnte es trotz der vielen Berichte, die er in letzter Zeit gesehen hatte, nicht so recht glauben. Aber Thranduil! Er konnte doch seinen Sohn nicht alleine lassen in dieser Situation. Der Prinz jedoch sah das anders. Zwar war er immer noch ein wenig bleich, doch wirkte er gefasster, ruhiger. „Geh nur, Vater. Ich kümmere mich um alles...“ „Iôn nín... Mein Sohn...“ In diesem Augenblick wünschte sich Oropher mehr denn je, dass Thranduil nicht eine solche Last, eine solche Bürde tragen müsste. Wäre er kein König und Thranduil kein Prinz, dann könnte er jetzt bei ihm bleiben, er könnte ihn trösten, ihn aufrichten. Doch die Umstände ließen das nicht zu. Oder doch? War ihm sein Sohn nicht wichtiger als der Rest der Welt? Thranduil jedoch schien fest entschlossen, seine Bürde als Kronprinz zu tragen. „Ich bitte dich Vater, geh. Dein Volk braucht dich, Mittelerde braucht dich. Ich werde auch noch hier sein, wenn du wiederkommst.“ Oropher nickte, im Moment nicht fähig, zu entscheiden, was nun richtig war, was er tun sollte. Doch schon wenige Augenblicke später hatte er sich gefangen, er musste nun mal tun, was er tun musste, immerhin war er der König. Zum Abschied umarmte er seinen Sohn. „Le melin. Ich liebe dich.“ Doch erst der fest entschlossene Blick Thranduils gab ihm das Gefühl, gehen zu können. Als Oropher nur eine halbe Stunde später die Grenzen des inneren Reiches passierte, schwor er sich, so schnell wie möglich zurückzukehren. Denn abgesehen von Thranduil und seiner Situation war da auch noch eine leise Ahnung, dass im Waldreich irgendetwas nicht in Ordnung war... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)