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Wie Frühling und Herbst

von

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„Kann ich zu ihr?“, war das erste, das Thranduil dazu einfiel. Eine Äußerung, die – entgegen seines sonstigen Verhaltens – überraschend spontan, ja fast schon impulsiv klang. Dies fiel ihm offenbar auch selbst auf, denn schon im nächsten Moment rechtfertigte er sich mit leicht geröteten Wangen: „Ich war es, der sie gefunden hat. Ich fühle mich für sie verantwortlich...“

Oropher ersparte seinem Älteren mögliche Hänseleien von Seiten Gornarbelethas' indem er den Heiler anwies: „Lasst uns zu ihr!“

Der Angesprochene verneigte sich ergeben und öffnete die Tür zu den dahinter liegenden Räumen der Heiler.
 

Kaum war die Tür hinter dem König und seinen beiden Söhnen ins Schloss gefallen, erhob sich ein lautes Geschrei. Es stammte eindeutig von einer Frau, von einer Nicht-Elbin.

Augenblicklich eilte Thranduil in den nächsten Raum, gefolgt von seinem Vater, Gornarbelethas und dem Heiler. Dort erklärte sich ihnen der Ursprung des Tumultes: Die junge Frau, die Thranduil in den Wäldern begegnet war, kauerte zitternd hinter einem Stuhl, der ihr offenbar als Versteck und Schutz dienen sollte vor den drei Heilern, die vergeblich versuchten, sich ihr zu nähern.

„Sie lässt niemanden an sich heran, mein König“, erklärte eine Heilerin. „Möglicherweise steht sie unter Schock...“

„Möglicherweise?“, fragte Gornarbelethas skeptisch nach. „Ihr versteht wohl nicht allzu viel von Eurem Beruf...“

Oropher strafte ihn mit einem wütenden Blick. „Schweig, mein Sohn. Du steckst auch so schon genug in der Klemme...“

An die Heilerin gewandt meinte er: „Beachtet ihn nicht...“

Und zur Frau: „So lass dir doch helfen, mein Kind...“ Er machte einen Schritt in ihre Richtung. Das allein genügte, dass sie noch mehr anfing zu zittern und ganz bleich wurde im Gesicht.

Da erblickte sie Thranduil. Doch anstatt etwas zu sagen, sah sie ihn nur mit einem flehenden Ausdruck in den Augen an; als wolle sie ihn – wie in den Wäldern – um Hilfe bitten.

Thranduil reagierte sofort. Er streckte seinen Arm aus und hielt seinen Vater am Ärmel fest. Dieser sah seinen Sohn – erstaunt über diese Geste – verwundert an. Doch noch bevor er nachfragen konnte, trat Thranduil vor ihn und versperrte ihm somit den Weg.

„Vater, lasst mich mit ihr reden. Sie kennt mich. Vielleicht kann ich sie beruhigen.“

Oropher schien trotz der Logik, die den Worten seines Sohnes innewohnte, zu zögern. Er war eben besorgt um seinen Sohn, wollte ihn keiner auch nur möglichen Gefahr aussetzen.

Thranduil kannte seinen Vater so gut, dass er wusste, was in dessen Kopf vorging. Dementsprechend fand er auch die richtigen Worte, um ihn zu beruhigen: „Es ist nur eine einzelne, unbewaffnete Menschenfrau, adar. Was soll mir groß passieren?“

„Na gut...“, gab Oropher mehr oder weniger überzeugt seine Zustimmung.

Als Thranduil sich nicht von der Stelle bewegte, wollte der König wissen: „Worauf wartest du noch, mein Sohn?“

„Ich weiß, es ist viel verlangt, adar“, antwortete der Kronprinz, „doch ich bitte dich und alle anderen hier Anwesenden, euch zurückzuziehen, damit wir uns ungestört unterhalten können.“

Aus Orophers Miene konnte man schließen, dass er diesen Vorschlag seines Sohnes mehr als missbilligte.

Zu aller Überraschung war es Gornarbelethas, der sich auf Thranduils Seite stellte: „Vertrau ihm, Vater. Er weiß schon, was er tut...“

Der König wollte etwas erwidern, schloss aber den Mund ohne ein Wort gesagt zu haben. Stattdessen legte er seinem älteren Sohn die Hand auf die Schulter und sah ihn mit einem Blick an, der Bände sprach.

„Ihr habt den Kronprinzen gehört...“, meinte er dann zu den anderen und verließ zusammen mit ihnen den Raum.
 

Als Thranduil und die Menschenfrau alleine waren, herrschte zunächst einige Momente lang fast absolute Stille; seine Elbenohren hörten nur das Atmen der Menschenfrau.

Der Prinz wartete darauf, dass sie auf ihn zu kam. Er hatte ihr gezeigt, dass er ihr helfen wollte. Jetzt war sie an der Reihe.

Dennoch trat er einige Schritte zurück und lehnte sich an die Wand neben einem großen Fenster, durch das man die königlichen Gärten erblicken konnte. Thranduil bemühte sich, die verängstigte Frau nicht zu auffällig anzustarren, um sie nicht dadurch möglicherweise noch mehr zu verschrecken; gleichzeitig aber wollte er sie nicht aus den Augen lassen.

Nach einigen Minuten ergriff sie schließlich das Wort. „Ich danke Euch.“ Das war alles. Sie wartete offenbar auf seine Reaktion.

„Ich bin Thranduil“, meinte der Elb freundlich. „Verratet Ihr mir Euren Namen?“

„Kalera...“, kam es zaghaft zurück.

„Ihr braucht keine Angst zu haben, Kalera“, versuchte der Prinz die junge Frau zu beruhigen. „Ich tue Euch nichts. Und auch sonst niemand hier. Wir wollen Euch nur helfen.“

Zaghaft kam Kalera hinter dem Stuhl hervor.

„Setzt Euch doch“, schlug Thranduil vor und zog für sich ebenfalls einen Stuhl heran, jedoch immer noch weit genug entfernt, um der jungen Frau ihren Platz zu lassen. „Wollt Ihr mir erzählen, was geschehen ist?“

Kalera setzte sich und nickte zögernd.

„Ich höre Euch zu. Lasst Euch ruhig Zeit...“ Thranduil versuchte, auch weiterhin so entspannt und ruhig wie möglich zu wirken – was ihm überhaupt nicht schwer fiel.

„Es war Abend...“, begann Kalera zu erzählen. „Meine Familie und ich hatten Verwandte besucht und auf dem Heimweg machten wir Rast, um uns etwas auszuruhen. Wir machten ein Feuer und wurden dabei wohl etwas schläfrig. Jedenfalls haben wir sie nicht kommen hören...“

„Wen habt ihr nicht kommen hören?“, ermunterte Thranduil die junge Frau zum Weitererzählen.

„...Die Orks...“ Kaleras Stimme begann zu zittern und sie schlang die Arme um den Körper. „Es waren bestimmt zwei Dutzend. Wir hatten keine Chance...“

Thranduil wagte es nicht, weiter nachzufragen. Stattdessen meinte er: „Es tut mir sehr Leid, Kalera, was Euch passiert ist. Ich werde das mit dem König besprechen und überlegen, wie wir handeln sollen. Aber bitte wisst, Ihr seid hier in Sicherheit. Es wird Euch nichts geschehen. Dafür gebe ich Euch mein Wort.“

„Ich danke Euch...“, flüsterte die junge Frau und lächelte Thranduil traurig an.

„Darf ich Euch bitten, Euch von unseren Heilern untersuchen zu lassen?“, bat der Prinz. „Sie wollen Euch – ebenso wie ich – nur helfen.“

Kalera nickte zaghaft, aber zustimmend.

„Kommt Ihr nachher wieder zu mir?“, wollte sie wissen.

„Das werde ich“, versprach Thranduil. Er erhob sich und verließ den Raum Richtung Thronhalle.
 

Dort wartete Oropher schon ungeduldig auf ihn. „Da bist du ja endlich, mein Sohn.“ Wie zuvor schloss er Thranduil in die Arme.

„Schon gut, Vater“, lachte dieser. „Alles bestens.“

„Hat dir die Frau etwas erzählt?“, wollte Oropher wissen.

Sofort hörte Thranduil auf zu lachen. „Ja, hat sie. Etwas Furchtbares.“ Er berichtete seinem Vater, was Kalera ihm erzählt hatte.

Als er geendet hatte, gab Oropher zu: „Ich habe kein sehr gutes Gefühl bei dieser Sache...“

„Was heißt das Vater?“

„Das weiß ich noch nicht... Es wird sich schon noch zeigen....“

Oropher ließ einige Augenblicke verstreichen, dann entschied er. „Sie darf bleiben. Vorerst.“



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