Ein einfaches Ende von GotoAyumu (Yamato Ishida x Taichi Yagami) ================================================================================ Kapitel 25: ------------ Interessiert schaue ich Kozue über die Schulter, als sie dabei ist, Korrekturen an meinem aktuellen Liedentwurf vorzunehmen. Ihr Musikverständnis erstaunt mich immer wieder aufs Neue. „An dieser Stelle passt die Melodie nicht gut zum Text.“ Sie deutet auf eine Tonfolge. „Der Gesang wirkt so unnatürlich verkrampft.“ „Diese Passage bereitet mir auch am meisten Schwierigkeiten“, gebe ich zu. Kozue steht auf und geht zu Masaos Keyboard. Leise singt sie den Text während sie verschiedene Kombinationen durchspielt. Ich höre ihr gern zu, denn ich mag ihre Stimme. Aber abgesehen vom Komponieren weigert sie sich zu singen, da sie selbst ihre Stimme nicht mag. Den Klängen lauschend nehme ich auf einem der Stühle Platz und schließe meine Augen. Auch Naoki schweigt und genießt diesen eher seltenen Moment. Nach einer Weile wird es plötzlich still. „Schlaft ihr?“, fragt unsere Schlagzeugerin gespielt empört. Ich öffne meine Augen. „Was haltet ihr von dieser Tonfolge?“ Sie spielt die kurze Melodie und schaut dann in meine Richtung. „So dürfte die Stelle für dich einfacher zu singen sein, oder?“ „Spiel den Abschnitt bitte noch einmal.“ Gedanklich füge ich den Text hinzu. Tatsächlich harmoniert jetzt beides viel besser miteinander. Kozue ist wirklich erstaunlich. Wie schafft sie es, genau die Stimmung einzufangen, die ich letztlich dem Zuhörer vermitteln möchte? „Ja, es klingt insgesamt stimmiger. Aber sag mal, Kozue, möchtest du es dir nicht noch einmal überlegen? Bei den Backvocals wärst du für die Band sicher eine Bereicherung.“ „Lass es, Yamato“, ermahnt mich Naoki, bevor Kozue sich zu Wort melden kann. „Wenn sie etwas nicht will, schafft es niemand, sie zu überzeugen. Sie wird allenfalls wütend.“ „Ich dachte, das Thema wäre längst abgehakt“, bemerkt Kozue, während sie sich ein paar Notizen auf dem Notenblatt macht. „Entschuldige. Ich finde es einfach nur schade. Und meiner Meinung nach ist es verschenktes Potential.“ Ohne weiter auf mich einzugehen, beginnt Kozue den kompletten Song auf dem Keyboard zu spielen. Ich entzünde eine Zigarette und konzentriere mich auf die Tonfolgen. Naoki scheint es mir gleichzutun. Noch bevor unsere Schlagzeugerin den Song beendet hat, öffnet sich die Tür zu unserem Proberaum. Masao steht im Türrahmen. Hinter ihm sehe ich Itaru. Unwillkürlich verfinstert sich meine Miene. Ich schaue zu Kozue, da ich eigentlich eine Standpauke oder zumindest einen bissigen Kommentar von ihr erwartete, doch sie sagt nichts, sondern greift lediglich nach der Zigarettenschachtel auf dem Tisch. „Ich möchte mich bei euch entschuldigen“, meint Masao, wobei er seinen Blick aufrecht hält und uns ansieht. „So lange ohne eine Erklärung den Proben fernzubleiben, war nicht richtig. Ich...“ „Es ist nicht nötig, dass du uns die Gründe für dein Verhalten nennst“, unterbricht Naoki seinen Bandkollegen. „Wir respektieren deine Privatsphäre. Für uns ist am Ende nur wichtig, ob du weitermachen wirst.“ Seine Worte klingen kühler als offenbar beabsichtigt. Vielleicht lächelt er Masao deshalb an, um ihm ein beruhigendes Gefühl zu geben. Dieser schaut seltsamerweise zu mir, bevor er antwortet. „Ich würde sehr gern weiterhin Bestandteil dieser Band sein.“ Kozue nimmt einen tiefen Zug von ihrer Zigarette und atmet geräuschvoll aus. „Also gut. Dir sei verziehen“, gibt sie gespielt übertrieben von sich und grinst unseren Keyboarder an. „Da dieses Problem jetzt zum Glück beseitigt ist und du Itaru praktischerweise gleich mitgebracht hast...“ Zur Begrüßung hebt sie ihre Hand, dieser erwidert die Geste freudig. „...können wir die Gelegenheit nutzen und besprechen, in welcher Besetzung die Band in Zukunft weitermachen soll.“ Sie bedeutet den beiden Neuankömmlingen, sich zu uns zu setzen, woraufhin diese der Aufforderung ohne weiteres nachkommen. Etwas angespannt drücke ich meine Zigarette im Aschenbecher aus. „Zunächst einmal besteht die Überlegung, dich, Itaru, als festes Mitglied in die Band aufzunehmen. Dazu müssten wir wissen, ob deinerseits überhaupt Interesse besteht.“ Kozue richtet sich direkt an Masaos Freund. Unbeteiligt kipple ich mit meinem Stuhl und betrachte meine Schuhe. Ich weiß ohnehin, wie das Ganze ausgehen wird. Selbst meine Einwände werden nicht verhindern können, dass dieser Otaku in die Band aufgenommen wird. Entweder ich finde mich damit ab oder ich muss die Band verlassen. Etwas anderes bleibt mir nicht übrig. Nervös spiele ich an meinen Fingern. Das leichte Zittern jedoch kann ich so weit unterbinden, dass es anderen bei oberflächlicher Betrachtung offenbar nicht aufzufallen scheint. Zwar bin ich nach wie vor clean, aber die Entzugserscheinungen lassen meinen Körper einfach nicht vergessen, wonach ihm so sehr verlangt. „Yamato, träumst du?“, höre ich Kozue plötzlich fragen. Zunächst abwesend schaue ich sie an, dann bemerke ich, dass sämtliche Blicke auf mich gerichtet sind. Unsere Schlagzeugerin seufzt. „Mittlerweile sollte ich es gewöhnt sein, dass du dich aus wichtigen Gesprächen ausklinkst.“ „Ich schließe mich eurer Meinung an“, entgegne ich gleichgültig. „Wir wollen aber deine eigene Meinung hören“, meldet sich nun auch Naoki zu Wort. „Ihr kennt meine Meinung zu diesem Thema. Da ich damit allerdings allein dastehe, ist es am Ende doch egal, was ich sage.“ „Yamato, kann ich dich bitte kurz draußen sprechen?“ Masao schaut mich ernst an. Die Gesichtsausdrücke der Anderen zeigen Verwunderung, einzig Kozue bedenkt uns mit einem verstehenden Lächeln. Ich kann mir vorstellen, woran sie gerade denkt, ignoriere sie aber und folge Masao nach draußen. „Was für ein Problem hast du eigentlich mit Itaru?“, will er wissen, ohne jedoch anklagend zu klingen. Ich senke meinen Blick. Eine Antwort gebe ich ihm nicht. „Du weißt es selbst nicht, habe ich recht?“ Ich nicke schuldbewusst. Dabei fühle ich mich wie ein kleiner Junge, der etwas angestellt hat. „Du bist auf Entzug, oder?“ „Was?“ Irritiert über den plötzlichen Themenwechsel hebe ich meinen Kopf und betrachte mein Gegenüber. „Dein Körper zittert leicht, du wirkst nervös und unfokussiert. Deshalb nehme ich an, dass es sich um Entzugserscheinungen handelt.“ Ein bitteres Lächeln legt sich auf meine Lippen. Beobachtet er mich wirklich so genau oder ist er einfach nur unglaublich sensibilisiert. „Hast du dich ernsthaft von deiner Freundin getrennt?“, versuche ich ungeschickt abzulenken. Masao seufzt. „Ja. Wir werden auch nicht in Kontakt bleiben, denn damit könnte keiner von uns beiden umgehen. Den Anderen scheinst du nichts erzählt zu haben. Warum?“ „Aus welchem Grund sollte ich das tun? Es ist deine Sache, wem du was erzählst. Ich habe nicht das Recht, deine Privatsphäre auszuplaudern. Allerdings scheinen wir Kozue wieder auf komische Gedanken gebracht zu haben. Hast du ihren Gesichtsausdruck bemerkt, als wir rausgingen?“ „Habe ich.“ Ein Grinsen legt sich auf seine Lippen. „Und eigentlich finde ich es ganz lustig. Zumal ich nicht davon ausgehe, dass Kozue ernsthaft glaubt, dass zwischen uns etwas läuft“, meint Masao gelassen. „Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen.“ Seine Mimik wird ernster. „Denkst du, du bekommst einen normalen Umgang mit Itaru hin? Auf Dauer? Versteh mich bitte nicht falsch. Ich möchte lediglich vermeiden, dass schlechte Stimmung in der Band aufkommt.“ „Dabei hast du selbst zuletzt dafür gesorgt“, werfe ich ihm unbedacht an den Kopf. „Ich weiß. Ich habe einiges wiedergutzumachen.“ „Manchmal finde ich dich übertrieben pflichtbewusst. Niemand trägt dir etwas nach.“ Die Mimik meines Gegenübers ist liebevoll und schwermütig zugleich. „Akito sagte mir einmal etwas Ähnliches. Du erinnerst mich so oft an ihn.“ Die Augen Masaos schimmern leicht. Sind das Tränen? „Darf ich dich etwas fragen?“, bringe ich vorsichtig an. Er nickt leicht. „Du sprichst ungewöhnlich viel von Akito. Empfindest du mehr als Freundschaft für ihn?“ Masaos Gesicht zeigt Erstaunen. Während ich auf eine Antwort warte, mustere ich ihn genau. Mein Gegenüber weicht meinem Blick nicht aus. „Körperlich bestand kein Interesse, falls du das meinst. Aber seine Persönlichkeit faszinierte mich.“ Masao macht eine kurze Pause, sein Blick richtet sich auf einen unbestimmten Punkt in der Ferne. „Ich würde meine Gefühle für ihn nicht als Liebe bezeichnen, wenngleich sie vielleicht ähnlich stark sind und tatsächlich über freundschaftliche Zuneigung hinausgehen.“ Er schaut wieder zu mir. „Ich weiß nicht, ob du nachvollziehen kannst, was ich versuche zu erklären. Manche Empfindungen und Beziehungen lassen sich einfach nicht gut in Worte fassen.“ „Du sprichst nicht in der Vergangenheitsform.“ „Wenn ein Mensch stirbt, sterben dann automatisch die Gefühle, die der Person entgegengebracht wurden, mit ihm? Hast du damals aufgehört, Akito zu lieben?“ Masaos Frage verursacht ein schmerzhaftes Stechen in meiner Brust. Ich senke den Blick und betrachte meine Hände, die geringfügig zittern. Leichte Entzugserscheinungen. Oder emotionale Aufgewühltheit? „Es tut mir leid“, höre ich unseren Keyboarder leise sagen. Unsicher greift der nach meiner Hand und hält sie, nachdem eine Abwehr meinerseits ausbleibt, fest in seiner. Als ich meinen Blick nach einer Weile des reglosen Verharrens wieder hebe, bemerke ich Spuren von Tränen auf Masaos Wangen. Seine Augen schimmern noch immer glasig. Die Wunde, die Akito hinterließ, wird vermutlich nie verheilen, allenfalls irgendwann völlig vernarben. Und die Schwierigkeiten mit der Familie seiner Freundin, welche schließlich zur eher unfreiwilligen Trennung führten? Masao versucht, meist gefasst zu wirken, aber inzwischen weiß ich, dass es selbst ihm nicht gelingt, seine Fassade immer aufrecht zu erhalten. Kurz zögere ich, dann nehme ich ihn unbeholfen behutsam in den Arm. In letzter Zeit wirkt Masao so zerbrechlich und instabil. Besorgnis ergreift Besitz von mir, welche sich in einer diffusen, beklemmenden und stärker werdenden Angst äußert. Nachdem die Stationstür hinter uns wieder verschlossen wurde und wir sämtliche Habseligkeiten abgeben mussten, folgen Taichi und ich dem Pfleger bis zu einer Tür am Ende des Ganges. „In diesem Zimmer liegt Herr Takano. Er befindet sich in einem dissoziativen Stupor, weshalb er vermutlich nicht auf Sie reagieren wird. Reichen Ihnen zehn Minuten?“ Verärgert schaue ich zu dem Pfleger, dem die Worte so kalt und gleichgültig über die Lippen kamen. Doch bevor ich auf ihn reagieren kann, spüre ich Taichis Hand auf meinem Arm. „Vielen Dank. Zehn Minuten reichen“, entgegnet er mit einem freundlichen Lächeln, welches meine Wut nun auf ihn richtet. „Dann warte ich so lange hier draußen“, bekundet der Mann vom Personal. Mein Freund öffnet die Tür und schiebt mich in das Zimmer. Auf dem Bett liegt Shinya, angeschlossen an Geräte, die dauerhaft seine Vitalfunktionen überprüfen. Als ich näherkomme, bemerke ich, dass er durch einen Schlauch in seiner Nase zwangsernährt wird. „Er erinnert mich an dich damals“, höre ich Taichi, der noch immer hinter mir steht, flüstern. Ich ignoriere die Aussage meines Freundes und setze mich zu meinem einstigen Freier ans Bett. „Shinya?“, spreche ich ihn an, obwohl ich weiß, dass er nicht reagieren wird. Leicht berühre ich seine Hand, die reglos auf der Bettdecke ruht. Seine Haut ist kalt, als wäre er bereits tot. „Shinya, bitte!“, wispere ich, während Tränen meine Augen füllen. Seine Augen sind leer ins Nichts gerichtet, während sein Körper wie erstarrt auf der Matratze verweilt. „Offenbar ist seine Liebe zu dir doch nicht so stark, wenn er selbst auf dich nicht reagiert“, meint Taichi beinahe höhnisch. Ich weiß, dass er mich absichtlich verletzen will, auch weil er Shinya hasst. Unerwartet legt er seine Arme um meinen Körper. „Vielleicht kann er sich aus seiner Apathie lösen, wenn ich dich hier in seiner Anwesenheit ficke.“ Mit seiner Hand gleitet er zwischen meine Beine, wo ich ihm letztlich Einhalt gebiete, indem ich ihn zurückweise, aufstehe und mich ihm zuwende. „Tai, hör auf“, bitte ich ihn schwach, mit vibrierender Stimme. „Warum? Ich will ihm begreiflich machen, dass du mir allein gehörst.“ „Was soll das? Er...“ Meine Stimme versagt. Ich wende mich von meinem Freund ab und meinem einstigen Freier wieder zu. Sanft streiche ich über dessen ausgezehrtes Gesicht. „Shinya, es tut mir so leid. Ich dachte... ich wollte... nicht... bitte... wenn nicht für mich... dann für Shota. Er leidet, weißt du? Trotz allem liebt er dich sehr, er kann es nur nicht zugeben... er... weiß selbst nicht, wie er... mit der Situation umgehen soll... verständlich, wenn man bedenkt, was du ihm angetan hast. Deshalb musst du dich der Verantwortung stellen... als sein Vergewaltiger... als sein... Vater.“ Sanft küsse ich meinen einstigen Freier auf die Stirn. „Wäre all das nicht passiert, wenn ich dich... nicht ständig... im Stich lassen würde? Bitte verzeih mir.“ Es fällt mir schwer, zu atmen und den Tränen keinen freien Lauf zu lassen. Meine Kehle schmerzt von den unterdrückten Emotionen. „Ich habe dich sehr lieb, Shinya.“ Eine Weile betrachte ich schweigend den leblosen Körper, der nicht die geringste Reaktion auf meine Worte zeigt. „Gehen wir“, meine ich schließlich resigniert. Taichi schaut mich mit ernster Miene an. „Wieviel bedeutet dir dieser Typ wirklich?“ „Können wir draußen darüber reden?“ Ohne ein weiteres Wort verlassen wir das Zimmer, werden von dem Pfleger zum Ausgang der Station gebracht und erhalten unsere abgegebenen Sachen zurück. Auf dem Flur des Krankenhauses atme ich kurz tief durch, um meine Emotionen wieder in den Griff zu bekommen. „Was hast du hier zu suchen?“ Erschreckt schaue ich auf. Zwar habe ich ihn bereits an der Stimme erkannt, doch als ich Shinyas Sohn direkt vor mir stehen sehe, überkommen mich unerträgliche Schuldgefühle. „Shota“, bringe ich erstickt heraus. Gerade jetzt, nachdem ich Shinya in diesem unerträglichen Zustand sehen musste, schaffe ich es nicht, seinem Sohn gegenüberzustehen. „Ich...“ „Warum kannst du nicht einfach sterben, Yamato?“ Shota klingt eher verzweifelt als wütend. „Dann müsste ich mich nicht mehr fragen, warum ausgerechnet du das Verderben für meine Familie warst.“ „Bevor du solche Äußerungen tätigst, solltest du alle Fakten kennen“, mischt sich Taichi plötzlich ein. „Dein Vater hat nicht nur dich, sondern ebenso Yamato vergewaltigt, und das offenbar mehrfach. Wenn du also jemandem den Tod wünschst, dann doch wohl eher ihm, oder?“ „Tai!“, versuche ich meinem Freund Einhalt zu gebieten. „Du fickst Yamato auch, nehme ich an. Gegen Geld? Bist du einer seiner Freier?“ Shota schaut Taichi herablassend an. „Und ich dachte, er treibt es nur mit Älteren, des Geldes wegen.“ „Dabei hat dein Vater nicht einmal mit Geld bezahlt. Er machte ihn mit Drogen gefügig und nahm sich, wonach ihm verl...“ „Taichi!“, versuche ich resoluter ihn zum Schweigen zu bringen, um Shota weitere Einzelheiten zu ersparen, die zudem nicht komplett den Tatsachen entsprechen. „Bitte sag nichts mehr.“ Ich ergreife seine Hand, um ihn ein wenig zu beruhigen. „Shota... es tut mir leid.“ „Stimmt das, Yamato?“, will dieser sichtlich irritiert wissen. „Nicht so“, entgegne ich wahrheitsgemäß. „Bitte lass es mich dir irgendwann erklären.“ Ohne darauf zu antworten und mit einer Miene, die ich nicht zu deuten vermag, kehrt Shota uns den Rücken und geht in die Richtung, aus der Taichi und ich gekommen waren. „Wieviel möchtest du eigentlich noch rauchen? Seit wir nach Hause kamen, sitzt du in der Küche, schweigst und tust nichts anderes.“ Ich betrachte die Zigarette in meiner Hand. Taichi, der mich vom Türrahmen aus beobachtet, atmet hörbar aus. Dann kommt er auf mich zu, nimmt mir die Zigarette aus der Hand und drückt sie im Aschenbecher aus. „Gib mir die Schachtel.“ Ohne auf eine Reaktion meinerseits zu warten, greift er über den Tisch. Ich hindere ihn an seinem Vorhaben, indem ich sein Handgelenk mit meinen Fingern fest umschließe. „Lass es“, weise ich meinen Freund schroff zurecht. „Yamato, lass meinen Arm los”, befiehlt dieser mit drohendem Unterton. „Dann lass mich einfach in Ruhe.“ „Nein.“ Er nimmt mir gegenüber am Tisch Platz und sieht mich eindringlich an. „Was ist los?“, will er seufzend wissen. „Wieso fragst du das Offensichtliche?“, bringe ich Taichi verständnislos entgegen. „Shota hat bereits genug durchmachen müssen. Warum hast du ihm einen solchen Unsinn über seinen Vater erzählt?“ „Unsinn? Hat dieses Arschloch dich etwa nicht von Drogen abhängig gemacht und mehrfach vergewaltigt?“ „Du weißt genau, dass das so nicht der Wahrheit entspricht. Aber es passt dir natürlich gut in den Kram, jemand anderen für meine Fehler verantwortlich zu machen, um nicht zugeben zu müssen, dass dein Freund einfach nur ein dreckiger Stricher ist, der sich für Sex bezahlen lässt. Oder liegt es eher daran, dass Shinya es mir auch so besorgen durfte? Dass er mit mir schlafen durfte, weil ich ihn in mir spüren wollte? Kratzt es an deinem Ego, dass du nicht der einzige bist, für den ich die Beine breit mache und für den ich etwas empfinde?“ Zwar will ich Tai mit meinen Worten verletzen, allerdings schmerzt es mich noch viel mehr, dass sie nicht gänzlich gelogen sind. Doch auch wenn ich nur ihn lieben möchte, muss ich mir eingestehen, dass meine Gefühle für Shinya oder auch für meinen Vater nicht unerheblich sind. Die Miene meines Freundes wird starr. Aus kalten Augen blickt er mich an. Ihn ignorierend entzünde ich erneut eine Zigarette und atme den Rauch tief in meine Lunge ein. Dann lasse ich ihn langsam zwischen meinen Lippen entweichen und wiederhole die Prozedur. „Was genau empfindest du für diesen Kinderficker?“, fragt mein Freund abfällig. „Liebst du ihn?“ „Taichi... was soll das?“ Ohne zu antworten, erhebt sich mein Freund. Vor mir bleibt er stehen und entwindet meinen Fingern die Zigarette. Unerwartet nimmt er einen tiefen Zug, dann beugt er sich zu mir und zwingt mir einen intensiven Zungenkuss auf, den ich nach kurzem Zögern bereitwillig, beinahe sehnsüchtig erwidere. „Tai...“, hauche ich in den Kuss, dessen Geschmack mir so wohlvertraut ist, woraufhin mein Freund sich von mir löst und mich abwartend ansieht. „Deine Antwort?“ „Ich liebe ihn nicht. Nicht, wie ich dich liebe.“ „Dann dürfte es dir nichts ausmachen, wenn du ihn nicht wiedersiehst.“ Meine Augen weiten sich, als ich die Bedeutung der Aussage begreife. „Du verstehst es nicht.“ Das Zittern meiner Stimme ist deutlich hörbar, Tränen lassen meine Sicht verschwimmen. „Shinyas Zustand ist meine Schuld. Und auch, was er seinem Sohn angetan hat...“ „Yamato“, unterbricht mich mein Freund bestimmt. „Gib mir deine Hand.“ Irritiert blicke ich ihn an, leiste aber zögernd Folge. Bevor ich sein Vorhaben realisiere, drückt Taichi die Zigarette, die er noch immer zwischen seinen Fingern hält, in meiner Handinnenfläche aus. Ein brennender Schmerz lässt mich zusammenzucken. Ich schließe meine Augen und nehme das Gefühl dankbar in mich auf. „Ich bin der einzige, der dir wehtun darf, hast du das noch immer nicht verstanden, mein Liebling“, raunt Tai in mein Ohr. „Physisch wie psychisch. Gib deinen Selbsthass endlich auf. Du brauchst nur mich.“ Mein Freund küsst mich erneut. Dieses Mal lasse ich es lediglich geschehen, bleibe ansonsten unbewegt. Tränen laufen nun über meine Wangen. Wenn ich alles aufgebe, habe ich nur noch Taichi. Ich liebe ihn, allerdings begreife ich allmählich, dass dennoch auch andere Menschen wichtig für mich sind und ich sie weder aufgeben kann noch aufgeben will. „Tai...“ Betroffen senke ich meinen Kopf. „Hast du es endlich begriffen, Yamato?“ Sinnlich leckt er über die verbrannte Haut, dann lässt er meine Hand los und umfängt mich liebevoll mit seinen Armen. „Ich liebe dich“, hauche ich fast stimmlos. Der Duft meines Freundes umhüllt mich sanft, ich fühle mich geborgen und genieße seine Nähe. Zumindest für einen kurzen Augenblick. Dann atme ich tief durch und drücke ihn sanft von mir. „Trotzdem werde ich Shinya nicht sich selbst überlassen. Und Shota beschützen. Auch vor dir.“ Wie erwartet nimmt Tai Abstand. Seine Augen fixieren mich mit einem traurigen Ausdruck. „Du ziehst sie mir vor?“ „Nein!“, entgegne ich verzweifelt. „Bitte... ich möchte mit dir über die Situation sprechen, ohne dass sie in Gewalt oder Gleichgültigkeit endet. Taichi...“, flehe ich meinen Freund an. Dieser betrachtet mich eingehend. Dann nimmt er wieder mir gegenüber auf dem Stuhl Platz. „Ich höre mir an, was du zu sagen hast. Solltest du mich nicht überzeugen, werde ich die Beziehung zu dir endgültig beenden.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)