Mutant-Camp von Lelu ================================================================================ Kapitel 2: ----------- 11. Mai – Camp 8 Charles Xavier Mein ganzer Körper tat höllisch weh und zuckte unkontrolliert. Ich kam gerade erst wieder zu Bewusstsein und erlangte nur langsam die Kontrolle über meine Bewegungen zurück. Meine Erinnerungen sickerten wie Honig in meinen Kopf. Aber als sie da waren, wurde mir nicht nur schlecht von meinen Schmerzen. Sie hatten es wieder getan…und ich habe es wieder über mich ergehen lassen. Ich lag im Duschraum der Wärter und musste nicht einmal an mir hinunter sehen, um festzustellen, dass ich nackt war. Ich musste auch nicht auf den Boden sehen, um zu wissen, dass er mit meinem Blut verschmiert war. Vorsichtig stemmte ich mich hoch, benötigte aber vier Versuche um mich aufzurichten. Als ich endlich stand wurde mir augenblicklich schwarz vor Augen und ich sackte einfach gegen die Wand links von mir. Die kalten Fliesen kühlten meine viel zu warme Haut und ich war einen Moment versucht einfach sitzen zu bleiben. Aber ich durfte nicht mehr hier sein, wenn die Wärter das nächste Mal kamen sonst würde es Prügel setzten. Also drückte ich mich an der Wand hoch und sog zischend die Luft zwischen den Zähnen ein, als ich die verkrusteten Wunden auf meinem Rücken wieder aufriss. Ich ignorierte den weiteren Schmerz und machte einen entschlossenen Schritt in die Mitte des Raumes. Doch ein weiteres Mal machte mir mein malträtierter Körper ein Strich durch die Rechnung. Mein Unterleib zog sich schmerzhaft zusammen und ich musste gegen die erneut aufsteigende Übelkeit ankämpfen. Mein verschwommener Blick irrte durch den Duschraum, auf der Suche nach meinen Kleidern und blieb an einem Spiegel hängen. Ich wusste genau, dass es ein Fehler war, aber ich ging näher hin und betrachtete den jungen, nackten Mann, der mir schmerzhaft gekrümmt gegenüber stand. Er war nicht dürr, nicht so sehr wie er es früher einmal gewesen war. Im Gegenteil, mittlerweile hatte er dezente Muskeln bekommen, wusste aber nichts damit anzufangen. Er hatte in seinem ganzen Leben immer gehorcht, sich nie widersetzt. Die braunen Haare hingen ihm strähnig ins Gesicht, aus dem der Schmerz tausend Bände sprach. Selbsthass und Verachtung stiegen in mir hoch, als ich mich so musterte. Etliche Narben zogen sich über meinen gesamten Körper. Ich wusste schon gar nicht mehr, von welchem Foltergerät sie stammten…es waren Schnitte, Stiche, Narben eines Elektroschockers…es waren einfach zu viele. Aus frischen Wunden lief Blut und meine Arme, Beine und mein Unterleib waren mit blauen Flecken bedeckt. Als ich es sah, wurde mir wieder schlecht und ich musste meine ganze Willenskraft aufbringen, um mich nicht zu übergeben. Am Anfang…wie viele Jahre war das jetzt her?...hatte ich mich gewehrt. Ich wollte mich nicht einfach missbrauchen lassen. Ich tat alles, um den Wärtern ihren Spaß zu verderben. Doch sie finden immer einen Weg einen zu brechen und so ging es auch mir. Irgendwann war es mir egal, was sie mit mir, mit meinem Körper taten…und dann kam der Selbsthass, die Verachtung und der Ekel. Ich hasste, was aus mir geworden war und das ich zu schwach war, um das wieder zu ändern. Mein Blick fiel auf eine Bisswunde an meiner Schulter, aus der Blut sickerte. Verdammt, dieser eine Kerl musste mich immer beißen, wenn er kam! Klar, ich hatte ja noch nicht genug Narben. Ekel vor den Wärtern und mir selbst stieg wie Galle in mir auf und mein Blick wanderte zu meinem linken Arm. Die Narben an diesem stammten nicht nur von der Folter. Etliche hatte ich mir selbst beigebracht und ich würde damit weiter machen. Vielleicht war ich den Wärtern ja irgendwann zu hässlich und sie vergingen sich endlich an jemand anderem. Mit einem Ruck wandte ich mich von dem Spiegel ab. Mir blieb nicht mehr viel Zeit. Ich musste verschwinden. Allerdings ließ ich es mir nicht nehmen, meinen Körper von allen Körperflüssigkeiten zu reinigen, welche darauf klebten. Das Brennen des Wassers in den frischen Wunden ignorierend lief ich zu der Bank, neben die meine Kleider geworfen waren und zog sie an. Mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt immer lange Kleidung zu tragen. Niemand sollte meinen Körper sehen, absolut niemand. Dass die Wärter mir die Klamotten vom Leib rissen, wann immer sie wollten, reichte mir völlig aus. Mit vorsichtigen Schritten verließ ich den Duschraum und machte mich auf den Weg zu meiner Zelle. Zu allem Überfluss gesellte sich jetzt auch noch ein stechender Kopfschmerz zu meiner Übelkeit. Ich lief wie paralysiert durch die Flure. Die Rufe und Beleidigungen der anderen hörte ich nicht. Ich kannte sie alle und das Schlimmste daran war, sie trafen alle zu. Sie alle hatten Recht. Endlich kam ich bei meiner Zelle an. Ich betrat sie, schloss die Tür und lehnte mich gegen diese. Ein schmerzvolles Stöhnen unterdrückend vergrub ich meine Hände in meinen Haaren und schloss die Augen. Vielleicht würde so ja das Schwindelgefühl verschwinden. So langsam müsste ich es doch gewohnt sein und nicht mehr so darauf reagieren. Immerhin nahmen mich die Wärter schon seit Jahren, immer wenn ihnen der Sinn danach stand. Bei dem Gedanken daran verstärkte sich meine Übelkeit ein weiteres Mal. Wie tief konnte ein Men…ein Mutant sinken, um das mit sich machen zu lassen? Um eine Art Sexsklave der Wärter zu werden? Ich verabscheute mich selbst aus tiefstem Herzen. Ein Räuspern ließ mich die Arme herunterreisen und gegen die Tür stolpern. Das durfte nicht wahr sein…Nicht hier, nicht an dem einzigen Ort, an dem ich mich wenigstens etwas zurückziehen konnte. Der großgewachsene, blonde Mann, mit diesen stechenden grau-blauen Augen, konnte nur ein Wärter sein. Niemand sonst würde in meine Zelle kommen. Ein Bild blitzte im nächsten Moment vor meinem inneren Auge auf. Ich sah, wie der Mann benommen hier aufwachte. Er war also doch kein Wärter, sondern ein weiterer Insasse. Aber das beruhigte mich nicht, absolut nicht. Ich wollte meine Zelle nicht teilen. So würde ich ihm Rede und Antwort stehen müssen. Ich konnte keinem widersprechen…ich war so nicht erzogen worden und selbst wenn doch, hatte ich diese Eigenschaft schon lange verloren. So hart wie ich mit mir ins Gericht ging, so schüchtern, misstrauisch und zurückhaltend war ich anderen gegenüber. Sobald ich mit jemandem sprach, fing ich an zu stottern. Wenn ich redete, konnte ich meine Angst nicht mehr niederhalten, sie erfasste mich und ließ mich nicht mehr los, bis ich alleine war…aber wie sollte ich jetzt noch alleine sein können? „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken“, meinte der Blonde. In seiner Stimme schwang ein Ton mit, den ich nicht zuordnen konnte, da ich ihn noch nie gehört hatte. „Ist…nicht schlimm…Lebst du j…jetzt auch hier?“, brachte ich stotternd heraus. Dabei schoss mir nur eins durch den Kopf: Bitte sag nein, bitte sag nein, bitte sag nein! Er sollte hier nicht wohnen. Nicht in meiner Zelle. Ich konnte mich nur hier zurückziehen, nur hier mal ungestört heulen. Ich wollte keinen Zellengenossen. Unbeabsichtigt drang ich in seine Gedanken ein und musste schwer schlucken. Er…war schwul, auch wenn ihm das nicht bewusst war! Nein, ich wollte ihn nicht in meiner Nähe haben! Die Wärter reichten mir. Ich brauchte nicht auch noch einen Schwulen in meiner Zelle…in meinem Wohlfühlbereich. Und prompt kam die Antwort, die den kleinen Hoffnungsfunke in mir schlagartig erstickte. „Ja, ich bin hier ans Bett gefesselt worden, von diesen beschissenen Wärtern.“ Geschockt starrte ich ihn an. Wusste er, was er da sagte? Er unterschrieb mit solchen Aussagen sein Todesurteil. Genau das wollte ich ihm auch sagen. Allerdings starrte er mir gebannt in die Augen und das verunsicherte mich. Ich fühlte mich so, als stünde ich nackt vor ihm. Nach nur zwei Sekunden wandte ich meinen Blick ab. „Sag das…l…lieber nicht zu laut, bevor sie dich hören. Die zaudern nicht mit S…Strafen.“ Er…lachte…? Er lachte! Wie konnte er nur lachen? Das war verdammt ernst! Wenn es darum ging einen Grund zu finden, um Insassen zu quälen, waren die Wärter sehr kreativ. Gerade deswegen sollte man ihnen keine solchen Vorlagen bieten. „Ist mir egal. Ich steh sowas locker durch, kei…“ „Auch S…Stromschläge und G…Giftspritzen, für die sie dir erst in letzter S…Sekunde das G…Gegengift geben?“ Wahrscheinlich hätten meine Worte eine größere Wirkung gezeigt, wenn ich dieses verdammte Stottern hätte abschalten können. Verflucht reiß dich zusammen! Er kann dir nichts tun, steht wahrscheinlich unter einer MS-Droge. Du bist gerade der stärkere, knurrte eine wohlbekannte Stimme in meinem Kopf. Sie hatte recht. Mein Gegenüber stand unter Droge, damit er seine Mutation nicht benutzten konnte, warum also gelang es mir nicht, mich etwas dominanter zu zeigen? Weil dir die Unterwürfigkeit, auf die schlimmste aller Arten, eingebläut wurde, erklang eine andere Stimme, die mehr meiner eigenen ähnelte. Von meinem Gegenüber kam ein belustigtes: Das werde ich wohl erst noch herausfinden. Dann fragte er nach meinem Namen. Ich sah ihn verwirrt an. Was wollte er mit meinem Namen? Niemand wollte den Namen eines anderen Mutanten wissen, wozu auch? Sie waren in einem Camp, wie diesem, nicht von Bedeutung. Hier gab es keine Namen, nur Nummern. „53804“, antwortete ich und bereute es in der nächsten Sekunde schon. Die Mine meines Gegenübers verfinsterte sich schlagartig. Ich halte das Gefühl von seinem eiskalten Blick regelrecht durchbohrt zu werden, was mich ein weiteres Mal den Blick senken ließ. Hatte ich etwas falsch gemacht? Er hatte doch gefragt. Aus Angst vor seiner Reaktion wich ich noch ein Stück weiter zurück. Aber ich hatte keine Chance auszuweichen, falls er mich schlagen würde. In Gedanken bereitete ich mich schon auf den Schmerz vor. Dieser blieb jedoch aus. Stattdessen bekam ich eine normale Antwort, was mich etwas aus der Fassung brachte. Er wollte wirklich nur meinen Namen wissen. Ich musste im ersten Moment angestrengt nachdenken. Ich hatte meinen Namen schon seit Jahren nicht mehr benutzt. „Ach…du meinst meinen alten Namen. Ich h…hieß irgendwann mal Charles. Aber das ist schon lange her.“ „Du heißt immer noch Charles. Lass dir von niemandem etwas anderes einreden. Wenn du die Nummer akzeptierst, gibst du dich nur selbst auf! Lass das nicht zu, hörst du!“ Seine Antwort verwirrte mich noch mehr. Ich hatte in seinem Geist gesehen, dass er nicht gerade oft seine Emotionen zeigte. Doch in diesem Moment war er wütend und besorgt gleichzeitig. Er machte sich Sorgen um mich? Das konnte ich nicht glauben. Wer würde sich schon um so etwas Wertloses wie mich Sorgen machen? Außerdem kannte er mich doch gar nicht. Ich konnte mit der Situation nicht umgehen. Was erwartete er jetzt? Was sollte ich tun oder sagen? Hinzu kam, dass er schon wieder lauter geworden war und sich Angst in mir breit machte. Was wenn er doch noch einen Wutausbruch bekommen und mich schlagen würde? In diesem Moment wollte ich nichts weiter, als aus der Zelle raus. Aber draußen waren die anderen und, was viel schlimmer war, die Wärter. Ich wusste nicht einmal wie viel Zeit vergangen war. Was wenn es den Wärtern schon wieder langweilig war? Nein, dann würde ich lieber Prügel beziehen, wenn ich noch eine falsche Antwort gab. Doch statt noch etwas zu sagen, oder die Hand gegen mich zu erheben, setzte sich der Blonde auf sein Bett und sah zu mir hoch. Jetzt wusste ich erst Recht nicht, was ich tun sollte. Keiner hatte sich bis jetzt freiwillig in eine niedrigere Position begeben, wenn ich dabei gewesen war. Verunsichert ließ ich den Blick durch die Zelle wandern und stieß mich schließlich von der Tür ab, um etwas weiter in den Raum zu gehen. Warum wusste ich selbst nicht…Irgendwie traute ich mich erst jetzt, da mein Gegenüber saß und ich größer war als er, mehr als zuvor. „W…wie heißt du?“, fragte ich, in erster Linie, um meine Unsicherheit zu überspielen. „Erik“, kam die knappe Antwort. Nach dieser verfielen wir in Schweigen. Ich wusste, dass dieses für Erik peinlich war. Bei mir war es anders. Ich hatte früh gelernt, dass Reden einen nur in Schwierigkeiten brachte und Erik würde das auch noch merken. Vor allem, wenn er weiterhin die Wärter beleidigte. Aber das war nicht mein Problem. Hier hatten alle lernen müssen, wie man sich richtig benahm. Ich hatte meine Lektionen nicht vergessen. Die Erinnerung daran, was die Wärter mit mir gemacht hatten, sobald ich mal wieder zu viel geredet hatte, ließ mich schaudern. Manchmal, wenn ich mich in meinen Gedanken verlor, konnte die diese Zange, welche mir den Mund offen gehalten hatte, spüren und schmeckte… NEIN! Der Schrei in meinen Gedanken war so laut, dass ich den Reflex, mir die Ohren zuzuhalten, mit aller Macht unterdrücken musste. In den meisten Fällen nervten mich die beiden Stimmen, welche sich in meinem Kopf stritten oder mir Vorwürfe machten. Aber sie hatten auch ihr Gutes, zumindest die harte, dominante Stimme. Sie ließ nicht zu, dass ich mir einer Erinnerung bewusst wurde, die ich irgendwann einmal verdrängt hatte. Zumindest nicht wenn ich wach war und es zuließ, dass sie sich einmischte. Ich musste mich ablenken, irgendetwas anderes machen…aber was? Ich konnte mich doch nicht ritzen, wenn Erik da war. Keiner sollte sehen, was ich mit meinem Körper tat. Also beschloss ich, so schwer es mir fiel, das Gespräch wieder aufzunehmen. Ich fragte Erik, ob ich ihm alles zeigen sollte, wenn wir zum Essen gingen, doch er meinte nur, ich solle mir keine Umstände machen. Zwar antwortete ich, dass ich das nicht tat, aber es machte mir nichts aus das er verneinte. Ich sollte mich nicht so viel mit ihm abgeben. Ich war jemand, der schnell abhängig von anderen wurde, wenn ich öfter mit ihnen zu tun hatte und von Erik wollte ich nicht abhängig sein. Als wir wieder in Schweigen verfielen, beschloss ich mich auf mein Bett zu legen, allerdings nicht ohne Erik vorher zu fragen, ob er nicht lieber oben liegen wollte. Irgendwie hatte es mir schon immer missfallen, wenn jemand unter mir schlief. Da ich noch nie einen Zellengenossen hatte, hatte ich mir aber trotzdem das obere Bett ausgesucht. Doch Erik wollte nicht. Nun gut, daran konnte ich nichts ändern. Ich legte mich hin und starrte die Wand zu meiner Linken an. Auch wenn ich es nicht wollte, wanderten meine Gedanken zum Morgen. Ich hatte gerade gefrühstückt, als mich einer der Wärter am Arm packte und aus dem Speisesaal zerrte. Angst und Panik stieg in mir auf. Im ersten Moment wehrte ich mich gegen den Griff, doch ein Blick des hochgewachsenen Mannes ließ meine Gegenwehr ersterben. Ergeben folgte ich ihm, vorbei an den Zellen und etlichen Insassen, die mir angewiderte oder herablassende Blicke zuwarfen. Ich war es gewohnt, ich hatte es akzeptiert. Was blieb mir auch anderes übrig? Wortlos stieß mich der Wärter in die Dusche. Ich landete hart auf dem Boden und schon im nächsten Moment standen drei Wärter um mich herum. Noch bevor mich der Erste, an den Haaren, auf die Knie zog, wusste ich was sie wollten. Ihre Signale waren nicht immer eindeutig, aber ich hatte gelernt sie zu deuten. Einen Moment schloss ich die Augen und schluckte, im nächsten traf mich ein Schlag im Gesicht, der mich nach hinten gerissen hätte, hätte der Wärter seine Hand nicht immer noch in meinen Haaren vergraben. „Los!“, knurrte er und ich nickte stumm. Wenn ich nicht sterben wollte, oder schlimmer, wenn ich nicht schon wieder in eine der roten Zellen geworfen werden wollte, dann musste ich tun was sie verlangten. Mit stockendem Atem nestelte ich an seiner Hose. Ich bekam sie wohl nicht schnell genug auf und das bekam ich auch schnell zu spüren. Eine Hand legte sich an meinen Hals, hob mich hoch und drückte mich gegen die Wand. Der eine hielt mich fest, die anderen zogen mir die Kleider aus. Ich wusste, was mir bevor stand, hatte es schon so oft erlebt und doch fürchtete ich mich jedes Mal aufs Neue. Ich fürchtete den Schmerz, der drohte mich zu zerreißen, die Brutalität der Wärter für die ich nicht mehr war, als ein Stück Fleisch und die Strafen danach, weil ich ihnen gehorcht und mich nicht widersetzt habe. Aber diese Strafen waren nicht so schlimm, weil die Wärter befriedigt waren. Also nahm ich sie hin. Meine Gedanken wollten mich die Vergewaltigung noch einmal durchleben lassen. Doch ein anderer Schmerz hielt sie davon ab. Ein Schmerz, den nicht ich verspürte sondern ein Mutant in meiner Nähe. Keuchend drückte ich die Hände gegen meinen Kopf. Ich konnte den Schmerz nicht ignorieren, das habe ich nie gekonnt. Ich hatte meine Mutation nicht unter Kontrolle. Die Gedanken, Gefühle und Empfindungen anderer stürzten auf mich ein, wie sie wollten. Ich wusste nicht, ob ich schrie, aber ich wusste dass es der andere Mutant tat. Ich hoffte, dass ich leise war, denn ich wollte nicht dass Erik später Fragen stellte. Denn ich wollte genau so wenig über meine Mutation sprechen, wie jeder andere hier. Eine erneute Schmerzenswelle löschte diese Gedanken aus und ich konnte mich selbst keuchen hören. Dann spürte ich etwas, etwas dass bei mir einen Fluchtreflex auslöste und mich die Schmerzen vergessen ließ. Eine Hand hatte sich auf meinen Arm gelegt. Ich riss mich von ihr los und wich bis zur Wand zurück. Am liebsten wäre ich darin verschwunden! „Ich tu dir nichts.“ Ich hörte die Worte, begriff aber ihre Bedeutung nicht. Panik ergriff mich ein weiteres Mal und ließ mich zittern. Ich hasste es angefasst zu werden. Die Schuld daran trugen ein weiteres Mal die Wärter. Wenn ich angefasst wurde, stiegen mir immer Bilder von ihnen in den Kopf und von dem, was sie mit mir taten. „Charles, ich tu dir wirklich nichts. Alles in Ordnung?“ Endlich erkannte ich, wer da mit mir redete. Meine Panik legte sich etwas, als ich Eriks Gesicht erkannte und seine Gedanken wahrnahm. Er würde mir nichts tun, er sagte die Wahrheit. Zitternd krampften sich meine Hände um meine Oberarme, eine Abwehrhaltung die ich mir angewöhnt hatte. Ich sah Erik einen Moment an, senkte dann den Blick. Erbärmlich, etwas anderes war ich nicht. „A…alles okay.“ Und schon im nächsten Moment zuckte ich wieder zusammen, das ein Knall erklang, den ich nicht hatte kommen sehen. Ein Wärter kam herein, brüllte dass es in zwei Minuten Essen gab und verschwand wieder. Ich holte zitternd Luft, kletterte von meinem Bett und wollte schon zur Zelle hinaus. Doch dann wandte ich mich noch einmal an Erik. „Tu dir selbst einen Gefallen und mach was sie sagen“, flüsterte ich und trat dann hinaus auf den Flur. Draußen stellte ich mich mit dem Gesicht zur Wand und legte die Hände an diese. Das mussten wir tun, so hatte man es uns eingebläut. In dieser Position konnten die Wärter uns durchsuchen. Eine weitere Gelegenheit, bei der ich Berührungen über mich ergehen lassen musste. Und da waren sie auch schon, die Hände. Zuerst tasteten sie meine Arme ab, wobei sich ein Körper an meinen drängte. Dann wanderten die Hände über meine Brust und Rücken, hinab zu meinen Hüften, über meinen Hintern…Ich schloss die Augen, wusste ich doch was als nächstes kam. „Beine breit“, donnerte der Wärter hinter mir und trat mir die Füße auseinander. „Du weißt doch am besten, wie das geht!“, erklang der Kommentar eines anderen Insassen. Der Wärter lachte und ließ die Hände zwischen meine Beine wandern. Mein Körper versteifte sich, aber ich zwang mich dazu, mich nicht zu winden. Ich wollte nicht schon wieder eine Ohrfeige kassieren wie am Vortag. „Kleiner Tipp“, murmelte die raue Stimme des Wärters in mein Ohr. „Für alles, was dein Zellengenosse ausfrisst, wirst du auch bestraft. Wie, bleibt uns überlassen.“ Damit war sein Körper plötzlich verschwunden, genau wie seine Hände und ließ mich zitternd zurück. Geschockt starrte ich die Wand vor mir an. Was sollte das? Was hatte ich mit Erik zu tun? Warum mussten sie ihn ausgerechnet in meine Zelle legen? Er war ein Rebell, natürlich würde er Ärger machen! Aber ich hatte wirklich mehr als genug eigene Sorgen, ich wollte nicht auch noch für Erik gerade stehen. Und welche Strafen würde ich wohl ertragen müssen? Als ob ich diese Frage überhaupt stellen musste… Erik wurde neben mir gegen die Wand gestoßen und dort festgehalten. Wenige Sekunden vergingen und die Wand war rot von seinem But. Seine Wange hatte sich aufgescheuert. Ich wusste sofort, dass er etwas tun würde, dass wir beide bereuen würden und versuchte ihn aufzuhalten. „B…bleib einfach stehen…bitte“, murmelte ich und hoffte er würde auf mich hören. Was er natürlich nicht tat. Geschockt sah ich zu, wie er einem der Wärter den Hinterkopf ins Gesicht rammte und so die Nase brach. Breit grinsend lief er an mir vorbei, Richtung Speisesaal. Ich brauchte einige Augenblicke, um zu begreifen, was das für uns…für mich bedeutete. „Was hast du getan?“, fragte ich, als ich zu ihm aufschloss. Er warf mir einen verwirrten Blick zu. Wahrscheinlich verstand er meine Angst nicht. Wie auch? Er wusste ja nichts von der Drohung der Wärter. Aber sobald wir alleine waren, würde ich es ihm sagen. Jetzt brauchte ich erst einmal was zu essen. Normalerweise saß ich alleine an einem Tisch oder in einer Ecke des Raumes. Keine Ahnung, was mich geritten hatte, mich an diesem Tag zu Erik zu setzten. Denn sobald ich mein Essenstablett auf den Tisch stellte ging es los. „Verpiss dich, Schlampe.“ „He Süßer! Hast du heut Abend Zeit?“ „Na? Welcher der Wärter war es heute – oder waren es etwa mehrere?“ He, sie sagten Schlampe nicht mehr Hure, endlich mal etwas Abwechslung…Nein ich habe keine Zeit, ich muss mich ein weiteres Mal in den Schlaf heulen…Ja, es waren mehrere, vier, um genau zu sein. Ich würde ihre Gesichter nie wieder vergessen. Ich hielt es nicht lange aus, wie so oft. Schnell schnappte ich mir mein Tablett und lief zur Tellerrückgabe. Ich nahm das Stück Brot, welches darauf lag und verschwand in meine Zelle. Stöhnend ließ ich mich auf mein Bett fallen und rollte mich zusammen. Erik würde bald kommen und bis dahin wollte ich schlafen. Doch mein Vorhaben scheiterte. Ich schlief nicht, aber das brauchte der andere auch nicht zu wissen. Deswegen reagierte ich auch nicht, als er wieder in die Zelle kam. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)