Broken Soul von Silwyna ================================================================================ Kapitel 38: Trost ----------------- Kapitel 38 – Trost               „Loki, bist du bereit?“, erkundigte sich Thor bei seinem Bruder. Noch am selben Tag, an dem Jane und Darcy nach Alfheim aufgebrochen waren, hatte Odin ihm durch Heimdall den Befehl gegeben, sich sofort nach Asgard zu begeben. Als Loki die Frage Thors hörte, zuckte er bloß mit den Schultern. Er hoffte, dass sein Rückfall nicht allzu schwere Folgen für ihn haben würde. Schließlich hatte Thor ihm durch „Flucht“ nach Midgard vor dem Tode bewahrt. Sein Bruder hatte ihm zwar versichert, Odin würde nicht alles über einen Kamm scheren, aber… es war Odin! Die große, schwere Hand Thors fand den Weg zu seiner Schulter, wo er tröstend zudrückte. „Es wird schon alles gut werden, Loki! Vertrau mir!“, meinte der Donnergott und gab Heimdall  und ein Zeichen. Der Wächter würde sie begleiten und dort wieder seine Stellung am Bifröst einnehmen. „Wir sollten los!“, stellte Heimdall fest und sah gen Himmel. Ohne ein weiteres Wort stellten sich die beiden ungleichen Brüder neben den großen Krieger der Brücke. Von den Avengers hatten sie sich schon verabschiedet, sie würden sich auch in ihrer Abwesenheit gut um die Belange der Menschen kümmern. Der strahlend helle Wirbel erschien um die drei und die Macht des Bifröst zog sie fort nach Asgard. Kaum hatten sie ihre Heimat erreicht, sahen sie vor sich einer Gruppe asischer Soldaten, die als Eskorte dienen sollte. So sagte es ihr Kommandant zumindest, doch Loki kam unwillkürlich das Wort „Wachschutz“ in den Sinn und zwar in dem Sinne, dass er bewacht werden musste. Thor schien dasselbe gedacht zu haben, denn er öffnete den Mund um lautstark zu protestieren, aber ein eindringlicher Blick Lokis und ein leichtes Kopfschütteln hielten ihn davon ab. In Odins Thronsaal, der nur noch wenige Spuren der Zerstörung durch die Angriffe aufwies, wartete der Allvater schon auf seine Söhne, wie üblich auf seinem Thron sitzend. „Nun… ich hörte zwar von den Ereignissen, doch… Loki, berichte mir, was sich zutrug. Ich will es von dir selbst hören!“, verlangte Odin, kaum dass Loki und Thor vor ihm standen. Letzterer biss sich auf die Lippe um nicht selbst mit der Geschichte herauszuplatzen und dabei kräftig Partei für seinen Bruder zu ergreifen. Odin wollte, dass Loki für sich selbst sprach. Das tat er auch! Alles berichtete er dem Allvater, angefangen von dem seltsamen Gefühl beim Wiedererhalt seiner letzten Kräfte, bis über sein Spiegel-Ich und letztendlich Lyneths Tod, sowie seine Befreiung aus dem unterbewussten Käfig. Der König Asgards hingegen tat etwas, was er früher in dieser Situation wohl nie getan hätte, doch er hatte es sich seit Lokis beherzten Eingriffen zum Wohle aller fest vorgenommen: er hörte zu! Unvoreingenommen lauschte er dem Bericht seines Jüngsten und auch als dieser erzählte, wie er sich dabei gefühlt hatte. Hätte Odin dies vielleicht schon früher getan –einfach mal zugehört- , wie etwa damals in der Reliquienhalle, so wäre es mit Loki vielleicht niemals so weit gekommen. Letztendlich beendete Loki seine Erzählung und es folgte langes Schweigen, während Odin zwischen seinen Söhnen hin und hersah. Lokis Miene wirkte verzweifelt, man sah ihm seine Reue deutlich an und es war keine aufgesetzte Maske. Thor hingegen schwankte zwischen Sorge um das Befinden seines Bruders und der wilden Entschlossenheit, Odin von dessen Unschuld zu überzeugen. „Loki, lass deinen Bruder und mich bitte allein. Ich werde mich mit ihm unter vier Augen besprechen!“ Der Magier nickte knapp und verließ ohne ein weiteres Wort den Thronsaal. Sein Ziel war der Garten, die Statue seiner Mutter. Vor ihr ließ er sich im Gras nieder und blickte zu Friggas Antlitz, das so voller Liebe und Vertrauen war. Sie gab ihm Kraft, auch wenn sie nicht mehr unter ihnen weilte. Trotzdem vermochte es Frigga ihrem Sohn Trost zu spenden und das hatte er dringend nötig. Währenddessen diskutierten Thor und Odin heftig über das weitere Vorgehen um Loki. Der Allvater wollte ihn eigentlich nicht bestrafen, so selbstlos wie er an Thors Seite gekämpft hatte… für die Hilflosen und Unschuldigen. Doch er war in einen Mord verwickelt gewesen und das gehörte streng genommen bestraft. Thor hingegen warf ein, dass der Teil in Loki, der den Mord begangen hatte gar nicht mehr existiere und es ungerechtfertigt sei, seinen Bruder zu bestrafen. Ewig zog sich diese Debatte hin, nicht selten wurde auf beiden Seiten die Stimme gehoben, aber letzen Endes kam man zu einer Entscheidung.       In Alfheim waren Erynor, Jane, Darcy und Cara auf dem Weg zum Haus des Elfenmagiers. Der König und seine Gemahlin hatten ihnen zwar angeboten, im Palast zu leben, doch man hatte dankend abgelehnt, denn es war schon vor der Ankunft in der Welt der Lichtelfen beschlossen gewesen, dass die Frauen in Erynors Haus leben würden. Zu dessen Behausung war es nicht weit, nach nicht einmal einer halben Stunde zu Pferd –Jane musste mittlerweile leicht seitwärts sitzen- kamen sie an. Das Gebäude war sehr hübsch, etwa so groß wie es Tonys Haus in London gewesen war. Allerdings war es anders konstruiert worden. Es wirkte, obwohl aus Stein gebaut, naturbelassener so wie es die meisten Elfenhäuser taten. Erynors Wohnstätte stand an einem klaren Teich und neben dem Gebäude befand sich ein gigantischer Baum unbekannter Art. Der Baum schien jedoch auf irgendeine Art zu dem Haus dazuzugehören, ein Teil war sogar darin. In den Stamm war eine Art Leiter geschlagen worden und auf der untersten, besonders stabil wirkenden, Astgabel war eine schöne überdachte Plattform angebracht. Erynor führte die Pferde auf eine umzäunte Wiese, wo sie sich ausruhen konnten, bevor die Tiere von selbst ihren Weg in den Palast suchen würden. „So meine Lieben, ich muss euch gestehen, ich muss noch aufräumen! Damals war ich überhastet nach Asgard aufgebrochen und eure Zimmer müssen noch hergerichtet werden, aber… lasst uns doch erst einmal etwas essen!“ Wie sich kurze Zeit später herausstellte, war der Elfenmagier nicht nur in seinem Fachgebiet herausragend, sondern auch als Koch! Der weißblonde Elf hatte in aller Eile eine Suppe für sich und seine Gäste zubereitet, aus den Früchten, die der Baum trug und etwas Fleisch, das ein wenig nach Rind schmeckte. Dazu servierte er dunkles Brot und einen Tee aus fremdartigen Kräutern. Es war völlig anders als die wirklich leckere, aber schwere Kost Asgards oder das weniger reichliche, aber ordentliche Essen, dass sie in den letzten Wochen zur Verfügung gehabt hatten. „Nun Jane…“, begann Erynor und zündete sich zur Überraschung der beiden Menschen eine Pfeife an. Ein Elf, der Pfeife rauchte! „… wissen denn Thor und du schon, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?“ Die junge Wissenschaftlerin strich sich mit einem leicht verklärten Lächeln über den durch die noch frühe Schwangerschaft nur ganz leicht gewachsenen Bauch und verneinte. „Als ich zuletzt untersucht wurde, also gestern, konnte man es noch nicht feststellen. Wir haben schon darüber gesprochen, Thor und ich. Das wichtigste für uns beide ist, dass unser Kind gesund auf die Welt kommt… welche von den Welten das auch immer sein wird!“ Darcy rang sich zu einem Lächeln durch. Jane bekam immer dieses Strahlen in den Augen, wenn es um ihr Kind ging oder um Thor. Die junge Frau musste sich reichlich Mühe geben, ihre beste Freundin nicht um ihr Glück zu beneiden. Plötzlich kam aus dem Korb, der für Caranoriel ein provisorisches Bett war, ein helles Weinen. Nach der Zeit, in der sich Darcy nun schon um ihre Nichte kümmerte, erkannte sie, dass Cara wohl Hunger hatte. Irgendwie bekam sie langsam ein Gefühl dafür. „Ach Süße, du hattest doch erst vorhin etwas!“, sie nahm das Kind auf die Arme und trug sie mit zum Tisch, wo sie das Kind auf ihrem Schoß absetzte. „Du hast eindeutig Aarons Appetit geerbt!“, stellte Darcy fest und machte nahm etwas von Erynor entgegen, das elfische Kinder wohl bekamen, wenn die Mütter nicht mehr stillten. Es sah wie Milch aus, allerdings mit einem leichten karamellton. Jane sah gerührt zu ihrer Praktikantin, wie sie die kleine fütterte und dabei so natürlich wirkte als sei es schon immer so gewesen. „Dary!“, rutschte es dem Kind auf einmal heraus und sie sah munter und fröhlich zu ihrer Tante hoch, die perplex innehielt. Jane klappte der Mund auf. „Hat sie gerade…?“ „Ja, allerdings!“, bestätigte Erynor und sog noch etwas Rauch ein. Aus Respekt vor dem kleinen Kind blies er diesen aber extra in die entgegengesetzt heraus. „Elfische Kinder fangen etwas früher  mit dem Sprechen an, als die der Menschen. Unsere kleine hier ist zwar nur zur Hälfte eine Elfe, aber diese Eigenschaft schein sie abbekommen zu haben!“ Der Elf grinste in sich hinein, als Darcy Janes Mimik zu spiegeln begann. „Es klang, als hätte sie versucht deinen Namen zu sagen!“, stellte Thors Verlobte an ihre Freundin gewandt fest und Cara quiekte erneut: „Dary!“, was allen ein Lachen entlockte.       In Asgard wurde Loki derweil in Odin Arbeitszimmer bestellt, wo dieser ihm die Entscheidung über seinen weiteren Verbleib mitteilen wollte. Nun saß er also vor diesem Ungetüm von Schreibtisch und wartete angespannt. Der Allvater verzog keine Miene, obwohl es ihm eigentlich schwer fiel nach außen so kühl zu bleiben. „Loki, nach wirklich langen Diskussionen mit deinem Bruder, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass der Mord an Lyneth nicht deine Schuld ist. Ich werde dich nicht direkt dafür bestrafen!“ Loki zog fragend die Brauen zusammen. Was war das denn für ein Entschluss? „Direkt? Gibt es denn eine indirekte Bestrafung?“, fragte er verwundert. „Nun so in der Art. Dein Verhalten –oder auch nicht deines- ließen bei mir und vielen auf der Erde wohl Zweifel an deiner Loyalität aufkommen. Die Avengers vertrauen dir, das steht  fest, ebenso wie dein Bruder. Jedoch scheinen die Menschen, so berichtete Thor mir, einen weiteren Rückfall zu fürchten. Anstatt einer Strafe, gebe ich dir einen Auftrag, Loki: beweise dich in den Augen derer, die du nun planst zu beschützen. Ich verlange nicht, dass dich jeder Mensch mag, aber vertrauen sollten dir die meisten schon. Wenn du dich in ihren Augen beweist, durch dein Handeln nicht durch wohl platzierte Worte und Manipulation, so sei alles vergessen und du wirst belohnt werden!“ „Belohnt? Womit?“, warf Loki ein. Es wüsste nicht, was Odin ihm geben könnte. Konnte er Darcy dazu bringen, ihre Furcht vor ihm zu vergessen? Oder ihn in der Zeit zurück schicken? Das konnte der Allvater natürlich nicht, doch Odins Belohnung an Loki hatte ohnehin mehr einen symbolischen Effekt. „Sollte es dir gelingen, die Menschen von dir zu überzeugen und diese der Meinung sind, du hättest dich wahrlich geändert… so überlasse ich dir den Vorsitz des Rates!“ Loki klappte nonchalant der Mund auf. Er! Als Vorsitz des Rates! Unfassbar!!! Bei dem Rat handelte es sich um ein loses Bündnis aus Gelehrten und besten Magier Asgards, doch war es das größte neutrale Organ in der Verwaltung der Welt der Asen. Als Jugendlicher hatte er angestrebt, dort aufgenommen zu werden, bevor die Tragödie um seine Herkunft ihren Lauf genommen hatte… Das hatte er schon fast vergessen! Dies war wirklich etwas, was den Namen Belohnung verdiente. Eine Sache lag Lok dennoch auf dem Herzen und er war sicher, dass Thor es gegenüber Odin erwähnt hatte: „Hast du mit meinem Bruder auch über die Sache mit Darcy gesprochen? Es ist dir doch ganz sicher nicht verborgen geblieben, oder?“ „Natürlich habe ich nicht übersehen, dass sich eure Herzen einander zugewandt haben, Loki! Doch es überrascht mich, dass du von dir aus mit mir darüber reden willst. Nun, ihre Haltung dir gegenüber wird nicht unwesentlich Einfluss darauf haben, wann deine Aufgabe als beendet angesehen ist. Aber, gestatte mir hier einen Rat zu äußern, du solltest sie eine Weile nicht aufsuchen… gib ihr Zeit!“ Loki nickte. Es war das erste Mal seit langem, dass er von Odin weder Befehl noch Strafe, sondern Rat und Hilfe bekommen hatte. Wahrlich die Zeiten hatten sich geändert, seit ihm damals –es waren nur knapp zwei Monate gewesen, doch es kam ihm wie eine Ewigkeit vor- seine Magie geraubt worden war. Er betrachtete, wie Odin wohl auch, das Gespräch als beendet und erhob sich, um sich bald wieder mit Thor gemeinsam nach Midgard aufzubrechen. Auf der Türschwelle drehte er sich allerdings noch einmal um. „Wann wir deine Entscheidung über mein Verhalten gefällt? Ich meine… es braucht Zeit, um mich in den Augen der Menschen zu beweisen, das regelt sich nicht in ein paar Tagen!“ „Ich gebe dir keine Frist, doch ich versichere dir, du wirst genug Zeit haben, damit du das Vertrauen der Bewohner Midgards gewinnen kannst…“, er sah von seinen Unterlagen auf, wo er soeben Lokis „Aufgabe“ notierte hatte. „Viel Glück, mein Sohn!“ Mein Sohn! Loki lächelte. Nach einer gefühlten Ewigkeit schenkten sich beide wieder ehrliche Mienen und Vertrauen. „Ich nehme Fenrir mit, wenn ich gehe!“, war das letzte was er zu Odin sagte, bevor er ging.     Unzählige Sterne waren zu sehen, als Darcy an dem Teich vor Erynors Haus entlang spazierte. Ihre Nichte hatte sie Jane anvertraut, die schon einmal etwas üben wollte, für ihr Kind und damit Darcy mal einen Moment zum Nachdenken hatte. Wieder dachte die junge Frau an Loki und Tränen liefen ihr über das Gesicht. Was sollte sie bloß tun? Darcy spielte oft mit dem Gedanken, ihn aufzusuchen und sich auszusprechen, doch jedes Mal wenn sie das tat, sah sie erneut den mit dunkelelfischen und chitaurischen Blut besudelten Loki der ihr mit kalter, verzerrter Stimme Dinge an den Kopf warf, die ihr das Herz gebrochen hatten. Nein, noch konnte sie nicht bei ihm sein, auch wenn sie tief in ihrem Inneren wusste, dass sie da einen Fehler beging. Sie schluchzte leise auf, schlang die Arme um die Knie und legte ihren Kopf darauf ab. Wie hatte ein Mann ihr Leben so auf den Kopf gestellt, sie selbst so aus dem Kopf gestellt? „Das hat die Liebe so an sich, Kleines!“, hörte Darcy eine sanfte Stimme unter sich. Erschrocken fuhr das Mädchen hoch, sah sich um und erblickte… niemanden. „Na toll, jetzt höre ich schon Stimmen! Darcy, du bist reif für die Klinik!“, sagte sich die junge Frau und wollte sich erheben. „Hier unten!“, erscholl die Stimme erneut, diesmal nachdrücklicher. Der Teich! Dort kam die Stimme her, die eindeutig zu einer Frau gehörte. Als Darcy in das  Gewässer blickte, sah sie nicht etwa ihr Spiegelbild sondern eine andere Frau. Sie hatte lange blonde Haare, teilweise in eine Frisur gesteckt, teilweise lockig über die Schultern fallend. Dieselben blauen Augen wie die von Thor blickten Darcy an, die fand die Frau sah aus wie Mitte Vierzig, obwohl sie ihren nicht mehr existenten iPod darauf verwette, dass sie ein paar Hundert Jahre drauf packen konnte. „Hallo, meine Liebe!“, begrüßte sie die Frau lächelnd. „Ich bin Frigga! Thors und Lokis Mutter.“ Wie konnte das denn sein? Thor hatte berichtet, seine Mutter sei tot und nun spiegelte sie sich hier in einem Teich in Alfheim! „Du zweifelst an deinem Sinn für Realität?“, fragte Frigga belustigt, als sie den ungläubigen Gesichtsausdruck auf Darcys Gesicht bemerkte. „Ja, ich weile nicht mehr unter den Lebenden. Doch gelegentlich vermag ich es noch immer, jenen Trost zu spenden, die dessen bedürfen. So wie du jetzt!“ Darcy senkte den Blick und wandte sich von Lokis Mutter ab. Sie glaubte nicht, dass sie sie tatsächlich trösten oder ihr helfen konnte. Immerhin hatte sie Loki großgezogen und… „Ich ergreife nicht die Partei für ihn, falls du das glaubst!“ „Könnten Sie bitte aufhören, meine Gedanken zu lesen?“, meinte Darcy leicht hysterisch und entlockte Frigga ein amüsiertes Glucksen bevor diese aus dem Teich hervorkam, um wahrhaftig vor ihr zu stehen. Aber irgendwie auch nicht, denn es war deutlich, dass Frigga ein Geist war. Darcy konnte hinter ihr die Sterne durch sie hindurch scheinen sehen. „Ich habe Loki oft gesagt, dass er fehl ging, wenn er es denn tat. Hier liegt der Fall aber anders, das weißt du doch, oder?“ Die Angesprochene nickte unschlüssig und sah wieder auf, als Frigga ihr eine Hand an die Wange legte. Die Berührung mit einem Geist war sanft und kühl wie ein milder Frühlingswind. Darcy lächelte über diese mütterliche Geste. „Ich weiß, dass du es noch nicht vergessen kannst. Tiefe Wunden haben seine Worte in dein junges Herz geschlagen. Doch, ich bitte dich, vergiss auch deine Gefühle zu ihm nicht!“ „Das habe ich doch gar nicht!“, begehrte Darcy sofort auf und schüttelte dabei energisch den Kopf. „Ich brauche nur Zeit, um das zu verarbeiten, ich…“ Frigga zeigte ein trauriges Lächeln auf ihren erhabenen Antlitz. „Du liebst ihn. Das sehe ich…“, von dem weiblichen Geist kam ein tiefer Seufzer. „Das beruhigt mich ein wenig!“ Schließlich, bevor sie sich zum Gehen wandte, küsste Frigga Darcy kurz auf die Stirn. „Bitte gib Loki nicht auf!“, war das Letzte, was Darcy von Odins verstorbener Gemahlin hörte, bevor diese im Mondlicht verschwand.     Auf Midgard herrschte derweil den Umständen entsprechend eine entspannte Stimmung. Die Avengers hatten sich mit Thor, Loki, Sif und den tapferen Drei in ihr altes Gemeinschaftszelt zurückgezogen, das nicht zerstört worden war. Gerade saßen sie an dem großen Kaminfeuer in der Mitte des Zeltes und tranken etwas Wein, den Thor und Loki aus Asgard mitgebracht hatten. Ganze fünfhundert Fässer waren von dem Bestand aus der vorherigen Saison noch übrig geblieben und an den Weinbergen Asgards hatte schon die nächste Ernte begonnen. Fenrir hatte sich in feinster Wachhund-Manier am Eingang des Zeltes platziert und beobachtete mit auf den Pfoten abgelegtem Kopf jede Bewegung außerhalb. Loki war gerade zum Fass gegangen und schenkte sich etwas von dem Wein nach, als überraschenderweise Fandral zu ihm stieß und schien offenbar ein Gespräch zu suchen. „Weißt du, Loki…“, begann er und füllte seinen Becher ebenfalls erneut mit Wein. „… ich habe nie verstanden, wieso du deine Ausbildung im Schwertkampf angebrochen hast!“ Loki runzelte verblüfft die Stirn. Ja, er hatte begonnen den Schwertkampf zu lernen, wenige Jahrhunderte zuvor. Doch dann hatte er jemand sehr wichtigen verloren. „Erinnerst du dich noch, wer mir das Schwert schenkte?“, fragte Loki, wohl wissend, dass sich Fandral daran erinnern würde. Es war Sigyn gewesen! „Du hattest aber Potential!“, stellte der Fechtmeister Asgards fest und er musste es immerhin wissen. Loki verzog das Gesicht als er an die damalige Zeit dachte. Er hatte damals schon einmal eine Geliebte verloren, wenn auch auf eine andere Art. Genau auf diesen Punkt wollte Fandral hinaus, das Thema Schwertkampf hatte er nur als Aufhänger genommen. „Ich konnte seitdem kein Schwert mehr anrühren, nicht nach diesem Verlust!“ Fandral packte Loki an den Schultern und sah ihn eindringlich an. „Es ist aber nicht mehr Sigyn, die dein Herz aufwühlt, sondern Darcy!“ „Sie habe ich auch verloren!“ „Ach sag so etwas nicht!“, versuchte Fandral ihn aufzumuntern und bekam sowohl von Loki als auch von den anderen am Feuer verwirrte Mienen. Die beiden hatten ohne es zu merken die Stimmen gehoben. Etwas leiser fuhr Fandral dann fort: „Sie liebt dich, dass sieht doch jeder, der zu sehen im Stande ist!“ Loki setzte an, um zu widersprechen: „Aber ich habe…“ „Du hast eine Menge getan, Loki!“, fuhr sein Gesprächspartner dazwischen. „Und bestraft worden bist du auch zur Genüge! Jetzt wirf endlich deine Lasten von dir, sei endlich wieder der alte Loki, der uns alle zum Lachen bringen konnte, sogar wenn wir es nicht wollten und hol sie dir verdammt noch mal zurück!“ Aufgrund der letzten Aussage musste Loki lächeln. So ein tiefgründiges Gespräch hatten sie beide jahrelang nicht geführt. Wenn er ehrlich zu sich war, hatte er mit den Leuten aus Thors Freundeskreis selten ein nicht-oberflächliches Gespräch geführt. Vielleicht war es an der Zeit, dies zu ändern?   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)