Mugen Tsukuyomi – Träume sind Schäume von Rabenkralle ================================================================================ 9. Temaris Lachen verstummte jäh. Kotetsu und Izumo bemerkten es nicht, sondern lachten weiter. Sie mussten der Auffassung sein, dass sie wirklich einen Witz auf Shikamarus Kosten gemacht hatte, aber für sie waren beide ein Beispiel, wie beschränkt und naiv übermäßiger Alkoholkonsum machte. Sie holte sich ein Glas Cola und als sie zum Tisch zurück kam, machte Kotetsu einen merkwürdigen Ausfallschritt. Sie wich ihm mit einer halben Drehung aus und sein Ellenbogen streifte ihre Hüfte, bevor er es schaffte, sich am Tischrand festzukrallen. „Tschuldige“, lallte er und verbeugte sich übertrieben vor ihr. Sie winkte ab und stellte ihr Getränk auf dem noch schwankenden Tisch. Sie überlegte, ob ihr Prüfungskollege sie absichtlich angerempelt hatte, aber so eine Dreistigkeit traute sie ihm nicht mal in betrunkenem Zustand zu. Eine Rückkopplung des Mikrofons schallte durch den Saal und die meisten lenkten ihre Aufmerksamkeit auf die Bühne. Temari angelte sich eine Salzstange und starrte desinteressiert zum Laudator. --- Shikamaru war es ganz recht, dass er ignoriert wurde. Er langweilte sich zwar, aber alles war besser, als sich in den Fuchteln dieser anstrengenden Weiber zu befinden. Sein Blick fiel auf seine Mutter. Sie saß bei den Müttern von Chouji und Ino und hatte in der Weinbowle einen neuen Freund gefunden. Wenn er lebensmüde gewesen wäre, hätte er sie vom Trinken abgehalten, aber für den Rest des Abends hielt er sich aus allen Schwierigkeiten heraus. Seine Augen fuhren automatisch zu Temari. Sie stand nahe des Buffets und schäkerte mit Kotetsu und Izumo, die ihr beide ungeniert ins Dekolletee starrten und ihre übermäßige Speichelproduktion sichtlich bemüht unter Kontrolle hielten. Der Anblick seiner lechzenden Kollegen löste nichts in ihm aus. Wenn sie die beiden für eine Nummer zu dritt abschleppen wollte, sollte sie das. Dann hatte er seine Ruhe vor ihr. Er wollte seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken, doch er schaffte es nicht, länger als ein paar Sekunden von ihr wegzusehen. Er war froh, dass er sie los war, aber irgendetwas schmeckte ihm an dem Szenario trotzdem nicht. Shikamaru beobachtete, wie Kotetsu ein Stolpern vortäuschte. Es sah total lächerlich und dilletantisch aus, aber er erhaschte eine flüchtige Berührung ihres Körpers. Er entschuldigte sich sofort dafür, doch sein dreckiges Grinsen, das er Izumo präsentierte, als Temari kurz nicht hinsah, entging ihm nicht. Verdrießlich fuhr er mit den Zähnen über seine Unterlippe und sah zur Bühne, wo der Laudator eine langweilige Rede zum Besten gab. Er starrte den Mann an, ohne ihn zu sehen, während sich in seinem Kopf das eben gesehene Szenario wiederholte. Seine Finger gruben sich in die Tischdecke und er verspürte den Drang, Kotetsu für diese dämliche Aktion eine reinzuhauen. Er malträtierte seine Lippe weiter und ihm wurde bewusst, dass er doch nicht so froh darüber war, dass er sie verscheucht hatte. Nur wann war sie zu diesem Biest geworden, das freiwillig in den Blicken lüsterner Volltrottel badete? Wo zur Hölle war die fast liebenswerte Temari hin, die er seit Jahren kannte? Die Temari, die jedem Kerl gnadenlos eine gescheuert hätte, der sie mit Hintergedanken ansah? Und wo war der Shikamaru hin, der sich einen Scheißdreck für weibliche Reize interessierte? Er seufzte, linste auf die Uhr und schlug die Hände vor dem Kopf zusammen. Temari hatte sein altes Ich vor gut zwei Stunden umgebracht. Ohne Aussicht auf Wiederbelebung. Er war dazu verdammt, für den Rest seines Lebens ein Opfer seiner Hormone zu sein, nachdem er sich siebzehn Jahre erfolgreich dagegen gesträubt hatte. Eine unumgängliche Erfahrung, die er gern noch etwas nach hinten verschoben hätte. Gott, wenn er heute Morgen gewusst hätte, in was er geraten würde, wäre er gar nicht aufgestanden. Shikamaru linste durch seine Finger und traute seinen Augen kaum. Drei Typen, die er nicht kannte, beglotzten Temari, als wäre sie im Umkreis von tausend Kilometern die einzig attraktive Frau. Einer der Kerle stieß seinem Kumpel die Ellenbogen zwischen die Rippen, grinste und drängte sich in die Lücke zwischen dem Objekt seiner offensichtlichen Begierde und Izumo. --- Temari erwachte aus ihrem Delirium der Langeweile. Ein fremder Mann lächelte sie unverholen an und sie starrte verwirrt zurück. Was wollte diese Grinsebacke von ihr? Und warum kamen diese notgeilen Böcke ausgerechnet jetzt aus ihren Höhlen? Weil der Alkoholpegel die Hemmschwelle gesenkt hatte? „Ja?“, fragte sie gelangweilt. Mit den Fingerspitzen berührte er ihr Handgelenk. „Dürfte ich einer bezaubernden jungen Dame einen unvergessenen Abend bereiten?“ Bei der Wortwahl überkam sie ein Würgereiz. Sie zog ihren Arm zurück, schwenkte ihr Colaglas und erwiderte: „Dummerweise hatte ich den bereits.“ Der Mann wirkte nicht die Spur ernüchtert. „Vielleicht kann ich ihn noch besser machen?“ Er hob eine Braue und sah sie wie ein Schauspieler aus einem dieser Agentenfilme an. Er hielt sich für unwiderstehlich – und sein markantes, sonnengebräuntes Gesicht mit den rauchblauen Augen gab ihm Recht. Ihr Interesse weckte er trotzdem nicht, aber eventuell taugte er ein wenig, um die Zeit totzuschlagen. „Und wie beachsichtigen Sie, das zu schaffen?“, fragte sie. „Wie wäre es mit einem Tanz nach der nächsten Preisverleihung?“ Ihre Lippen umspielte ein Lächeln. „Warum nicht?“ Kotetsu und Izumo glotzten, als hätten sie die Zurückweisung ihres Lebens kassiert. --- Shikamarus Augen waren auf den Kerl fixiert. Entweder ignorierte Temari den Neuankömmling oder sie duldete ihn. Er hatte keinen Schimmer, was zutraf und wollte es auch nicht wissen, aber die Miene dieses Trottels ging ihm gehörig gegen den Strich. Er rechnete sich garantiert Chancen bei ihr aus und so, wie sie sich heute gab, war das nicht mal ausgeschlossen. Was ihn natürlich null interessierte. Das Gefasel des Laudators verstummte und Stille brach im Saal aus. Für Shikamaru war das nur eine Randnotiz, bis ihm jemand seinen Ellenbogen in die Seite rammte. Er blickte zu beiden Seiten des Tisches. Kiba und Tenten, von denen er sicher war, dass sie vor wenigen Sekunden noch nicht dort gesessen hatten, grinsten ihn auffordernd an. „Beweg deinen Hintern die Bühne hoch“, flüsterte Kiba. Seiner Stimme schwang eine Art Vorfreude mit, doch Shikamaru hatte keine Lust, den Grund zu hinterfragen. „Du hast ’nen Preis gewonnen.“ Er erwiderte nichts und schaute sich um. Die Leute, die ihn kannten und noch Interesse an der Verleihung hatten, starrten ihn an – nur Temari nicht. Sie zeigte ihm die kalte Schulter und das brachte ihn zusätzlich auf die Palme. Er sprang vom Stuhl auf, der dabei fast umkippte und stapfte zur Bühne. Dann riss er dem Laudator den billigen Pokal aus der Hand und verließ den Saal. Er wollte das verdammte Ding loswerden und einen Haken hinter diesen vermaledeiten Abend setzen. --- Temari sah ihm mit gerunzelter Stirn nach. Sie hatte keine Ahnung, was der Grund für seine schlechte Laune war, aber sie lief ihm besser nicht hinterher und fragte nach. Sie machte sich lieber etwas rar, bevor sie es noch völlig bei ihm verkackte. Das hieß, wenn sie das noch nicht geschafft hatte. Die Musik setzte wieder ein und der gar nicht so schlecht aussehende Typ warf ihr einen auffordernden Blick zu. Lust hatte sie nicht zum Tanzen, aber bei Shikamaru hatte sie zu ihrem Wort gestanden, also tat sie es bei dem Fremden auch. Der Mann reichte ihr die Hand, um sie auf die Tanzfläche zu führen, doch sie war schon an ihm vorbei gelaufen. Da ein langsamer Song lief, verschränkte sie widerwillig die Finger mit seinen, während er seine Rechte auf ihre Hüfte legte. Sie spürte nichts bei der Berührung, aber sie schwor sich, ihm eine saftige Ohrfeige zu verpassen, wenn er es wagte, seine Hand tiefer wandern zu lassen. Zu seinem Glück behielt er sie bei sich, doch als das Stück auf seinen Höhepunkt zuging, zog er sie an sich. Temari fand sich an seine Schulter gepresst wieder. „Du duftest exotisch“, hauchte er ihr zu. Sein Atem streifte ihr Ohr. Wenn er von einer anderen Person gewesen wäre, wäre es sogar angenehm gewesen, aber so kam sie nicht an einer entsprechenden Antwort vorbei. „Nicht so exotisch, wie du glaubst“, gab sie zurück. „Das ist ein gutes Deo gemischt mit dem Schweiß meines heimlichen Liebhabers.“ Sein Lachen war nicht die Reaktion, auf die sie gehofft hatte. Er übernahm die Führung und begann, sich langsam mit ihr im Kreis zu drehen. „Fährst du gern mehrgleisig?“, wollte er wissen. „Nein“, antwortete sie, obwohl es für eine bestimmte Person so aussehen musste, dass sie genau das tat. Wenn sie es recht bedachte, kam sie sich selbst so vor, obwohl es nur als Zeitvertreib gedacht war. Genauso wie vieles anderes an diesem Abend ein Zeitvertreib gewesen war. Sie dachte an Shikamarus angesäuerte Reaktion und den missgelaunten Abgang, den er hingelegt hatte. Es war nicht unwahrscheinlich, dass sie einen gewissen Anteil daran hatte. Wenn sie sich an seinen Traum erinnerte, hatte sie den ganz bestimmt. Der Lied klang aus. Ein schnellerer Song wurde eingespielt, der jeglichen Körperkontakt überflüssig machte und so riss sie dich von dem Kerl los, dessen Namen sie immer noch nicht kannte und auch nicht kennen wollte. Sie ging auf Distanz, bewegte sich zum Takt der Musik – und ehe sie sich versah, war sie von einer Männerschar umringt. --- Shikamaru pfefferte seinen Preis fluchend in den Müllcontainer im Hinterhof. Er hatte nicht einmal einen Blick darauf geworfen, wofür er ihn überhaupt gewonnen hatte und es interessierte ihn auch nicht. Das Einzige, woran er noch Interesse hatte, war sein Bett. In genau das warf er sich nämlich in einer Viertelstunde, mit dem Ziel bis zum nächsten Mittag zu schlafen und jeden Aspekt dieser Verleihung zu vergessen – in jeder Hinsicht. Besonders den einen. Er lief um das Gebäude und wühlte in seinen Hosentaschen herum. Er hatte seinen Schlüssel vergessen und das bedeutete, dass ihn nicht mal ein ruhiger Spaziergang nach Hause vergönnt war. Mit schweren Schritten stiefelte er durch den Haupteingang und in den Saal. Er peilte den Tisch seiner Mutter an und blieb abrupt stehen. Nicht weil ihm einfiel, dass er die Schlüssel, die am Anfang der Veranstaltung noch in seiner rechten Tasche geklimpert hatten, verloren haben musste und ihm das ein riesiges Donnerwetter einbrachte. Ein Massenauflauf von betrunkenen Männern johlten auf der Tanzfläche. Er verstand nichts von dem, bis einer „Schwing den Hintern, Blondie!“ gröhlte. Shikamaru erhaschte einen Blick auf ein knallrotes Kleidungsstück und seine Augen huschten automatisch zu dem Stehtisch, an dem Temari eben noch gestanden hatte. Kotetsu und Izumo vegetierten angetrunken vor sich hin, aber sie war nicht mehr da. Er zuckte die Schultern. Temari wurde bedrängt und sie kam bestens allein zurecht, also was kümmerte ihn das? Er tat ein paar Schritte und blieb abrupt stehen. --- „Los, Baby! Worauf wartest du noch? Temari warf ihrer Tanzgelegenheit einen hilfesuchenden Blick zu. Dieser machte keine Anstalten, ihr zur Seite zu springen und glotzte überfordert vor sich hin. „Beweg endlich deinen heißen Arsch!“, schmetterte ihr ein Dritter entgegen, der vom Alkohol tiefrot im Gesicht war. Wieder ein anderer musterte sie von oben bis unten und grinste lüstern. Temari wusste nicht, wo sie zuerst hinschauen sollte. Wo kamen plötzlich all die betrunkenen und notgeilen Idioten her? Und warum umringten sie sie erst jetzt? Es dämmerte ihr. Natürlich, Kankurou war nicht in der Nähe. Es war eine Weile her, dass sie ihn das letzte Mal im Saal gesehen hatte. Er war der Kater, der das Stück Käse bewacht hatte und da er nicht mehr da war, kamen die Ratten aus ihren Löchern gekrochen, um sich auf den Schmaus zu stürzen. Verdammt. Sie zählte die Männer, die es auf sie abgesehen hatten und verlor die Hoffnung. Es waren acht und da sie ihren Fächer nicht dabei hatte, stand sie auf verlorenem Posten. Vielleicht schaffte sie es, zwein oder dreien zu zeigen, dass man sich mit der Schwester des Kazekage nicht anlegte, aber acht? Sie sah sich nach einem Ausweg um. Es gab keinen. Sie war verloren in den Untiefen einer Männerschar. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)