Mugen Tsukuyomi – Träume sind Schäume von Rabenkralle ================================================================================ 7. Als Shikamaru zurück in den Festsaal kam, wollte er seinen Augen nicht trauen. Dass seine Mutter sie irgendwann im Laufe des Abends belästigte, hätte ihn nicht gewundert, aber warum zur Hölle saß Temari an ihrem Tisch herum und – Was trieben sie da überhaupt? Er ging ein Stück, um das Ganze aus der Nähe zu betrachten. Die beiden spielten ein blödes Kartenspiel, das er nicht kannte, und Temari sah zu allem Überfluss ziemlich angespannt aus. Sie machte fast den Eindruck, als ginge es um ihr Leben, aber wahrscheinlich war sie nicht nur in beruflicher Hinsicht ehrgeizig und vertrug es nicht, wenn sie verlor. Sie drehte eine Karte um – es war ein As –, machte eine ungläubige Miene und – Seine Mutter sprang auf, schlug mit der Faust auf den Tisch und stieß ein paar Flüche aus. Shikamaru hatte sie noch nie so fluchen gehört und er verstand nicht, warum sie ausgerechnet bei einem belanglosen Spiel ihre so hoch gepriesene Etikette vernachlässigte. Yoshino griff nach der nächsten Weinflasche und da sie anscheinend beschlossen hatte, sie auf Ex zu trinken – so viel zu Alkohol ist böse –, nutzte er die Chance. Er packte Temari am Handgelenk, zog sie vom Stuhl und schleifte sie ein paar Meter mit sich. „Bist du völlig bescheuert?“, fragte er sie. „Da ich mich auf dich eingelassen habe, ist das wohl offensichtlich, oder?“, konterte sie und grinste. „Ich hab dir gerade deine Freiheit erspielt. Also sei gefälligst ein bisschen dankbar!“ Er sah sie voller Argwohn an, dann realisierte er langsam, was sie gesagt hatte. „Du hast mir meine Freiheit erspielt?“, fragte er. „Und das bedeutet was?“ „Mein Einsatz war, dass ich dich in einem Jahr heiraten muss, wenn ich verliere, aber da ich gewonnen habe …“ Nun starrte Shikamaru sie an. Da war er mal ein paar Minuten nicht hier und Temari nahm sich die Dreistigkeit heraus, mit Yoshino um ihn zu spielen. Wenn sie keine Frau wäre, hätte er sie an Ort und Stelle erwürgt. Und seine Mutter gleich mit dazu. „Hast du sie noch alle?“, fuhr er sie an. „Ich will dich überhaupt nicht heiraten!“ „Meinst du etwa, dass ich dich heiraten möchte?“, erwiderte sie. „Aber das müssen wir jetzt zum Glück auch nicht mehr.“ „Was, wenn du verloren hättest?“ „Tja, shit happens.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Dann hätten wir uns irgendwie damit arrangieren müssen. Spielschulden sind schließlich Ehrenschulden. Apropos“ – sie legte eine übertrieben dramatische Pause ein – „ich darf jetzt frei über dich verfügen.“ Er runzelte die Stirn. Allein die Vorstellung jagte ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken. „Und das heißt?“, fragte er, obwohl er wusste, dass es nichts Gutes bedeutete. Nicht für ihn. „Nichts Großartiges“, sagte sie. „Für dich ändert sich nicht viel. Du musst mir nur hin und wieder einen Gefallen tun, mehr nicht.“ Hin und wieder einen Gefallen … Was das war, konnte er sich lebhaft vorstellen. Ein Dasein als persönlicher Sklave einer Verrückten … Genau so hatte er sich sein Leben vorgestellt. „Ihr habt mich nicht mal um Erlaubnis gefragt, als ihr um mich gespielt habt. Also vergiss es! Dein Sieg zählt nicht.“ „Und wie er zählt“, widersprach Temari gelassen. „Du kannst mir nicht entkommen. Und mal ehrlich: Du willst es auch gar nicht. Du stehst nämlich insgeheim drauf, wenn man dir zeigt, wo es lang geht.“ Was für ein Miststück … Dummerweise hatte sie das absolut richtig erkannt. Shikamaru starrte sie an und brachte kein Wort heraus. Er beobachtete, wie sie einen Blick über ihre Schulter warf und sich ihm dann näherte. Sie kam ihm näher, als es ihm an diesem Ort lieb war. „Entschuldige übrigens noch für vorhin“, flüsterte sie, platzierte ihre Hände auf seiner Brust und zupfte an seinem Oberteil herum. „Ich mach die Ohrfeige wieder gut, versprochen.“ Es behagte ihm gar nicht, dass zwei Tische weiter seine Mutter saß und die Wahrscheinlichkeit hoch war, dass sie Temaris Avancen beobachtete. „Musst du nicht“, sagte er rasch. „Und jetzt hör auf mich zu befummeln.“ „Wieso denn? Kankurou sieht gerade nicht her und deine Mutter kann nichts dagegen tun.“ „Meinst du, dass sie sich ernsthaft für den Inhalt eines verlorenen Spieleinsatzes interessiert?“ „Spielschulden sind Ehrenschulden“, erwiderte sie. „Wenn sie dir blöd kommt, werd ich sie eben dezent daran erinnern. Wenn ich verloren hätte, hätte ich meinen Einsatz genauso erfüllt – ungern, aber ich hätte es gemacht.“ Sie lachte. „Auch wenn mein alter Nachname besser als deiner zu mir passt.“ Sie war um Haaresbreite einer Zwangsehe entkommen – in der Theorie zumindest, denn in der Praxis wäre er niemals darauf eingegangen – und der Wechsel des Nachnamens war ihre größte Sorge? Nicht zu fassen … „Du hast sie wirklich nicht mehr alle!“ Shikamaru trat einen Schritt zurück und sie ließ von ihm ab. „Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, so einen dämlichen Einsatz zu machen?“ Sie zuckte die Achseln und grinste. „Mir war langweilig.“ --- Samui rührte in ihrem Cocktail herum. Die anderen durften im Mugen Tsukuyomi ihren Träumen nachhängen. Und sie? Sie hatte in der Zwischenzeit mit Atsui in diesem komischen Gefäß festgesessen und darauf gewartet, dass jemand den Korken zog, um sie daraus zu befreien. Wenn sie sich nur nicht von diesem Trottel hätte einfangen lassen … Das war nicht gerecht. „Na, Schwesterchen, schmollst du immer noch?“, fragte ihr Bruder. „Nein, alles cool“, erwiderte sie tonlos. „Ich sitze hier tausend Mal lieber und verzichte auf einen netten Traum, als immer noch in dieser Flasche zu versauern.“ „So siehst du aber nicht aus“, bemerkte Atsui. „Mir ist mein Leben jedenfalls heilig und ich bin dankbar, dass ich mich nicht in einen Schluck Sake verwandeln musste.“ „Das bin ich auch“, sagte sie. „Aber interessiert es dich nicht trotzdem, was du geträumt hättest?“ „Klar, warum nicht?“, gab er zurück und zuckte die Achseln. „Aber diese einzigartige Möglichkeit haben wir verpasst. Also bleib cool.“ Samui seufzte. Gar nichts war cool. --- Mit einem breiten Grinsen im Gesicht kam Chouji zurück zu seinem Platz. „Genug Süßholz geraspelt?“, fragte Shikamaru. „Nein, sie ist nur kurz los, um sich frisch zu machen“, antwortete er und klang dabei wie ein frisch verliebter Teenager. „Sie ist so nett. Und niedlich …“ Nett und niedlich … Zumindest das Erste war eine Eigenschaft, die nicht verkehrt war. Aber Temari war weder das eine noch das andere. Irgendwie beneidete er seinen besten Freund. „Hörst du mir überhaupt zu?“ „Ja, ich dachte nur gerade, dass du anscheinend ’nen ganz guten Fang gemacht hast.“ Chouji hoch eine Augenbraue und fragte: „Und du etwa nicht?“ „Meinst du?“ „Ich hab eben gesehen, wie sie sich an dich rangeschmissen hat.“ Er grinste und setzte nach: „Du stehst doch schon seit ’ner Weile auf sie, oder nicht?“ „Ja“, sagte Shikamaru. „Und ich hab inzwischen keine Ahnung mehr, warum.“ „Das würde ich mich auch fragen, wenn mich meine Süße in Alkohol getränkt und geohrfeigt hätte.“ „Hat das eigentlich jeder hier gesehen?“ „Ich hab’s nicht gesehen. Ino hat’s mir erzählt.“ „Hat sie sonst noch was erwähnt?“ „Nö. Sie hat nur vor sich hin gekichert“, erwiderte sein Kumpel. „Du weißt ja, wie sie ist.“ Er nickte nur. „Deine Mutter wollte mich übrigens vorhin ausquetschen“, warf er ein. „Ich hab ihr deine Geschichte aufgetischt und dann ist sie wieder abgezischt. Keine Ahnung, ob sie es geglaubt hat.“ „Danke.“ „Kein Problem.“ Chouji winkte ab. „Verrätst du mir wenigstens, warum du die Ausrede brauchtest?“ „Muss das sein?“ „Nein, aber –“ Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. „Versteh schon, Temari hat dich eingesprüht, oder?“ „Ja.“ „Und warum?“ „Ist das nicht egal?“ „Jetzt sag schon! Ich bin doch dein bester Freund.“ „Schon, aber …“ Shikamaru seufzte. „Ach, was soll’s. Wir haben’s vorhin getrieben.“ Chouji blinzelte. Die Unwissenheit stand ihm im Gesicht geschrieben. „Was denn?“ Er machte eine genervte Miene und sagte: „Na, was wohl?“ Ein erneutes Blinzeln von seinem Kumpel. „Wirklich?“ „Ja.“ „Wow …“ Auf die Sache an sich traf es vielleicht zu, aber auf den Rest? Nee … So hatte er sich das wirklich nicht vorgestellt. --- Die Mizukage schaute sich zum gefühlt tausendsten Mal im Festsaal um. Nirgendwo war ein hübscher Mann in ihrer Altersklasse zu sehen, sondern überall nur Teenager, Jungspunde und alte Säcke. Wenn sie nicht bald jemanden fand, der dafür geeignet war, den Bund der Ehe mit ihr einzugehen, dann endete sie noch so allein und verbittert wie Tsunade. Gut, sie war dank ihrem Chakrasammelsurium auf der Stirn immer noch gut in Schuss und sah für ihr Alter wirklich verdammt gut aus. Sie hatte schöne, blonde Haare, eine weiche Haut und eine Top-Figur. Wenn sie sich die nächsten zwanzig Jahre nur halb so gut hielt, ohne sich einem Lifting nach dem anderen zu unterziehen, konnte sie schon zufrieden sein. Mei seufzte. Sie war Anfang dreißig, hatte im Leben viel erreicht – immerhin war sie das Dorfoberhaupt einer der fünf großen Shinobinationen –, aber trotzdem fehlte ihr zu ihrem Glück noch etwas. Ganz davon zu schweigen, dass ihre biologische Uhr langsam tickte. Sie war nicht der größte Kinderfreund – sie waren laut und das konnte unter Umständen ziemlich nerven –, doch irgendwann … Sie musste ihr tolles Kekkei Genkai und das Vermächtnis ihrer Familie schließlich vererben, bevor es mit ihr ausstarb. Deprimiert rührte sie in ihrem Drink herum. Sie brauchte dringend einen Mann, bevor sie tatsächlich zu Tsunade 2.0 mutierte. --- „Es tut mir leid, dass ich so ein unsensibler Vollidiot war.“ Hinata starrte ihn an. Träumte sie das gerade oder woher hatte Naruto auf einmal die Erkenntnis, dass er sich daneben benommen hatte? Sie kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder. Er war noch da. Sie zwickte sich in den Unterarm. Er stand immer noch vor ihr. Es war kein Traum. „Ist schon in Ordnung“, sagte sie. „Nein, ist es nicht“, widersprach er. Dann streckte er den Arm aus und fragte: „Gehen wir eine Runde? So als Wiedergutmachung?“ Hinatas Herz schlug abrupt höher. Wollte Naruto – der Naruto, in den sie schon so lange verliebt war – tatsächlich einen Spaziergang mit ihr machen? Nein, unmöglich … Er schenkte ihr ein Lächeln und nahm ihre Hand. --- „Was zur Hölle treibst du eigentlich die ganze Zeit?“ Kankurou verengte seine Augen zu Schlitzen und stierte seine Schwester an. „Ich hab ein bisschen Karten gespielt“, entgegnete Temari. „Und? Ist doch nichts dabei.“ „Warum hast du nicht mich gefragt? Es ist nämlich echt nicht gerade spannend hier“, maulte er. „Aber nein, stattdessen gehst du zu … Wer war das überhaupt?“ „Shikamarus Mutter.“ „Was? Warum gehst du ausgerechnet zu der?“ „Nur so“, antwortete sie mit einem Achselzucken. „Einfach aus Spaß.“ „Und mit mir Maumau zu spielen macht keinen Spaß?“ „Nicht in dem Sinne.“ „Was soll das jetzt heißen?“ „Nichts weiter.“ Ihr Bruder musterte sie noch etwas genauer. „Irgendwas verheimlichst du mir“, legte er fest. „Und ich schwöre, dass ich heute noch dahinter kommen werde, was es ist.“ „Viel Erfolg bei der Suche nach der nicht vorhandenen Nadel im Heuhaufen“, erwiderte Temari unbeeindruckt. Er zog die Augenbauen hoch und schüttelte den Kopf. „Oh doch, da ist eine Nadel“, sagte er und klang wie ein Besserwisser. „Es würde mich nicht wundern, wenn da sogar ein ganzes Nähset ist.“ „Wenn du das sagst …“ Sie gähnte demonstrativ und lehnte sich zurück. „Sag ich“, beharrte Kankurou. „Übrigens: Warum bist du dem Kerl eben so auf die Pelle gerückt? Willst du etwa doch was von ihm?“ „Ich hab mich nur für die Ohrfeige entschuldigt. Sonst nichts.“ „Und um das zu tun, musstest du dich ihm so weit nähern?“ „Es ist laut hier“, meinte seine Schwester. „Und es ist ja nicht so, dass wir es hier vor allen Leuten getrieben hätten. Also reg dich nicht so auf.“ „Das wäre noch schöner, wenn du das tun würdest“, brummte er. „Es würde zwar ein bisschen Abwechslung in diese dämliche Veranstaltung bringen“, witzelte sie, „aber es reizt mich nicht, das in der Öffentlichkeit zu tun.“ Ein Wink mit dem Zaunpfahl, aber sie bezweifelte, dass ihr Bruder ihn bemerkte. Er war einfach begriffsstutzig ohne Ende. „Das will doch keiner sehen“, sagte er und verzog eine angewiderte Miene. „Erst recht nicht mit dem. Wie kommst du eigentlich darauf, dir so was vorzustellen?“ „Keine Ahnung. Aus Langeweile vielleicht?“ „Ach, du Scheiße!“, stieß er aus. „Du bist scharf auf ihn, oder?“ „Genau, weil er auch total mein Typ ist“, erwiderte sie sarkastisch. „Ich bitte dich. Meinst du, ich finde nichts Besseres, als so einen durchschnittlich aussehenden Mann ohne Motivation wie ihn?“ „Okay, in dein Beuteschema passt er tatsächlich nicht.“ „Beuteschema?“, fragte sie angesäuert. „Für wen hältst du mich? Für die Schlampe vom Dienst, die es mit jedem macht?“ „Entschuldige, natürlich nicht“, verbesserte er. „Wenn du mir von jemandem vorgeschwärmt hast, waren es Blondies. Was anderes wollte ich damit gar nicht sagen.“ „Dein Glück!“, murmelte sie und wandte sich ab. Beuteschema … Gut, sie hatte tatsächlich eins, aber wer sagte denn, dass man daraus nicht auch mal ausbrechen konnte? --- Ino betrachtete die Wasserlache vor ihren Füßen. Sie war schwarz. Tiefschwarz. Voller Tinte. Die Tinte, in die sich das Tier aufgelöst hatte, dem sie die letzte Viertelstunde gefolgt war. Weil sie dachte, dass sie Sai auf der Spur war. Sie wandte sich ab und machte kehrt. Mit großen Schritten stapfte sie über den aufgeweichten Boden zurück in Richtung Festsaal. Ein Grinsen schlich sich auf ihre Lippen. Ein Grinsen, das nach Rache sinnte. Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Wenn sie bei der Veranstaltung ankam, konnte sich ihr ehemaliger Teamkollege auf etwas gefasst machen. Ja, diese Verarschung, die er mit ihr abgezogen hatte, würde Shikamaru bitter bereuen. Beflügelt von dem Gedanken beschleunigte sie noch einmal. Und rannte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)