Mugen Tsukuyomi – Träume sind Schäume von Rabenkralle ================================================================================ 4. Geschafft stieg Shikamaru in seine Sachen und sank auf die Bank. Er hatte das Bedürfnis, sich auf der Stelle hinzulegen und zwölf Stunden zu pennen – oder aus diesem komischen Traum aufzuwachen. Die Veranstaltung ging noch eine Weile und wer garantierte ihm, dass Temari genug hatte? Gut, er fand Gefallen daran – viel mehr, als er gedacht hätte –, doch für seinen Teil reichte es erstmal. Nicht nur für die nächste Stunde, sondern wahrscheinlich für den Rest des Abends. Bei ihr war er sich da aber nicht so sicher, so quicklebendig, wie sie gerade herumwuselte und ihr Aussehen in Ordnung brachte. Sie steckte ihr Schminkzubehör zurück in die Tasche, zückte ihr Deo und hüllte sich in eine penetrante Duftwolke. „Was ist mit dir?“, fragte sie. „Unsere Gerüche werden nicht unbedingt besser.“ Er schüttelte den Kopf. Darauf fiel seine Mutter kein zweites Mal herein. „Ah, schon klar!“, sagte sie, als könnte sie Gedanken lesen. „Vergiss den ursprünglichen Plan. Wir machen es so …“ --- „’ey, ’inata! Al’s kla?“, nuschelte Naruto und ihr sprühte Nudelsuppe entgegen. Jeder andere hätte ihm für diese Unhöflichkeit definitiv eine gescheuert, aber sie selbst störte sich nicht daran. Sie mochte seine Tollpatschigkeit. Nein, nicht nur jetzt, sie hatte sie schon immer gemocht. Er schluckte sein Essen herunter, murmelte ein „Entschuldige“ und tupfte ihr mit einer Serviette die Suppe aus dem Gesicht. Hinata merkte, wie ihre Wangen wieder glühten und sie verfluchte Kishimoto, dass er ihr diese Eigenschaft angedichtet hatte. Ein schüchternes Mädchen gab es in jeder Geschichte, aber warum musste es ausgerechnet sie treffen? Was gab sie nicht dafür, um nur ein Zehntel des Selbstbewusstseins ihres Alter Egos aus Road to Ninja zu haben. Die Hinata war im Gegensatz zu ihr sexy – verdammt sexy sogar – und nicht auf den Mund gefallen. Na ja, zumindest musste sie in Narutos Gegenwart nicht mehr herumstammeln, wie noch vor dem Zeitsprung. Das war besser als nichts. „Schon okay“, sagte sie und winkte ab. „Ich mag Ramen.“ Ich mag Ramen? Was war denn das für ein Blödsinn? So eine Antwort gab auch nur sie. „Magst du auch ’ne Portion?“ Sie starrte ihn an. Sie war pappsatt, aber wenn er ihr schon was von seinem Lieblingsessen anbot … Hinata nickte, Naruto zog den freien Stuhl vom Tisch und sie setzte sich. --- Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend folgte Shikamaru ihr zurück in den Festsaal. Vom Eingang bis zum Buffet war es ein ganzes Stück und wenn seine Mutter ihn auf dem Weg dahin abpasste – Temari blieb plötzlich stehen, riss einer Frau das Glas aus der Hand und … Sie holte mit Schwung aus und der Inhalt landete in seinem Gesicht und auf seinem T-Shirt. Er blinzelte. Erst vor Ungläubigkeit, dann weil das Was-auch-immer in seinen Augen brannte wie Feuer. „Verdammt“, fluchte er. „Was ist das für ein Zeug?“ Sie roch am Glas und bemerkte: „Sekt. Leider.“ „Leider?“ „Ich hab gehofft, ich erwische was, das ein bisschen geruchsintensiver ist.“ Sie schaute sich um und luchste einem älteren Mann irgendeine klare, braune Brühe ab, als er nicht hinsah. Um ganz sicher zu gehen, nahm sie einen Schluck. „Whiskey“, sagte sie und verzog eine angeekelte Miene. „Perfekt! Augen zu und –“ „Bist du bescheuert?“ Shikamaru griff geistesgegenwärtig nach ihrem Handgelenk. „Wenn ich wie ein Alkoholiker stinke, kann ich mich gleich einsargen lassen.“ „Dann riech halt weiter nach Sex“, erwiderte Temari und grinste, „und lass dich von deiner Mutter auseinandernehmen.“ Diese Dreistigkeit … Warum in aller Welt hatte er sich darauf eingelassen? Scheiß Traum, scheiß Hormone … Sie stellte das Whiskeyglas ab und angelte sich eine Flasche vom nächsten Tisch. „Bitteschön.“ Sie schwenkte sie auffordernd hin und her. „Bier stinkt wie nichts Gutes und du darfst es rechtlich gesehen sogar in einigen Ländern trinken.“ Er zögerte noch einen Moment, dann nahm er ihr die Flasche ab und kippte sich einen Teil über die rechte Seite seines Shirts. Sie hatte Recht. Der Kram stank wirklich abartig. „Siehst du?!“ Temari lächelte zufrieden. „Nicht, dass dir es überhaupt jemand zutrauen würde, aber jetzt kommt erst recht keiner mehr auf die Idee, dass du gevögelt haben könntest.“ So eine Frechheit … Diese Frau war wirklich ein dreistes Biest. Und dummerweise machte sie das nur noch interessanter für ihn. Sie wandte sich zum Gehen, hielt aber inne. „Ich hab noch was vergessen“, warf sie ein. Shikamaru stellte sich einen Augenblick noch die Frage, was sie wollte, doch … Temari holte aus, er zuckte zurück und er spürte einen stechenden Schmerz auf der linken Wange. Sie schüttelte die Hand aus, mit der sie ihm die Ohrfeige verpasst hatte, und ging. --- Hinata nahm einen Bissen. Und noch einen. Ihr Magen grummelte. Wenn sie noch eine Nudel essen musste, geschah ein Unglück … Sie schob die Schüssel von sich, drehte sich weg und hielt die Hand vor den Mund. Ein Aufstoßen. Sie hoffte inständig, dass Naruto diesen wenig damenhaften Vorgang nicht gehört hatte. Sie linste aus den Augenwinkeln zu ihm und sah sein Grinsen. Oh Gott, er hatte es wirklich … „Isst du die Ramen noch?“, fragte er. Sie schüttelte den Kopf – aus der Peinlichkeit war sie gerade noch so entkommen – und er verleibte sich den Rest ihrer Portion ein. Als Naruto aufgegessen hatte, rülpste er laut. Ein paar Leute von den umliegenden Tischen wandten sich zu ihm um. Er murmelte eine Entschuldigung und lachte. Einerseits fand Hinata es unfair, dass für Männer offensichtlich andere Regeln in der Öffentlichkeit galten, aber andererseits … Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Selbst wenn sie wollte, konnte sie ihm nicht böse sein. Warum auch? „Sag mal, Hinata“ – er sah sie direkt an und sie fühlte, wie sein Atem ihre Wange streifte – „Wer war eigentlich der Typ in deinem Traum?“ Sie blinzelte. War das sein Ernst oder erlaubte er sich einen blöden Scherz mit ihr? „Meinst du Neji?“, fragte sie, in der Hoffnung, dass er tatsächlich ihren Cousin meinte. „Nein“, erwiderte er, „ich meine den, an den du dich angelehnt hast.“ Okay, man hatte sein Gesicht nicht gesehen, aber – Das konnte wirklich nicht sein Ernst sein! Hinata sprang auf, zischte ein „Du bist so ein Idiot!“ und kehrte wütend zu ihrem Team zurück. --- Shikamaru drückte sich sein Wasserglas an die Wange. Davon, dass sie ihm eine scheuerte, hatte nichts auf ihrem Plan gestanden. Mit der anderen Hand rieb er sich die Augen. Sie tränten nicht mehr und das Brennen klang allmählich ab. Wenigstens etwas. Der Geruch von Bier stieg ihm in die Nase. Ekelhaft. Langsam kam ihm der Gedanke, dass irgendetwas gehörig schief ließ. Ja, toll, jetzt hatte er schon ein zweites Mal mit ihr geschlafen, aber darauf, dass sie ihn mit Alkohol übergoss und ohrfeigte, hätte er gut verzichten können. Das war es nicht wert gewesen. Obwohl, andererseits … Okay, vielleicht doch, aber Verschleierungstaktiken gab es sicher bessere. Zu dumm nur, dass ihm, dem Meister des Verschleierns, gar nichts einfiel. Es musste wohl was dran sein, dass das Gehirn während und unmittelbar nach dem Sex aussetzte. Da half einem der ausgeklügelste Verstand nichts. „Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?“ Er zuckte zusammen. Yoshino starrte ihn an und ihre Augenbrauen waren zu einer Linie verschmolzen. So einen gruseligen Blick hatte er länger nicht mehr bei ihr gesehen. „Hast du dich etwa betrunken?“ Seine Alarmglocken läuteten. Und wie. „Nein, ich hab nur jemanden angerempelt“, erwiderte er und hoffte, dass seine Mutter diese Ausrede schlucken würde. Tat sie natürlich nicht. „Erzähl mir nichts, junger Mann!“, wetterte sie los. „Oder hat die Person zufällig ein Fass mit sich herumgeschleppt, in das du seltsamerweise rein gerannt bist?“ „Klar, ich bin wie Obelix in ein Fass mit Zaubertrank gefallen“, sagte er sarkastisch. Shikamaru fluchte innerlich. Musste sein Hirn langsam nicht mal wieder funktionieren? Es war doch inzwischen mindestens eine Viertelstunde her, dass er – „Jetzt wirst du auch noch frech!“, zeterte Yoshino weiter. „Ich hab dich nicht zu so ’nem Rotzlöffel erzogen! Erklär dich gefälligst, sonst gibt’s zehn Jahre Stubenarrest und kein Taschengeld!“ Gleichmütig erwiderte er ihren Blick. Er erinnerte ihn an eine hungrige Würgeschlange, aber irgendwie beeindruckte ihn das nicht. „Ich verdiene seit Jahren eigenes Geld“, bemerkte er nüchtern. „Und wenn du mich einsperrst, kannst du lange auf deine Enkel warten.“ Sein Verstand war wieder da. Gott sei Dank. Die Angriffslust verschwand aus ihrem Gesicht und er wusste, dass er ihr endlich mal eine Nasenspitze voraus war. Zum ersten Mal in seinem Leben. „Gut.“ Sie stemmte die Hände in die Hüften und atmete tief aus. „Gut“, wiederholte sie. „Einmal lass ich es dir durchgehen, aber wenn ich noch einmal Alkohol an dir rieche, bevor du achtzehn bist, war’s das, mein Lieber!“ Shikamaru zitterte vor Angst. Nicht. „Ich hab nichts getrunken“, beharrte er. „Oder meinst du, ich bin zu blöd, um aus ’nem Glas zu trinken?“ Yoshino stieß einen Seufzer aus. „Und wo ist der Beweis?“ Sein T-Shirt war zur Hälfte mit dem Zeug durchtränkt. Reichte ihr das etwa nicht als Beweis? „Hauch mich an!“ Er starrte sie an. Das verlangte sie jetzt nicht wirklich von ihm, oder? „Garantiert nicht“, protestierte er. Sie verpasste ihm einen Nackenschlag – er kam sich vor, als wäre er ein ungezogenes Kleinkind – und zischte: „Treib’s nicht zu weit! Lass dir eins gesagt sein: Alkohol ist böse! Saufen ist scheiße! Und solange du unter meinem Dach wohnst, werde ich es auf gar keinen Fall dulden.“ Er gab es auf, ihr zu widersprechen, geschweige denn anzumerken, dass ihr werter Ehegatte vor seinem Ableben regelmäßig getrunken hatte, und nickte. „So ist es brav.“ Seine Mutter tätschelte ihm den Kopf – er hoffte inständig, dass es niemand beobachtet hatte, den er kannte – und fragte: „Und warum hat dir die junge Frau aus deinem Traum gerade eine gescheuert?“ Na, großartig, sie hatte es mitbekommen. Heute hatte er vielleicht ein Glück … „Hast du ihr etwa nachgestellt?“ „Nein!“, gab Shikamaru zurück. „Warum sollte ich so etwas Dämliches machen?“ „Ich find’s ja süß, dass du dich so für mich ins Zeug legst“ – Yoshino kicherte los – „aber bei Frauen ist Fingerspitzengefühl angesagt.“ Und das galt besonders für Temari, dachte er voll Ironie. Es war ja nicht so, dass sie ihn angequatscht, ins Nebenzimmer geschleppt und ihn dort dazu gebracht hatte, mit ihr zu vögeln. Fingerspitzengefühl war bei ihr genauso überflüssig wie Blumengießen nach einem kräftigen Regenschauer. Zumindest in dem Punkt. „Ich geb dir einen guten Rat“, plapperte sie weiter. „Mach ihr bloß nicht schon nach dem dritten Date einen Heiratsantrag. Das kommt in den wenigsten Fällen gut an.“ Er zog die Augenbrauen hoch und starrte sie an. Wovon zur Hölle redete sie da? Einen Heiratsantrag? Die Frau hatte doch nicht alle Tassen im Schrank! „Ich will sie überhaupt nicht heiraten!“, entgegnete er konfus. „Ich …“ Seine Mutter schaute ihn erwartungsvoll an. Na, toll. Und was nun? Wenn er zu lange für eine Antwort brauchte, machte ihn das nur verdächtig. Und wenn er das Falsche sagte … Mist. „Ach, nichts“, schloss er. „Vergiss es.“ --- Kankurou erwartete seine Schwester mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Temari setzte sich auf ihren Platz und er stieß ihr freundschaftlich den Ellenbogen zwischen die Rippen. „Dem hast du es aber gegeben!“, bemerkte er belustigt. „Allerdings“, bestätigte sie und grinste ebenfalls. Gegeben hatte sie es ihm tatsächlich. Und wie. „Scheint dir wohl richtig Spaß gemacht zu haben, was?“, setzte Kankurou nach. Selig grinste sie vor sich hin. „Das kannst du laut sagen.“ Ach, sie liebte diese Zweideutigkeit. Und dieses Spiel sowieso. Allein der Gedanke daran löste eine leichte Gänsehaut bei ihr aus. Diese Heimlichtuerei war irgendwie … anregend. Ja, mit Shikamaru war sie heute noch lange nicht fertig, das stand mal fest. Ihr Bruder zog angewidert die Nase kraus und fragte: „Hast du dich etwa schon wieder im Nuttendiesel gesuhlt?“ „Ich mag den Duft“, erwiderte sie, „und mir ist es egal, ob ich’s deiner feinen Nase recht mache.“ Vor allem machte sie ihm mit dem ursprünglichen Geruch noch viel weniger Recht. „Ich find’s widerlich“, sagte er. „Aber wenigstens brauch ich mir dann keine Gedanken darüber machen, dass dich irgendein Kerl anbaggert. Da hält jeder mindestens zwei Meter Sicherabstand von dir!“ Normalerweise hätte sie ihm darauf einen Spruch um die Ohren gehauen, aber heute war sie dafür zu gut gelaunt. Auch wenn sie ihm zu gerne aufs Brot geschmiert hätte, dass der, auf den sie es abgesehen hatte, ihr jetzt schon zweimal viel näher gewesen war, als ihrem Bruder lieb war. „Apropos: Wie hat er’s eigentlich aufgefasst?“ Kankurou stellte genau die richtigen Fragen. Herrlich. „Wirklich gut“, antwortete Temari, „wirklich, wirklich gut.“ „Und warum hast du ihm dann eine verpasst?“ „Damit wir jetzt was zu lachen haben“, scherzte sie. „Nein, war nur aus dem Affekt. Ich dachte, er wollte mich angrapschen, aber das muss ein anderer gewesen sein.“ Die Erklärung machte jetzt gar keinen Sinn. Aber als Ablenkungsmanöver erfüllte es durchaus seinen Zweck. Es war ein rotes Tuch für ihn, wenn irgendjemand den Versuch startete, seiner heißgeliebte Schwester zu nahe zu kommen. Wie erwartet sprang er auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Wo ist der Kerl!“, brüllte er. „Ich mach ihn fertig!“ „Komm mal wieder runter. Mich haben schon viele Typen aus Versehen berührt. Bleibt halt nicht aus, wenn man nicht in einem meterdicken Schutzanzug durch die Gegend rennt.“ „Ach, ja? Wer denn zum Beispiel?“ Kankurou schaute sie todernst an. Was das betraf, hatte er wirklich einen totalen Sockenschuss. „Du hast mich vorhin beim Reingehen angerempelt.“ „Na, und? Ich bin dein Bruder.“ „Und ich finde es ekelhaft, wenn andere deshalb auf inzestuöse Gedanken kommen. Bevor du andere verprügelst, verprügle erstmal dich selbst!“ Er setzte sich wieder hin, verschränkte die Arme vor der Brust und zog einen Schmollmund. Ein göttlicher Anblick. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)