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Nachtgestalten

Von Monstern und Sagen
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Tatzelwurm
Legt ein Hahn ein schwarzes Ei in einen See, wo es durch die Wärme der Sonne allein ausgebrütet wird, so schlüpft aus diesem Ei ein Tatzelwurm hervor. Dieser Wyrm wird 50 bis 200 Zentimeter lang und kann enorme Hitze erzeugen. Einige Exemplare wird auch die Fähigkeit Feuer zu spucken nachgesagt. Der Tatzelwurm liebt bergige, aber auch sandige Gegenden. Liebend gern kriecht das Geschöpf durch den Sand, der sich auf Berührung mit seinen glühend heißen Schuppen in kristallines Glas verwandelt. Erzählungen zufolge sind nicht alle Tatzelwürmer aggressiv, doch jeder Wanderer, der in den Bergen ein Exemplar antrifft, sei geraten, sich vorsichtig zurück zu ziehen, sonst könnte er als verkohlte Leiche oder das Mittagessen des Biestes enden. Komplett anzeigen

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Das Monster aus der Felsspalte

Niemals würde Stefan jenen Tag vergessen, an dem er das Biest der Berge mit eigenen Augen erblickte.

Bis zu jenem Tag, hatte er von dem Wesen gehört, doch hatte nie daran geglaubt, dass es wirklich existierte, selbst wenn er natürlich Geschichten gehört hatte. Wahrscheinlich aber ging es jedem, der ein solches Wesen sah, ähnlich.

Es war ein schöner Herbsttag gewesen und die das Laub der Bäume hatte sich bereits gelb, rot und orange verfärbt, während die Sonne noch einmal letzte wärmende Strahlen auf das kleine Dorf in den Alpen hinabsandte. Und da es ein Sonntag war und Stefan nichts vorhatte, hatte er beschlossen in den Bergen wandern zu gehen, um das gute Wetter zu genießen.

Freilich war er nicht der einzige gewesen, der diese Idee gehabt hatte, und während er die Berge hinaufstieg hatte er das ein oder andere vertraute Gesicht, aber auch viele fremde gesehen.

Dann jedoch hatte er eine Route eingeschlagen, die wenig bewandert war und auf der er ein wenig Zeit für sich hatte. Zuerst wuchsen auf beiden Seiten des Weges noch Bäume empor, deren Laub im Licht der Sonne regelrecht zu strahlen schien, doch bald ließ er auch die Bäume hinter sich und kam in eine tristere Gegend, wo jedoch noch immer störrisches Gras wuchs.

Hier irgendwo, auf einer dieser Bergwiesen und nahe einer Quelle, setzte er sich schließlich auf einen Fels und genoss die Stullen, die er sich mitgenommen hatte, während er einige Vögel beobachtete, die in großen Gruppen über den Himmel flogen – vielleicht schon auf den Weg gen Süden.

Und da es Sonntag war und er keinerlei Verpflichtung hatte irgendwo zu sein, legte er sich auf die Wiese, um weiter in den blauen Himmel zu schauen.

Hätte er dies nicht getan, so hätte er, wie die meisten Menschen, wohl ein Leben verbracht, ohne einmal einen Wyrm zu sehen, doch das Wetter verführte ihn und so döste er schon bald auf der noch grünen Wiese ein.

Als Stefan aus seinem Nachmittagsschlaf erwachte, war die Sonne bereits gesunken, und ihm wurde klar, dass er sich beeilen musste, wollte er noch vor Einbruch der Dunkelheit ins Dorf zurückkehren.

Doch gerade, als er sich aufrichtete und das Gras von seiner Kleidung abklopfte, sah er in einiger Entfernung – etwas weiter den Berg hinauf – ein Feuer.

Sein erster Gedanke war, dass es wohl ein paar Auswärtige waren, die nicht nur die Gefahr eines offenen Feuers, sondern auch die Gefahr der Berge bei Nacht unterschätzten, so dass er sich gepackt von einer Mischung aus Neugierde und Empörung daran machte, weiter empor zu steigen.

Während er aber versuchte, die Stelle zu erreichen, an der er das Feuer gesehen hatte, erlosch dieses auf einmal. Nicht nur das! Bald erkannte er auch, dass das kleine Plateau, auf dem die Flammen gelodert hatten, nicht ohne einige Kletterei zu erreichen war, da keine Wege mehr hinauf führten und die Steigung schnell zunahm, was es ihm doch unwahrscheinlich erscheinen ließ, dass sich Auswärtige hierher vorgewagt hatten.

Stefan hätte nicht sagen können, weshalb er seinen Weg dennoch fortsetzte. Am Wahrscheinlichsten war, dass die Neugierde mittlerweile Überhand gewonnen hatte und ihn nun voran trieb.

So erreichte er das Plateau schließlich – mittlerweile reichlich außer Atem – und fand keine Spur von Menschen vor. Das einzige, das er sehen konnte, waren Spuren von Feuer: Verkohlte Streifen auf dem Fels.

Nun runzelte Stefan die Stirn. Das machte alles keinen Sinn. Feuer entstand nicht einfach aus dem Nichts. Der Berg war kein Vulkan und auch von Blitzen hatte er nichts bemerkt, zumal es nichts gab, das von diesen hätte in Brand gesteckt werden können.

Er sah sich um, bemüht dieses Rätsel zu lösen...

Und dann sah er etwas, das seltsamer war, als die Spuren des Feuers selbst: Stellen, an den der Fels so aussah, als sei er geschmolzen worden.

War der Berg vielleicht doch ein Vulkan?

Nein, nein, das konnte nicht sein. Sein ganzes Leben lang lebte er bereits hier und sicherlich hätte er bemerkt, wenn der Berg, an dessen Fuß seine Heimat lag, ein Vulkan wäre.

Ja, und während er Gedankenverloren mit der Hand über den noch immer warmen Fels strich und sich umsah, bemerkte er, dass es eine regelrechte Spur geschmolzenen Felsens gab, die weiter den Berg hinaufführte und in einer breiten Felsspalte endete.

Was hatte dies zu bedeuten?

Nun war Stefan entschlossen der Sache nachzugehen. Auch wenn es ihm in Nachhinein unvernünftig vorkommen würde, machte er sich nun daran zu jener Felsspalte empor zu klettern. Sie war breit genug, als das er sich hindurch zwängen konnte, doch gerade als er ansetzte, genau das zu tun, hörte er etwas, das ihm die Haare zu Berge stehen ließ.

Ein tiefes Knurren erklang aus der Dunkelheit der Höhle, die sich hinter dem Spalt erstreckte.

Erst vermutete er einen Bären, doch dann sah er plötzlich ein feuriges Glühen in der Finsternis, das ein Paar funkelnder Augen erhellte.

Vollkommen instinktiv wich er zurück, ganz vergessend, dass er zur Spalte hinauf geklettert war. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte auf das Plateau hinab.

Zum Glück schaffte er es irgendwie, sich auf dem Hang abzurollen, so dass ihm zwar die Knochen schmerzten, es jedoch nicht schien, als hätte er sich etwas gebrochen. Ja, als er im nächsten Moment einen Feuerstoß aus der Felsspalte hervorschnellen sah, wurde ihm klar, dass sein Sturz ihm vermutlich sogar sein Leben gerettet hatte.

Noch immer konnte er nicht begreifen, was dies für ein Wesen war, doch plötzlich war er sich nicht mehr so sicher, ob er es herausfinden wollte. Er bemerkte kaum den Schmerz, während er so schnell es ihm möglich war, zur Wiese hinabkletterte.

Erst, als er diese erreicht hatte, sah er sich wieder um und erkannte eine seltsame, längliche Gestalt, die sich auf das Plateau hinabschlängelte. Es schien die Gestalt einer Schlange zu haben, nur war es weit größer und – auch wenn er es auf die Entfernung nicht genau erkennen konnte – schien es ihm, als würden zwei Beine unter dem Körper stehen.

Die Haut des Wesens glühte rötlich und Stefan konnte nicht sicher sein, ob sie von sich aus glühten oder nur das Licht der untergehenden Sonne reflektierten. Er wollte es gar nicht wissen.

Er meinte ein bedrohliches Fauchen zu hören und lief los.

So schnell es ihm möglich war, wandte er sich ab und rannte davon, sich in dem Moment nur einer Sache bewusst: Dies würde ihm kaum jemand glauben!

Das dieses Wesen, das er in jener Felsspalte gesehen hatte, ein Tatzelwurm war. Ein Bergdrache wie jener, von dem ihm einst sein Großvater erzählt hatte.

Es dauerte lange, bis er je mit jemanden über das Erlebte redete, doch von jenem Tag an verging kein einziger Tag, an dem er nicht an jenes Wesen dachte und sich fragte, ob es noch immer in jener Felsspalte auf jenem Berg lebte...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ryodita
2014-10-05T12:40:55+00:00 05.10.2014 14:40
Ich finde es schön, dass sein Erlebnis nur so "kurz" ist. Das wirkt so realistisch :D Sehr gut!


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