Excuse von Swanlady (Captain Wolf | Storybrooke-AU) ================================================================================ Kapitel 1: Excuse ----------------- Gähnende Leere. Das war es, was in letzter Zeit in Granny’s Diner herrschte. Die Stammkunden ließen sich zwar hin und wieder blicken, aber die meisten Tische blieben, sogar in den Abendstunden, unbesetzt. Es war also nicht verwunderlich, dass Grannys Laune im Keller war und sie mit einem Gesichtsausdruck herumlief, als würde sie jemanden am liebsten mit einer Armbrust umbringen. Ruby hingegen fühlte sich eher gelangweilt – wenn Granny nicht gerade mit ihr schimpfte, weil sie nichts tat. Aber was sollte sie schon groß tun, wenn die Kundschaft ausblieb? Ob diese nämlich kam oder ging, hing nicht von ihr ab, auch wenn Ruby besonders bei vielen männlichen Gästen beliebt war. „Ruby“, sprach Granny sie grimmig an, ungefähr zum zehnten Mal mit dem feuchten Lappen über eine Tischplatte wischend, die heute noch gar nicht benutzt worden war. „Du hast einmal behauptet, dass es deine Spezialität ist, Dinge zu finden.“ Granny wirkte wie eine Frau, die eine Mission zu erfüllen hatte, weshalb Ruby aufmerksam – wenn auch verwundert – zuhörte. „Finde also heraus, wieso es in letzter Zeit so leer hier ist.“ Verdutzt starrte Ruby Granny an und erhob sich von ihrem Stuhl. Den roten Nagellack, mit dem sie sich die Fingernägel lackiert hatte, legte sie beiseite. „Wie soll ich das anstellen?“, fragte sie Granny überrumpelt. „Überleg dir was“, war Grannys knappe Antwort, ehe sie sich abwandte und zurück hinter den Tresen marschierte. Ruby ließ sie mit dieser sonderbaren Aufgabe allein. Im Grunde hatte diese aber nichts gegen ein bisschen Ablenkung und Abwechslung. Ein Spaziergang durch die Stadt, um nach der verschwundenen Kundschaft zu suchen, war immer noch besser, als Grannys mörderischen Blicken und der Langeweile ausgesetzt zu sein. Deshalb zögerte Ruby gar nicht lange, sondern schnappte sich ihren roten Pullover, um sich vor der abendlichen Frische zu schützen und verließ das Diner. Die Hauptstraße entlang schreitend, überlegte sie, wo sie mit der Suche beginnen sollte. Sie lief einigen vereinzelten Stadtbewohnern über den Weg, die sie auch fragte, ob es irgendwo eine Veranstaltung gab, von der sie nichts wusste, aber es konnte ihr niemand weiterhelfen. Gerade, als sie das Ende der Straße erreichte und aufgeben wollte, entdeckte sie ein Plakat, das – neben den vielen anderen, die an der heruntergekommenen Litfaßsäule hingen – ziemlich neu aussah. Skull & Crossbones ERÖFFNUNG!!! Die erste Woche über kostet jedes Getränk nur die Hälfte. Danach auch weiterhin niedrige Preise! Rubys Mund klappte auf. Das war es! Es bestand gar kein Zweifel daran, dass diese neue Bar Granny’s Diner die Kundschaft klaute. Ihre Augen verengten sich und sie schnaubte empört. Weiter unten auf dem Plakat stand die Adresse der neuen Bar. Ruby merkte sie sich und machte sich schnurstracks auf den Weg. Das Skull & Crossbones erinnerte in keinster Weise an das Diner. Die Einrichtung war dunkel, das Licht gedämpft und im Augenblick war das Lokal rappelvoll. Ruby erkannte viele, die normalerweise im Diner aßen. Sie saßen an den Tischen, auf denen Teelichter standen. In einer Ecke entdeckte sie auch Talia und Ming-Na, die sich unterhielten und an der Bar saß Leroy, mit einem halb vollen Bierkrug vor der Nase. Im ersten Moment vergaß Ruby, weshalb sie hier war. Fasziniert betrachtete sie das ausgelassene Treiben, ließ sich von der lockeren Atmosphäre anstecken und verspürte selbst die Lust, sich an die Bar zu setzen und den Feierabend zu genießen. Als Rubys Blick jedoch auf den Mann hinter dem Tresen fiel, erinnerte sie sich an ihre eigentliche Aufgabe. Entschlossen marschierte sie zur Bar hinüber und setzte sich auf einen bequemen Barhocker, zunächst nur die unschuldige Kundin mimend. Bei dem Mann, der die Aufgabe des Kellners übernahm, musste es sich wohl um den Besitzer handeln, da Ruby kein anderes Personal entdeckte. Er hatte alle Hände voll zu tun, nahm sich aber die Zeit, um mit jedem ein paar Worte zu wechseln. Als er schließlich die wartende Ruby entdeckte, kam er ihr lächelnd entgegen. „Was kann ich für dich tun?“, fragte der Barkeeper locker. Da er ungefähr in Rubys Alter zu sein schien, vielleicht ein paar Jahre älter, verzichtete er auf das formale Siezen und schenkte ihr ein charmantes Lächeln. Im ersten Moment vergaß Ruby, dass sie aufgebracht sein sollte. Die Freundlichkeit, mit der er seine Kunden behandelte, war absolut entwaffnend. Es war wohl falsch gewesen anzunehmen, dass jemand, der Granny’s Diner die Kunden entriss, auch eine äußerst unfreundliche und heimtückische Person sein würde. Allerdings sah es Ruby als ihre Pflicht an, diesen ersten Eindruck zu überprüfen. „Du könntest mir sagen, wieso du meine Kundschaft stiehlst“, sagte sie unverblümt und durfte dabei zusehen, wie das Lächeln aus seinem attraktiven Gesicht verschwand. Überrascht blinzelte er sie an, schien für einen Moment sprachlos zu sein. Es breitete Ruby Genugtuung mit anzusehen, wie er stumm die Lippen bewegte, aber kein Wort herausbrachte. Als er sich schließlich fasste, kehrte auch sein Lächeln zurück. „Wie kommst du auf die Idee, dass ich dir die Kundschaft stehle?“, fragte er in demselben, lockeren Tonfall wie noch Sekunden zuvor. „Weil…“, setzte Ruby sofort an und holte tief Luft. „Weil wir seit der Eröffnung dieser Bar kaum welche mehr haben.“ Der Barkeeper runzelte die Stirn und schien zu überlegen. „Ah, du musst dann wohl die Inhaberin von Granny’s Diner sein. Nun, ich muss schon sagen, für dein Alter siehst du richtig gut aus, Granny…“ Ein selbstbewusstes Grinsen erschien auf seinen Lippen, als er ihr auf Kosten von Granny ein Kompliment machte. Und das Schlimmste daran war, dass es Ruby unwillkürlich ein Lachen entlockte. „Das Diner gehört meiner Großmutter, nicht mir. Aber ich werde es irgendwann übernehmen.“ Die letzten Worte sagte Ruby nicht ohne Stolz. „Dies ist auch der Grund, weshalb ich wissen möchte, warum du uns die Kundschaft stiehlst.“ Sie wollte nicht lockerlassen und bohrte ihren Blick regelrecht in ihn hinein. Sie versuchte sich von den dunklen Haaren, den geschwungenen Wimpern und den stechenden Augen nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. „Wie heißt du?“, fragte er urplötzlich, ohne auf ihre Worte einzugehen. „Ruby“, antwortete sie perplex, was ihn wieder lächeln ließ. „Nett dich kennenzulernen, Ruby. Mein Name ist Jas Davies und wie du bereits richtig erraten hast, bin ich der Besitzer des Skull & Crossbones“, stellte er sich vor und stützte die Arme auf das Lade ab, um sich ein wenig vorzubeugen. „Ich verstehe, dass wir Konkurrenten sind, aber ich bin nicht der Meinung, dass ich euch die Kunden stehle. Ich habe wohl einfach die besseren Preise.“ Er zuckte nonchalant mit den Schultern, was Ruby dazu veranlasste grimmig dreinzublicken, aber sie konnte gar nicht anders, als weiterhin an seinen Lippen zu hängen. „Hör zu…“, fuhr er fort, der Tonfall etwas beschwichtigender. Er ließ seinen Blick nachdenklich über die Tische schweifen. „Ich lade dich auf einen Drink ein und wenn er dir nicht schmeckt, dann werde ich nicht weiter versuchen, dich von deiner Überzeugung abzubringen. Deal?“ Er zwinkerte Ruby zu, die wieder von seiner Frechheit überrumpelt zu sein schien. Mehr noch – sie konnte sich mit seiner direkten, aber nicht zwingend wirklich unhöflichen Art identifizieren. Sie nahm grundsätzlich auch nie ein Blatt vor den Mund. Eigentlich sprach solch eine Abmachung gegen Rubys eigentliches Vorhaben, aber aus irgendeinem Grund schien auch sie dem Charme Jas‘ zu erliegen. „Fein, von mir aus“, stimmte sie zu und hoffte, dass sie möglichst gleichgültig klang. Erfreut machte sich Jas sofort an die Arbeit. Neugierig beobachtete Ruby ihn dabei, wie er nach den verschiedensten Flaschen griff, um geübt die entsprechende Menge in ein großes Glas zu schütten. „Ich habe mir erlaubt, einen süßen Drink zu mischen“, teilte er ihr mit. „Lag ich richtig in der Annahme, dass du süße Getränke magst?“ Abschätzend und mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen, legte Jas den Kopf schief. „Du bist also auch noch ein Hellseher, was?“, lachte Ruby. „Hm, nein, ich denke eher, dass ich ein Gespür habe.“ „Wofür? Für Frauen?“ „Für Kunden.“ Ruby biss sich auf die Unterlippe. Ihr vorlautes Mundwerk hatte sie mal wieder in eine peinliche Situation manövriert. Sie war davon ausgegangen, dass Jas mit ihr flirtete, aber es sah danach aus, als wäre er wirklich nur daran interessiert, sie von seinem Drink zu überzeugen. Als Jas ihr das Glas vor die Nase stellte, griff Ruby schweigend danach und nahm einen vorsichtigen Schluck. Sie konnte spüren, dass sein Blick abwartend auf ihr lag. „Und?“, fragte er schließlich. „Er ist… in Ordnung“, erwiderte Ruby zögernd, ihm kein allzu großes Lob aussprechen wollend, dabei war sein Drink eindeutig mehr als nur in Ordnung. Der süßliche Geschmack breitete sich genussvoll auf ihrer Zunge aus, der Alkohol brannte nicht im Hals, sondern verlieh dem Getränk nur das gewisse Etwas, das es haben sollte. Jas schien zu merken, dass Ruby untertrieb und grinste sie schon wieder selbstsicher an. „Komm schon“, forderte er schmunzelnd. „Fein. Er ist gut. Zufrieden?“, seufzte Ruby und stellte das Glas zurück auf den Tresen. „Nicht ganz, aber ich sehe ein, wieso du nicht mehr sagen willst“, sagte er verständnisvoll. „Genieß deinen Drink, Ruby. Ich bin gleich wieder da.“ Jemand am Tisch in der linken Ecke hatte die Hand gehoben, um Jas auf sich aufmerksam zu machen. Dieser ließ Ruby allein und machte sich auf den Weg, um den Kunden zu bedienen. Ruby folgte ihm mit dem Blick und kam sich auf einmal schrecklich naiv vor. War sie nicht eigentlich hergekommen, um der Konkurrenz ordentlich die Leviten zu lesen? Und nun hatte sie sich von den hübschen Worten und einnehmenden Augen einlullen lassen. Viele Möglichkeiten, um ihren Standpunkt noch einmal klarzumachen, hatte Ruby nicht mehr. Es gab allerdings noch eine allerletzte Option, die ihr geblieben war: Sie konnte aufstehen und gehen. Ruby zögerte, denn wirklich nett war das nicht, aber sie war auch nicht aus privaten Gründen hier, sondern hatte ein Ziel – sie wollte das Diner verteidigen. Entschlossen rutschte sie vom Barhocker, warf Jas einen letzten Blick zu – er sah sie nicht, da er mit dem Rücken zu ihr stand – und schritt auf den Ausgang zu. Das fast volle Glas ließ sie auf dem Tresen zurück. Granny war nicht zufrieden mit dem, was Ruby ihr erzählte. Natürlich ließ diese geflissentlich aus, dass sie von einem Drink gekostet hatte und sich im Skull & Crossbones sogar wohlgefühlt hatte und berichtete lediglich davon, wie es dort aussah und wie viele Storybrookebewohner an der neuen Bar Gefallen gefunden hatten. „Vielleicht sollten wir auch über Preissenkungen nachdenken oder uns eine besondere Aktion überlegen?“, schlug Ruby vor, als sie gemeinsam mit Granny das Diner verließ, um sich auf nach Hause zu machen. Die ältere Frau schaltete das Licht aus und schloss die Tür sorgfältig hinter sich, ehe sie verstimmt brummte. „Nein. Unsere Preise waren immer in Ordnung und das sind sie auch heute noch“, erwiderte Granny stur und Ruby verzog das Gesicht, verkniff sich aber einen Kommentar. Sie hatte oft gehört, dass die Leute sich über die Preise beklagten, aber keine Alternative hatten. Nun, zumindest bis vor kurzem… „Aber Granny…“, setzte Ruby erneut an, wurde von ihrer Großmutter aber unterbrochen. „Du hörst dich fast so an, als würdest du wollen, dass wir mit diesem Barbesitzer Frieden schließen“, warf Granny ihr scharf vor und Ruby öffnete verdutzt den Mund. „Frieden schließen? Ich wusste nicht, dass zwischen uns Krieg herrscht…“ Ruby seufzte, als Granny damit begann, ihr zu erklären, wieso dies in der Tat ein Krieg war. Ihr blieb also nur noch übrig, sich zu fragen, wieso sie mitten ins Schussfeuer geraten war. Die nächsten Tage über änderte sich rein gar nichts an ihrer Situation. Noch immer blieben die Kunden aus, noch immer war Grannys Laune im Keller. Ruby versuchte ihr größtenteils aus dem Weg zu gehen – was wirklich schwierig war, wenn sie die einzigen Personen im Diner waren – und keinerlei Schuldgefühle zuzulassen. Granny sah sie nämlich aus den Augenwinkeln so an, als würde sie von Ruby erwarten, dieses Desaster wieder in Ordnung zu bringen, obwohl diese überhaupt nicht dafür verantwortlich war. Anscheinend reichte es in den Augen ihrer Großmutter aus, dass sie mit der Konkurrenz Bekanntschaft geschlossen hatte. Nicht einmal das stimmte wirklich. Ruby verschwendete zwar des Öfteren ein paar Gedanken an ihn, aber sie hatte ihn nach dem Abend im Skull & Crossbones nicht mehr gesehen. Das änderte sich aber eines späten Nachmittags, als er plötzlich im Diner erschien. Ruby war gerade damit beschäftigt, die Gläser zum gefühlten fünften Mal zu polieren, als die Tür aufging und ihr Blick hoffnungsvoll zur Tür wanderte. Ihr Gesichtsausdruck verwandelte sich jedoch ganz schnell in einen überraschten, als sie die Gestalt erkannte, die sich selbstbewusst durch die Tür schob und sich ungeniert umsah. Beinahe hätte Ruby Jas‘ Namen gerufen, aber sie biss sich gerade noch rechtzeitig auf die Zunge und warf einen Blick über die Schulter, doch Granny schien immer noch im Lager beschäftigt zu sein. Man hörte schon seit gut fünfzehn Minuten, wie die Kisten verschoben und alle möglichen Dinge umgeräumt wurden. „Was machst du hier?“, zischte Ruby in Jas‘ Richtung und ärgerte sich darüber, dass ihr panisches Verhalten ihn zu amüsieren schien, denn er näherte sich mit einem belustigten Grinsen dem Tresen. „Ich besuche das Diner“, erklärte er ruhig und schob sich auf einen der rot gepolsterten Hocker. „Das ist kein Verbrechen, oder?“ Darauf hatte Ruby keine Antwort. Er verstand aber auch überhaupt gar nichts! „Außerdem wollte ich dich fragen, wieso du letztes Mal einfach verschwunden bist“, fuhr er fort und Ruby presste peinlich berührt die Lippen aufeinander. „Nun, ich kann es mir denken“, sprach Jas weiter und ließ seinen Blick abermals über die Einrichtung des Diners wandern. Wenn sich Ruby nicht irrte, dann fiel seine Bewertung vollkommen neutral aus. Er schien nicht begeistert, aber es lag auch nichts Abwertendes in seinem Blick. „Aber ich brauchte trotzdem einen Vorwand, um herzukommen, oder?“ Das verschmitzte Lächeln galt wieder Ruby, die die Arme vor der Brust verschränkte und zweifelnd eine Augenbraue hochzog. „Aus irgendeinem Grund fällt es mir schwer zu glauben, dass du für etwas einen Vorwand brauchst“, konterte sie spitz und brachte Jas damit zum Grinsen. „Stimmt“, gab er unverschämt zu und lehnte sich nach vorne. „Aber ich dachte mir, dass du einen brauchen könntest.“ Er zwinkerte Ruby zu und sie wusste mal wieder nicht, ob sie das frech oder charmant fand. „Oder habe ich mich da geirrt und du brauchst ebenfalls keinen?“, hakte Jas nach und klang dabei merkwürdig hoffnungsvoll. Ruby starrte ihn an und fragte sich, ob er sie gerade wirklich das fragte, was sie dachte. Oder bildete sie sich das nur ein? Bevor sie sich vergewissern konnte, ertönten urplötzlich Schritte hinter ihnen und Ruby wirbelte herum. „Granny!“, rief sie, bevor ihre Großmutter etwas sagen konnte. Ruby musste die heikle Situation entschärfen, bevor sie überhaupt entstand. „Schau mal, wir haben einen Kunden.“ Grannys bisher grimmige Gesichtszüge glätteten sich sofort. „Willkommen in Granny’s Diner“, begrüßte sie Jas und eilte hinter den Tresen, um sich neben Ruby zu stellen. „Ich habe Sie noch nie hier gesehen. Sind Sie neu in der Stadt?“ Etwas überrumpelt blickte Jas von Ruby zu Granny und wieder zurück. Ruby versuchte ihm währenddessen mit hektischen Handzeichen zu verstehen zu geben, dass er ja aufpassen sollte, was er sagte. „Ähm… nein, ich bin nicht neu… Diner waren bisher nur nie mein Ding, wissen Sie…?“ Resigniert verzog Ruby das Gesicht. Er war ein absolut schlechter Lügner und wenn sie die Sache nicht selbst in die Hand nahm, dann würde er sich noch verplappern. An Grannys Stirnrunzeln merkte man bereits, dass sie mit seiner Antwort nicht zufrieden war. „Granny, das ist J… Roger!“, stellte Ruby ihn spontan vor, da sie nicht mehr wusste, ob sie jemals den Namen des Barkeepers, der ihnen das Geschäft ruinierte hatte fallen lassen. Sich einen auszudenken war also sicherer. Einen Moment lang sah Jas so aus, als würde er am liebsten in schallendes Gelächter ausbrechen, aber er beherrschte sich gerade noch so, wofür Ruby ihm wirklich dankbar war. „Du kennst ihn?“, fragte Granny und wandte sich nun ihrer Enkelin zu. „Oh, ja, klar… er arbeitet bei Billy in der Werkstatt.“ „Ich dachte, Billy arbeitet allein?“ Oh-oh. „Ich repariere Schiffe“, mischte sich Jas ein, mit einem Lächeln auf den Lippen, das immer noch verdächtig amüsiert wirkte. Ruby warf ihm einen warnenden Blick zu. „Billy und ich wollen uns zusammentun.“ Jas zuckte mit den Schultern. Seine Antwort schien Granny endlich zufriedenzustellen. „Ich werde ihn bedienen, Granny. Später helfe ich dir bei den Kisten, ja?“ Ruby hoffte inständig, dass sie es mit der Versöhnlichkeit nicht übertrieb und Granny nicht merkte, dass etwas im Busch war. „Von mir aus“, seufzte Granny augenrollend und aus dem Blick, den sie Jas zuwarf, konnte man schließen, dass sie die Situation völlig missverstand. „Mechaniker haben es dir wohl angetan, was?“, brummte sie Ruby zum Abschied zu, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten und verschwand erneut im hinteren Teil des Diners. Als Granny verschwunden war, vernahm Ruby einen gedämpften Laut und warf Jas, der hinter vorgehaltener Hand lachte, einen Seitenblick zu. Sie war zu erleichtert, um ihm vor Augen zu führen, wie knapp das gewesen war. „Was… was sollte das denn? Roger? Wirklich?“, gluckste er und seine Augen funkelten so stark, dass Rubys Blick regelrecht daran klebenblieb. Seine Laune war ansteckend, weshalb sie sich das Grinsen auch nicht wirklich verkneifen konnte. „Mir ist nichts besseres eingefallen“, nuschelte sie kopfschüttelnd. „Sollte Granny herausfinden, wer du wirklich bist, wird sie dich köpfen.“ Jas’ Lachen erstarb erst, als er merkte, wie ernst Ruby diese Worte meinte. „Du hast mich also gerettet?“, wollte er sich vergewissern und aus irgendeinem Grund störte es Ruby, dass er dabei nicht auf die übliche Weise grinste, sondern genauso ernst wurde wie sie. „Hmm… das kann man sagen, ja“, erwiderte sie und spitzte die roten Lippen. „Dann muss ich mich wohl irgendwie bei dir bedanken, Ruby“, meinte Jas und sah sie eine ganze Weile lang nachdenklich an. Ruby wurde oft von Männern angestarrt, aber selten kribbelten die Blicke so sehr auf ihrer Haut wie jetzt. „Verrätst du mir, wieso du das getan hast? Ich bin davon ausgegangen, dass dir mein Drink nicht geschmeckt hat. Und dass du meiner Bar den Bankrott wünschst.“ Ruby schluckte, denn sie wusste selbst nicht so recht, wieso sie das getan hatte. Vielleicht hatte sie einfach eingesehen, dass es keinen Sinn machte, sich gegenseitig zu bekriegen, aber vielleicht lag es auch einfach nur an Jas. „Dann hast du falsch gedacht“, murmelte sie und beließ es dabei. „Kann ich dir etwas bringen?“ Jas sah nicht so aus, als würde ihm diese knappe Erwiderung zufriedenstellen, aber um Ruby einen Gefallen zu tun, schielte er hoch zum Menü, das an der Wand hing. „Einen Hamburger“, bestellte er. „Ich habe viel Gutes über sie gehört.“ Lächelnd nahm Ruby dieses Lob hin und machte sich an die Arbeit. Sie unterhielten sich über belanglose Dinge, während Ruby das Essen vorbereitete und knappe zwanzig Minuten später schob sie Jas den Teller vor die Nase. Im gesamten Lokal roch es nach Fastfood und Öl, aber Ruby hatte sich an diesen Geruch gewöhnt und Jas schien er sogar zu gefallen, denn er atmete ein paar Mal tief durch. Wundern tat es Ruby nicht – er hatte womöglich genug vom Alkoholgeruch. „Ich habe nachgedacht“, sagte Jas, während er den Burger musterte, als würde er nicht wissen, wo er zuerst hineinbeißen sollte. „Und ich habe mich dazu entschlossen, meine Preise etwas anzuheben, um sie euren anzupassen. Dann sind wir keine Konkurrenten mehr.“ Während Ruby mit der Fassungslosigkeit kämpfte, biss Jas in aller Ruhe in den Hamburger und gab einen Laut von sich, der von tiefster Zufriedenheit zeugte. Ruby konnte sich aber gerade nicht darüber freuen, dass es ihm schmeckte, sie war viel zu baff. „Wieso solltest du das tun?“, fragte sie. „Vermutlich aus demselben Grund, aus dem du mir eben geholfen hast“, antwortet Jas schulterzuckend. „Aber ich habe eine Bitte.“ Ruby horchte auf und sah ihn abwartend an, stumm darauf wartend, dass er seine Bitte nannte. „Geh mit mir aus.“ Rubys Augen weiteten sich, als er dies so direkt formulierte und dabei nicht einmal den Blickkontakt unterbrach. Kannte sein Selbstbewusstsein eigentlich eine Grenze? Ein Gefühl, das Ruby nur allzu gut kannte, nistete sich in ihrer Magengegend ein. Es war Aufregung und die Lust, sich in ein vollkommen neues Abenteuer zu stürzen. „Du wirst also die Preise anheben, wenn ich mit dir ausgehe, habe ich das richtig verstanden?“, wiederholte sie, um auf Nummer sicher zu gehen und schmunzelte ungehalten. „Vollkommen richtig“, bestätigte Jas. „Okay.“ „Okay… was? Okay – du gehst mit mir aus?“ Ruby nickte und war Zeuge dessen, wie sich ein ehrliches Strahlen auf Jas‘ Gesicht ausbreitete. „Und ich dachte, dass du keinen Vorwand brauchst“, stichelte Ruby. „Tu ich auch nicht“, beharrte Jas auf seinen vorherigen Worten. „Auch dieses Mal brauchst du ihn.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)