Action, please! von Sunrisepainter ================================================================================ Kapitel 2: Episode II --------------------- Episode II Ich sagte erst einmal gar nichts. Ich war einfach zu verblüfft um ihr zu antworten. Nach geschlagenen fünf Minuten, Clarissa waren bereits noch tausend andere Dinge eingefallen, konnte ich endlich undeutliches Laute von mir geben. „Ka...kar...sss.“ „Wie bitte?“, Clarissa lächelte mich immer noch freundlich an, obwohl sie mich wohl jetzt für die größte Vollidiotin dieses Planeten hielt. „Zusammen mit Cathy Hills?“, würgte ich schließlich hervor. „Cathy Hills?“, Clarissa schien erst nicht zu verstehen, was ich wollte, doch dann fiel bei ihr der Groschen, „ach so, natürlich würdest du mit Cathy zusammen wohnen. Soweit ich weiß müsstest du dir sogar ein Badezimmer mit ihr teilen. Ist das ein Problem für dich?“ „Natürlich nicht“, aufgeregt zappelte ich auf meinem Stuhl hin und her, „das ist sogar großartig. Ich wollte so eine Schauspielerin schon immer kennen lernen. Und jetzt darf ich sogar mit ihr zusammen wohnen“, schwärmte ich. Die Drehbuchautorin lachte: „Das habe ich mir gedacht. Wie ich gehört habe, ist Cathy auch erleichtert nicht alleine mit den Jungs wohnen zu müssen.“ „Was ist eigentlich mit der anderen Hauptdarstellerin? Zieht die nicht mit ein?“, fiel mir da noch ein. „Zoey Asher lebt bereits in New York, deswegen hat sie das Angebot ausgeschlagen. Stattdessen hast du ihr Zimmer letztendlich bekommen.“ „Ansonsten hätten sie mich wahrscheinlich gar nicht dazu gelassen“, überlegte ich in Gedanken, aber ich war darüber nicht im Geringsten betrübt. Ich freute mich, dass ich so eine seltene Chance bekam. Ich hatte schließlich die Gelegenheit bekannte Schauspieler privat kennen zu lernen. Wer würde das nicht mal? Cathy und Junno waren ja immerhin auch netter gewesen als ich sie mir vorgestellte hatte. Vielleicht würde ihr Kollege ja ebenfalls sympathischer sein als manche Stars in den Medien wirken. „Wenn du ansonsten keine Fragen mehr hast, dann müsstest du dich nochmal ein paar Leuten vorstellen und könntest dann eigentlich deine Sachen aus dem Hotel holen und in die Wohnung einziehen“, holte mich Clarissa in die Realität zurück. Ich brauchte einen Momente bis ich kapierte, was sie von mir wollte. „Klar, wie komme ich dort hin?“ „Hier ist die Adresse“, sie holten einen kleinen Zettel aus ihrer Schreibtischschublade, „gebe sie einfach einem Taxifahrer und er bringt dich dort hin. Die Kosten übernimmt natürlich der Sender. Lass dir von Mr. Goad das nötige Geld geben, okay? Oder reicht ein Taxi nicht aus um deine Koffer zu transportieren?“ „Nein, nein, das ist kein Problem“, sagte ich schnell und musste an mein Gepäck denken, dass im Gegensatz zu dem von anderen Touristen am Flughafen ziemlich spärlich gewirkt hatte. „Was ist mit meinen Mitbewohnern?“, wollte ich noch wissen. „Ich kann es dir nicht genau sagen“, sie zuckte mit den Schultern, „ich schätze mal, dass sie erst heute Abend nach Hause gebracht werden.“ Und weil sie fand, dass sie mir genug Informationen geliefert hatte, wandte sie sich wieder ihrem Script zu. Ich wartete noch einen kurzen Moment bis ich mir sicher war, dass sie geistig wieder abwesend war und ging dann, so wie sie es mir aufgetragen hatte, zu Mr. Goad um ihm einige Dollar aus der Rippe zu leiern. Dann nahm ich mir ein Taxi (was verdammt lange dauerte!) und fuhr zum Hotel. Es dauerte ein wenig bis ich mein Chaos in meinen Koffer und die abgewetzte Reisetasche gequetscht hatte und wider meinen Erwartungen war der Taxifahrer immer noch da. Er schien es mir noch nicht mal krumm zu nehmen und half mir sogar höflich meine Sachen im Kofferraum zu verstauen. Wahrscheinlich hoffte er auf ein großzügiges Trinkgeld nachdem er das Luxushotel gesehen hatte. Jedenfalls blickte er mich mit diesem erwartungsvollen Blick an als er vor einem riesigen Wohnkomplex in der Nähe vom Central Park ablieferte. Obwohl ich noch nicht mal mehr als 20 Dollar zahlen musste, drückte ich dem erstaunten Mann den 50er in die Hand und wuchtete dann mein Gepäck aus dem Auto und zum Eingang des Wohnhauses. Nachdem der Taxifahrer sich zurück in den Verkehr gewagt hatte, konnte ich das erste Mal meine neue Unterkunft genauer betrachten. Und mir blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Ich war noch nie gut darin gewesen Räume und Häuser zu beschreiben, aber ich versuchte mir für meine Tante eine perfekte Darstellung auszudenken: Das Gebäude war groß, modern, ein Kunstwerk aus Glas, Holz und Metall und einfach nur vollkommen New York. An der Frontseite gab es mehrere Eingänge und die Glastüren öffneten sich automatisch. Die große Empfangshalle wirkte eher wie die eines Hotels als die eines Wohnhauses. Es gab einen Portier, der hinter einem Schalter saß und die Wohnanlage auf mehreren Bildschirmen bewachte. In einer Ecke waren unzählige Briefkästen, wodurch mir erst bewusst wurde wie viele Leute hier leben mussten. Es roch nach Putzmitteln und ich traute mich kaum mit meinen dreckigen Sneaker auf den blank polierten Boden zu treten. Auf Zehenspitzen und bedrohlich schwankend, balancierte ich zu dem Mann am Schalter hinüber. Als er mich erblickte, zog er misstrauisch die Augenbrauen zusammen und rückte das Namenschild an seiner Uniform zurück. Alan R. Watts. Wahrscheinlich musste er öfters Leute wie mich aus diesem Gebäude entfernen lassen. Hier wohnte schließlich nur die Elite. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, lächelte ich ihn nur schief an und legte meinen Ausweis auf den Tresen: „Nele Janssen. Ich arbeite für die Lynx Broadcasting Company.“ Im ersten Moment schien der Mann verdutzt zu sein. Er musterte erst mich von oben bis unten und dann meinen Metallkoffer und die abgewetzte Reisetasche. Er kratzte sich nachdenklich am Kopf und tippte dann etwas an seinem Computer herum. Schließlich lächelte er freundlich: „Miss Janssen, herzlich willkommen. Sie wollen sicher Ihren Schlüssel abholen.“ Beinahe hätte ich die Augen verdreht, aber ich ermahnte mich selbst dazu höflich zu bleiben, denn Mr. Watts machte schließlich nur seinen Job. Ich nickte. „Kein Problem, hier haben sie ein Schlüssel, einen Gebäudeplan und die Zeiten für Nachtruhe. Sie müssen wissen, dass der gesamte Komplex überwacht wird und Sie sich vollkommen sicher fühlen können“, man konnte den Stolz in seiner Stimme schwer überhören. „Danke“, sagte ich etwas schleppend, „das ist ja...super.“ Danach erzählte er mir noch einige Sachen über das Viertel, doch ich hörte nicht mehr zu. Überrascht starrte ich nur auf die Etagennummer auf dem Schlüssel – 12, das oberste Stockwerk. Während der Glasfahrstuhl mit einer ungewöhnlichen Geschwindigkeit nach oben schoss, machte ich mir jede Menge Gedanken. Zum einen musste ich gegen die aufkommende Übelkeit ankämpfen, die meine Höhenangst hervorrief. Ich hatte erst die Treppe nehmen wollen, aber alleine hätte ich meinen Koffer sicher nie nach oben bekommen. Außerdem schwitzte ich schon genug, auch wenn das gesamte Gebäude klimatisiert war. Doch meine Höhenangst stand eher an zweiter Stelle. Ich hatte auf meinem Gebäudeplan gesehen, dass es im 12. Stockwerk gerade mal zwei Wohnungen gab. Na ja, Wohnungen war vielleicht nicht der richtige Ausdruck, denn es schienen eher Luxusappartements zu sein. Es gab eine großen Dachterasse, ein Poolbereich und anscheinen auch einen Sparbereich innerhalb des Appartements. Jeder andere wäre sicher jetzt in Jubelrufen ausgebrochen, aber ich nicht. Ich kannte so etwas nicht und mir machte der Luxus eher Angst. Ich betrachtete missmutig meine ausgetretenen Sneakers, zupfte an meinem ausgeleierten T – Shirt und bohrte dann mit meinem Zeigefinger in dem Loch meiner Jeans am Oberschenkel. Nein, ich würde sicher nicht da hinein passen. Auch wenn die Darsteller noch so nett waren – ich lebte einfach in einer anderen Welt als sie. Immerhin hatte ich mich schon in diesem Traumhotel fehl am Platz gefühlt. Ich überlegte gerade wieder nach unten zu fahren, zurück ins Studio und Clarissa zu bitten mich in so etwas wie einer Jugendherberge unterzubringen. Oder zumindest in einem normalen Hotel. Allerdings ging da schon lautlos die Tür des Fahrstuhls auf und ich stand in dem größten Wohn-, Küchen-, Essbereich, den ich je live gesehen hatte. Automatisch bewegten sich meine Füße in den Raum. Ich wusste gar nicht wohin ich zuerst blicken sollte. Auf die riesige offene Küche mit der Kochinsel, einem Monsterkühlschrank und den unzähligen Elektrogeräten? Zu dem gewaltigen Esstisch aus Holz? Dem gigantischen Fernseher? Dem schwarzen Flügel? Den vielen bunten Gemälden? Der kuscheligen Sofalandschaft mit den gemütlichen Sesseln? Oder sollte ich aus dem Panoramafenster blicken, von dem aus man über den gesamten Central Park und darüber hinaus blicken konnte? Ich tat das was mir am meisten nahe liegend war: Ich ließ mein Gepäck fallen, fiel auf die Knie und fing hysterisch an zu lachen und gleichzeitig zu schluchzen. Ich musste bestimmt ganze zehn Minuten da gesessen haben und im Nachhinein war ich froh, dass mich niemand so gesehen war. Es war sicherlich einer meiner peinlichsten Auftritte gewesen. Nachdem ich wieder zu mir selbst gefunden hatte, ließ ich mich seufzend in einen der Sessel fallen und schloss überwältigt die Augen. Ich war mir sicher, dass ich mich in einem Traum befand. Oder wie sollte ich mir sonst erklären, dass ich plötzlich in der Präsidentensuite gelandet war? War ich vielleicht das Opfer einer Fernsehserie bei MTV geworden? Verstohlen sah ich mich nach allen Seiten nach Kameras um. Ich stand sogar auf und checkte jeden Winkel, jedes Gemälde, jeden Blumentopf. Doch ich fand nichts. Es musste als alles echt sein. Ich seufzte erneut. Wie sollte ich solchen Luxus überstehen? Wahrscheinlich war es alles nur eine Sache der Gewohnheit. Wie sollte sich ein gewöhnlicher Mensch wie ich nur daran gewöhnen, wenn er wusste, dass es nach wenigen Wochen wieder vorbei wäre? Ich beschloss das ganze wie einen Traum zu sehen. Ganz genau, ich war in einem von diesen kitschigen Cinderella – Träumen, die ich als Kind immer geliebt hatte. Ich durfte für kurze Zeit wie eine Prinzessin leben. Irgendwann würde die Uhr zwölf schlagen und ich würde mich in das zurück verwandeln, was ich wirklich war: ein durchschnittliches Mädchen. Ohne Schloss. Ohne Geld. Ohne Prinz. Bis dahin wollte ich aber noch so viel Neues entdecken wie ich konnte. Ich ließ mein Gepäck, wo es war und sprang dafür wie ein Eichhörnchen unter Zuckereinfluss durch das Appartement. Ich leerte den gesamten Inhalt des Kühlschranks aus und probierte mich einmal quer durch die Kühlfächer. Ich kochte mir auf mindestens zwanzig verschiedene Arten einen Kaffee und war nach dem Verzerr noch aufgedrehter. Dann räumte ich alles wieder ein und hüpfte über die Sofainseln, während ich durch die Sender des Heimkinos. Ich durchlief alle Stufen des Whirlpool im Sparbereich und konnte mich gerade noch selbst davon abhalten mit Kleidung in den Pool zu bringen, der im Übrigen auf einer Dachterrasse über den Dächern New Yorks thronte. Atemlos stützte ich mich zwei Stunden später auf das Geländer der Metalltreppe, die nach oben führte. Das zweite Stockwerk war leicht versetzt, sodass man von unten einen schmalen Steg sehen konnte, von dem insgesamt sechs Türen in einer Reihe abgingen. Dadurch wirkte das Appartement am Ende doch eher wie ein Loft mit Galerie. Neugierig stieg ich die Treppe hinauf und las erst mal die Schilder den an den Türen. Das Zimmer ganz links gehörte Cathy, dann kam unser gemeinsames Bad und dann das Zimmer mit meinem Namen. Daneben (also weiter nach rechts) kamen die Zimmer der beiden Jungen, wobei auch wieder zwischen ihren Räumen ein gemeinsames Badezimmer war. Das Zimmer neben mir gehörte dem Schauspieler, den ich bisher nicht kennen gelernt hatte -. Doch in diesem Moment kümmerte ich mich nicht weiter darum. Ich war viel zu gespannt wie mein Zimmer wohl aussehen würde. Ich atmete nochmal tief durch und öffnete dann die Tür und war wieder überrascht. Nicht über den Luxus, sondern eher über die Normalität. Es war modern eingerichtet, aber nicht zu steril und übertrieben wie der Rest des Hauses. Es gab nur eine große Fensterfront, die auf einen schmalen Balkon führte, aber sie reichte aus um den Raum freundlich und hell wirken zu lassen. Die Wände waren in einem blassen und starken Lila gestrichen. Die Möbel waren größtenteils weiß mit lila Highlights. Vor dem Fenster stand ein Schreibtisch mit einem nigelnagelneuen Computer. Links davon wurde die Fensterfront horizontal durch einen kleinen Mauervorsprung halbiert. Dort stand ein Bockspringbett. Außerdem gab es ansonsten noch einen Kleiderschrank, einen bequemen Lesesessel, einen Fernseher (der es natürlich nicht mit dem im Wohnzimmer aufnehmen konnte) und Bücherschränke und Regale, die bisher noch relativ leer wirkten. Am Spiegel des kleinen Schminktisches klebte ein Zettel mit Clarissas Handschrift: Mach aus dem Zimmer, was dir gefällt. Wahrscheinlich wusste sie nicht genau, ob sie meinen Geschmack treffen würde. Sie hatte nichts falsch gemacht. Bis auf ein paar Bildern, Figuren, Postern und anderen persönlichen Gegenständen würde ich das Zimmer nicht verändern. Erschöpft ließ ich mich auf mein neues Bett fallen und schloss genießerisch die Augen. Hier würde ich mich wahrscheinlich wohler fühlen als im Rest des Hauses. Ich blickte auf den Wecker auf meinem Nachtisch und sah, dass es bereits nachmittags war. Ich überlegte noch, ob ich meine Sachen auspacken sollte, aber bevor ich aufstehen konnte, hatte mich schon der Sandmann überwältigt. „Nele?“ „Lass mich noch zehn Minuten schlafen, Vicky“, brummte ich und suchte das Bett nach meiner Lieblingsdiddl ab (die mit dem Schnuller!). Doch ich stieß mit der Hand nur gegen einen Wecker und dann auf den Schalter einer Lampe. Das Licht ging an und ich blinzelte einige Male. „Nele? Kann ich rein kommen?“ Das war sicher nicht die dunkle Stimme meiner Tante Victoria. Diese Stimme war klar und sanft wie die eines Engels. Oder die eines Filmstars. Es dauerte noch einen kleinen Moment bis ich mich orientiert hatte. Nicht Hamburg. New York City. Central Park. Luxuappartment. WG. „Ja klar, Cathy“, brachte ich schließlich mit rauer Stimme hervor. Während ich mir den Schlaf aus den Augen wischte, mich streckte und gleichzeitig gähnte, kam doch tatsächlich die Cathy Hills in mein Zimmer. Obwohl dieses Situation total abgefahren war, war ihr Lächeln das einer normalen jungen Frau. „Wir wusste erst nicht, ob wir dich wecken sollten, aber Junno meinte, dass du bestimmt nicht unsere erste Besprechung verpassen möchtest.“ „Besprechung? Müssen wir nochmal ins Studio.“ „Nein, nein, keine Angst“, lachte sie, „da haben wir heute genug Zeit verbracht. Wir dachten nur, dass es ganz nett wäre sich mal ein bisschen besser kennen zu lernen. Immerhin sind wir jetzt Mitbewohner.“ „Äh, klar, das klingt gut“, meinte ich schnell und lief rot an, weil ich da erst bemerkte, dass ich in meiner Alltagskleidung geschlafen hatte. Sie musste mich jetzt für einen totalen Proleten halten! „Ich geh nur eben meine Koffer holen“, meinte ich dann, um zu beweisen, dass ich auch noch andere Sachen dabei hatte. „Das hat Michael schon für dich erledigt“, meinte sie nur und deutete auf meine Sachen, die bereits auf dem Sessel ruhten. „Michael?“, ich war verwirrt. „Ach, du hast schon geschlafen bevor er kam“, schien sie sich zu erinnern, „er hat sich uns als Haushaltshilfe vorgestellt. Er kommt einmal am Tag um für Ordnung zu sorgen. Er ist aber schon wieder gegangen.“ Ich erschauderte. Ich hatte hier seelenruhig geschlafen, während ein fremder Mann durchs Haus marschierte. Cathy schien meine Gedanken gelesen zu haben: „Ich kennen Michael schon länger. Er hat schon öfters für mich gearbeitet und man kann ihm voll und ganz vertrauen.“ Ich nickte bloß, obwohl ich immer noch nicht so ganz überzeugt war. Ich musste mir erst selbst ein Bild von den Menschen machen bevor ich ihnen vertrauen konnte. Ich schickte Cathy schließlich wieder nach unten und zog mir frische Sachen an. Dann kämmte ich mir noch die Haare und schmiss achtlos meine Kleidung in den Schrank, sodass sie erst mal verschwunden war. Dann gesellte ich mich zu Junno und Cathy, die bereits auf der Couch lümmelten und sich von einem Obstteller bedienten. „Ach, da bist du ja“, meinte Junno und grinste, „willst du auch?“ Er hielt mir ein Stück Wassermelone hin. „Den Teller hat Michael extra für uns gemacht, weil er weiß, dass wir immer hungrig nach dem Dreh sind“, erklärte mir Cathy, „und so spät darf ich leider nichts fettiges mehr essen.“ Sie machte so ein betrübtes Gesicht, dass ich Mitleid mit ihr bekam. Das Leben als Schauspielerin und Model musste echt hart sein. Obwohl ich noch nie Figurprobleme gehabt hatte, schämte ich mich ein wenig, dass ich mich nur wenige Stunden zuvor durch den halben Kühlschrank gefuttert hatte. Ein wenig schuldig lehnte ich das Stück Wassermelone dankend ab. „Habt ihr euch auch schon ein wenig umgeschaut?“, fragte ich und setzte mich neben Cathy. Diese nickte: „Es ist wirklich wunderbar. Bisher habe ich noch nie in so einem Luxushaus gewohnt.“ „Ich auch nicht. Jedenfalls nicht länger als eine Woche und dann mit so viel Privatsphäre“, stimmte Junno ihr zu. Das überraschte mich sehr. Ich hatte echte nicht gedacht, dass dieses Appartement noch etwas Besonderes für die beiden wäre. Wieder einmal hatte ich mich mächtig getäuscht. „Hier zu viert zu leben scheint doch wirklich kein Problem zu sein, oder Mädels?“, fragte Junno und wir schüttelten den Kopf. Bei dieser Gelegenheit fiel mir noch etwas ein: „Wo ist eigentlich dein Bandkollege? Ich dachte er sollte auch im Film mitspielen?“ „Ach, Tat-chan hat noch etwas Wichtiges hier in New York zu erledigen. Ich glaube es gab da Probleme mit seiner Green Card. Er wird wohl morgen erst hier einziehen.“ „Ich bin mal wirklich gespannt auf ihn“, meinte Cathy, die wirklich immer nur positiv zu denken schien, „immerhin muss ich mit ihm die meisten Szenen spielen.“ „Wirklich? Ich dachte du seist der Hauptcharakter, Junno?“, ich war verwirrt. Der junge Mann lachte: „Ne, ich bin nur der beste Freund vom Hauptcharakter. Die Produzenten fanden ihn geeigneter um ein männliches Model zu spielen.“ „Aber heute warst du echt gut“, meinte Cathy beeindruckt, „wirklich professionell.“ „Ja klar, das bin ich immer“, lachte er und reichte ihr die Hand, „dann auf gute Zusammenarbeit.“ Sie schlug ein und forderte mich dann mit einem Blick auf meine Hand auf ihre zu legen. Ich fand das ein wenig idiotisch, aber weil ich die beiden wirklich zu mögen begann, tat ich ihnen den Gefallen. „Auf gute Zusammenarbeit.“ Danach redeten wir noch bis tief in die Nacht hinein über dies und das bis Cathy den Fernseher einschaltete und uns zeigte wie wir auch Programme aus unserem Heimatland empfangen konnten. Wir tauschten uns ein wenig über unsere Kulturen aus und darüber welche Vorurteile wir eigentlich voneinander hatten. Es war seltsam wie schnell wir uns an nährten. Jedenfalls hatte ich das Gefühl zwei neue Freunde gefunden zu haben, als ich mich in den frühen Morgenstunden zwischen die Kissen kuschelte. In meinem Traum verwandelte ich mich von einem Kürbis in eine Prinzessin in einem wunderschönen Kleid. Ich tanzte mit einer Diddlmaus mit Prinzenkrone durch unser Appartement, während uns Cathy auf dem Flügel musikalisch begleitete. Junno saß lachend auf einem Sessel und klatschte im Takt. Plötzlich wurde die Musik immer bedrohlicher. Mein Diddl – Prinz drehte mich immer schneller und schneller bis die Farben verschwammen. Die Diddl schien sich aufzulösen. Nein, sie löste sich nicht auf. Sie verwandelte sich. Als die Musik verstummte und die Welt wieder stillstand, erkannte ich, dass ich jetzt in den Armen von „Boxershorts“ lag. Er grinste spöttisch, während er auf mich hinabblickte: „Ich hab doch gesagt, dass ich dich beim nächsten Mal nicht einfach so gehen lasse, Möchtegern – Cinderella.“ Und dann verwandelte ich mich zurück in den Kürbis und er warf mich mit dem fiesesten Lachen, das ich je gehört hatte, von der Dachterrasse. Und während ich fiel, wachte ich auf. Ich atmete schwer und versuchte mein Shirt von meiner klebrigen Haut zu pellen. Ich war völlig nassgeschwitzt, obwohl mein Zimmer, wie der Rest des Gebäudes, klimatisiert war. Um wieder zurück in die Realität zu finden, stolperte ich zu dem großen Fenster und steckte meinen Kopf hinaus in die kühle Morgenluft. Es war gerade mal halb sieben, aber rund um den Central Park herrschte schon reger Betrieb und auch der Verkehrslärm schien hier nie eine Pause zu haben. Bei mir zu Hause war es immer idyllisch ruhig gewesen und ich fragte mich ob ich in der nächsten Nacht genauso unruhig schlafen würde. Vielleicht sollte ich mir etwas für die Ohren besorgen... Aber erst mal spürte ich, dass ich schon wieder hungrig war. Normalerweise frühstückte ich immer zuerst bevor ich etwas anderes tat, aber da ich ja jetzt mit Fremden zusammen wohnte, konnte ich nicht einfach so nach unten gehen. Also nur mit einem Shirt bekleidet, ungeduscht und total durchgeschwitzt. Das Badezimmer war nicht besetzt, also musste Cathy noch schlafen. Ich nutzte das aus und ließ mir viel Zeit beim Duschen. In der letzten Ecke meines Kleiderschrankes fand ich noch ein T – Shirt, was noch relativ neu war und eine kurze Hose ohne Löcher oder Grasflecken. Ich räumte vorsichtshalber die Klamotten in meinen Schrank nochmal ordentlich ein. Man wusste ja nie, wer einen Blick hinein werfen würde. Dabei überlegte ich mir von meinem ersten Gehalt mal ein Paar neue Sachen zu leisten. Immerhin musste mein Kleidungsstil ein bisschen mehr meinen neuen Lebensumständen angepasst werden. Bevor ich in die menschenleere Küche ging, um das Frühstück vorzubereiten, checkte ich nochmal meine E – Mails. Nur eine meiner Freundinnen hatte mir geschrieben, von Clarissa war noch nichts gekommen. Vielleicht brauchte sie für ihre Scripts doch länger als ich angenommen hatte. Ich las auch noch einen kurzen Artikel über die Boyband, zu der Junno gehörte, aber viel mehr als ich schon wusste, erfuhr ich auch nicht. Gerade als ich mir noch einige Fotos angucken wollte, knurrte mein Magen. Ich musste dringend etwas essen. In der Küche war noch keiner. Ich wusste nicht, was die anderen beiden zum Frühstück aßen, denn immerhin kamen bei uns drei verschiedene Kulturen an einem Tisch zusammen. Am Ende machte ich für uns das, was ich zu Hause auch immer aß: Rührei, Toastbrot und eine große Auswahl an Belag. Gerade als ich fertig war kam Cathy die Treppe hinunter. Sie trug eine Sporthose und hatte ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. „Guten Morgen“, sagte sie lächeln und blickte sich überrascht auf dem gedeckten Tisch um, „du hast für uns Frühstück gemacht? Oder bekommst du Besuch?“ „Nein, nein, das ist schon für uns drei. Ich dachte wir essen zusammen, aber wenn ihr es nicht mögt, dann kann ich es auch gerne wieder weg stellen.“ „Nein, das ist voll lieb von dir“, sie schien sich wirklich zu freuen, „vielleicht können wir uns damit auch abwechseln.“ Sie setzte sich mir gegenüber und bestrich sich ihr Toast mit Erdnussbutter. „Das klingt super“, ich war begeistert, aber ich fragte mich, ob sie bei ihrem Beruf überhaupt so ein deftiges Frühstück leisten konnte und musste dabei vor allem an den vorherigen Abend denken. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, sagte Cathy: „Zum Glück darf ich bis zwölf Uhr, dass essen, was ich möchte. Danach muss ich leider auf jede Kalorie achten.“ „Du hast doch eine tolle Figur“, sagte ich schnell. Sie lächelte verlegen: „Danke, aber das war leider nicht immer so.“ Ich musste sie so fragend angeblickt haben, dass sie mit gesenkter Stimme hinzufügte: „Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?“ „Ja...klar.“ Ich war überrascht, dass sie mir anscheinend vertraute. Aber das tat ich auch. Ich wusste, dass ich mich auf Cathy verlassen konnte. „Als Kind war ich total übergewichtig. Ich wurde in der Schule gehänselt und hab mich gar nicht mehr aus dem Haus getraut. Ich konnte mich sogar nicht mal mehr selbst im Spiegel anschauen. Selbst meine Mutter hab ich nicht mehr an mich ran gelassen, dabei ist sie schon immer der wichtigste Mensch in meinem Leben. Irgendwann hab ich Audrey Hepburn in dem Film „Frühstück bei Tiffany“ und ich war sofort fasziniert von ihr. Ich habe mir danach alle Filme mit ihr angesehen und Tag und Nacht nur noch darüber nachgedacht wie sie zu werden. Dann habe ich mehrere Diäten gemacht. Zuerst waren die nicht sehr erfolgreich, aber ich wollte einfach nicht aufgeben. Als es mir besser ging, hab ich an Schauspiel – Workshops teilgenommen und wurde am Ende sogar an einer entsprechenden Schule angenommen. Aber in dem Moment, in dem ich Audrey sah, hat sich mein ganzes Leben geändert.“ „Wow“, ich war im ersten Moment sprachlos, „ich hab mir noch nie Gedanken darüber gemacht, was Schauspieler vor ihrer Karriere gemacht haben.“ „Das tun die meisten nicht“, sie zuckte mit den Schulten, „alle denken immer wir wären perfekt, aber wir sind eben auch nur gewöhnliche Menschen.“ „Genauso wie Sänger und Tänzer auch“, unsere Köpfe flogen herum und Junno grinste uns an während er die Treppe hinunter kam, „ihr habt ja morgens schon interessante Gespräche.“ „Hast du uns belauscht?“, Cathy war ganz blass um die Nase. Immerhin war das ihr größtes Geheimnis. „Kein Angst, nur den letzten Teil“, er zwinkerte ihr spitzbübisch zu und sie atmete erleichtert aus. „Nächstes Mal könnt ihr mich ruhig aufwecken, dann frühstücken wir zusammen“, etwas vorwurfsvoll blickte Junno uns an, „oder wolltet ihr das ganze gute Essen für euch alleine bunkern?“ „Nein, nein“, sagte ich schnell und schob ihm einen Teller mit Rührei hin, „ich wollte euch nur nicht stören. Immerhin kennen wir uns nicht so gut.“ „Dann sollten wir das schnell mal ändern“, grinste er als er sich neben mich setzte, „wie wäre es, wenn wir uns heute Morgen zusammen die Stadt anschauen?“ „Das klingt super. Ich kenne hier ein paar tolle Plätze, wo wir nicht so auffallen“, Cathy schien hellauf begeistert zu sein. „Müsst ihr beide denn gar nicht arbeiten?“, hakte ich nach. „Erst heute Nachmittag und du?“ Sie blickten mich beide fragend an. Ich schüttelte meinen Kopf: „Wahrscheinlich hab ich die meiste Freizeit von uns allen. Clarissa hat mir bisher keinen Text geschickt.“ „Dann steht es also fest: Nachdem Frühstück nehmen wir uns ein Taxi.“ „Aber erst mal muss ich mich richtig anziehen“, meinte Cathy und hastete die Treppe hinauf. „Hey, willst du nicht noch frühstücken?“, rief Junno ihr hinterher, doch da fiel auch schon ihre Zimmertür ins Schloss. Er seufzte und grinste mich dann an: „Also mehr für uns, Nele.“ Jedoch sollte das Frühstück nicht die einzige Mahlzeit an diesem Tag bleiben, sodass auch noch Cathy ohne leeren Magen ins Studio fahren sollte. Wir machten zuerst das Gebiet um den Central Park unsicher. Meine beiden Begleiter achteten noch gut darauf, dass sie „undercover“ blieben. Wir futterten uns dort erst einmal durch alle möglichen Stände von Crêpes bis Hotdogs. Und danach hatten wir sogar noch Platz für ein großes Eis. Wir besuchten die schrillsten Geschäfte und probierten seltsame Klamotten an. Mein Taschengeld war fast aufgebraucht, da fanden Cathy und ich einen Laden, der nicht ganz so teuer zu sein schien wie die Geschäfte auf der 5th Avenue. Denn obwohl sie Schauspielerin war, wollte sie mit ihrem Geld vorsichtig haushalten. „Noch so ein Vorurteil“, meinte sie, „alle glauben immer ich sei Millionärin. Viele meiner Freunde wollen sich von mir alles bezahlen lassen, aber in Wirklichkeit spare ich mein Geld, um später noch studieren zu können. Immerhin kann man ja nicht für immer Schauspielerin bleiben, oder?“ Ich bewunderte wie realistisch sie mit ihren zwanzig Jahren schon dachte. Sie musste wirklich bescheiden erzogen worden sein. Als sie meinen nachdenklichen Blick sah, fügte sie hinzu: „Außerdem weiß ich es wie es ist nicht viel Geld zu haben. Als ich noch klein war, hat mein Vater seinen Job verloren und wir mussten wirklich auf jeden Cent achten.“ Ich nickte. Bisher war mir eine solche Erfahrung zum Glück erspart geblieben, aber ich hatte Freunde, die mussten auch darauf achten wie sie über die Runden kamen. Ich bewunderte diese Leute. Sie versuchten das Beste aus ihrem Leben zu machen und arbeiteten hart für jeden Cent. „Hey, wie findest du das?“, sie hielt ein Kleid mit rot- weißen Blumenmuster hoch. „Sehr schön“, meinte ich und war mehr als überrascht als sie es mir gab. „Dann probiere es gleich mal an.“ „Wie…aber…“, ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte, „aber das würde mir doch gar nicht stehen.“ „Das weißt du doch gar nicht. Ich finde das passt genau zu deinem Typ, vertrau mir“, bevor ich weiter protestieren konnte, hatte sie mich schon zu den Kabinen geschoben. Ich seufzte tief und schälte mich dann aus meinen Klamotten. Ihr zuliebe. Doch so schlimm sah es gar nicht mal aus und es war auch nicht zu aufreizend. Cathy hatte wirklich Geschmack. Ich drehte mich noch einmal begeistert vorm Spiegel und trat dann hinaus in den Laden, wo jetzt auch Junno wieder aufgetaucht war. Er wollte sich nochmal nach ein paar neuen Schuhen umsehen. Meine beiden Mitbewohner klatschten laut Beifall als sie mich sahen. Mir war es etwas peinlich und ich wurde sofort rot. „Ich hab doch gesagt, dass es dir steht“, meinte Cathy selbstzufrieden. „Wow, damit könntest du glatt selbst vor der Kamera auftreten“, lachte Junno. Ich schüttelte heftig den Kopf: „Keine zehn Pferde würden mich dazu bringen. Ich bin eher ein kreativer Kopf.“ Doch ich war trotzdem ein wenig gerührt über ihre Komplimente. Zum Glück war das Kleid nicht so teuer, deshalb gab ich mein letztes Geld dafür aus. Auch Cathy fand noch ein paar schöne Stücke. Irgendwann schaute Junno auf die Uhr und drängte uns zu bezahlen, weil er und Cathy in einer Stunde am Set sein mussten. Die beiden beschlossen direkt weiter zum Sender zu fahren, aber mich brachten sie noch bis zu unserer Wohnung. Ich musste unbedingt nachschauen ob Clara mir geschrieben hatte. Ich verabschiedete mich von meinen neuen Freunden mit einer Umarmung und machte mich glücklich, aber auch erschöpft auf den Weg in unsere Wohnung. Dort war es durch die Klimaanlage so kalt, dass ich fröstelte. Schnell warf ich meine Einkäufe in mein Zimmer und ließ die große Badewanne ein. Seufzend ließ ich mich in das warme Schaumbad sinken und schloss genießerisch die Augen. Aus dem Erdgeschoss hörte ich Geräusche. Erst erschrak ich, doch dann fiel mir ein, dass wahrscheinlich Michael gekommen war. Ich badete ruhig weiter und zog mir dann einfach einen Bademantel über. Normalerweise konnte ich ja direkt aus meinem Bad in mein Zimmer gehen, aber weil ich die Badewanne im Spa- Bereich benutzt hatte, musste ich durch die ganze Wohnung laufen. Leider hatte ich meine alten Sachen in meinem Zimmer gelassen also musste ich wohl oder übel so gehen. Ich hoffte, dass Michael vielleicht zu beschäftigt war um mich zu beachten. Immerhin war er ein Fremder. Ich schob meinen Kopf aus der Tür und sah mich suchend im Erdgeschoss um. Die Luft war rein. Schnell zog ich meinen Bademantel enger und lief durch das Wohnzimmer die Treppe hinauf. Meine nackten Füße klatschten über den kalten Boden. Kurz bevor ich meine Zimmertür erreichen konnte, ging die Tür daneben auf und schlug mir ins Gesicht. Mit einem Aufschrei ging ich zu Boden, dabei öffnete sich mein Bademantel und entblößte ein paar intime Körperstellen. Ich war für einen Moment so benommen, dass ich erst gar nicht realisierte, dass jemand auf mich herabsah. „Michael?“, stöhnte ich und schlang schnell wieder meinen Bademantel um meinen Körper. Doch bald wurde mein Blick wieder klarer und ich sah voller Entsetzen, dass es nicht Michael war, der mich so frech angrinste. „Ich sag doch, dass man sich immer zweimal im Leben trifft.“ „Boxershorts“, warf das Einzige, was mir einfiel, bevor ein spitzer Schrei meiner Kehle entwich. Hosted by Animexx e.V. 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