Action, please! von Sunrisepainter ================================================================================ Kapitel 1: Episode I -------------------- Episode 1 Als die Maschine auf dem Boden aufsetzte und man schon hören konnte wie die Treibwerke immer schwächer wurden, stieß ich einen erleichterten Seufzer aus. Auch wenn dies nicht mein erster Flug gewesen war, hatte ich doch immer ein wenig Probleme mit den Druck auf den Ohren. Auch jetzt konnte ich den Beifall der anderen Fluggäste nur ganz dumpf vernehmen. Kein schönes Gefühl. Trotzdem blieb mir nichts anderes übrig als meine kleine Reisetasche zu nehmen und den anderen zum Ausgang zu folgen. Als ich die große Halle des Flughafens kam, waren meine Ohren immer noch wie verstopft. Genervt versuchte ich mich an den Schildern zu orientieren, da ich von den Lautsprecherdurchsagen nicht das Geringste hören konnte. Wo musste man denn hier sein Gepäck abholen? Und wieso musste der JFK – Flughafen in New York auch zehnmal größer sein als der in Hamburg? Ich erkannte eine Familie, die ebenfalls in meiner Maschine gewesen war, und folgte ihr einfach, jedoch verlor ich sie in der Halle mit den Laufbändern wieder aus den Augen. Genervt blickte ich mich überall um und stellte mich dann einfach an das nächstbeste Laufband. Das Glück schien auf meiner Seite zu sein, denn im gleichen Moment entdeckte ich meinen silbernen Koffer. Erleichtert streckte ich meine Hand danach aus und wollte danach greifen, aber jemand kam mir zuvor. Überrascht blickte ich meinem Koffer hinterher, der in den Armen eines Mannes landete. Er war etwas größer als ich, aber trotzdem sehr klein für einen ausgewachsenen Mann und hatte das typische asiatische Aussehen. Er war schlank, trug ein dunkles Kapuzenshirt und seine dunklen Haare fielen ihm so über die Augen, dass ich sie nicht richtig sehen konnte. „Hey, das ist meiner“, rief ich empört. Verwirrt blickte er mich an und in diesem Moment überkam mich eine Welle von Deja- vu‘s, so als ob ich alles schon mal irgendwo gesehen hätte. Weil ich mit meinem Deutsch nicht weiter kam, wiederholte ich meinen Prostest vorsichtshalber auf Englisch. „Ich bin sicher, dass es meiner ist“, meinte er nur schulterzuckend mit japanischem Akzent, „also warte einfach bis deiner vorbei kommt. Und wenn nicht, dann hast du Pech gehabt.“ Seine Stimme klang genervt und gelangweilt. „Und wenn du den falschen genommen hast?“, fragte ich genervt zurück. Wieder nur ein Schulterzucken, so als ob ihn das nicht wirklich interessierte. „Du nimmst also einfach die Sachen mit nach Hause, ohne zu gucken ob es deine eigenen sind?“ „Hör auf zu nerven, ich brauch noch meine anderen Sachen“, unsanft stieß er mich zu Seite und nahm einen Gitarrenkoffer vom Laufband. Ich war völlig überrumpelt von so viel Unhöflichkeit. Waren Japaner sonst nicht immer auf Höflichkeit bedacht? „Hör mal zu, ich weiß nicht für wen du dich hältst, aber muss heute noch zu einem Filmset. Also nehme ich jetzt einfach was mir gehört und mach mich aus dem Staub“, meinte ich wütend und nahm mir einfach den Koffer, der mutterseelenallein in der Halle stand. „Hey, lass den hier“, der junge Japaner machte einen Satz nach vorne und griff ebenfalls nach dem Henkel. Ruckartig wurde ich zurück gerissen und stieß mit voller Wucht gegen ihn. „Autsch, lass los!“, unnachgiebig zog ich an eine der Laschen. Doch er dachte gar nicht daran und hielt eisern an dem Koffer fest. Mir war es jetzt egal, dass wir mittlerweile die Aufmerksamkeit aller Passagiere auf uns gezogen hatten. Ich zerrte mit aller Kraft an dem Koffer und deshalb ging es hin und her, denn er war natürlich um einiges Stärker. Bei unserem Gerangel fiel mir die Bordkarte aus der Tasche und landete direkt vor seinen Füßen. Sein Blick fiel darauf und auf einmal breitete sich ein fieses Grinsen auf seinem Gesicht aus: „Kann es sein, dass du den Flug aus Berlin genommen hast?“ „Nein, wie bist du bloß darauf gekommen?“, meinte ich sarkastisch und verdrehte die Augen. „An deiner Stelle würde ich nächstes Mal die Anzeigen genauer lesen“, sein Kopf nickte in die Richtung der digitalen Anzeige über dem Laufband. Flight OD 2306: Boston – New York. Es dauerte ein wenig bis diese neue Information in meinem Gehirn ankam. Ich spürte wie mein Gesicht heiß wurde und reflexartig ließ ich meinen vermeintlichen Koffer los. Der junge Mann verlor das Gleichgewicht und der Koffer flog durch die Luft bis er mit einem Krachen auf dem Boden aufkam. Der Deckel sprang auf und ein Teil des Inhalts verteilte sich um den Koffer herum. Während der Typ immer noch geschockt auf dem Boden hockte, begann ich mich in allen möglichen Sprachen, die ich kannte, und mit hochrotem Kopf bei ihm zu entschuldigen. Damit meine guten Absichten auch zum Ausdruck kamen, sammelte ich sogar die verstreuten Sachen auf und warf sie zurück in den Koffer. „Das schaffe ich auch schon alleine. Verschwinde einfach bevor ich dich noch wegen irgendetwas anzeige“, wütend riss er mir eine seiner Boxershorts aus der Hand. Die Leute um uns herum lachten uns mittlerweile gnadenlos aus. „Äh ja, ähm, hoffentlich auf Ni- Nimmerwiedersehen“, stammelte ich peinlich berührt und stolperte einfach davon. Lange stand ich danach immer noch unter Schock und wie in Trance stellte ich mich nun an das richtige Laufband, sammelte mein Gepäck zusammen und machte mich auf den Weg zur Sicherheitskontrolle, die ewig dauerte. Jeder, der schon mal an einem amerikanischen Flughafen gelandet war, würde sicher genau wissen, was ich damit meine. Auch danach stand ich noch komplett neben mir. Und hätte er mir sein Schild nicht regelrecht ins Gesicht geschlagen, dann hätte ich wahrscheinlich auch nie den Typen gefunden, der mich vom Flughafen abholen sollte. „Sind Sie Miss Jannssen?“, fragte er mich höflich. Im ersten Moment musste ich ihn ein wenig irritiert angestarrt haben, denn er wiederholte die gleiche Frage nochmal ein wenig holprig auf Deutsch. „Äh, natürlich“, bei mir fiel endlich der Groschen, „und Sie sind von der Lynx Broadcasting Company?“ „Ja, mein Name ist Jared Hanson, ich bin der Assistent von Clarissa“, meinte er jetzt wieder auf Englisch und reichte mir die Hand zur Begrüßung. Mr. Hanson schien Mitte dreißig zu sein. Er trug einen dunklen Anzug und hatte seine blonden Haare zu Stacheln aufgestellt, was ihn ein wenig albern aussehen ließ. „Nele Jannssen, aber das wussten Sie schon“, stellte ich mich ebenfalls vor. „Ja, diese Dinger sind manchmal echt vorteilhaft, besonders in der Geschäftswelt“, grinsend hielt der junge Mann mir ein Smartphone mit einem Bild von mir vor die Nase. Es war das Bild von meinem Universitätsausweis. Wahrscheinlich hatte die Uni ihnen mein gesamtes Profil geschickt. Mr. Hanson half mir mein Gepäck in einem Taxi zu verstauen und wir machten uns auf den Weg durch den Berufsverkehr zum Studio des Senders. Die Fahrt dauerte so lange und ging sehr schleppend voran, dass ich genug Zeit hatte diese riesige Stadt zu bewundert, die vor Menschen nur so zu wimmeln schien. Schulkinder mit oder ohne Uniform, Geschäftsleute mit Aktentaschen, Fahrräder, Menschen jeglicher Mentalität und schräge Gestalten wuselten durch die Straßen und direkt an meinem Fenster vorbei. Als wir etwas länger an einer Ampel standen, kam sogar ein aufgeregter Inder mit Schwamm und Eimer angelaufen und fragte den Fahrer, ob er sein Taxi waschen durfte. Mir tat er schon fast leid als der Fahrer ihn einfach ignorierte und ihm am Ende sogar beinahe über den Fuß gefahren wäre. „Keine Sorge, er wird es verkraften“, lachte Mr. Hanson als er mein geschocktes Gesicht sah, „außerdem gibt es hier Millionen solcher Leute und wenn man das Angebot von einem annimmt, dann stehen plötzlich zehn weitere dieser Art dort und wollen dir etwas andrehen. Also sei vorsichtig.“ „Oh Mann, und ich dachte schon die Handtuchverkäufer in Spanien am Strand seien lästig“, murmelte ich und kam aus dem Staunen an diesem Tag gar nicht mehr heraus. Als wir schließlich bei den Studio ankamen, war es bereits später Nachmittag und ich merkte wie bei mir der Jetlag plötzlich einsetzte. Mit allerletzter Kraft hievte ich mich aus dem Taxi und war froh, dass mein Gepäck direkt zum Hotel gebracht werden würde. Außerdem hab es in dem Gebäude einen Fahrstuhl, sodass wir ganz bequem in den achten Stock landeten. Auch in dem Bürogebäude wimmelte es von Menschen, doch diese sahen um einiges langweiliger aus als die auf der Straße. Na ja, mal abgesehen davon, dass ich darunter auch ein oder zwei bekannte Gesichter aus amerikanischen Sendungen erkannte, die auch bei uns in Deutschland populär waren. Allerdings war ich viel zu müde, um zu realisieren, was eigentlich gerade passierte. Ich folgte Mr. Hanson willenlos zu einem kleinen Konferenzraum, indem bereits einige Personen auf uns warteten. Die ältere Dame, die am Kopfende des Tisches saß, erkannte ich sofort. „Ah, Nele, schön, dass Sie es pünktlich geschafft haben“, sagte sie auf Deutsch und gab mir die Hand, „hatten sie einen angenehmen Flug?“ „Ja, danke, Frau Weiß“, ich spürte wie mein Herz vor Aufregung wild zu klopfen begann. Endlich durfte ich sie kennen lernen. Eines meiner großen Vorbilder. War das nicht nur ein Traum? Schüttelte ich gerade wirklich DER Clarissa Weiß die Hand? „Nenn mich ruhig Clarissa, das machen alle hier“, sie lächelte aufmunternd und deutete dann auf einen Stuhl, „setzen Sie sich doch. Ich stelle Ihnen kurz die anderen Herrschaften vor.“ Ich nickte und setzte mich dann ein wenig eingeschüchtert neben einen etwas älteren Herren mit grauen Haaren und Ziegenbart. „Wie Sie sehen können, setzt sich unser Team aus unterschiedlichen Nationen zusammen. Dieser Herr dort ist Carl, der Dramaturg und Engländer und neben ihm sitzt Hiroshi, der Script Supervisor und Japaner“, erklärte Clarissa jetzt wieder auf Englisch, sodass jeder sie verstehen konnte, „mit den beiden werden wir besonders eng zusammenarbeiten. Unsere liebe Angela, aus der Schweiz ist zuständig für das Casting der Schauspieler und der Herr neben dir vertritt als Assistent unseren Regisseur, der heute leider verhindert war.“ „Bert, mein Name, Bert Goad“, stellte sich Ziegenbart selber vor und ich musste mich zusammenreißen nicht zu lachen, denn „Goad“ klang fast so wie „goat“. Zum Glück schien meine Reaktion keiner zu bemerken. „Das ist natürlich nur ein kleiner Teil des Teams. Da Sie ja selber schon beim Fernsehen gearbeitet haben, wissen Sie, dass noch viel mehr Leute an der Produktion beteiligt sind. Für morgen ist ein Treffen mit Produzenten und Schauspielern geplant, an dem Sie auch teilnehmen sollten. Danach beginnt für uns die Projektentwicklung, in der ich besonders auf Ihre Hilfe angewiesen bin. Haben Sie noch Fragen?“, Clarissa sah mich erwartungsvoll an. „Eine Menge“, gab ich zu, „aber fürs erste reicht es mir, wenn Sie mich duzen könnten.“ „Kein Problem, aber du bist bestimmt müde vom Flug. Morgen werde ich dich weiter einweisen und habe auch noch eine Überraschung für dich. Fürs erste wird Jared dich ins Hotel fahren, aber du wirst nur eine Nacht dort bleiben, also genieße es“, sie zwinkerte mir geheimnisvoll zu und beendete dann die Sitzung mit einer kurzen Abschiedsformel. Ich fragte mich danach, was sie mit ihrer seltsamen Andeutung gemeint hatte, aber auch Jared wollte mir nicht mehr verraten. Er brachte mich nur zu dem Nobelhotel, in dem ich ein eigenes Zimmer hatte und gab mir dann seine Handynummer, damit ich ihm im Notfall kontaktieren konnte. Ich war viel zu müde um noch etwas essen zu gehen oder mich in dem riesigen Gebäude genauer umzusehen. Nachdem ich meine Zimmerkarte hatte, ging ich sofort nach oben und ließ mich in meinem großen Zimmer erschöpft auf einer weißen Ledercouch nieder. Mit entzücken stellte ich fest, dass es neben einem großen Bett und einer Badewanne, auch einen Balkon gab. Meine Taschen waren auch schon dort, deshalb machte ich mich fürs Bett fertig und holte dann meinen Laptop heraus. Eigentlich hatte ich meiner Tante versprochen jeden Abend mit ihr via Video zu chatten, aber ich schicke ihr nur eine kurze E – Mail, dass ich heile angekommen war und fiel dann erschöpft in mein superweiches Bett. Am nächsten Morgen kam es mir so vor als hätte ich auf Zuckerwattewolken geschlafen. Ich war ausgeruht und erwartete voller Tatendrang meinen ersten „Arbeitstag“. Da dieser allerdings erst am Nachmittag beginnen sollte, hatte ich vorerst genug Zeit mir die riesige Hotelanlage weiter anzusehen. Alles war richtig modern und so schick eingerichtet, dass ich mir in meinen Jeans und dem ausgeleiertem Hemd fast wie eine Außerirdische vorkam. So ähnlich blickten mich auch die anderen Hotelgäste an als ich im Restaurant zum Frühstück erschien. Mit rotem Kopf hatte ich mir nur schnell etwas auf den Teller gelegt, dass aussah wie ein Toast (schmeckte aber ganz anders) und mich in eine dunkle Ecke verdrückt. Allerdings bildete ich mir ein die Blicke auch noch auf mir zu spüren, als ich den Rest des Hotels erkundete. Es hab viele Poolanlagen, Wellnessbereiche, kleine Läden, Spielhallen, eine Bibliothek, einen großen Filmsaal, jede Menge anderer Freizeitangebote und draußen konnte man jegliche Sportarten ausüben. Ich entdeckte sogar einen Trainingsraum nur für Hunde und das schlimme war, dass dort auch welche „trainiert“ wurden. Kopfschüttelnd ging ich schnell weiter und entschied mich dann dafür meinen Vormittag an einem der Pools zu verbringen, wahlweise für den mit der größten Wasserrutsche. Selbst in meinem Bikini kam ich mir aber schäbiger vor als die Luxustussen, die sich um mich herum in der Sonne bräunten und gleichzeitig irgendwie darauf achten mussten, dass ihre Botox Lippen nicht schmolzen. Ich entdeckte sogar einige prominente Gäste, aber es war keiner dabei, der mich wirklich interessiert hätte oder den man hätte länger beobachten können. Am Ende war mir so langweilig, dass ich immer wieder lustlos die Wasserrutsche hinunter sauste und mir einen Spaß daraus machte, so heftig im Wasser aufzuschlagen, dass alle am Beckenrand nass wurden. Nach meiner siebten Rutschpartie passierte aber etwas unerwartetes, dass mir den Rest des Tages ganz schön vermiesen sollte. Eigentlich war es auch meine eigene Schuld, wenn ich jetzt so daran zurück denke. Ich hätte einfach nochmal hinunter schauen sollen, bevor ich wieder hinunter rutschte, aber ich ging davon aus, dass niemand dämlich genug wäre einfach so in den gekennzeichneten Bereich vor den Ausläufern der Rutschte zu schwimmen. Allerdings irrte ich mich da gewaltig. Ich krachte am Ende mit voller Wucht in diese Ausnahme hinein. Mein Kopf stieß gegen etwas Hartes und für einen Moment schwanden mir die Sinne. Ich wusste nicht mehr genau wo oben und unten war. Überall um mich herum war Wasser und ich bekam keine Luft mehr. Ich begann wild zu strampeln, um wieder an die Oberfläche zu kommen, aber stattdessen sank ich nur weiter in Richtung Grund. Ich sah Sterne vor meinen Augen und dachte, dass nun mein Ende gekommen sei. Wegen einer Wasserrutsche in einem fünf Sterne Hotel in New York, weit weg von zu Hause. Zwischen Luxuspuppen mit blonden Haaren und aufgespritzten Lippen. Hunden, die morgens aufs Laufband gingen und dort, wo Hummer und Kaviar schon zum Frühstück serviert wurde. Ich hatte mich gerade schon mit meinem miesen Schicksal abgefunden, da spürte ich einen starken Struck auf meiner Kopfhaut. Es fühlte sich an als würde ich skalpiert werden. Einen Moment später kam ich wieder prustend an die Oberfläche und musste erst einmal Wasser husten bevor ich die Hand bemerkte, der ich wahrscheinlich meine „Rettung“ verdankte. Doch als ich das Gesicht zu dieser Hand visualisierte, wünschte ich mir, ich wäre unter Wasser tatsächlich bewusstlos geworden. „Boxershorts“, stieß ich überrascht und angewidert zugleich hervor. Damit war natürlich der Typ gemeint, dem ich am Tag zuvor versehentlich den Koffer „gemopst“ hatte. Da ich immer noch ein wenig benebelt war, schaffte ich es gerade noch so zum Beckenrand zu paddeln und dort erst einmal tief Luft zu holen. „Sag mal, hast du es eigentlich auf mich abgesehen oder was?“, knurrte meine Flughafenbegleitung. Er war rot vor Wut und sah nicht so aus als würde er mich einfach so gehen zu lassen. Es war ja auch irgendwie seine eigene Schuld gewesen, aber ich war viel zu geschwächt um mit ihm darüber zu diskutieren. Außerdem bemerkte ich aus den Augenwinkeln wie eine Horde wütender und nasser Tussis meine Richtung ansteuerten. „Danke“, brachte ich nur hervor und verließ dann geradezu fluchtartig und ohne mich anzuziehen den Poolbereich. Leider rechnete ich nicht damit, dass mir der streitsüchtige Typ nachlaufen würde. „Hey warte mal!“, er packte mich fest am Arm und hielt mich unsanft zurück. „Lass mich los, du Troll“, wütend fluchte ich auf Deutsch und versuchte mich aus seiner Umklammerung zu befreien. „Du glaubst doch nicht etwa, dass ich dich ein zweites Mal einfach so gehen lasse oder?“, fauchte er, „du schuldest mir mindestens eine Entschuldigung.“ Ohne weiter darüber nachzudenken, trat ich ihm kräftig auf den Fuß und nahm dann meine Beine in die Hand. Ich hörte ihn auch noch auf einer Mischung aus Englisch und Japanisch hinter mir fluchen als ich schon längst im Aufzug stand. „Was für ein arroganter Schnösel!“, zurück in meinem Hotelzimmer warf ich wütend meine Kleidung und mein Handtuch auf einen der Ledersessel. Ich kochte vor Wut. Was konnte ich denn dafür, wenn der Typ ausgerechnet in dem Moment dort unten vorbei gehen, wenn ich rutschte? Es gab doch sicher auch in anderen Ländern so etwas wie Schwimmbäder mit Rutschen oder? Außerdem hätte sogar ein Alien die Warnschilder entschlüsseln können! Nachdem ich noch einige Minuten wutentbrannt hin und her pilgerte, blickte ich letztendlich an mir hinunter und realisierte, dass ich immer noch in meinem Badeanzug stecke. Peinlich, ich war also halbnackt durchs ganze Hotel gelaufen! Seufzend ließ ich mich auf meinem Bett nieder und trocknete mir mit einem herumliegendem T – Shirt die Haare ab. Es klopfte. Mir fuhr vor Schreck der Schock in die Glieder. War mir der streitsüchtige Kerl jetzt doch noch gefolgt? „Nele, bist du da?“, es klopfte lauter. Nein, das war nicht dieser verflixte Japaner. „Jared“, stieß ich erleichtert aus. Ich zog mir schnell eine Jeans und das T – Shirt über und öffnete ihm die Tür. Wie am Tag zuvor, schien Jared Hanson immer noch guter Dinge zu sein, denn sein Grinsen war größer denn je. „In zehn Minuten treffen sich einige Leute der Filmcrew unten in der Wartehalle, um mit einem Kleinbus zum Studio zu fahren. Clarissa möchte, dass du auch mitkommst.“ „Okay, ich bin gleich soweit.“ „Bist du sicher?“, belustigt wanderte sein Blick durch mein chaotisches Zimmer, in dem ich den halben Inhalt meines Koffers verteilt hatte. „Kein Problem“, schnell drückte ich ihm aus dem Türrahmen und schlug die Tür zu. „Wenn du nicht pünktlich bist, dann musst du versuchen alleine dort hin zu kommen, verstanden?“ „Ja, ja“, ich verdrehte die Augen und wirbelte dann wie ein Blitz durch Zimmer, um noch rechtzeitig fertig zu werden. Vielleicht war meine chaotische und unpünktliche Seite an mir eines der Gründe, warum ich immer noch Single war. Natürlich schaffte ich es nicht innerhalb von zehn Minuten, aber zuwider der vorherigen Androhung hatten die anderen trotzdem auf mich gewartet. Neben Jared, erkannte ich unter den Anwesenden nur Angela, die für die Castings zuständig war und „Mr. Goad“. Die beiden jungen Frau und der junge Mann, der ganz und gar in einem Magazin vertieft zu sein schien, waren mir völlig unbekannt. „Da bist du ja endlich, Nele“, seufzte Jared genervt und schulterte eine große Umhängetasche, aus der oben schon Papier und Akten herausquollen, „jetzt haben wir keine Zeit mehr uns gegenseitig noch vorzustellen. ich erbitte ein bisschen mehr Pünktlichkeit bei nächsten Mal, ja?“ Ich nickte nur ein wenig peinlich berührt mit dem Kopf, aber außer ihm schienen die anderen meine Verspätung nicht weiter tragisch zu finden. „Wundere dich nicht, wenn Jared unter Stimmungsschwankungen herrscht, das ist bei ihm normal, wenn er im Stress ist. Eigentlich ist er ein richtig lustiger Kerl, aber an solchen Tagen kommt bei ihm immer sein Mr. Hyde zum Vorschein“, Angela gesellte sich zu mir, während wir Jared nach draußen folgten. Sofort fühlte ich mich ein wenig ruhiger, denn mit ihr konnte ich glücklicherweise auch auf Deutsch reden. „Hast du schon an mehreren Produktionen mit ihm zusammen gearbeitet?“, hakte ich neugierig nach. „Na ja, bisher nur eine und da ging es um einen Werbespot. Ich bin noch relativ neu in diesem Geschäft, auch wenn ich schon weit über dreißig bin“, erklärte sie. „Echt?“, erstaunt musterte ich sie, „auf mich wirkst du nicht älter als fünfundzwanzig.“ „Uh, das höre ich doch gerne“, kicherte Angela. „Worüber redet ihr? Es ist gemein, wenn ihr euch nur gegenseitig verstehen könnt“, mischte sich nun eine der anderen beiden jungen Frauen in unser Gespräch ein. Aus ihrem Akzent konnte ich sofort erkennen, dass sie spanische Wurzeln haben musste. „Ach, das ist übrigens Selina“, stellte Angela die neugierige Frau jetzt auf Englisch vor, „sie ist die Assistentin unseres Kostümbildners. Selina, das ist Nele aus Deutschland.“ Wir gaben uns die Hand und ich sah mich unauffällig nach den anderen beiden Fremden um. Der junge Mann war schon im Wagen verschwunden, aber das andere Mädchen, das im Gegensatz zur dunklen Selina rötliche Haare hatte, redete noch aufgeregt auf Jared ein. Sobald wir das Hotel verlassen hatten, hatte sie sich, genauso wie der junge Mann, eine große Sonnenbrille und einen überdimensionalen Sonnenhut aufgesetzt, sodass man von ihrem Gesicht nicht mehr viel erkennen konnte. „Wer ist das?“, ich nickte leicht in ihre Richtung. Angela und Selina blickten mich gleichzeitig erstaunt an. „¡Hala! Du erkennst sie nicht? Sie ist zwar noch nicht so berühmt, aber immerhin die Hauptdarstellerin!“ Ich spürte wie ich rot würde und hätte mir für meine eigene Dämlichkeit in den Allerwertesten treten können. Wie hatte ich nur Cathy Hills nicht erkennen können! Dabei hatte ich mir doch extra einige Serien von ihr vorher angesehen. Ich war doch echt...! Na ja, ich versuchte mir weiß zu machen, dass es daran lag, dass sie ihre Haare gefärbt hatte. „Ist der dort auch einer der Darsteller?“, um von meiner Peinlichkeit abzulenken, deutete ich schnell auf den jungen Mann, der immer noch das Magazin mit sich herum trug, aber sich jetzt wenigstens auch seine Umwelt genauer betrachtete. Angela zuckte bloß mit den Schultern: „Bisher wurde er uns nicht vorgestellt und ich kenne mich mit den Stars nicht aus.“ „Das ist jedenfalls niemand von Arashi“, bemerkte ich. „Ach, du hast es noch gar nicht gehört?“, Selina klang sehr überrascht. Ich runzelte hingegen nur die Stirn. „Die Mitglieder von Arashi haben zur Zeit eine Pause eingelegt und jegliche öffentliche Arbeit eingestellt, stattdessen werden die beiden männlichen Hauptdarsteller von Mitgliedern einer anderen Band gestellt“, erklärte Angela, „aber den Namen hab ich leider vergessen.“ „Na ja, der Name würde mir wahrscheinlich sowieso nichts sagen...“, gab ich zu. „Entschuldigung“, erschrocken fuhren wir herum und bemerkten, dass der junge Unbekannte gehört hatte. Er schien jedoch nicht verärgert über unser Gespräch zu sein, der er lächelte amüsiert. Dann nahm er seine Sonnenbrille ab, sodass wir in sein makellose und spitzbübisches Gesicht blickten konnten: „Mein Name ist Tageuichi Junnosuke. Nett euch kennen zu lernen.“ Ich glaube den anderen beiden Mädels ging es in dieser Situation nicht anders. Er hatte so ein charmantes Lächeln, dass uns ganz warm ums Herz wurde. Ich merkte wie meine Knie weich wurden und ich bis zum Haaransatz rot anlief. „Ah, der Bus kommt ja endlich“, rief zu unserer Erleichterung Mr. Goad da auch schon. Wir stiegen alle gemeinsam in den Kleinbus und ich war überrascht, dass während der Autofahrt unsere beiden „Stars“ nicht auf eine Extrabehandlung bestanden. Tageuichi Junnosuke saß während der Fahrt zwischen mir und Angela und schien uns unsere Unwissenheit über japanische Prominente nicht weiter krumm zu nehmen. Ganz im Gegenteil. Er war sehr nett, witzig und offen. So erfuhren wir zum Beispiel, dass er seit nun fast zehn Jahren in einer Boygroup arbeitete, deren Namen ich schon einmal irgendwo aufgeschnappt hatte. Außerdem wies er uns darauf hin ihn ruhig Junno zu nennen anstatt Mr. Tageuichi, wie wir es der Höflichkeit halber erst taten. Nach einer halben Stunde hatte ich auch meine Enttäuschung darüber überwunden, dass ich nun doch niemanden von Arashi begegnen würde. Doch nicht nur Junno, sondern auch Cathy Hills überraschte uns mit ihrer ungezwungenen und liebenswürdigen Art. Wir erfuhren, dass sie ursprünglich aus Texas kam und eigentlich mit einem ziemlich eigenwilligen Akzent redete. Außerdem erzählte sie mir, dass sie als Kind auch oft Gedichte und Geschichten geschrieben hatte und wir tauschten ein wenig unsere Erfahrungen aus. Es war schon fast ein wenig schade als wir bei den Studios ankamen, weil ich doch noch so viele Fragen an die beiden hatte. Zum Beispiel hätte ich noch gerne mehr über die anderen Schauspieler erfahren... „Angela kann mit Selina und unseren beiden Darstellern schon mal zur ersten Kostümprobe gehen. Die anderen beiden kommen mit mir“, erklärte Jared nachdem wir ausgestiegen waren. Er wirkte immer noch sehr angespannt. „Werden denn schon die ersten Szenen gedreht?“, fragte ich überrascht während wir über unendlich viele Flure und Treppen liefen. „Nicht offiziell. Es sind erste Proben für die Pilot – Episode. Wahrscheinlich wird sie nicht ausgestrahlt werden, aber es ist wichtig für die Schauspieler schon mal ein Gefühl für ihre Rolle zu bekommen und außerdem legen wir die ersten Kameraeinstellungen fest“, klärte Mr. Goad mich auf „Die Drehbücher der ersten vier Episoden stehen allerdings schon fest. Sarah, bring das bitte in die Chefetage“, Jared drückte einer jungen Frau, die uns zufällig auf dem Flur begegnete einen Aktenordner ins die Hand, „du hast also erst mal nichts zu tun, Nele. Du kannst dir ja schon mal Gedanken über die fünfte Episode machen.“ „Gibt es denn schon eine Vorstellung über den Ausgang der Story?“, wollte ich wissen und wunderte mich gleichzeitig, dass ich so viele Handlungsfreiheiten hatte. „Darüber musst du mit Clarissa sprechen. Sie wartet schon auf dich“, ein wenig unsanft schob er mich in einen kleinen Raum und lief dann ohne ein weiteres Wort weiter. „Viel Spaß“, Mr. Goad zwinkerte mir noch zu und dann fiel die Tür hinter mir ins Schloss. Die Geräusche von Schritten, Faxgeräten, Telefonen und Stimmen wurden dadurch gedämpft. Ich hatte kaum Zeit mich zu orientieren, da hörte ich vor mir ein Räuspern. „Setz dich, Nele. Wir können gleich anfangen“, Clarissa deutete auf einem Stuhl, der vor ihrem Schreibtisch stand. Sie blickte nicht mal von ihrem Computermonitor auf während sie gleichzeitig mit der anderen Hand in die Tasten haute. Im Zeitlupentempo bewegte ich mich auf den besagten Stuhl und sah mich neugierig in dem kleinen Büro um. Rechts von mir war eine große Schrankwand, voll mit Büchern, Videokassetten und DVDs. Sonst hingen an den Wänden nur Filmposter und jede Menge Post – it‘s mit kleinen Notizen, unter anderen zu den Charakteren ihres derzeitigen Drehbuchauftrags. Ich wartete geschlagene zwanzig Minuten bevor Clarissa mich endlich anblickte. „Hast du dich schon an New York gewöhnt?“ Ich wollte ihr gerade erklären, dass ich bisher noch nicht viel von der Stadt gesehen hatte, da redete sie auch schon weiter: „Schön, da du ja bereits schon Erfahrungen beim Fernsehen gesammelt hast, brauche ich dir ja nicht mehr viel erzählen. Wenn du Fragen hast, dann kannst du sie natürlich jederzeit stellen. Mein Büro ist immer offen für dich, aber wundere dich nicht, wenn es etwas dauert bis ich dir antworte. Wenn ich schreibe, dann nehme ich kaum noch etwas anderes wahr“, sie lachte, „jeden zweiten Abend haben wir eine Autorenbesprechung, da wirst du auch noch andere Mitarbeiter kennen lernen. Die Termine werde ich dir noch in einer Mail schicken. Unsere Arbeit wird auch sonst größtenteils übers Internet verlaufen. Ich schicke dir jeden Abend einen Entwurf meiner Skripte und du arbeitest sie bitte erst mal durch. Danach schreibst du mir eine ausführliche Kritik und bringst deine eigenen Ideen mit ein. Wenn ich mit deiner Arbeit zufrieden bin, dann darfst du auch eigene Episoden ganz alleine schreiben.“ Ich nickte, denn mir schwirrte bereits der Kopf. Sie redete so schnell, dass ich mit meinen Notizen kaum hinterher kam. Ich hatte nicht gedacht, dass ich wirklich eine so große Rolle spielen durfte und das gleich von Anfang an. „Hier beim Sender konnte ich leider kein eigenes Büro für dich einrichten lassen, weil alle Räume schon belegt sind. Aber wir haben uns gemeinsam für dich etwas anderes überlegt.“ Ich horchte auf. Sie hatte am Vortag etwas von einer Überraschung erwähnt und ihr Gesichtsausdruck besagte, dass sie mir diese gerade eröffnete. „Die drei Hauptdarsteller sind zusammen in einem Penthouse untergebracht, um sich besser kennen zu lernen. Da habe ich mir gedacht, dass du dort doch auch mit einziehen könntest. Das könnte dir helfen die Charaktere besser auf die Darsteller zu schneidern. Du hättest dein eigenes Zimmer, aber müsstest dir die anderen Räume mit drei anderen teilen. Wie in einer WG: Also, was sagst du dazu?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)