Course of Time von LittlePuppetFreak ================================================================================ Kapitel 35: Die Kunst, nach der man lebt ---------------------------------------- Am nächsten Morgen war Tobi weg. Um genau zu sein, konnte ich nicht mal genau sagen, wann ich eingeschlafen war, irgendwann war es einfach passiert. Um ehrlich zu sein, war es auch kein schöner Gedanke, dass Tobi solange noch bei mir gewesen war – sein Verhalten am Vortag, vor allem seine Worte, waren einfach nur noch beunruhigend und zeigten eines ganz klar: Er hatte mich als Ziel gesetzt, auf irgendeine Art und Weise wollte er meine Zuneigung. Sasori spielte dabei in seinen Plänen eine mindere Rolle, scheinbar mochte der Maskenträger ihn nicht besonders. Er machte den Puppenspieler für all das Leid verantwortlich, nicht Orochimaru. Langsam setzte ich mich auf. Die Sonne warf bereits ihr Licht durch das Fenster und blendete mich. Meine Augen fühlten sich furchtbar an, wahrscheinlich wegen der elenden Trübsalblaserei, die ich langsam ja so satt war. Das Heulen, das Wimmern, das Jammern – das passte zu einem Kind, doch nicht zu mir. Es wurde Zeit, wieder normal zu werden. Danna lag nicht mehr im Bett. Er saß aufrecht auf einem Stuhl am Fenster und starrte nach draußen, auf seinem Schoß ein aufgeschlagenes Buch, welches Kakuzu ihm mitgebracht hatte. Ich wusste, wenn ich ihn ansehen würde, würde ich nur diesen leeren Blick erkennen. Seit der Geräuschkulisse des vorherigen Tages, die aus seinem Zimmer gekommen war, ließ mich der Gedanke nicht los, dass wesentlich mehr in Orochimarus Versteck geschehen sein musste, als wir ahnten. Kisame und Itachi hatten die Suche nach Orochimaru bereits aufgegeben. Es gab keine Hinweise, als ob der Boden ihn verschluckt hätte. Keine Hinweise, keine Tipps, keine Zeugen. Als hätte es ihn nie gegeben. Leider war dem nicht so und Danna schien seine Wut und seine Rachegedanken immer weiter in sich hinein zu fressen. Es würde zwar dauern, bis er wirklich gesund war, doch das hielt ihn nicht davon ab, immer wieder Nachrichten zu schreiben. Es kam oft vor, dass ich ihm Botenvögel bringen musste, die er zu seinen Gefolgsmännern aussandte – er suchte auf eigene Faust. Das Leben in der Basis normalisierte sich derweil vollkommen. Jeder ging seinem gewohnten Gang nach, und nach nicht allzu langer Zeit wurde auch Sasori wieder auf Missionen geschickt, zusammen mit mir. Es war ungewohnt, an seiner Seite kämpfen zu dürfen, doch schnell fielen wir wieder in unseren alten Rhythmus und auch unser Leben normalisierte sich zusehens. Vielleicht auch zu normal... Niemals wurden die Worte ausgesprochen, die in meinem Kopf saßen und sich so sehr einfraßen wie Sasoris Rachegelüste. Wahrscheinlich ahnte er es gar nicht, hatte es wahrscheinlich schon wieder vergessen, zusammen mit anderen kleineren Erinnerungen an die Zeit von vor einem Jahr. Es hatte ihm einfach nicht viel bedeutet und was ihm nichts bedeutete, das hatte auch seine Amnesie nicht überlebt, zumindest nicht in seinem Herzen. Auf der Mission sprachen wir nicht viel. Schweigend standen wir nebeneinander auf dem Rücken meines Tonvogels und sahen geradeaus. Nur einmal kurz huschte mein Blick nach unten, zu der grau-grünen, fast immer gleichen Landschaft unter uns. Und fast hätte ich es nicht erkannt. Wir flogen gerade über Amegakure hinweg, dem Dorf, in dem Danna und ich unsere Mission erledigt hatten – die Mission, auf der er mir seinen Körper gezeigt hatte. Meine Kopfgeldmission. Wieso hatte ich damals nochmal so viel Angst vor ihm gehabt...? Im letzten Jahr war mir sein Puppendasein beinahe belanglos vorgekommen. Was sollte daran denn auch schlimm sein, immerhin hatte er so sicher besser überleben können. Auch wenn Orochimaru ihn so unter seine absolute Kontrolle bekommen hatte... Schnell verdrängte ich den Gedanken – Danna redete ja auch niemals über diese Zeit. In der Stille unseres Schweigens passierte in meinem Kopf der Erinnerungsstrang der Mission. Es waren schöne Momente gewesen und auch weniger schöne. Der Kampf mit dem Mann, in dem Danna mich getestet hatte. Sein Kampf gegen die Anbu in der Einlösestelle – sein augenscheinlicher Tanz mit den Marionetten, der so elegant wirkte, als sei es gar keine Kampftechnik, sondern ein spezielles Ritual. Und dabei fiel mir noch was ganz anderes ein... Sofort fing ich an zu kramen. Sasoris Blick wandte sich zu mir. Ich spürte seinen fragenden Blick, doch ich hatte schon gefunden, was ich gesucht hatte: Mein Geldbeutel. „Was willst du jetzt mit Geld, Deidara?“ Ich antwortete nicht, sondern kramte einfach einen Moment darin herum und reichte ihm dann ein bisschen Geld. „Was will ich damit?“ „Ich schulde dir doch noch was, Danna, un“, ein breites Grinsen schlich sich auf mein Gesicht. „Du hast mir mein Shirt bezahlt, weißt du nicht mehr? Und ich habe nicht so gerne Schulden.“ Einen Moment sah er noch ein wenig ratlos aus, doch dann nahm er das Geld an. Sein Mundwinkel zuckte kurz zu einem nicht ganz so freudlosen Beinahe-Lächeln wie sonst. Auch mussten wir feststellen, dass er wesentlich ungeduldiger geworden war. Anscheinend machte ihm die Tatsache, dass er ein Jahr lang nichts getan hatte, mehr aus, als er zugeben wollte. Ständig bat er Pain, ihm Missionen zu geben. Und fast jedes Mal brachte er einen Shinobi mit – mal jünger, mal älter. Irgendwann sah ich mir ihre Gesicher nicht mal mehr an, denn es lohnte sich nicht; jedes Mal, wenn sie zusammen mit Danna in seiner Werkstatt verschwanden, kamen sie nie wieder lebend heraus. Nur als Puppe konnte man sie später noch bewundern, im nächsten Kampf, in dem er sich den Nächsten holte. Irgendwann irritierten mich die Schreie aus diesem kleinen, dunklen Raum schon gar nicht mehr. Im Gegenteil: Ich lernte, sie vollständig zu ignorieren. Sie wurden monoton, bis auch das letzte Wimmern erstarb, immer wieder. Es war mein Training, wieder ich selbst zu werden. Auch Kakuzu nutzte Sasoris Genesung aus: Er lernte medizinische Grundlagen. Mit seinem neu gewonnenem Wissen und den wachsamen Augen des Puppenspielers half er Sasori nun, wieder vollkommen auf die Beine zu kommen. Es funktionierte und bald waren die Verletzungen am Herzen nur noch eine Erinnerung. Nur die dicken, schlecht heilenden Narben über dem Zeichen blieben ein fester Bestandteil seines Körpers. Es würde wohl noch Monate dauern, bis es wieder so aussah wie früher. Manchmal erwischte man ihn, wie er gedankenverloren darüberstrich und seine Augen wieder abdrifteten, in einen vergangenen, für mich wahrscheinlich unbekannten Moment mit anderen Menschen. Das tat er oft, meistens erinnerte er mich dann an eine Puppe. Oder an den Kampf auf dem Feld, auf dem ich ihm das erste Mal nach seinem augenscheinlichen Tod wiedergesehen hatte. Auf dem er mich fast getötet hätte... Still stand er da, es war bereits kurz vor Mitternacht. Seine Augen waren starr nach draußen gerichtet, durch das Fenster, hinter dem finsterste Nacht Einzug hielt. Nur ganz schwach konnte ich ihn von meinem Bett aus sehen, grob waren seine Konturen erkennbar, sein Profil... Keinen Zentimeter bewegte er sich, wie eine Skulptur, die Hand auf dem Herzen, vollkommen bewegungslos. Meine Augen wanderten an ihm hinunter. Er trug nur die typische Dreiviertelhose, noch von der Mission heute, und ein graues Shirt über dem Puppenkörper. Still, beinahe lautlos, stand ich auf und näherte mich ihm. Mein Kopf arbeitete nicht wirklich, es war eher eine impulsive Handlung, doch es kam mir so notwendig vor wie das Atmen selbst. Wortlos schob ich mich zwischen ihn und das Fenster, legte meine Arme um ihn und schmiegte meinen Kopf an Dannas Herz. Was genau jetzt für eine Reaktion hätte folgen sollen, wusste ich nicht, allerdings hatte ich definitiv einen Schlag erwartet. Einen groben Stoß von sich weg, ein kleines Zischen, wie immer und eine zuschlagende Tür. Langsam hob er bereits mein Kinn an, gleich würde ein Aufschlag ertönen, vielleicht eine Ohrfeige oder... Ohne ein weiteres Wort legte er beinahe vorsichtig seine Lippen auf meine und sorgte damit dafür, dass jeder weitere Gedanke an eine imaginäre Ohrfeige abgeschüttelt wurde. Gleichzeitig legte mein Herz einen Zahn zu, schlug schneller und schneller, mein Kopf schaltete sich aus. Das Gefühl, die Wärme, die so seltsam harten und irgendwie auch weichen Lippen, das alles kam mir vertraut vor. Und es stimmte, es war nicht unser erster Kuss, allerdings auf eine bestimmte Weise ein so besonderer Kuss, dass er sogar unseren ersten Kuss einfach in den Schatten stellte. Sasoris Hand legte sich an meine Taille, die andere folgte wenig später, doch wanderte er bereits tiefer, schob mein Shirt hoch. Ich schwankte noch zwischen anschmiegen, vielleicht doch auf Abstand gehen und einfach weiterküssen, da meldete sich mein Körper bereits vollständig ab und meine Hände glitten ebenso unter sein Shirt – wenn auch wesentlich langsamer. Seine Finger hinterließen prickelnde Streifen an meinem Rücken, als er es immer weiter anhob und das Shirt schließlich zu Boden gleiten ließ. Gleichzeitig machte er einen Schritt nach hinten, zog mich dabei mit sich und setzte sich langsam auf die Bettkante. Wirklich halten konnte und wollte ich meine Balance nicht, also ließ ich mich auf seinen Schoß nieder. Während keinem Schritt hielt es einer von uns für notwendig, den Kuss zu lösen. Mein ganzer Körper prickelte inzwischen, jede Stelle, an der seine Hand und seine Finger ruhten, wurde warm. Auch ich nutzte die Initiative und zog ihm das Shirt aus, er ließ es zu. Langsam wurde ich sicherer, seine ganze Ausstrahlung war so ruhig, so sicher, als wäre es das normalste der Welt, dass wir hier so beieinander saßen, uns küssten und so innig miteinander umgingen, dass es meinem Herz schon beinahe einen schmerzhaft starken Stoß versetzte – genau das hatte ich mir die ganze Zeit über gewünscht: Nur bei ihm zu sein, ihn direkt in der Nähe zu haben und ihn berühren zu können. Kurz löste sich der Kuss, doch nur, damit Sasori seine Lippen an meinen Hals legen konnte. Erneut zog er damit eine warme Spur über meine Haut und automatisch legte ich den Kopf zurück, um ihm mehr Platz zu geben. Sofort nutzte er es aus und wanderte mit den Lippen zur Kehle und dann hinab zum Schlüsselbein. Ein leiser genüsslicher Seufzer entfloh meinen eigenen Lippen, meine Augenlider schlossen sich ruhig. Ehe ich es mich versah, hatte er mich ganz auf das Bett gedrückt und sich über mich gelegt, die Arme rechts und links von mir abgestützt. Seine Küsse wanderten hinab, weiter nach unten bis zum Bauch, wo er frech am Bauchnabel spielte. Ich legte meine Arme um seinen Nacken, genoss jede noch so kleine Berührung und Liebkosung, erwartete beinahe, dass er endlich die Hose wegschob... „Seit wann hast du die...?“, Sasoris Stimme ließ mich aufschrecken und die Augen öffnen. Er selbst lag immer noch über mir, Oberkörper frei, rechts und links abgestützt, doch seine Augen verweilten an meinem Hals. Verwirrt folgte ich seinem Blick und entdeckte die rote Skorpionenkette aus der Schublade seines Kindheitsschreibtisches. „Ich war bei dir... Ich sollte eine Schriftrolle stehlen und dabei bin ich in deinem Haus gelandet, un. Dabei habe ich dann deine Werkstatt gefunden...und die hier. Ich wollte sie nicht einfach dalassen, un. Bist du mir böse?“ Sachte schüttelte er mit dem Kopf. „Nein. Bist du mir böse, dass ich nicht weitergehen kann, als das hier gerade?“ Erneut kam mir in den Sinn, dass in diesem schrecklichen Jahr mehr vorgefallen sein musste, als ich es mir jemals denken könnte. Dinge, von denen er mir niemals erzählen würde. Und es blieb dabei. Sasori blieb in dieser Nacht neben mir liegen und hielt mich im Arm. In dieser Nacht und in vielen Nächten danach. Viele Worte blieben unausgesprochen. Niemals sprachen wir mehr über den Vorfall, der ihn damals dazu gebracht hatte, die Basis zu verlassen und in sein Verderben zu laufen. Niemals mehr sprachen wir darüber, dass ich in seiner Vergangenheit gestöbert hatte und Dinge wachgerüttelt hatte, über die er nicht nachdenken wollte. Erst zwei Monate später wagte er sich mehr. Es kam, dass wir tatsächlich miteinander schliefen. Und erst vier Monate später, lange nach seiner Rückkehr und den Geschehnissen, sprach er es aus. Dabei bezogen wir uns nur auf das Hier und Jetzt. Denn es war eine unausgesprochene Tatsache, dass wir ein neues Kapitel starten wollten, ohne Orochimaru, ohne diese Lügen, ohne Spiele und ohne Experimente. Wir waren kein gewöhnliches Paar. Vielleicht waren wir noch nicht mal ein richtiges Paar; es war eine seltsame Beziehung. Doch immerhin war es eine Beziehung und solange es so blieb, war alles gut. Wir wussten beide, dass wir eines Tages nicht mehr beisammen sein würden, denn als Nuke-nin führte man kein langes Leben. Doch dieses eine Mal erlaubte er mir, vollkommen nach meiner Kunst zu leben: Wie sollte man unter diesen Umständen nach der Ewigkeit leben, wenn man nur einen Moment hatte? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)