Course of Time von LittlePuppetFreak ================================================================================ Kapitel 18: Das Leben geht weiter --------------------------------- Ein nervtötendes Klopfen riss mich aus meinen Gedanken. Warum konnten sie mich nicht einmal in Ruhe lassen? Es nervte einfach nur noch, den ganzen Tag angequatscht zu werden. Als könnte ich nicht eine Sekunde alleine gelassen werden. Dabei war es genau das, was ich mir wünschte. Einfach eine Weile alleine zu sein, alleine mit meinen tausend Gedanken. „Deidara! Verdammt noch mal, hast du schon wieder abgeschlossen?! Du sollst das doch nicht mehr machen!“, kam Hidans Stimme von der anderen Seite der Tür. Inzwischen trommelte er schon gegen die Tür, sodass ich dachte, die Angel müssten jeden Moment brechen. Seufzend stand ich auf und drehte den Schlüssel widerwillig im Schloss herum. Das Schloss ging mit einem leisen Klacken auf. Hidan öffnete die Tür und begutachtete mich, wie jedes Mal, von oben bis unten. Das tat er seit Monaten. Wahrscheinlich, um sicherzugehen, dass ich nicht dünner oder blässer oder was auch immer geworden war. Vielleicht suchte er auch nach was anderem. Aber trotz allem war ich ja immer noch ich, irgendwie. Auch wenn ich mich nicht mehr so fühlte. Schon lange nicht mehr. „Ich habe geschlafen und wollte meine Ruhe, un. War das zu viel verlangt?“, murmelte ich leise, aber vorwurfsvoll. Mein Gegenüber zuckte mit den Schultern. „Hättest jetzt sowieso aufstehen müssen. Pain will dich sehen. Keine Ahnung, worum es geht.“, erklärte er und sah mich abwartend an. So blieb er eine ganze Weile, ohne auch nur Anstalten zu machen, wegzugehen. „Was willst du noch, un?“, war meine gemurrte Frage. „Ich geh mit dir dahin. Muss sowieso an seinem Büro vorbei, da kann ich dich auch gleich da abliefern.“ Jetzt drehte er vollkommen durch. „Ich bin durchaus in der Lage, alleine zu gehen, danke, un.“ Damit drängte ich an ihm vorbei, fast schon grob, aber das war mir egal. Dieses ewige Getue ging mir auf die Nerven. Kostete doch eh alles Zeit bis zum Geht-nicht-mehr. Abgesehen davon war ich erwachsen genug, um auf mich selbst aufzupassen. Niemand hatte das Recht, sich als meinen Beschützer auszugeben. Absolut niemand. Ich war und blieb Einzelgänger, nur für mich selbst verantwortlich. Mit eiligen Schritten und geradeaus gerichtetem Blick schritt ich durch die langen Flure, durch die ich schon so viele Male gelaufen war. Wobei ich ehrlich sagen musste, dass sie mir in den letzten Wochen und Monaten fremd geworden waren. Um genau zu sein, sogar im letzten gesamten Jahr. Seltsam, wie schnell die Zeit doch verging. Vor dem Büro des Leaders blieb ich schließlich stehen. Ohne zu zögern klopfte ich an und trat, ohne eine Antwort abzuwarten, ein. Es würde eh nur sinnloses Gerede geben von wegen ich solle endlich mal mit in den Gemeinschaftsraum gehen oder so. Alles nur Zeitvergeudung und Zeit war leider etwas, wovon der Mensch wenig zur Verfügung hatte. Manchmal einfach viel zu wenig… Pain sah mir bereits mit Augen entgegen, die eindeutig gemischte Gefühle zeigten. Er fühlte sich sichtlich nicht wohl in seiner Haut. Wahrscheinlich wegen mir. Keine Ahnung, warum sonst. „Du hast mich rufen lassen, un?“ Er nickte, fast schon nervös. Doch dann fasste er sich. „Es gibt etwas, was ich dir mitteilen muss, Deidara.“ Ich sah auf, halb desinteressiert. Wahrscheinlich wieder eine Mission, die ich mit irgendeinem anderen Akatsuki machen sollte. Wie immer inzwischen. Nichts Besonderes. „Es geht um deinen Partner und-…“, wollte er gerade ansetzen, doch ich unterbrach ihn mit funkelnden Augen. „WAS ist mit meinem Partner?!“, meine Stimme war nicht mehr als ein Zischen. Pain zuckte fast schon zusammen und biss sich auf die Lippe, bevor er weitersprach. „Ich weiß, das ist im Moment ein schwieriges Thema für dich, aber Sasoris T-… Abschied ist jetzt fast ein Jahr her. Du musst langsam darüber hinwegkommen. Wir alle haben keine Ahnung, was da zwischen euch war, aber Sasori ist gegangen und damit musst du dich abfinden, Deidara. Er wird nicht wiederkommen, aber es geht weiter. Du bist ein Akatsuki. Du brauchst einen Partner. Einen neuen Partner.“ Wut durchzuckte meinen gesamten Körper. Meine Fäuste kribbelten wie verrückt, drängten danach, dem Anführer mitten ins Gesicht zu schlagen. Nur nicht ausrasten, Deidara, nur nicht ausrasten… „Da war nichts zwischen uns! Er war eine Puppe, verdammt, nichts und niemand war ihm wichtig! Seid ihr zu blöd, um das zu verstehen?! Er war mir genauso scheißegal, also hört gefälligst auf, mich wie ein Kleinkind zu behandeln, un! Er war ein verdammtes Arschloch und ist gestorben. Ende der Geschichte! Und einen neuen Partner will ich erstrecht nicht, egal wer! Vergiss es, ich bleibe alleine, un! Ich hab keinen Bock auf noch so eine Geschichte!“ Meine flachen Hände knallten auf seinen Schreibtisch, direkt vor ihm. Meine Augen brannten wieder, wie sie es so oft taten. Der Schmerz meldete sich wieder. Auch nach einem Jahr schien er noch frisch und präsent, doch ich ließ ihm keinen Spielraum mehr. Meine Maske war über die Monate immer besser geworden, doch hin und wieder wollte sie nicht richtig sitzen, wie jetzt gerade zum Beispiel. Wahrscheinlich sah ich aus, als würde ich ihn jeden Moment töten – und das war auch keine Lüge. Ich könnte ihn ohne zu zögern töten, nichts in mir sprach dagegen. Rein hypothetisch betrachtet. Pain erwiderte meinen Blick. Er ruhig und gelassen, ich wutgeladen, mit blitzenden Augen. Es dauerte, bis die angespannte Luft zwischen uns mit Worten gefüllt wurde. „Ich verstehe. Du hast ihn also gehasst.“, schloss er kurz und sah mich ruhig an. Ich nickte und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. „Das ändert ein wenig. Aber auch nicht viel. Diese Geschichte wird sich nicht wiederholen, denn dein neuer Partner ist vollkommen anders als Sasori. Das Gegenteil. Du wirst von nun an mit Tobi zusammenarbeiten. Er wird dein neuer Partner sein und zu dir ins Zimmer ziehen.“ Das Bild von Tobi in Dannas Bett, welches schon lange nicht mehr nach ihm roch, zu oft hatte ich darin gelegen und den Kopf im Kissen vergraben, verursachte mir Würgereiz. Niemals in diesem Leben würde ich zulassen, dass so ein bescheuerter Kindskopf Dannas Platz einnahm. Niemand würde seinen Platz einnehmen. Es dauerte genau anderthalb Wochen, bis sie mich soweit hatten, dass ich mit Tobi redete. Wenn auch nur ein paar Minuten. Er war mir zu laut und zu aufgedreht. Ständig hüpfte er in der Gegend rum und nervte rum. Früher hatte ich ihn vielleicht noch ganz lustig gefunden, heute verabscheute ich ihn. Wenigstens würde er in seinem Zimmer bleiben. Ich durfte alleine in Dannas und meinem Zimmer bleiben. Gut so. Und nach einer weiteren Woche ging es eigentlich halbwegs, bis zu einem kleinen Vorfall… Ich war in den Gemeinschaftsraum gegangen, um von dort aus in die Küche zu kommen, um etwas zu essen. Es war relativ leer. Nur Hidan, Konan, Kisame, Tobi und ich waren anwesend. Alles war ruhig, nichts Besonderes. Hidan und Kisame spielten Karten, Tobi sah zu und stellte durchgehend irgendwelche Fragen und Konan saß da und blätterte in einer Zeitschrift. Als ich den Raum betreten hatte, hatte Konan mich freundlich angelächelt und ich hatte ihr zugenickt, wie ich es immer tat. Hidan hatte nur abgelenkt eine Hand gehoben, Kisame hatte gegrinst. Tobi hingegen hatte sich mir komplett zugewandt, war auf mich zu gesprungen und direkt vor mir stehen geblieben. Seine Stimme klang hoch und gut gelaunt, als hätte ihm gerade jemand erklärt, dass er morgen eine Dose Kekse zum Frühstück bekam. Er war vor mir herumgesprungen, mit seiner penetranten guten Laune und hatte mich plötzlich gefragt: „Sag mal, Deidara-san! Du hast doch Sasori-san immer Sasori no Danna genannt… Soll Tobi dich jetzt auch Deidara no Danna nennen? Oder lieber doch anders? Vielleicht sollte Tobi auch bei Deidara-san bleiben?“ Vielleicht hätte ich ruhig bleiben sollen, aber manchmal kommt diese Wut über mich, die ich einfach nicht kontrollieren kann. So auch zu diesem Zeitpunkt, denn ich verlor halb den Verstand. Ohne überhaupt nachzudenken hatte ich ihm schon genau auf die Maske geschlagen, wollte auf ihn losgehen, doch Hidan und Kisame hielten mich zurück. Seitdem hatte ich Tobi nicht mehr gesehen und auch die anderen nicht, denn ich war auf meinem Zimmer geblieben. Es tat mir nicht leid, was ich getan hatte. Das war wohl das Problem. Aber irgendwie musste ich ja trotzdem weitermachen. So kam es, dass ich irgendwann danach im Büro Pains stand, schon wieder, mit Tobi an meiner Seite. Mein neuer Partner. Ich würde ihn niemals so nennen können. Aber anscheinend musste ich das auch gar nicht, zumindest schien niemand großartigen Wert darauf zu legen. Diesmal ging es um eine Mission. Um unsere erste Mission als… Zweckgemeinschaft. Es so zu nennen, war zwar nicht wirklich professionell, aber es gefiel mir in dem Sinne besser. Vielleicht hätte es auch normal laufen können, wenn ich nicht einen kleinen Schrecken bekommen hätte, als ich die Missionsunterlagen in der Hand hielt. Wir sollten eine bestimmte Schriftrolle holen gehen, von einer relativ angesehenen Familie. Mein Problem war ein einziges keines Wort, welches mir ins Auge stach: Sunagakure. Die Mission fand in Suna statt. „Also, Sasori no Danna, so wie es aussieht, werden wir beide nach Sunagakure gehen, un.“ „Such dir gefälligst einen anderen aus!“ „ACH, un… Was war das denn, Sasori no Danna, un? Haben Sie etwa was gegen Suna?“ „Was soll ich gegen Suna haben? Es ist ein normales Dorf.“ Er hatte mir nie erklärt, was er wirklich an Suna auszusetzen hatte. Aber inzwischen konnte ich es mir vorstellen. Er hatte so reagiert, wie ich reagiert hätte, wenn wir eine Mission in Iwa hätten machen müssen. Dazu kam sein Aussehen. Alles an ihm sah so… ich weiß nicht, es erinnerte mich einfach an Sand, an Wüste… So rote Haare fand man auch nicht überall, aber in Suna sollte es eine solche Haarfärbung öfter geben, als in anderen Dörfern. Inzwischen war ich mir ganz sicher, dass meine erste Mission mit Tobi uns direkt in die Heimat meines Dannas führte. Am Morgen der Mission stand ich bereits früh auf. Das tat ich immer. Wer sollte mich schließlich sonst wecken…? Bereits um acht Uhr stand ich im Bad und band gerade meine langen Haare zu einem Zopf. Sie wollten nicht so recht wie sie sollten, doch nach einer Weile schaffte ich es doch, einen einigermaßen annehmbaren Zopf zu kreieren. Danach tat ich etwas, was ich wirklich lange nicht mehr getan hatte: Ich betrachtete mich ausnahmsweise mal eingehend im Spiegel. Nachdem Hidan einmal gesagt hatte, ich sähe aus wie gerade aus dem Grab gekrochen, dachte ich schon öfters mal darüber nach… Also sah ich in den Spiegel und riss die Augen erschrocken auf, was seltsam wirkte, denn irgendwie zeigten meine Augen keine wirkliche Reaktion. Sie schienen irgendwie trüb… ein wenig leer. Mein Gesicht war schmal und zum Kinn hin irgendwie spitz geworden. Um den Mund lag ein verbitterter Zug, als wäre alles, egal was kommen mochte, von Grund auf schlecht. Meine inzwischen blasse Haut machte den Eindruck auch nicht besser. Ich biss mir auf die rauen Lippen und hob leicht mein Shirt an. Der Anblick meines eigentlich normal gebauten Körpers machte mir, zugegebenermaßen, ein wenig Angst… Da war nichts mehr mit normal. Ich hatte wochenlang, vielleicht auch monatelang nicht mehr trainiert. Meine Arme wirkten schlaff und nutzlos. Außerdem hatte Konan vielleicht doch recht gehabt: Ich hätte mehr essen sollen. Selbst wenn der Appetit einfach nie da war. Meine Schultern waren spitz und knochig, mein Oberkörper sah nicht mehr wirklich bewundernswert aus, sondern besorgniserregend. Alles in allem: Ein persönliches Bild des Grauens. Wie hatte ich mich nur so verwahrlosen lassen können? Und so was nannte man Nuke-nin. Nach meiner etwas beunruhigenden Entdeckung im Bad machte ich mich daran, meine Tasche zusammenzupacken. Vorher war ich noch nie in Suna gewesen, war nur flüchtig am Rand der Wüste entlanggegangen, fasziniert von den endlosen Sandweiten. Es schien mir einfach unmöglich, dass Menschen dort leben konnten, vollkommen abgeschnitten vom Rest der Welt. Zugegeben, so oft hatte ich Sunas auch noch nicht gesehen. Höchstens ein paar. Jeder von ihnen verschwiegen und hart im Nehmen. Ich hatte schon von einigen Erziehungsmethoden dort gehört. Sand schmirgelt, hatte unser Sensei früher an der Akademie immer gesagt. Die Sunas sind abgeschmirgelt, abgehärtet. Harte Gegner, die anpassungsfähig sind. Wahrscheinlich würde ich gegen ein paar von ihnen kämpfen müssen. Als die Tasche mit allem gefüllt war, was man so brauchen würde, machte ich mich auf den Weg in die Küche. Ob starke Gegner oder nicht – die Wüste war ein Gegner für sich und auch diesen galt es zu bekämpfen. Also packte ich meine Tasche noch mit drei großen Flaschen Wasser voll, in der Hoffnung, dass es wohl reichen möge, bis wir im Dorf angekommen waren. Tobi wartete bereits im Gemeinschaftsraum, anscheinend mal wieder bester Laune. Das würde eine nervtötende Reise werden… „Deidara-Senpai, du bist aber früh auf den Beinen! Wie schön, dann können Tobi und Deidara-Senpai ja jetzt losgehen, oder?“, fragte er ausgelassen und hüpfte in der Gegend herum. Ich seufzte leise. „Ja, können wir und jetzt halt endlich still und komm, un. Dieses Gehüpfe macht mich nur nervös.“ Ohne ihn noch weiter zu beachten verließ ich den Raum wieder und hörte, wie er mir folgte. Seine unregelmäßigen Schritte, die immer wieder von abruptem Hüpfen unterbrochen wurden, gingen mir leicht auf die Nerven, doch ich zwang mich, mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Schließlich würden wir mindestens drei Tage unterwegs sein. Lustlos holte ich mit dem Bein aus und trat gegen den lockeren Boden. Mir war warm, ich hatte Durst und um ehrlich zu sein, hatte ich auch absolut keine Lust mehr, weiterzugehen. Natürlich könnte ich auch einfach einen Tonvogel formen, dann wären wir in ziemlich kurzer Zeit schon da, allerdings gab es da ein Problem: Ich weigerte mich schlicht, Tobi auf eins meiner Werke zu lassen. Sie waren nicht für ihn bestimmt, nur für mich. Tja und so kam es, dass wir nach knappen drei Tagen immer noch mitten in der Wüste herumirrten. Man sagte, Stolz wäre manchmal der Wegweiser zum Grab. In diesem Fall könnte das sogar stimmen. Das Wasser hatte auch nicht lange gehalten. Vor allem nicht, als Tobi gestern aus Versehen eine Flasche beim Trinken hatte fallen lassen und die Hälfte ihres Inhalts im Sand gelandet war. Ich hatte ihm fast aus Versehen eine auf den Hinterkopf geknallt und seitdem war er ruhig. Vielleicht war es auch der Durst oder die Hitze, die ihn schweigen ließen. Wenn das hier wirklich Dannas Zuhause gewesen war, dann war ich wirklich froh, in Iwa geboren worden zu sein. Diese ewigen Sandstürme und die Temperaturschwankungen machten mich noch fertig. Allerdings gab es einen einzigen Grund, warum ich nicht einfach umdrehte und die Mission als gescheitert abstempelte. Ohne diesen Grund, wäre ich wahrscheinlich schon lange wieder in der Basis zurück. Doch… ich wollte Gewissheit. Ich wollte wissen, wer dieser Sasori gewesen war, der mir damals den Verstand und die Vernunft geraubt hatte. Ich wollte wissen, um wen ich so trauerte und wegen wem ich eigentlich nachts aus schrecklichen Träumen aufwachte. Wessen Stimme es war, die mir immer noch im Kopf herumwirbelte, wie ein nie verblassendes Echo. Die Mission war mir egal. Aber er nicht. Und ich würde herausfinden, wer er gewesen war. Koste es, was es wolle. Vor uns tauchten die gewaltigen Mauern Sunagakures auf, als würden sie aus dem Sand emporwachsen und überlegen, wann sie uns verschlingen würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)