Winter Carols von Frigg ================================================================================ Kapitel 7: Türchen 7 - Wunschzettel ----------------------------------- Das Christkind kam immer nach dem Nikolaus um den Wunschzettel abzuholen. Der Brief musste säuberlich sein, selbst gemacht und mit einem kleinen Teller Kekse an Fensterbrett gestellt werden. Dann kam es über Nacht, um die Wünsche der Kinder abzuholen, damit sie auch bis zum heiligen Abend erfüllt werden konnten. Jedes Jahr hatte Seto brav seinen Brief geschrieben mit den verrücktesten Wünschen, die es gab. Später hatte er diese Tradition seinem kleinen Bruder beigebracht gehabt und gemeinsam hatten sie dann im Zimmer gesessen und an ihren Wunschzetteln gearbeitet. Einmal hatte es sogar ein Glitzerchaos gegeben, als Mokuba die Flasche mit dem Glitzer umgestoßen hatte und alles durch das Zimmer geflogen war. Die Partikel hatten sie sogar noch Ostern gefunden gehabt und jeder, der den Brief angefasst hatte, bekam funkelnde Finger. Dazu hatte die Heizung immer die Luft erwärmt und sie hatten bis Abends im Schein der Lampe und blinkender Fensterbeleuchtung daran gearbeitet, während draußen der Winter tobte und sich Frost an den Scheiben bildete. Meist gab es dann noch einen Spaziergang im kalten Schnee mit einer kleinen Schneeballschlacht, so dass sie durchgefroren nach Hause kamen und direkt in die heiße Wanne gebracht wurden. Seto hatte es immer geliebt mit Mokuba zu baden, mit den Lieblingsfiguren zu planschen und seinem kleinen Bruder die Haare zu waschen und den Rücken zu schrubben. Nach dem heißen Bad gab es immer das Abendessen mit Brot, Wurst und Gemüse. Dazu etwas lauwarme Milch. Während sich seine Eltern immer über Erwachsenenzeug unterhalten hatten, hatten er und Mokuba Pläne geschmiedet, was sie noch alles tun wollten nach dem Essen. Die Zeit bis zum Schlafen gehen schien endlos gewesen. Sobald sie aufstehen durften, bereiteten sie den Fenstersims für das Christkind vor. Der Teller mit Keksen und etwas Gemüse, immerhin sollte das Christkind nicht dick werden, wurde auf den Fenstersims gestellt, daneben lagen die Briefe. Mokuba hatte seinen immer versucht zu imitieren und immer die gleichen Wünsche aufgemalt und geklebt gehabt, was ziemlich niedlich gewesen war. Schon früher hatte seine Lieblingskarte, der weiße Drache, auf seiner Wunschliste ganz oben gestanden. Doch leider blieb dieser Wunsch jahrelang unerfüllt. Seto erinnerte sich auch gut daran, wie sie versucht hatten wach zu bleiben. Zusammen hatten sie unter der Decke gelegen, eng aneinander gekuschelt und das Fenster nicht aus den Augen gelassen. Mokuba hatte er abends immer ein Weihnachtsmärchen vorgelesen gehabt. Doch irgendwann waren die Augenlider auch schwer geworden und sie waren eingeschlafen. Die Milch war dann halb ausgetrunken gewesen, von den Süßigkeiten und dem Gemüse war nichts mehr da. Auch die Briefe waren fort. Mit leuchtenden Augen hatten sie die Krümel bewundert und sich ausgemalt, welcher Wunsch wohl erfüllt werden würde. Nachdem sie ins Waisenhaus gekommen waren, hatte diese Tradition ein schnelles Ende gefunden. Sie wollten wie jedes Jahr dem Christkind ihren Brief hinlegen, doch die Erzieher hatten ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sogar angefaucht, was der Unsinn sollte und das grade er, Seto, alt genug sei, um damit aufzuhören. Es gäbe doch gar kein Weihnachtsmann oder Christkind. Das wäre nur was für die Jüngsten. Wütend hatte man ihm die Zettel von Mokuba und ihm aus der Hand gerissen. So hatte er damals erfahren, dass alles eine Lüge war. Die Milch hatten seine Eltern getrunken, die Gemüsestücke hatten sie wieder in den Kühlschrank gepackt gehabt, um sie mit in die Schule und Vorschule einzupacken und die Kekse hatten ihren Weg zurück in die entsprechenden Dosen gefunden. Auch der Brief war nicht durch Zauberei durch das Glas gegangen und in die Hände eines Weihnachtsengels gekommen. Eine kleine Welt war zusammen gebrochen und er hatte angefangen erwachsen zu werden. Mokuba hatte ihn gefragt, was mit ihren Traditionen seien und er hatte ihm erklären müssen, dass diese sich geändert hatten. Fortan würden die Wunschzettel die Erzieher einsammeln und dem Christkind geben. Der enttäuschte Blick, dass sie nicht wie jedes Jahr ihre Tradition bestehen lassen konnte, hatte Seto fast das Herz gebrochen und es war keine leichte Aufgabe gewesen. Im nächsten Jahr hatte er aufgehört Briefe zu schreiben und sich stattdessen mit den Hausaufgaben beschäftigt oder anderen Dingen, während Mokuba fröhlich summend auf dem Boden gebastelt und geschrieben hatte. Mit breitem und stolzen Grinsen über seinen ersten eigenen Brief, den er nicht von Seto abgeschaut hatte, hatte er ihm ihn gezeigt. Es hatte ihn alle Mühe gekostet ihn nicht anzuschreien, dass es sinnlos wäre und dass diese Dinge doch nicht existierten. Aber sein kleiner Bruder glaubte noch daran und wenigstens er sollte das noch können, wenn er es schon nicht mehr gedurft hatte. Irgendwie hatte er es sogar geschafft gehabt, Mokuba zu sagen, dass er solche Dinge nicht mehr brauchte und zu alt dafür war, während sich wieder dieser enttäuschte Blick auf dem Gesicht seines Bruders gezeigt hatte. Dabei hätte er sich nur zu gerne zu dem Kleinen auf den Boden gesetzt, die Kataloge gewälzt und kleine Collagen als Wunschzettel gebastelt, wie früher. In der Zeit bei Gozaburo hatte diese Tradition gänzlich ihr Ende gefunden und war erst in den letzten drei Jahren wieder von Mokuba ins Leben gerufen worden. Seitdem lag immer am Tag von Nikolaus der Wunschzettel auf dem Fensterbrett, wenn Seto abends nach Hause kam. Zusammen mit ein paar Keksen und einem Glas Milch. Das Gemüse hatte Mokuba inzwischen komplett weg gelassen. Scheinbar sollte das Christkind, in dem Fall Roland oder er selbst, dick und rund werden. Dabei dachte Seto, dass sein Bruder längst aufgeklärt war über die Tatsache, dass es so etwas nicht gab. Aber scheinbar brauchte der kleine Wichtelelf das immer noch. Also sollte er es auch bekommen, auch wenn er dafür über seinen Schatten springen musste. All diese Erinnerungen strömten auf ihn ein, als er dieses kleine Plättchen mit den konservierten Schneeflocken zwischen den Fingern hielt und wie gebannt anstarrte. Keine Schokolade oder Parfümset von allen Fans der Welt konnte das aufwiegen, was dieses Geschenk aussagte. Es sagte doch klar und deutlich, dass der Beschenkte etwas Besonderes war. Oder nicht? Kuzuki hatte sich wirklich Gedanken gemacht und nicht irgendwas gekauft, wie der weibliche Teil seiner Fangemeinde. Was auch die vollen Körbe nur zu gut bewiesen. So winzig das Geschenk auch war, es brachte sein Herz zum klopfen. Mit Geld war das nicht aufzuwiegen und nun kam er zu dem Problem, dass er nichts für sie hatte, was das gleich stellen würde. Seto musste sich eingestehen, dass er damit gerechnet hatte, sie hätte ihm nur Schokolade besorgt oder etwas anderes simples. Eben wie die Fans auch, weil ihn keiner kannte und wusste, was er brauchte oder sich wünschte. Immerhin besaß er alles. Aber wäre es nur so ein klassisches Kakaoprodukt gewesen, hätte er ihr ebenfalls eines geben können. Genug hatte er ja in den Körben. Nun musste er sich genau überlegen, wie er diese Geste erwiderte. Immerhin sollte sie nicht denken, dass er undankbar war oder das nicht zu schätzen wusste. Aber Kuzuki sollte auch nicht glauben, er würde sie allzu sehr mögen. Daher fiel Schmuck schon mal weg, ebenso Parfüm. Bei letzterem stellte sich obendrein die Frage, welche Sorte sie bevorzugte, was er gar nicht wusste. Ein Abendessen auf seine Kosten in einem der noblen Restaurants der Stadt, nur sie und ihre Freunde oder Familie schien ihm zu einfallslos. Ebenso eine Einkaufstour durch die Mall auf seine Kosten. Die Preise würden dann von den Artikeln entfernt und die Dame wurde durch das Kaufhaus geführt und durfte sich das mitnehmen, was ihr zusagte. Der Preis spielte dann keine Rolle. Wobei hier die Gefahr bestand, dass sie vielleicht sogar viel zu unverschämt wurde. Auch wenn viele seiner Geschäftspartner das ihren Frauen schenkten zu Weihnachten und darauf schwörten, aber er war ja nicht mit ihr liiert und es schien auch ein wenig übertrieben. Aber was konnte dann dieses Geschenk aufwiegen? Seto wusste es nicht. Genauso wenig wusste Kaiba, wie er nun auf den Weihnachtsmarkt gekommen war mit den unzähligen bunten Lichtern und der lauten Musik, die ihm „Merry Christmas“ wünschte. Er stieß den Atem aus, der sich in Formen von kleinen Wölkchen sichtbar machte und zog den Schal etwas höher, so dass er die untere Hälfte seines Gesichts bedeckte. Die kalte Luft drang unter seine Kleiderschicht und er konnte spüren, wie die Wärme von seinem Körper gestohlen wurde. Auch die warme Luft der Autoheizung war schon verflogen. Stattdessen biss die Kälte in seine Haut und Seto merkte, wie sie sich anspannte. Er schob die Hände tief in die Taschen und fragte sich, wie er so tief sinken konnte, dass er wieder hier am Rande des Marktes stand. Diesmal sogar mit dem Ziel Kuzuki zu suchen. Nicht nur wegen des Geschenkes, sondern auch wegen Mokuba. Ein kalter Luftzug streifte sein Gesicht und er fröstelte. Seine Nase fühlte sich schon halb taub an und mit dem Rest seines Körpers war es nicht besser. Der Schnee war sogar etwas härter durch die Minusgrade geworden, die über das Land fegten. Sicherlich würde es diese Nacht sehr stark frieren. Eine überdimensionale Weihnachtspyramide drehte sich im Kreis mit den Figuren und ein Stand mit Räuchermädchen hüllte ihn ein. Kurz musste er Husten, als der Rauch in seine Lungen drang. Ein Weihnachtsmann zog an ihm vorbei und ging auf die kleinen Kinder zu, um sie zu beschenken, wenn sie ein Gedicht oder Lied aufsagen konnte. Es war das reinste Paradies für Weihnachtsfans. Wieder richtete Seto den Schal, atmete die kalte Luft ein und ging in die Massen hinein. Er zog das Stück Stoff um seinen Hals höher, ehe ihm noch der Rest vom Gesicht abfror und ging zielsicher durch die Stände. Für diese Aktion würde Mokuba ein Geschenk weniger unter dem Baum finden! Wie konnte er ihm das nur antun, sich so zu erniedrigen und grade heute waren einige Reporter mit Kameras unterwegs. Sowohl vom lokalen Fernsehsender, als auch von der Presse. Großartig. Kaiba konnte die Schlagzeile schon jetzt sehen. Keiner von diesen Paparazzis durfte ihn entdecken und geschickt bog er in eine Lücke zwischen einem Stand für Crêpes und Duftkerzen ab. Schnell ging er hinter den Ständen entlang und war dann gezwungen durch die Enge wieder in die volle Passage zu gehen. Schnell wich er einem Kinderwagen aus, der ihm vor die Füße rollte und umging noch einen Zusammenprall mit dem Ständer voller Ketten und Bänder. Der Duft von gebrannten Nüssen und Kastanien schlug ihm entgegen. Doch er blieb nicht stehen, um sich die Sachen anzusehen. Die Musik veränderte sich und wurde rockiger, während der Sänger und die Sängerin „Rockin‘ around the christmas tree“ sangen. Die Lampen flackerten und die Lämpchen an den Häusern gingen einen kurzen Moment später an. Auch die Beleuchtung über der Stadt sorgte für ein angenehmes warmes Licht, was die Besucher dazu anregen sollte viel zu kaufen und auch zu Essen und zu Trinken. Es erinnerte in an zu Hause und daran, was Mokuba aus der Villa gemacht hatte. Bald würde der Kleine auch einen Baum aussuchen wollen und ihn schmücken. Sein ganzes Wohnzimmer würde dann in so einem Licht getaucht sein, was förmlich dazu einlud sich dann unter eine Decke zu kuscheln, etwas zu trinken und beisammen zu sein. Kurz zog ein kleines Bild vor seinem inneren Auge vorbei, wie der Baum geschmückt am Fenster stand. Nur seine Lichter brannten und hüllten die zwei Personen auf dem Sofa in dem schwachen, gelben Licht ein. Er drückte jemanden an sich und bereitwillig schmiegte sich die blonde Person an seine Schulter, während er dieser einen Kuss auf die Stirn hauchte. Seto schüttelte über dieses abstruse Bild nur den Kopf und so schnell es vor seinem inneren Auge aufgetaucht war, war es auch wieder verschwunden. Wie kam sein Gehirn nur auf so eine schwachsinniges Bild? Dennoch erfüllte ihn die Vorstellung mit einer angenehmen Wärme. Doch auch diese war schnell verflogen, als der Wind an seiner Kleidung zerrte und in jede Ritze kroch, um ihn zum frieren zu bringen. Kaiba lief weiter und sah sich aufmerksam um. Irgendwo war doch der Stand mit den Fotografien. Der Glühweinstand hatte regen Andrang und Seto roch die Gewürze in der Nase, sowie den Alkohol, der reichhaltig ausgeschenkt wurde. Schnell lief er weiter, wich einem Mann mit Kamera von der nächsten Zeitung aus. Ein Chor von Kindern sang krumm und schief auf einer Bühne „Oh Tannenbaum“. Der Stand mit den verschiedenen Weihnachtssternen mit Lichtern drin und die Salzsteingrotte mit ihren überteuerten Lichtern spendete zusätzliches Licht. Die Verkäufer hinter den Ständen wirkten wenig glücklich in dieser Kälte zu stehen. Eine Frau klammerte sich mit roter Nase an ihre Tasse fest aus der heißer Dampf wich. Auch Kaiba musste gestehen, dass ein Tee gar nicht schlecht klang. Er fror tierisch und hatte das Gefühl seine Hose sei ganz steif von den Temperaturen. Immer wieder bewegte er die Hände in den Taschen, damit sein Blut nicht ins stocken kam. Mehrere Tüten schlugen ihm gegen das Schienbein auf seinem Weg und mit jedem Schritt verfluchte er seinen kleinen Bruder mehr und mehr. Jemand mit Angst vor Massen sollte sich nicht in dieses Gedränge begeben, doch zum Glück gehörte Seto nicht zu jenen. Dennoch würde er Mokuba nicht so schnell verzeihen! Nicht nur, dass er keine Ahnung hatte, was er Kuzuki sagen sollte, wenn er vor ihr stand, geschweige denn eine Idee oder überhaupt ein Geschenk hatte. Nein, Mokuba hatte dem ganzen ja die Krönung aufsetzen müssen indem er ihn, Seto Kaiba, dazu zwang, sie zu bitten für ihn zu arbeiten. Dabei sollte es genau umgekehrt sein. Sie müsste ihn anflehen, dass er sie einstellte. Während er wie gebannt auf die Schneeflocken gestarrt hatte, hatte er sich wieder in sein Büro geschlichen und sich mehrfach geräuspert, ehe Seto ihn wahr genommen hatte. Es war einfach nur peinlich. Jetzt dachte sein kleiner Bruder sicherlich, dass er gerührt war oder sonst irgendwie sentimentales. Dabei stimmte das gar nicht! Er hatte nichts dergleichen denken können. Lediglich sein Herz hatte unnatürlich schnell geschlagen gehabt. Aber das war kein Grund deshalb auszuflippen. Schnell ging er bei dem Gedanken weiter und wich gerade so einer Oma mit ihrem Wägelchen aus. Mokuba hatte ihm dann zum Glück doch noch unter dem Versprechen, dass er wirklich noch mit ihr redete und sich auch für das Geschenk bedanken würde, das Passwort gegeben. Seto hatte in dem Moment ein Dankgebet zum Himmel geschickt, dass er endlich arbeiten konnte, aber kaum hatte er das Passwort eingegeben und wollte auf den Dateiordner mit den wichtigsten Sachen zugreifen, als ihn der nächste Schlag getroffen hatte. Sein Bruder hatte wirklich an alles gedacht. Selbst an die Tatsache, dass er Seto kein genaues Datum abgeluchst hatte und er somit alle Zeit der Welt hätte bis Mokuba es vielleicht sogar vergaß. Doch nicht mit seinem kleinen Bruder! Anstatt seine Dateien mit Verträgen und Präsentationen zu finden, hatte Seto mehrere Ordner vorgefunden. Alle Fein mit einem Wort beschriftet, so dass sie am Ende sogar eine kleine Nachricht für ihn ergeben hatten. „Lieber Bruder, damit du auch wirklich dein Versprechen hältst, habe ich deine Daten versteckt. Wenn du es wissen willst, rede zuerst mit ihr, dann verrate ich dir, wo du dein Projekt findest. Wenn nicht…viel Spaß beim Suchen! Du hast die Wahl. Arsch hoch oder Suchen?“ In diesen Ordnern befanden sich weitere Unterordner und in diese ebenfalls. Ein kleines endloses Suchspiel und nachdem Seto etwa 100 Ordner durchgewühlt hatte, hatte er es aufgegeben. Mokuba hatte sogar die Suchfunktion deaktiviert gehabt, was ihm das ganze erschwert hatte. Nach weiteren zwei Stunden suchen, hatte er es aufgegeben und war zum Markt gefahren. Mokuba hatte er sogar in Kenntnis gesetzt gehabt und ihn gefragt, was wäre, wenn sie das Angebot ablehnen würde. Daraufhin hatte er nur mit den Schultern gezuckt und gemeint, sie müsse es ihm dann aufschreiben oder persönlich sagen. Was nichts anderes hieß, sein Bruder glaubte ihm nicht, wenn er zurück kam mit einer Abfuhr. Ein Seufzen entfuhr Seto bei dem Gedanken. Grade als er abbiegen wollte, hörte er ein lautes und zu seinem Leidwesen gut bekanntes Lachen. Wheeler! Kaiba drehte sich herum und musste zwei Mal hinsehen, eher hinter dem künstlichen Rauschebart, Mütze und Mantel den Straßenköter erkannte. Neben ihm lief Kuzuki. Doch im Gegensatz zu Wheeler steckte sie in einem weißen Samtkleid mit Engelsflügeln und einem Heiligenschein über den Kopf, der mit einem dünnen Draht in ihren Haaren befestigt war. Die Haare waren zu feinen Korkenzieherlocken gedreht und hochgesteckt. Ihre Wangen waren rot von der Kälte und Glitzer schimmerte drauf. In den Händen, die schon leicht bläulich waren, hielt sie einen Korb mit kleinen Nikoläusen. Alles in allem wirkte das Kostüm viel zu künstlich und als würde sie gleich in einem Theaterstück auftreten. Warm schien ihr ja auch nicht grade zu sein und am liebsten hätte er sie sofort gepackt, genauso wie Mokuba und in seine warme Firma gefahren. Der Anblick war kaum auszuhalten, ohne dass er selbst fror. Sie kicherte grade und ihr Atem erschien in der Luft. „Ich habe gestern ein Paket von meiner Familie erhalten“, sagte sie begeistert und ihre Augen leuchteten dabei, „Meine Oma hat wieder Marmelade gekocht und mir wie jedes Jahr selbstgemachten Tee aus ihrem Garten dazu geschickt. Das schmeckt immer großartig. Besonders zum Frühstück. Von meinen Eltern gab es mehrere Süßigkeiten. Ich weiß gar nicht wohin damit.“ „Du kannst es mir geben, wenn du es nicht willst“, unterbrach Wheeler sie und klaute sich einen Nikolaus aus ihrem Korb. Über ihren empörten Ausruf sah er geschickt hinweg. Schnell war das kleine Schokoladenprodukt ausgewickelt und in seinem Mund verschwunden. „Träum mal weiter!“, konterte sie kichernd und brachte ihren Korb voller Schokolade aus seiner Reichweite, ehe er alles verputzen würde. Denn der zweite Miniweihnachtsmann wurde ausgepackt und verputzt „Meine Eltern haben mir auch dazu passend Orangen und mein Weihnachtsgeschenk mitgeschickt.“ „Wieso dein Geschenk?“, fragte Joey mit seinen vollen Hamsterbacken, „Feiert ihr nicht zusammen.“ Sie schüttelte den Kopf und die Löckchen flogen nur so hin und her. Das Drahtgestell von dem Heiligenschein wackelte bedrohlich, hielt aber stand. „Nein, mein ältester Bruder muss im Restaurant arbeiten. Hochsaison versteht sich grade. Meine ältere Schwester ist grade für ein Studienjahr im Ausland und meine Eltern wollen lieber mit meinem jüngsten Bruder und Schwester nach New York fliegen und dort die Festtage verbringen.“ „Und deine Großeltern?“ Sie verzog etwas das Gesicht. „Sie sind inzwischen etwas zu alt dafür und kamen daher jedes Jahr zu uns angereist.“ „Oh verstehe und wenn du zu ihnen reist?“ „Das hatte ich auch überlegt, aber als einziges Mitglied der Familie dann dort aufzukreuzen finde ich ziemlich….naja….Mist. Daher hat der Familienrat bei uns beschlossen, dass wir für uns alleine feiern und das Familientreffen dann zu Silvester gemacht wird.“ „Okay, aber wenn du nichts vorhast, dann könnten wir ja zusammen feiern? Ich bin sicher Yugi und die anderen haben nichts gegen, wenn du dich zu unserer Runde im Restaurant dazu gesellst und mit deinen Plätzchen kannst du sie sicherlich überzeugen! Oder hast du einen Freund und feierst mit ihm?“ Seto beobachtete die beiden stumm und wie sie an ihm vorbei gingen, ohne ihn zu bemerken. Hatte er richtig gehört und der Köter lud sie dazu ein mit ihm zu feiern, als hätten sie ein Date? Irgendwie behagte ihm der Gedanke so gar nicht. Im Gengenteil, der Gedanke stieß ihm ziemlich sauer auf. Ein Knoten bildete sich in seinem Magen und leise knurrte er. „Na Wheeler. Suchst du neue Mitglieder für den Kindergarten?“, entfuhr es ihm und die beiden fuhren zu ihm herum. „Kaiba“, zischte Wheeler. „So heiße ich.“ „Ich weiß auch, wie du heißt.“ „Wieso musst du das dann unnötigerweise sagen?“ „Auf deinen blöden Kommentar muss ich doch sowas antworten!“ „Und das musst du mit meinem Namen tun?“ „Wenn ich könnte, würde ich mit deinem Namen auch dreckige Klos schrubben!“, fuhr ihn der Köter an und der Bart um sein Kinn bebte. „Wir sind heute ja wieder so kreativ, Wheeler“, sagte er trocknen und zupfte gelangweilt seinen Schal zurecht. „Bei dir reicht das!“ „Wenn du meinst, Wheeler. Aber dein hirnloses Niveau interessiert mich nicht. Such dir lieber einen Hydranten an den du pinkeln kannst.“ Damit wandte er sich Kuzuki zu, die sich im Hintergrund gehalten hatte. „Was habe ich Ihnen gesagt? Sie sollten nicht zu viel Zeit mit dem Streuner verbringen, wenn Sie keine Flöhe wollen!“ „KAIBA!“, fuhr Wheeler in lautstark an, so dass sich sogar einige Leute zu ihnen umdrehten. „Ich habe keine Flöhe und du kannst nicht jeden herumkommandieren! Naomie ist nicht deine Angestellte!“ „Das würde ich auch behaupten an deiner Stelle und jetzt lass die Erwachsenen alleine.“, sagte er und sah wieder zu Kuzuki. „Wir müssen reden. Allein.“ „Pass auf Naomie. Mit dem hält man keine drei Sekunden alleine aus. Da würd ich's mir nochmal schwer überlegen!“ Warnend sah er sie an und nahm ihre Hand, um sie zum weitergehen zu bewegen, doch sie blieb stehen. „Ich glaube, ich bin groß genug. Ich schaffe das“, sie grinste aufmunternd und stupste ihn mit dem Ellenbogen an. „Ich bin ein großes Mädchen. Stell dir vor, ich gehe sogar alleine nach Hause.“ Sie kicherte bei Wheelers verdutztem Anblick und entzog ihm ihre Hand, was Seto ein beruhigendes Gefühl gab. „Geh ruhig vor. Ich komme gleich. Da vorne ist eine Schülergruppe. Die kannst du schon mal beschenken. Wir treffen uns beim Crêpe stand.“ Wheeler nickte. „Gut, aber bleib nicht zulange. Sonst frierst du direkt ein.“ Damit verzog sich der Köter und er blieb alleine mit ihr. Seto musterte sie und er wusste nicht, wie er das Gespräch beginnen sollte. „Ist Ihnen nicht kalt?“, fragte er vorsichtig und sah sich ihre Hände an. Sie waren bläulich und rot. „Sehr dumme Frage!“, fuhr seine Fistelstimme dazwischen. „Sieht man doch!“ „Etwas“, antwortete sie und fuhr sich mit der freien Hand über den Handrücken, um sich zu wärmen. Das konnte man ja nicht mitansehen. Seto nahm ihre eiskalten Hände, die einer Leiche sogar Konkurrenz gemacht hätten, und zog sie mit zum Glühweinstand. Er konnte die Kälte sogar durch seine Handschuhe spüren. Wäre es nicht so kalt, würde er ihr seine geben. Ohne Proteste ließ sie es sogar zu. Schnell besorgte er zwei dampfende Tassen mit Schuss und reichte ihr eine. „Danke“, nuschelte sie und umfasste die Tasse. Ein erleichterter Seufzer entfuhr ihr. „Das tut gut.“ „Das glaube ich“, sagte er und beobachtete, wie sie sich erstmal an der Tasse wärmte. Noch immer kämpfte er gegen das Bedürfnis an sie mitzunehmen, damit sie nicht länger in dieser Kälte ausharren musste. Dabei war er nicht die Wohlfahrt und würde es auch bei sonst Niemanden tun. Nicht einmal bei Wheeler oder Muto. „Wieso lassen Sie sich das gefallen?“, fragte er und trank einen vorsichtigen Schluck. Die heiße Flüssigkeit brannte auf seinen Lippen und der Alkohol kroch seine Kehle entlang, wärmte seinen Magen und hinterließ ein angenehmes Gefühl im Körper. Kurzzeitig fühlte er, wie der Alkohol durch seinen ganzen Körper ging. „Es ist ja nur heute und zum Glück hab ich in einer Stunde Feierabend. Dann kann ich mich umziehen und mein Chef lässt für alle was springen und wir gehen noch was Essen.“ „Weihnachtsfeier?“, fragte er und nippte wieder an der Tasse mit den weißen Punkten drauf. Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nur Nikolausfeier. Wir gehen nur eine Kleinigkeit trinken. Mehr nicht.“ „Was stellen Sie überhaupt dar?“, fragte er und beobachtete, wie sie ihren ersten kräftigeren Schluck nahm. „Der brennt durch“, sagte sie und schüttelte sich durch die innere Wärme, die sich ausbreitete. „Sieht man das nicht? Ich bin das Christkind!“ Ein leichtes Lachen entfuhr ihm. Amüsiert blitzen seine Augen auf und er sah sie mit einem Lächeln auf den Lippen an. „Dann sollten Sie mal heute bei Mokuba vorbei schauen. Der wartet darauf, dass das Christkind seinen Wunschzettel abholt.“ „Davon hat er mir erzählt“, sagte sie ebenfalls mit einem Lächeln und nahm einen weiteren Schluck. Ihre Hände sahen inzwischen wieder lebendiger aus. Auch er nahm einen Schluck, um sich Mut anzutrinken. „Aber apropos Wunschzettel…“ „Ja?“ Fragend sah sie ihn an und legte leicht den Kopf schief. Seto zögerte und wiegte seine Worte sorgfältig ab. „Mokuba hat mir das Geschenk von Ihnen gegeben.“ „Hat es Ihnen gefallen?“ In ihrer Stimme klang etwas Hoffnung mit. Wieder zögerte er und überlegte, was er antworten konnte. Er würde den Teufel tun und ihr auf die Nase binden, was der kleine Gegenstand bei ihm ausgelöst hatte und wie hypnotisiert er es in den Händen gehalten hatte. Aber er wusste auch, was ihm die Fistelstimme in seinem Kopf nur zu deutlich bestätigte, dass es richtig wäre, ihr zu sage, dass ihn erfreut hatte. Zudem war da ein merkwürdiges Gefühl in seiner Magengegend, die nicht vom Alkohol stammte, was es ihm schwer machte, ihr diese Hoffnung zu zerstören. Es macht es ihm nicht leichter die passenden Worte zu finden. „Es ist interessant“, sagte er lediglich. „Du bist ein Idiot!“, zischte die Stimme in seinem Kopf. Ob er sich vielleicht doch mal in die Hände eines Therapeuten begeben sollte? So aktiv war sein Gewissen schon lange nicht mehr gewesen. Kuzuki gab keine Antwort und starrte in die Tasse, als hätte seine Antwort sie gekränkt. Seto trank einen weiteren Schluck und der Alkohol wärmte ihn von innen auf. Seine Glieder fühlten sich etwas weich an. Was Mokuba wohl denken würde, wenn er mit einer leichten Fahne wieder zurück kam? „Es war besser, als das, was mir die Fans geschickt haben“, fügte er hinzu und hofft inständig, dass er es damit nicht verschlimmert hatte. Fragend schaute sie ihn über den Rand der Tasse hinweg. Sie runzelte die Stirn und trank etwas von der warmen Flüssigkeit. „Haufenweise Schokolade und Pflegeprodukte“, erklärte er. Sie nickte wissend und stellte die rote Tasse ab. Das Licht ließ den Glitzer auf ihren Wangen funkeln. „Ihr Bruder hatte sowas angedeutet, dass bei Ihnen heute wohl wieder massenhaft Körbe eintrudeln mit Schokolade und dergleichen. Er meinte, er freut sich schon sehr darauf die Sachen essen zu dürfen.“ Zustimmend nickt er, aber Mokuba würde lange warten können bis er wieder etwas Süßes zwischen die Zähne bekam. Seto schaute kurz zu ihr und beide schwiegen. Ein Augenblick verstrich. „Ich hatte auch überlegt bei diesem klassischen Dingen zu bleiben, aber dann fiel mir ein, dass Sie das möglicherweise von den Fans auch kriegen. Außerdem weiß ich ja nicht, ob Sie einen speziellen Duft mögen oder eine Marke.“ „Eine gute Überlegung, die bei den anderen noch nicht ankam“, sagte er sachlich und umklammerte den Henkel seiner Tasse. Aus einem unerfindlichen Grund klopfte sein Herz ziemlich stark und pumpte den Alkohol schneller in sein Blut. Wieder verstrich ein Augenblick in dem sie schwiegen. „Ich hoffe, es war ok, dass ich das gemacht habe und nicht allzu aufdringlich?“ Ihre Stimme klang unsicher und Kuzuki wagte auch nicht, ihm in die Augen zu sehen. „Nicht mehr als von den Fangirls auch.“ „Wieso sagst du nicht, dass du dich gefreut hast und sogar gehofft hast, sie würde an dich mit denken, du Vollpfosten?“, fuhr ihn wieder sein Gewissen dazwischen, dem er keine Beachtung schenkte. Seto musterte sie und fragte sich, was sie grade dachte. Denn ihr Blick war auf die Tasse gerichtet. Mit dem Fingernagel kratzte sie an der Farbe herum. „Aber es ist dennoch Einzigartig und wirklich hübsch“, brachte er heraus und musste danach erstmal wieder einen Schluck nehmen. Der Inhalt wurde langsam knapp und er überlegte, ob er nachbestellen sollte. Sie nickte nur dazu und Seto gab es auf, ihr irgendwie sagen zu wollen, dass er es mochte. Scheinbar wollte es nicht klappen. „War es das? Wollten Sie mir nur sagen, dass das Geschenk einzigartig ist oder...?“, fragte sie und ließ den Rest des Satzes unausgesprochen. Kuzuki leerte die Tasse in einem Zug. „Ich müsste wieder arbeiten gehen.“, sagte sie und deutete hinter sich auf die Menschenmenge. „Nein, das war noch nicht alles“, sagte er und wiegte wieder seine Worte ab. „Mokuba hat mich eigentlich gezwungen hierher zu kommen.“ „Oh, das ist nicht grade das, was man einer Frau sagen sollte“, sagte sie unsicher, „Von meiner Seite aus müssen Sie nicht hier sein oder sich bedanken. Ich hab es gerne getan und ich erwarte auch keine Gegenleistung.“ „Ich weiß, aber wenn ich nicht mit Ihnen rede, dann kann ich nicht arbeiten.“ „Wie darf ich das verstehen?“ Erst jetzt fiel ihm auf wie zweideutig das das klang. „Mokuba hat mein Laptop gehackt, das Passwort verändert und mehrere Ordner angelegt, so dass ich nicht an meine Dateien heran komme, um zu arbeiten“, erklärte er. „Also im Grunde sind Sie nicht freiwillig hier, sondern sind dazu genötigt worden? Richtig?“ „Richtig.“ Sie seufzte schwer und schüttelte ganz leicht den Kopf. Seto wusste, wie das für sie klang, aber es war die Wahrheit. Würde Mokuba ihn nicht zwingen, wäre er gar nicht hier und würde auch nicht die Anstalten dazu machen. Irgendwie tat es ihm sogar leid, dass er sie so kränkte. Aber war die Wahrheit nicht besser, als zu lügen und ihr etwas vor zu machen? Immerhin sollte sie doch wissen, wie er war. Es gab genug Berichte über ihn, dass er ein direkter Mensch war und niemanden etwas vor machte. „Außer dir selbst, Torfkopf!“, fuhr ihm die Stimme wieder zwischen seinen Gedanken. Die nervige Stimme ignorierend, suchte er nach Worten. Dabei bemerkte er, wie sie sich auf die Lippen biss und darauf herum kaute. Mit der Zunge fuhr sie sich über die Lippen, nahm dabei einen kleinen Tropfen Glühwein mit, der am Mundwinkel hing. Kaiba räusperte sich. Was wollte er noch sagen? Er wusste es nicht mehr. Der Wein brannte viel zu sehr in seinem Magen und in seinem Kopf festigte sich die Tatsache, dass er sie vor den Kopf gestoßen hatte und ob und wie er es ihr anders zeigen oder sagen sollte, dass er ihr Geschenk alles andere als aufdringlich empfand und irgendwie wollte er ihr ja doch sagen, dass alles in Ordnung war, aber brachte es einfach nicht über die Lippen. „Du machst dir aber ganz schön viele Gedanken um sie, dafür dass sie „nur“ eine Fotografin und Unbekannt für dich ist. Willst du ihr nicht doch sagen, was dich bewegt?“, fragte die Fistelstimme mit amüsierter Stimme. Aus Reflex hätte Kaiba diese Aussage sofort verneint, doch er konnte nicht Widersprechen. Tief in seinem inneren wusste er, dass die Stimme recht hatte. Zumindest nervte sie nicht so, wie der Köter oder andere Leute. Wieder ging sein Blick zu ihr und hing an ihren Lippen fest. „Wieso sind Sie Single?“, rutschte es ihm plötzlich heraus und er hätte sich am liebsten selbst dafür auf die Zunge gebissen. Überrascht blickte sie auf. „Also ich dachte, da käme jetzt was anderes, wenn Sie schon hier sind und mir erzählen, Mokuba erpresst Sie, aber gut…“ Sie lachte unsicher. „Wenn Sie das wirklich interessiert. Wieso nicht?“ Die Fotografin seufzte und wischte sich eine Locke aus dem Gesicht. „Ich wollte nicht mehr mit jemanden zusammen sein, der…nun wie hatte er es gesagt?“ Kurz überlegte sie. „Ah! …meint, ich sei klein wie ein Zwerg und der eine Fortbildung als Ausrede benutzt, um sich das Bett mit einer anderen zu teilen, weil er es ja keine drei Tage ohne ein süßes Häschen auf den Eiern zu balancieren aushält.“ „Er hat Sie also betrogen, weil er es keine drei Tage ohne Sex aushielt und weil Sie kein Riese sind?“, fragte er perplex. An ihrer zynischen Stimme konnte er hören, wie verletzt sie noch war. Kuzuki nickte. „Ja, er sagte es zwar nicht so. Aber sinngemäß war es das.“ Kaiba musterte sie. „Er ist ein Idiot“, sagte er. „Wie?“ „Er ist ein Idiot, wenn er Sie betrügt“, sagte er noch einmal nachdrücklich und wusste, dass es indirekt ein Kompliment an sie war. Kaiba verstand auch nicht, wieso man den Partner betrügen musste. Wenn man nicht zufrieden war, sollte man doch drüber reden oder die Sache beenden, anstatt dem anderen so weh zu tun. Wenn er sie so ansah, fragte er sich auch, wieso jemand so dumm war. „Vermutlich“, erwiderte sie schulterzuckend und holte ihn aus den Gedanken zurück. „Aber das war es bestimmt nicht, mit was Sie noch wollten, oder?“ Seto schüttelte den Kopf. Das war es wirklich nicht gewesen, was er ihr hatte sagen wollen. Aber was war es dann gewesen? Er hatte den Faden verloren. Kaiba trank den letzten Rest aus der Tasse aus. „Na los, frag sie endlich!“, fuhr sein Gewissen wieder dazwischen. Kurz holte Seto Luft, um auch zu fragen, hielt dann aber inne. Sein Blick hing wieder auf ihren Lippen. „Also…“, fing er an, „Der eigentliche Grund ist ja der, dass Mokuba mich erpresst hat.“ Die Fotografin nickte. Weiterhin blickte er auf ihren Mund. Ihr Atem wurde sichtbar. Sicherlich waren ihre Lippen ganz warm. Ihr süßes Parfüm stieg in seine Nase und ihm fiel auf, dass er an sie heran getreten war. Wann war denn das passiert? Er hatte es gar nicht bemerkt. Kaiba konnte jeden einzelnen Glitzerpartikel auf ihren Wangenknochen sehen und zählen. So dicht stand er bei ihr. „Ich weiß es nicht mehr…“, sagte er leise. „Hat es vielleicht mit Mokuba zu tun?“, fragte sie unsicher über die plötzliche Nähe. Kuzuki wich aber auch nicht zurück, worüber Seto auch irgendwie froh war. „Ich habe den Faden verloren“, gestand er leise und konnte ihren heißen Atem spüren. In seinem Magen krampfte sich alles zusammen und sein Herz pochte wieder, als würde er im Büro stehen und diese konservierten Schneeflocken betrachten. Genauso schnell und unruhig pochte sein Herz, pumpte den Alkohol in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit durch seine Blutbahnen. Er konnte es spüren, wie er sich ausbreitete und seine Sinne benebelte. Sein Gewissen blieb merkwürdigerweise auch still und half ihm auch nicht auf die Sprünge. Lediglich sein Bauchgefühl sagte ihm, dass es richtig war, was hier passierte und dass er jetzt keinen Rückzieher machen sollte. Sagte ihr Geschenk denn nicht genau das aus? Dass er für sie etwas Besonderes war? „Passiert Ihnen das öfters?“, fragte sie und er konnte nun ihren Atem auf seiner Haut spüren und den leichten Geruch von Nelken und Zimt vom Wein riechen. „Was?“, murmelte er und sein Herz schlug kräftiger. Seine Hand berührte ihre Schulter. „Dass Sie den Faden verlieren?“, fuhr sie fort und er hatte das Gefühl ihre Lippenbewegung auf seinen spüren. Doch da war noch ein paar Millimeter und kalte Luft zwischen ihnen. Der Wein brannte in seiner Kehle und sein Herz geriet ins stocken. Wieso zögerte er noch? Sein inneres sagte ihm doch genau, was zu tun war. Es forderte ihn praktisch dazu auf sie zu küssen, aber da war seine Gewohnheit. Seto Kaiba küsste nicht einfach so irgendjemanden wegen eines hübschen Geschenkes! Doch wenn er daran dachte, wie viel Liebe zum Detail und Arbeit dahinter steckte, ließ es ihn wieder alles vergessen. Kurz sah er zu ihr. In ihrem Blick lag Erwartung. Seto spürte das Beben ihrer Lippen, als ein lauter Schrei seines Namens den Moment zwischen ihnen zerriss. Sofort trat er zurück und richtete sich zu voller Größe auf. Kuzuki tat es genauso und sah verlegen zu Boden. Nichts an seiner Haltung verriet, was gerade beinahe zwischen ihnen passiert war und auch in seinem Gesicht war nichts davon abzulesen, so unnahbar wirkte der junge Firmenchef wieder. Seine blauen Augen gingen über die Menschenmasse, doch konnte er den Übeltäter nicht entdecken. Wenn es sein Gewissen war, konnte es was erleben. Dann würde er es sich sogar raus operieren lassen! Doch das schwieg bedächtig und nur wenige Sekunden später ertönte die Stimme erneut. „Setolein!“, schrie die weibliche Stimme und verunstaltete damit auch noch seinen Namen. Kurz sah er zu Kuzuki, die zurück gewichen war um noch mehr Abstand zwischen ihnen zu schaffen. Auch sie sah sich verwirrt um. Im nächsten Moment schlangen sich zwei Arme um seine Hüfte und ihm blieb die Luft weg. Jemand kam hinter ihm hervor. Eine junge Frau mit kurzen, schwarzen Haaren. Ihre Beine wirkten ellenlang. Ihr Outfit ließ ihn frösteln. Sie trug einen kurzen Wollrock und dicke Strumpfhosen. Dazu einen dicken Mantel mit Schal und Handschuhe. Ihre Stiefel reichten bis zu den Knien. Als ihr Blick Kuzuki streifte, verengten sich ihre Augen minimal und sofort schlangen sich beide Arme um seinen Hals. „Hallo, Setolein!“, trällerte sie fröhlich mit ihren rot bemalten Lippen, „Hast du mein Geschenk bekommen? Ich habe es extra aus der Schweiz importieren lassen! Was für ein wunderbarer Zufall dich hier zu sehen!“ Zu gern hätte Seto ihre Arme von sich genommen und sie zehn Schritte nach hinten gestoßen, doch ihre Arme waren wie die eines Klammeraffen und so schnell schien sie sich auch nicht abschütteln lassen zu wollen. Kurz sah er zu der Fotografin. Sie war weitere Schritte zurück getreten und sah sich unsicher um. Sie biss sich auf die Lippen, als überlegte sie, dazwischen zu gehen oder sich aus dem Staub zu machen. Sie durfte nicht gehen. Er hatte sie weder fragen können, was sie als Gegenleistung haben wollte oder ihr danken können, noch hatte er sie wegen des Jobs fragen können! Er sah zu der Klette an seinem Hals. Kaiba öffnete den Mund, um der wildfremden Frau zu sagen, sie solle ihre Griffel von ihm nehmen und ihn weder duzen noch beim Vornamen nennen, als er ihre Lippen auf seinen spürte. Ihr Lippenstift klebte unangenehm und die künstliche Vanille von ihrer Creme stieg in seine Nase, versursacht sogar leichte Kopfschmerzen bei ihm. Ihre Haare rochen nach verschiedenen Pflegeprodukten und Haarspray. Perplex starrte er auf ihr entspanntes Gesicht, sah den dunklen Lidschatten mit Goldton auf ihren Augenlidern und schaute dann über ihre Schulter hinweg. Kuzuki hatte den Mund geöffnet, um etwas zu sagen, klappt ihn aber wieder zu. Sie sah zu Boden, fuhr sich über die Lippen und drehte sich um. Der enttäuschte und traurige Ausdruck entging ihm dabei nicht. Sein Blick verfinsterte sich, als sie sich noch einmal kurz zu ihm umdrehte und sich dann gänzlich abwandte. Die Fotografin im Christkindkostüm verschwand zwischen den Leuten und Kaiba wusste, sie würde nun wieder arbeiten. Vielleicht sogar mit Wheeler darüber reden und dann erneut auf sie zu zugehen, wäre nicht möglich für ihn. Dafür war sie zu gekränkt und enttäuscht. Das hatte er in ihren Augen sehen können. Alles wegen diesem Fangirl in seinen Armen, das die Finger nicht von ihm lassen konnte! Dabei war er doch auf einem guten Weg gewesen. Er zog die kalte Luft mit den verschiedenen, künstlichen Gerüchen ein und schloss die Augen. Seine Hände umfassten ihre Schulter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)