Die Wölfe 5 ~Das Blut des Paten~ von Enrico (Teil V) ================================================================================ Kapitel 35: ~Die neue Leibgarde~ -------------------------------- Die restliche Zeit, bis Keshin auftaucht, verbringe ich in einem Liegestuhl. Frisch geduscht und mit neuen, trockenen Klamotten, habe ich es mir gemütlich gemacht und genieße die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut. Endlich mal keinen Papierkram, keine Termine, keine Aufträge. Die durchwachte Nacht fordert ihren Preis, ständig fallen mir die Augen zu. Nur noch gedämpft nehme ich das Gebell von Scotch und Brandy war, die mit Aaron und den Kindern im Garten üben. Der alte Mann hat sich bereit erklärt, seine Vierbeiner mit den Kindern vertraut zu machen. Er kennt die Tiere immer noch am besten. Hin und wieder blinzle ich in ihre Richtung. Rene bleibt noch immer auf Abstand, während Amy Scotch bereits erfolgreich dazu gebracht hat, sich hinzusetzen. Aaron macht das schon, da bin ich mir sicher und schließe die Augen. Ganz langsam gleite ich weg, meine Glieder werden immer schwerer, die ersten Momente eines flüchtigen Traumes, malen Bilder von Sonne und Strand in meine Gedanken. „Faulpelz!“ Erschrocken reiße ich die Augen auf. Judy steht neben mir, sie hat sich über mich gebeugt. Mit den Armen in die Seite gestemmt, schaut sich mich mahnend an. Ich brumme genervt, während mir das Herz noch immer hart gegen die Rippen schlägt. Verdammtes Weib, ich war gerade so schön eingeschlafen. Demonstrativ schließe ich die Augen und drehe den Kopf weg. „Wie du heute mit den Kindern gespielt hast, das … das war echt schön.“ Dafür muss sie mich nicht extra loben. Es war ja nicht so, als wenn es mir keinen Spaß gemacht hätte. „Wirst du dich jetzt öfter um sie kümmern?“ Muss sie eigentlich die ganze Zeit reden? Sieht sie nicht, dass ich versuche hier ein bisschen Schlaf nach zu holen? Seufzend öffne ich die Augen, mein erster Blick fällt auf unsere Kinder. Während meine Tochter dem großen Dobermann den Kopf krault, hält mein Sohn noch immer eine Schrittlänge Abstand und wirft der Hündin ein Stück Fleisch vor die Pfoten. Er wird mehr Lektionen brauchen, als die Hunde. „Du bist doch jetzt sowieso jeden Tag hier, warum ziehst du nicht bei uns ein. Vater hat genug Zimmer frei und so sparst du dir auch den lästigen Weg, jeden Tag von Brooklyn nach Manhattan. Toni führt doch jetzt die Wölfe und den Club, du brauchst also nicht mehr jeden Tag dort sein.“ Sie quasselt ja immer noch wie ein Wasserfall. Mein müder Geist, kann dem Inhalt ihrer viel zu schnell gesprochenen Worte kaum folgen. Ab der Hälfte habe ich schon nicht mehr zugehört. „Enrico? Sag doch was?“ Sagen, wozu? Worum geht es überhaupt? Ich muss mich zwingen die Augen offen zu halten, als ich sie ansehe. „Häh?“, ist alles was ich hervorbringen kann. „Hast du mir überhaupt zugehört?“ Ich schüttle den Kopf. „Ach du bist einfach unmöglich. Mit dir kann man sich nicht vernünftig unterhalten“, schimpft sie und stöckelt davon. Na endlich. Ich schließe die Augen und hoffe auf Ruhe, als etwas direkt neben mir in die Erde gestoßen wird. Wieder rast mein Herz und wieder fühle ich mich genötigt aufzusehen. Judy hat einen zweiten Liegestuhl direkt neben meinem platziert. Hochmütig schaut sie mich an, als sie es sich bequem macht. Sie lässt mich nicht schlafen, so viel steht fest. Ich seufze resigniert und versuche munter zu werden, im Liegestuhl drücke ich mich nach oben und strecke meine müden Knochen aus. Sie rückt ihren weißen Sommerhut zurecht und lehnt sich zurück. Mit geschlossenen Augen, das Gesicht in die Sonne gereckt, geniest sie die Wärme. „Hast du dir eigentlich schon überlegt, was mit unserem ungeborenen Kind werden wird?“, will sie wissen. Was soll mit dem sein? Es wird schlüpfen und hier bald eben so durch den Garten rennen und die Wachhunde verrückt machen. Ich muss schmunzeln, als Amy die schlaffen Ohren des Dobermanns aufstellt und ihn grinsend ansieht. Aaron hat alle Hände voll damit zu tun, ihr zu erklären, das Scotch es nicht leiden kann, wenn man ihm an den Ohren zieht und das ein breites Grinsen für den Hund eine Drohgebärde ist. Der Rüde selbst nimmt es gelassen. Er sitzt noch immer mit dem Hinterteil im Grass und kratzt sich am Halsband und den misshandelten Ohren. Der Pate macht sich gar nicht schlecht als Opa. Wer hätte gedacht, dass der alte Mafiosi so gut mit Kindern kann? „Enrico! Ich rede mit dir!“, erinnert mich mein Frau. Ratlos schaue ich sie an. Worum ging es gleich noch mal? „Was wird mit unserm dritten Kind, wie soll es weiter gehen, wenn es erst mal da ist?“ „So wie jetzt auch?“ „Kannst du nicht einmal ernst bleiben?“ Das ist mein ernst. Was soll sich schon ändern, wenn es erst mal da ist? „Was willst du denn von mir hören? Wir haben schon zwei Kinder, auf eines mehr oder weniger, kommt es jetzt auch nicht mehr an.“ Judy rollt mit den Augen. Das war schon mal nicht die Antwort, auf die sie hinaus will. „Wirst du dich darum kümmern? Wirst du hier sein, wenn es Nachts schreit, wenn es Zähne bekommt und die Windeln gewechselt werden müssen?“ Ach darum geht es ihr, um die ganze Drecksarbeit. „Du bist die Frau, das sind deine Aufgaben!“ Schlimm genug das sie nicht kochen kann. Wenigstens das mit dem Baby wird sie ja wohl hinbekommen. Judys finsterer Blick spricht Bände, auch das ist wieder nicht das, was sie hören will. „Es ist auch dein Kind!“ „Mag sein, aber ich bin mehr dafür da, ihm Fahrrad fahren beizubringen und es im Schnee zu vergraben.“ Bei dem Gedanken schleicht sich mir unweigerlich ein Lächeln ins Gesicht. Im Winter, vor dem Überfall, wollte Rene mir unbedingt, mit seiner kleinen Schaufel, beim Schippen des Fabrikhofes helfen. In seinem weißen Anzug, habe ich ihn ganz übersehen und unter einer Schippe Schnee begraben. Er hat gelacht und damit gespielt, also habe ich eine weitere Schippe über ihn geschüttet, bis nur noch sein Kopf heraus schaute. Wir fanden das lustig, Judy hingegen war alles andere als begeistert, hat mich beschimpft und das Kind schnell wieder ausgegraben. Auch jetzt straft sie mich, mit diesem grimmigen Gesichtsausdruck, von damals. „Das war nicht lustig. Er hätte krank werden können!“ „Rene ist ein Junge, du musst ihn nicht in Watte packen.“ Das bisschen Schnee hat das Kind nicht umgebracht und ihm hat es doch Spaß gemacht. Wo ist da das Problem? Judy legt sich die Hand schützend über den Bauch und betrachtet ihn Sorgenvoll. „Was machst du, wenn es ein Junge wird?“ Mich aufhängen? „Hoffen, dass er mir ähnlicher ist, als Rene!“, murre ich mit Blick auf meinen Jungen. Obwohl Aaron vor ihm kniet und Brandy am Halsband hält, wagt mein Sohn noch immer nicht, den Hund anzufassen. Dabei liegt die Hündin ganz entspannt im Gras und leckt sich die Pfoten. Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man denken, er ist gar nicht von mir. „Rene ist dir doch ähnlich. Ihr seid beide stur und dickköpfig, lasst euch von niemandem etwas sagen und wollte immer mit den Kopf durch die Wand. Selbst beim Essen schlingt er genau so schlimm, wie du. Also von mir hat er das nicht!“ Ganz unrecht hat sie damit nicht. Ich fahre Aaron auch ständig über den Mund und mache, was ich für richtig halte, ganz gleich, was von mir erwartet wird. Ist das vielleicht mein Problem mit Rene? Mein sturer Dickkopf hat mich schon oft in Schwierigkeiten gebracht. Für meinen Sohn wünsche ich mir eine friedliche Zukunft, nicht so etwas, wie mein Leben. „Also ich hoffe es wird ein kleines, süßes Mädchen“, sagt Judy liebevoll und betrachtet ihren Bauch. Sie streichelt sanft über die kleine Wölbung, die sich durch ihr Kleid hindurch abzeichnet. „Das hoffe ich auch“, stimme ich zu und rutsche an den Rand des Stuhls zu ihr. Ich lege meine Hand zu ihrer auf den Bauch. Er ist noch weich, bis wir die ersten Tritte spüren, werden noch ganze zwei Monate vergehen. „Wie wollen wir es nennen, wenn es ein Mädchen wird?“ Sie strahlt, so glücklich hat sie schon lange nicht mehr ausgesehen. Doch ihre Frage lässt mich die Stirn runzeln. Über einen Namen habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Bisher ist die Vorstellung, noch einmal Vater zu werden, viel zu abstrakt gewesen. „Ich weiß nicht“, entgegne ich wahrheitsgemäß. „Mir würde ja Anastasia gefallen.“ Entsetzt sehe ich meine Frau an. Muss das sein? Der Name ist viel zu lang und erinnert mich zwangsläufig an die Zarenfamilie Romanow. Abfällig schüttle ich mit dem Kopf. „Der Name ist zu lang. Da gefällt mir ja Ana noch besser!“ Nun ist es Judy, die abwehrend mit dem Kopf schüttelt. „Nein, bloß nicht. Wie wäre es mit Sophie, Emily oder Alice?“ Alles ist besser als Anastasia. „Von mir aus“, stimme ich zu. „Und wenn es ein Junge wird?“ Dann bleibe ich nicht lange genug da, um mir einen Namen auszudenken? „Ich weiß nicht, darüber mache ich mir Gedanken, wenn er da ist.“ „Also ich würde ihn ja nennen, wie den Papa.“ Wie mich? Nein! Ich schüttle mit dem Kopf. Ich bin zwar mit meinem Namen ganz zufrieden, aber mein Sohn brauch einen eigenen. „Nein, uns wird schon noch einer einfallen.“ Immerhin haben wir noch sechs Monate Zeit, bis wir wissen, was es wird. Der ruhige Nachmittag vergeht viel zu schnell. Als meine Frau sich ihren Pflichten im Haushalt widmet und mich endlich ein paar Minuten die Augen schließen lässt, ist es ein unheilvoller Schatten, der mich einmal mehr aus meinen Träumen reißt. Jemand ist zu uns gekommen und bleibt direkt vor mir stehen. Müde blinzle ich in das faltige Gesicht. Mit seinem Stock bewaffnet und dem üblichen Schmatzen auf den Lippen, betrachtet Kenshin mich einmal mehr abfällig. „Sieht nicht so aus, als wenn meine Dienste hier von Nöten wären“, richtet er seine Worte an Aaron. Der Pate lächelt amüsiert und kommt zu uns. Mit einer kräftigen Umarmung begrüßt er den Gast, bevor er ihm antwortet: „Sieh es ihm nach, seine beiden Kinder haben ihn heute Morgen fertig gemacht.“ Ich rolle mit den Augen und gähne herzhaft. „So so...“ Kenshin sieht sich im Garten um. Amy sitzt auf einer Schaukel, die von einem dicken Kieferast hängt und lässt sich von ihrem Bruder anschubsen. Der alte Mann legt die Stirn in Falten. Worüber denkt er wohl nach? Sein finsterer Blick auf meine Kinder gefällt mir nicht. Warnend schaue ich ihn an, als er sich wieder mir zuwendet. „Er ist kein Familien-Mensch, oder?“, spricht er in meine Richtung und meint doch Aaron damit. Ich schaue noch grimmiger. Was ist so schwer daran, sich mit mir zu unterhalten? Muss er bei jedem Thema erst Aaron ansprechen? „Nein, aber wir arbeiten daran“, entgegnet der Pate und schenkt mir ein warmherziges Lächeln. Wieder rolle ich mit den Augen. „Können wir endlich anfangen?“, versuche ich das Thema zu wechseln und erhebe mich. „Gute Idee. Du kennst ja die Rundenzahl ums Haus.“ Kenshin geht an mir vorbei und setzt sich auf den Liegestuhl, von dem ich gerade erst aufgestanden bin. Ist das sein ernst? Während ich mich abmühe, wird er hier faul auf der alten Haut liegen? Seinen Spazierstock stößt er in den weichen Boden und lehnt sich zurück. „Worauf wartest du? Fang an!“, fordert er aggressiv. Wie ich diesen Kerl hasse. Auch Aarons Blick ist auffordernd auf mich gerichtet. Er setzt sich auf die Liege, die Judy zu meiner gebracht hat und winkt mich mit der Hand weg. Wahrscheinlich wollen sich die Herrschaften einfach nur ungestört unterhalten. Seufzend komme ich ihrer Aufforderung nach und beginne die erste Runde ums Haus. Wenn ich mich richtig entsinne, hatte Kenshin am Tag zuvor von 15 Runden gesprochen. Ob er mitzählen wird? Die ersten Runden ist kein Problem und auch die Zweite fällt mir heute leichter. Ob das an den zwei guten Mahlzeiten liegt? Aaron und Kenshin befinden sich tatsächlich in einem angeregten Gespräch. Jester bringt ihnen gerade ein Tablett mit frisch gepresster Limonade und steigt in die Diskussion ein. Worum es dabei geht, kann ich nicht hören und es ist mir auch egal. Keiner der Drei achtet auf mich und ich beginne mich zu fragen, ob ich mich hier nicht völlig umsonst abmühe. Unter Training habe ich mir etwas anderes vorgestellt, als die ständigen Beleidigungen und lediglich ein paar Runden ums Haus zu rennen, während mein Trainer im Liegestuhl liegt und Limonade trinkt. Kopfschüttelnd verschwinde ich hinter dem Haus. Na zumindest kann ich so mein Lauftempo selbst bestimmen. Die dritte Runde laufe ich deutlich langsamer, immerhin habe ich noch ganze 12 vor mir. Als ich einmal mehr an den alten Herrn vorbei komme, steht mein Sohn bei ihnen. Verwirrt betrachte ich ihn. Was gibt es denn dort so interessantes? Kenshin hat seine knorrige Hand auf der Schulter des Jungen liegen und nimmt ihn ein Stück bei Seite. Als ich an ihnen vorbei komme, schaut er mich an und flüstert Rene etwas zu. Sein verschwörerischer Blick folgt mir, bis ich hinter dem Haus verschwunden bin. Was führt der Kerl schon wieder im Schilde? Schlimm genug, dass er mich die ganze Zeit dumm anmacht, wenn er auch noch meinem Sohn blöd kommt, dann lernt er mich mal richtig kennen. Ich beeile mich meine Runde voll zu machen, um zu sehen, was vor sich geht, als mich plötzlich kindliche Schritte verfolgen und einholen. Rene taucht neben mir auf. Er grinst mich breit an, während er mich überholt. Verwirrt schaue ich ihm nach. Was soll das werden? Hat Kenshin ihn dazu angestiftet? Der Junge legt ein ordentliches Tempo vor und hat bald drei Schrittlängen Vorsprung. Hin und wieder schaut er triumphierend auf mich zurück. Kein schlechter Schachzug, das muss ich dem Altmeister lassen. Mein Ehrgeiz ist geweckt. Ein Wettrennen mit meinem Sohn macht das langweilige Aufwärmtraining gleich interessanter. Ich setzte dem Jungen nach und habe ihn auf meiner nächste Runde endlich eingeholt. Mir ist gar nicht bewusst gewesen, welche Energie in diesem kleinen Kerl steckt. Ich muss mich mächtig anstrengen ihm auf den Fersen zu bleiben. Während ich neben Rene her laufe, schaut der Junge immer verbissener. Die ersten Schweißperlen bilden sich auf seiner Stirn und sein Atem geht bereits nach seiner zweiten Runde ruckartig und nur noch stoßweise. Dieses Tempo wird er nicht ewig durchhalten, aber aufgeben kommt nicht in frage. Ich werfe ihm einen anerkennendes Lächeln zu und lasse ihm eine Fußlänge Vorsprung. Sein zufriedenes Strahlen ist es mir wehrt, als ich hinter ihm zurück falle. Mir selbst rinnt bereits der Scheiß den Rücken hinab und brennt mir in den Augen. Neun Runden liegen bereits hinter mir. Am Tag zuvor lag ich schon schnaufend im Gras und auch jetzt möchte ich mich einfach nur fallen lassen, doch so lange Rene noch laufen kann, muss ich das auch schaffen. Schnaubend folge ich meinem Sohn, der auf der nächsten Runde immer langsamer wird. Ohne mich wirklich anstrengen zu müssen, hole ich ihn langsam ein. Immer wieder blickt er grimmig hinter sich, bis wir schließlich auf gleicher Höhe sind. Wir laufen einige Meter zusammen, dann sackt er schwer atmend ins Grass. „Was denn, gibst du schon auf?“ Ich grinse ihn an und bleibe ebenfalls stehen. Keuchend stütze ich mich auf die Knie. Schweiß läuft mir die Schläfen hinab und tropft mir vom Kinn. Auch ich möchte mich jetzt ins Gras werfen, aber noch liegen fünf Runden vor mir. Rene brummt röchelnd und kämpft sich noch einmal auf die Beine. Ich klopf ihm auf die Schulter. „Komm eine Runde schaffen wir noch!“, motiviere ich ihn und laufe voraus. Rene folgt mir hustend und schließt zu mir auf. Gemeinsam bringen wir auch noch die elfte Runde zu Ende, dann kapituliert er endgültig. Als wir an Aaron und Kenshin vorbei kommen, flüchtet er sich auf die Veranda und zur rettenden Karaffe mit Limonade, die Judy gerade dort abstellt. Er füllt ein ganzes Glas bis zum Rand und trinkt es hastig aus. Sehnsüchtig beobachte ich ihn. Das würde ich jetzt auch gern tun, doch Kenshins warnender Blick hält mich davon ab. Vier Finger streckt er mir entgegen, um mich an meine fehlenden Rundenzahl zu erinnern. Elender Sadist! Seufzend verschwinde ich hinter dem Anwesen. Nur noch vier Runden, dann werde ich mich auch so ins Gras werfen, wie mein Sohn, nehme ich mir fest vor. Eine Runde schaffe ich noch, ohne anzuhalten, dann habe auch ich genug. Ich brauche eine Pause, unbedingt. Im Schatten der Hauswand halte ich an und lehne mich an das kühlenden Mauerwerk. Meine Kehle ist ausgetrocknet und kratzig. Heiß brennt mein Atem in ihr und lässt mich immer wieder husten. Verdammt, es liegen noch immer drei Runden vor mir. Meine Beine brennen und zittern vor Anstrengung. Dabei ist das hier nur das Aufwärmtraining. Kenshin ist schon ein echter Sklaventreiber. Ich will mir gar nicht ausmalen, was mir nach diesen 15 Runden blüht. Nur unmerklich beruhigt sich meine Atmung, mein Herz trommelt nicht mehr so grausam, gegen meine Rippen. Nur der Schweiß läuft mir nach wie vor in Strömen von der Stirn. Ich wische ihn mir mit dem Handrücken weg und drücke mich von der Hauswand ab. Nur noch drei Runden, rede ich mir wie ein Mantra ein und laufe weiter. Als ich einmal mehr an Kenshin vorbei komme, beachtet der alte Mann mich nicht einmal. Er wuschelt meinem Sohn durch die Haare und lobt ihn mit einem breiten Lächeln im Gesicht, für die vielen Runden, die er geschafft hat. Ich bezweifle, dass er ein solches Lob für mich übrig haben wird. Kurz bevor ich einmal mehr hinter dem Haus verschwinde, wirft er mir einen seiner mahnenden Blicke zu. Sicher ist ihm aufgefallen, dass ich eine kurze Pause eingelegt habe. Ich nehme mir vor die restlichen Runden ohne durchzuhalten und merke, wie sich ein unerträgliches Stechen in meinen Seiten bbrennt. Mit jedem Schritt wird der pulsierende Schmerz schlimmer. Er zieht sich die Leiste hinab bis in meine Beine. Nun ist es nicht mehr länger die Anstrengung, die mich keuchen lässt. Ich schaffe gerade noch so die 14. Runde, dann verweigern mir meine Beine den Dienst. Ich falle ins weiche Gras und glaube ersticken zu müssen. Sofort spüre ich Kenshins finsteren Blick auf mir, doch das ist mir herzlich egal. Keuchend drehe ich mich auf den Rücken und halte mir die hämmernde Seite. Ich habe es übertrieben, eindeutig. Gleich sechs Runden mehr als gestern. Der alte Mann hat sie doch nicht mehr alle. Während ich versuche meinen rasenden Atem unter Kontrolle zu bringen und nicht an meiner staubtrockenen Kehle zu Grunde zu gehen, kann ich seine langsamen Schritte auf mich zukommen hören. Sein Stock begleitet ihn auch dieses Mal und stößt sich einen Moment später, neben mir in die Erde. Ich blinzle den Schweiß aus meinen Augen und lege die Hand schützend an die Stirn, um sein Gesicht im grellen Licht der untergehenden Sonne erkennen zu können. „Eine Runde fehlt noch!“, knurrt er. „Lehh mi hh!“, will ich ihm an den Kopf knallen, doch aus meiner zugeschnürten Kehle kommen nur ein krächzender Laute. Kenshin runzelt die Stirn. Ob er mich trotzdem verstanden hat? „Ich sehe schon, mehr schaffst du nicht. Komm wieder zu Atem, trink was, dann machen wir weiter.“ Er dreht sich von mir weg und kehrt mit langsamen Schritten auf die Veranda zurück. Ungläubig schaue ich ihm nach. Die letzte Runde bleibt mir also erspart? Ich atme tief durch und fühle mich erleichtert. Er hat recht, ich hätte wirklich keine weitere mehr geschafft. Irgendwie deprimierend. Seufzend drücke ich mich aus dem Gras und auf meine schmerzenden Beine. Mehr schlecht als recht stolpere ich zur Veranda. Judy füllt ein Glas Limonade, als ich bei ihr ankomme, reicht sie es mir. Dankend nehme ich es ihr ab und leere es gierig. Manchmal kann sie wirklich aufmerksam sein. Nach Atem ringend setze ich es ab und reiche es in ihre Richtung. Auffordernd sehe ich sie an. Ich brauche noch eines. Sie nickt verstehend und füllt den kläglichen Rest, der sich in noch der Glaskaraffe befindet, hinein. Auch das zweite Glas leere ich in einem Zug. Endlich erlischt die Hitze in meiner Kehle und das Atmen fällt mir leichter. Trotzdem schaffe ich es nicht, einen Satz im Ganzen zu beenden, als ich mich an Kenshin wende: „Soohh … was … was nun?“ „Wie viele Liegestütze schaffst du?“ Keine Ahnung? Das letzte Mal, als ich welche versucht habe, bin ich nach zehn schon kläglich gescheitert. Kenshin sieht mir meine Ratlosigkeit an. Er deutet mit einem Fingerzeig auf den Boden. „Dann finden wir es eben jetzt heraus!“ Hier? Vor Aaron und meiner ganzen Familie? Muss das sein? Als ich unentschlossen zurück schaue, zieht Kenshin die Augenbrauen kraus. „Gibt es ein Problem?“ Ja, irgendwie schon. Ich hasse es beim Training beobachtet zu werden. Beim Laufen konnte ich wenigstens immer wieder hinter dem Haus verschwinden. Zum strengen Blick des Altmeisters, gesellt sich Aarons auffordernde Mine. Ich habe nicht das Gefühl hier noch eine Wahl zu haben. Seufzend lasse ich mich vor ihnen nieder. Die ersten fünf sind kein Problem und auch nach zehn weiteren Liegestütze brauche ich keine Pause. Seit meinem letzten Versuch scheinen ich doch ein wenig Muskelmasse zugelegt zu haben. Ich beginne mich gerade darüber zu freuen, als der alte Mann sich von seinem Stuhl erhebt und mich umrundet. Er zupft an seinem Bart und murmelt: „Das geht besser, als ich gedacht habe, da müssen wir wohl den Schwierigkeitsgrad erhöhen.“ Fragen betrachte ich ihn. Der Altmeister sieht sich auf der Veranda um, sein Blick bleibt an meiner Tochter hängen, die mit einem Stück Kuchen in der Hand, auf die Veranda kommt. Woher sie das wohl gefunden hat? Jester hat den Kaffeetisch schon seit Stunden abgeräumt. Das Mädchen schiebt sich gerade den letzten Bissen zufrieden in den Mund und strahlt über beide Ohren. Wenn ich sie so ansehe, bekomme ich selbst Appetit auf Kuchen. Als sie mich bei meinen Übungen sieht, kommt sie zu uns. Mit schief gelegtem Blick mustert sie mich, ihre Mandelaugen werden fragend. Kenshin klemmt sich den Stock unter die Achseln und packt meine Tochter unter den Armen. Als er sie von ihren Füßen hebt, quietsche sie erschrocken und voller Entrüstung. Sie ist so laut und schrill, dass der Altmeister das Gesicht gequält verzieht und alle anderen sich die Ohren zuhalten. Auch mir geht ihr Geschrei durch Mark und Bein. Was packt er sie auch ohne ihre Erlaubnis an? Ich will ihm gerade ein paar Takte dazu sagen, als er das quietschende Mädchen auf meinem Rücken absetzt. Ihr Gewicht lastet schwer auf mir und bringt meine Arme zum Zittern. Ihre schrilles Geschrei tut mir in den Ohren weh. Ich bin heil froh, als er sein knorrigen Finger von ihr löst und sie wieder still ist. Verwundert schaut sich das Kind um und weiß gar nicht, was es dort soll. „So, mal sehen wie viel du jetzt noch schaffst.“ Gehässig blickt Kenshin auf mich herab. Finster schaue ich zurück. Ich habe schon genug damit zu tun, mein eigenes Gewicht zu stemmen. Muss es dieser Kerl immer gleich übertreiben? Der nächste Liegestütz fällt mir entsetzlich schwer, während ich mich wieder hinauf drücke, bebt mein ganzer Körper. Amys Beine beginnen zu schaukeln, sie gluckst vergnügt. „Noch mal!“, fordert sie und hüpft auf mir herum. Gott, wie ich diesen Greis hasse! So wie ich meine Tochter kenne, werden wir dieses Spiel den ganzen Abend spielen können. Ich schaue finster unter meinen verschwitzten Haaren zu ihm auf, doch er lächelt nur verschwörerisch. Langsamen Schrittes steuert er seinen Stuhl an und lässt sich darauf sinken. Nur zu gern würde ich ihn auch mal schwitzen und leiden sehen. Amy zu liebe quäle ich mich zu weiteren zehn Liegestütze. Während sie bei jedem auf und ab meines Körpers, ein freudiges Glucksen von sich gibt, läuft mir der Schweiß in Strömen von den Haaren ins Gesicht. Meine Arme, mein Rücken, meine ganzen Klamotten sind bereits durchgeschwitzt. Das Duschen hätte ich mir sparen können. „Noch mal!“, jubelt meine Tochter. Sie kennt eben so wenig Erbarmen mit mir, wie mein Trainer. Ich blinzle den Schweiz aus meinen schmerzenden Augen und tue ihr schwer atmend den Gefallen, als zwei Kinderfüße vor mir stehen bleiben. Mit den Händen in die Seite gestemmt blickt mein Sohn hochmütig auf mich hinab. „Noch mal!“, imitiert er seine Schwester und läuft um mich herum. Nein, das wagt er nicht. Warnend schaue ich ihn an, doch Rene lässt sich nicht beirren. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht setzt er sich ebenfalls auf meinen Rücken. Das zusätzliche Gewicht lässt mich aufstöhnen. Ich kann das Zittern meiner Gliedmaßen kaum noch kontrollieren. Immer mehr Schweiß läuft mir von der Stirn und trübt meine Sicht. „Los noch mal!“, ruft Rene gehässig. „Noch mal! Noch mal!“, stimmt Amy mit ein. Gott, wie ich meine Kinder hasse! Die paar Minuten Spaß mit Judy, sind das hier, echt nicht wert gewesen. Unter den auffordernden Blicken von Kenshin und Aaron, schaffe ich noch zwei Liegestütze, dann weicht die letzte Kraft aus meinen brennenden Armen. Ich lasse mich einfach fallen und rühre mich keinen Zentimeter mehr. Heiß und Kalt wechselt sich in mir ab und immer neue Schweißausbrüche lassen mich erschaudern. „Gibst du etwa schon auf?“, will mein Sohn enttäuscht wissen. Dieser elende Rotzlöffel. Wenn ich doch nur die Kraft hätte, ihn und seine Schwester von meinem Rücken zu schubsen. Ihr Gewicht auf meinen erschöpften Muskeln, kann ich nicht länger ertragen. „Geht runter!“, fordere ich. Beide rühren sich nicht. „Sofort!“, werde ich deutlich aggressiver. Amy steigt ab und flüchtet sich zu ihrer Mutter. Scheu schaut sie zu mir zurück, um abzuschätzen, wie böse ich auf sie bin. Habe ich mich denn wirklich so streng angehört? Rene lässt sich mit dem Abstieg wesentlich länger Zeit. „Du musst nicht so herumschreien, wir sind nicht taub!“, brummt er und trottet ebenfalls zu seiner Mutter. Judy betrachtet mich straffend, sagt aber nichts. Ich weiß auch so, dass ich mich im Ton vergriffen habe, doch mir ist das gerade herzlich egal. Hauptsache, ich bin das zusätzliche Gewicht auf meinem Rücken los und kann wieder frei durchatmen. „25, nicht besonders viel, aber ich denke, damit können wir arbeiten.“ Kenshin zwirbelt seinen Kinnbart durch die Finger und blickt nachdenklich drein. 25 sind wirklich nicht die Welt, selbst mit Amy und Rene auf dem Rücken, müsste ich deutlich mehr schaffen. Seufzend setze ich mich auf und ziehe mein Shirt aus, um mir damit den Schweiß vom Gesicht zu wischen. Ich bin meilenweit von meiner Bestform entfernt. Es wird Monate dauern, bis mich Übungen wie diese, kalt lassen. Ratsuchend betrachte ich den alten Mann. Ob er mich wirklich wieder in Form bringen kann? Kenshin mustert mich einen Moment lang, bevor er wieder zu sprechen beginnt: „Ab Montag werden wir uns vier Mal die Woche in meinem Dojo treffen. Die Adresse wird dir Aaron später geben. Wenn du dich dort so quälen kannst, wie hier, mache ich aus dir vielleicht doch noch einen ganzen Mann.“ Irritiert schaue ich ihn an. Was bin ich den jetzt für ihn? Ein Schuljunge? Der Kerl kann auch kein Kompliment verteilen, ohne beleidigend zu werden. „Sind wir dann für heute fertig?“, will ich wissen. Ich habe genug von dem alte Mann. Kenshin nickt lediglich. „Super, dann gehe ich jetzt Duschen“, entgegne ich und kämpfe mich in die Waagrechte. Nichts wie weg von hier. Auf schwankenden Beinen verlasse ich die Veranda und gehe durch die Glastür ins Haus. „Bekommst du ihn wieder in Form?“, höre ich Aaron fragen. Auf die Antwort bin ich gespannt und durchquere das Wohnzimmer absichtlich langsamer. „Da bin ich mir noch nicht sicher.“ Was soll das jetzt wieder heißen? „Was meinst du damit?“, harkt Aaron nach. „Er ist ehrgeizig und schont sich nicht, daran wird es also nicht scheitern, aber ich bin mir nicht sicher, wie lange sein Körper mitmachen wird. Irgend etwas stimmt mit seinen Bewegungsabläufen nicht und das liegt nicht an den unzähligen Narben.“ Das ist ihm aufgefallen? Ich seufze resigniert, während ihre Stimmen hinter mir immer undeutlicher werden. Als ich aus dem Koma erwachte, war meine linke Körperhälfte vom Arm bis zu den Zehen gelähmt. Die Ärzte waren der Meinung, dass ich nie wieder ohne fremde Hilfe zurecht kommen würde. Ich habe ein Jahr lang darum gekämpft, ihnen das Gegenteil zu beweisen. Trotzdem gibt es Tage, an denen die Taubheit in meine Gliedmaßen zurückkehrt und ich mich nur mühsam bewegen kann. Ich werde wohl damit leben müssen, nie wieder so beweglich und fit, wie einst, zu sein. Die negativen Gedanken verschwinden auch beim Duschen nicht. Während das heiße Wasser meinen Körper rein wäscht, betrachte ich die vielen Narben. Vereinzelte blaue Flecke sind noch immer auf meinem Oberkörper sichtbar. Auch die tiefen Schnitte der Glasscherben sind noch nicht verheilt. Ob es je eine Zeit geben wird, in der ich mal unverletzt bin? „Enrico? Alles okay bei dir? Du bist da jetzt schon eine ganze Stunde drin!“, ruft Judy durch die geschlossene Tür. Dusche ich wirklich schon so lange? Die Haut an meinen Fingern ist bereits verschrumpelt und der ganze Raum, die Fliesen und selbst der Spiegel auf der anderen Seite, sind beschlagen. „Enrico?“, ruft sie noch einmal besorgt. Ich drehe das Wasser ab und nehme mir aus dem silbernen Regal eines der blauen Handtücher. Während ich es mir um die Hüften binde, ruft Judy wieder nach mir: „Enrico, ich komme jetzt rein, ja?“ Seit wann kündigt sie sich an? Es ist ja nicht so, als wenn wir uns noch nie nackt gesehen haben. Die Klinke bewegt sich, die Tür wird aufgeschoben. Suchend sieht sich meine Frau im Badezimmer um. Ich lächle sie versöhnlich an und versichere ihr: „Mir geht es gut!“ Sie sagt nichts, ihr Blick wird von meinem nackten Oberkörper eingefangen. Während sie mich eingehend betrachtet, beißt sie sich immer wieder auf die Unterlippe. Die Sorge in ihren Augen verschwindet, je tiefer ihr Blick wandert. Als sie beim Handtuch ankommt, schaut sie enttäuscht. Was findet sie an diesem abgemagert und geschundenen Körper nur derart reizvoll. Ich bin immer froh, wenn ich mir irgend etwas übergeworfen habe und den Schrecken meiner Vergangenheit nicht mehr sehen muss. „Hör auf so lasziv zu schauen und hole mir lieber was frisches zum Anziehen!“, necke ich sie. Judy wird sich ihres lüsternen Blickes erst jetzt bewusst. Ihr steigt die Schamröte ins Gesicht, während sie verlegen zur Seite weg schaut. „Hol dir doch selbst was“, murrt sie kleinlaut. Obwohl sie sich bemüht den Blick abzuwenden, gleitet er bald wieder meinen Oberkörper entlang. „Du schaust schon wieder so!“ Judys Wangen werden noch roter. „Gar nicht wahr!“, protestiert sie. „Hör auf so gehässig zu lachen, du arrogantes Arschloch. Du weißt genau, wie heiß ich dich finde.“ „Ach ja?“ „Jetzt tu doch nicht so!“ Judy wirft die Tür nach sich zu und kommt die wenigen Schritte, die uns trennen, zu mir. Sie schlingt ihre Arme um mich und schmiegt sich an meinen Oberkörper. „Der Tag mit dir heute, war wirklich schön“, säuselt sie. War er das? Ich bin mir da nicht so sicher. Ich habe doch nichts weiter getan, als unsere Kinder mit dem Gartenschlauch nass zu spritzen und faul in der Sonne zu liegen. „Kann schon sein“, entgegne ich lediglich und fahre ihre schlanke Taille hinab. „Kannst du nicht mal was nettes sagen?“ Mhm, nein! Ich würde lieber etwas nettes tun. Meine Hände erreichen ihre straffen Pobacken, beherzt kneife ich hinein. Erschrocken drückt sie sich enger in meine Arme. „Hey! Du elender Lustmolch! Kannst du nicht wenigstens einmal nett sein?“ „Ich bin doch nett!“ „Arroganter Mistkerl!“ Mit einem Lächeln betrachte ich sie und drücke ihr einen Kuss auf die weichen Lippen. Sie will noch etwas erwidern, doch ihre Worte ersticken an meiner Zunge, die ich ihr in den Mund schiebe. An ihrem strammen Hintern ziehe ich sie nah zu mir und kann ihren weichen Bussen an meinem Brustkorb fühlen. Wenn nur dieses störende Kleid nicht wäre. Ich bin mir sicher, ihre Brustwarzen sind inzwischen hart und einladend. Langsam taste ich mich ihren Rücken hinauf, bis ich den Anfang des Reißverschlusses erreicht habe. Ich will ihn gerade öffnen, als es an der Tür klopft. „Judy, lass die Finger von deinem Mann und sage ihm, er soll sich endlich anziehen. Wir haben Besuch.“ Besuch, um die Urzeit? Es ist bereits Abend. Wer kommt den jetzt vorbei? Seufzend verwerfe ich mein Vorhaben und unterbreche den Kuss. „Von wegen! Wer kann denn seine Finger hier nicht von wem lassen?'“, lacht Judy leise und dreht sich mit einem auffordernd Hüftschwung von mir weg. Ich greife nach ihren Schenkeln und ziehe sie noch einmal zu mir. Ihr warmer Po drängt sich mir in den Schritt. Ich kann die Hitze bereits füllen, die sich in meine Lenden vorarbeitet. Es ist wirklich ein Jammer, dass wir ausgerechnet jetzt gestört werden. So lange Judy Schwanger ist, ist zumindest sicher gestellt, dass wir nicht noch mehr Kinder zeugen können. Eigentlich sollten wir diese Zeit ausnutzen. Ich dränge ihr mein Becken entgegen und lege den Kopf an ihr Ohr. „Der Besuch kann warten.“ „Enrico, du hast fünf Minuten!“, ruft Aaron. Wir haben ihm noch immer nicht geantwortet und ich habe es auch jetzt nicht vor. „Fünf Minuten. Das könnten wir schaffen“, flüstere ich meiner Frau ins Ohr und knabbere an ihrem Ohrläppchen. Aus Erfahrung weiß ich, dass sie dann nicht mehr nein sagen kann, doch dieses Mal drück sich mich von sich. „Das glaube ich dir, aber nein danke!“ Auf ihren Lippen zeichnet sich ein süffisantes Lächeln. Sie reibt noch einmal ihre warmen Pobacken an meiner Leiste, dann geht sie zur Tür. Während sie die Klinke drück, wirft sie mir einen Handkuss zu und verschwindet leichtfüßig. Diese verdammte Weib lässt mich einfach so stehen? Fassungslos schaue ich ihr nach. Seit wann kann sie mir widerstehen? Habe ich irgendwas verpasst? Das kann doch nur an ihrem Vater liegen, oder? Noch ein Grund mehr hier niemals einzuziehen. Ich brauche eindeutig mehr Privatsphäre, als es in diesem Haus je möglich wäre. Seufzend nehme ich mir ein zweites Handtuch und reibe meine Haare trocken. Hoffentlich ist der Besuch es wenigstens wert, die Nummer mit meiner Frau aufzuschieben. Judy kommt mit frischer Kleidung zurück. Sie legt alles auf dem Sitz der Toilette ab und lässt mich wissen: „Vater wartet im Wohnzimmer auf dich. Beeil dich besser!“ „Ist gut“, entgegne ich nur und löse das Handtuch um meine Hüften. Zusammen mit dem für die Haare, werfe ich es in die Badewanne. Jester oder eines der Hausmädchen wird sich schon darum kümmern. Meine Frau sieht mich noch einmal lüsternen an, dann schließt sie die Tür von außen. Warum muss ausgerechnet heute Abend Besuch vorbei kommen? Seufzend widme ich mich den mitgebrachten Kleidungsstücken und ziehe mich an. Keine fünf Minuten später, stehe ich vor der Tür zum Wohnzimmer. Alles ist ruhig, niemand unterhält sich, es sind auch keine Schritte zu hören. Unser Gast ist offensichtlich nicht besonders gesprächig. Ich zucke mit den Schultern und trete ein. Aaron sitzt wie immer in seinem Lieblingssessel vor dem Kamin. In seiner Hand schwenkt er ein Kognakglas, mit einer weinroten Flüssigkeit darin. „Mach die Tür zu und setzte dich zu uns!“, fordert er mich auf. Ich schließe die Tür. Auf dem Sofa sitzen zwei groß gewachsene Männer, die Schultern breit wie ein Schrank, die Köpfe kahl rasiert. Ich kenne ihre Gesichter nicht und auch der Schnitt ihrer edlen Anzüge ist mir unbekannt. Auf dem Tisch vor ihnen stehen zwei halbvolle Whiskygläser, die unberührt scheinen. Wer sind die beiden und was wollen sie von uns? Fragend schaue ich zu Aaron. Er deutet zunächst auf den größeren. „Das sind Viktor und Jakow Wolkow.“ Klingt nach zwei russischen Brüdern. Seit wann haben wir was mit der Russenmafia zu schaffen? Ich gehe den Beiden entgegen und reiche ihnen über den Tisch hinweg die Hand. „Enrico River!“, stelle ich mich kurz und knapp vor. Beide schütteln mir wortlos die Hand. Ihr Griff ist fest, wie man es von Männern ihrer muskulösen Statur erwartet. Als ich mich in den letzten freien Sessel nieder lasse, haben die beiden Schränke noch immer kein Wort gesagt. Ob sie überhaupt unsere Sprache sprechen? Ihre massige Erscheinung und die Art und Weiße, wie mich ihre dunklen Augen studieren, mutet unheimlich an. Wenn ich ihren Beruf erraten müsste, würde ich auf Auftragskiller tippen. Da von ihnen offensichtlich keine Erklärung für den späten Besuch kommt, schaue ich Aaron erneut fragend an. „Die Beiden werden dich von heute an, als deine neuen Leibwächter, begleiten.“ Das soll wohl ein Scherz sein? Ich schaue amüsiert. „Nein werden sie nicht!“, entgegne ich lächelnd, doch Aarons strenger Blick verheißt nichts Gutes. Es ist ihm ernst damit? Mir vergeht das Lächeln. Er will mir wirklich diese beiden Gorillas ans Bein binden? Wozu? Will er mich etwa überwachen lassen? „Und ob sie das werden! Ich habe die Beiden bereits Angeheuert.“ Er stellt mich mal wieder vor vollendete Tatsachen? Wie ich das hasse. Wann fängt er endlich mal an, mich in solche wichtigen Entscheidungen mit einzubeziehen? Ich bin sein Nachfolger, nicht sein Angestellter. Mein Blick wandert zu den beiden Russen, die noch immer schweigsam auf ihren Platz sitzen und der Diskussion aufmerksam folgen. „Nichts gegen euch Jungs, aber ich brauche keine Aufpasser“, wende ich mich direkt an sie. Der Größere der Beiden zieht die Augenbrauen nach oben, während der andere teilnahmslos zurück schaut. Was sie jetzt von mir denken ist mir herzlich egal. Diese beiden Gorillas können sich wo anders eine Anstellung suchen. Ich brauche sie nicht! „Die Sache steht nicht zur Diskussion!“, faucht Aaron. Glaubt er wirklich, ich nehme es einfach hin, dass er mich so übergeht? Ich lasse mich nicht überwachen. Von wegen Leibwächter, er will doch nur wissen, was ich in seiner Abwesenheit treibe. „Und ob das zu Diskussion steht! Ich habe bereits einen Leibwächter.“ „Antonio arbeitet nicht mehr mit dir zusammen!“ Das weiß ich selbst. Es gibt trotzdem nur einen Mann, dem ich mein Leben anvertraue, nur einen der mich gut genug kennt, um mich tatsächlich schützen zu können. „Wissen sie überhaupt, auf was sie sich einlassen?“, frage ich gerade heraus und stehe auf. Ich warte Aarons Antwort gar nicht erst ab, sondern wende mich direkt an die beiden Russen: „Habt ihr Familie?“ Der Größere der Beiden schaut unter meinem Blick hinweg und auch der andere wendet sich einen Augenblick lang ab. Das ist mir Antwort genug. „Dann sucht euch anständige Jobs!“ „Enrico! Zügel dich!“, droht Aaron. Ich ignoriere den Einspruch des Paten und übergehe seine Worte. „Ich gebe euch mal eine kurze Zusammenfassung meiner letzten Wochen: Nach einem Abstecher bei meinen Feinden, wo ich und mein letzter Bodyguard fast tot gefoltert wurden, hat man kurz darauf versucht mich in meinem Wagen zu einem schweizer Käse zu verarbeiten. Noch am selben Abend hat man mir, nach einem Barbesuch, aufgelauert. Selbst im Urlaub hat sich mein Leibwächter ein Kugel für mich eingefangen. Das ist nicht mal ganz eine Woche her. Ihr habt keine Vorstellung davon, was euch in meinem Alltag blüht. Und ich bin nicht der Typ Mensch, der sich hinter seinen Leibwächtern versteckt und daheim bleibt, nur weil ihm ein dutzend Mörder im Nacken sitzen. Ihr werdet mehr damit zu tun haben, überhaupt mit mir Schritthalten zu können. Glaubt mir, so viel kann er euch gar nicht bezahlen, dass es sich lohnt, dafür draufzugehen.“ „Enrico, es reicht!“ „Ja, genau! Mir reicht es schon lange! Ich brauche niemanden der mich überwacht Aaron! Guten Tag die Herr!“, damit wende ich mich um und verlasse das Wohnzimmer. „Enrico, du bleibst gefälligst hier!“, schnaubt der Pate. „Ich denke nicht daran!“, damit knalle ich die Tür nach mir zu. Ich muss hier raus, bevor ich explodiere. Ich dachte Aaron vertraut mir, was soll der Scheiß jetzt? Er weiß ganz genau, dass ich nur Toni als Leibwächter dulde. Vertraut er mir denn überhaupt nicht mehr? Ohne Umwege steuere ich auf die Haustür zu. Ich habe genug für heute. Diese ständige Befehlston, geht mir gehörig auf die Nerven. Wird Zeit, dass ich nach Hause fahre, dorthin, wo ich das Sagen habe. Mit einem lauten Knall, werfe ich die Haustür nach mir ins Schloss und steige auf mein Motorrad. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)