Die Wölfe 5 ~Das Blut des Paten~ von Enrico (Teil V) ================================================================================ Kapitel 26: ~Zu spät~ --------------------- "Verdammt!", dröhnt es in meinen Ohren. Ich spüre wie sich mein Geist aufzuklären beginnt, doch ich wehre mich dagegen. Bloß nicht aufwachen, ich will noch weiter von Tonis Rückkehr träumen. Wenn ich die Augen öffne, ist alles vorbei. Doch wer auch immer so laut ist, rüttelt nun erbarmungslos an mir und holt mich immer mehr und mehr in die wirkliche Welt zurück. "Verdammt Enrico wach auf! Wir haben verpennt!" Verpennt? Ich hab doch gar keine Termine heute. Zaghaft blinzle ich in das grelle Tageslicht. Es ist mitten am Tag, meine Geschäfte finden in der Nacht statt, es gibt keinen Grund jetzt aufzustehen. "Geh weg!", murre ich noch im Halbschlaf und stoße die Hände von mir. Eine heftige Erschütterung geht durch die Matratze, irgend etwas ist neben mich gefallen. Ein resigniertes Seufzen ist zu hören. "Ach, scheiß drauf! Es ist sowieso schon längst zu spät." Zu spät, aber wofür? Mit einem Mal holt mich die Erinnerung wieder ein, wir wollten das Schiff auf die Bahamas nehmen. Ich reiße die Augen auf und sehe Toni neben mir sitzen. Er betrachtet ungläubig seine Armbanduhr. "Wie spät ist es denn?", presse ich heraus. "Zwei Uhr Nachmittags", seufzt er und schließt die Augen, den Kopf legt er in den Nacken. Gegen zehn Uhr waren wir wieder im Hotel, höchstens eine Stunde später sind wir eingeschlafen. Das bedeutet wir haben ganze fünfzehn Stunden gepennt? Das kann ich nicht glauben und sehe selbst auf die Uhr. Tatsächlich vierzehn Uhr. Wir haben nicht nur unser Schiff verpasst sondern auch den halben Tag verschlafen? Das sieht uns ähnlich, da wollen wir einmal Urlaub machen und dann das. Ich beginne zu schmunzeln und kann schließlich nicht anders, als einfach darüber zu lachen. "Was ist daran denn bitte so lustig?", brummt Toni. "Wir und Urlaub auf den Bahamas? Das musste doch schief gehen", lache ich weiter. "Ha, ha, sehr witzig!" Traurig schaut er vor sich hin, er hat sich wirklich auf diesen Urlaub gefreut, doch ich kann nicht aufhören zu lachen, bis ich davon Bauchschmerzen bekomme und mir die Tränen in die Augen steigen. Er hingegen schaut immer grimmiger drein. Ich versuche meine Fassung wieder zu finden und wische mir die Tränen vom Gesicht, doch meine Fröhlichkeit lasse ich mir nicht nehmen. "Jetzt mach kein Gesicht, wie sieben Tage Regenwetter. Hast du nicht gestern noch gesagt, es ist egal wo wir sind, Hauptsache wir haben uns?" Toni murrt, sagt aber nichts mehr. Sein finstere Mine bleibt. Dieser alte Griesgram. Ich drehe sein Gesicht am Kinn zu mir und drücke ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Fast unmerklich hellen sich seine Gesichtszüge ein wenig auf. "Scheiß auf die Bahamas, lass uns einfach in dein Auto steigen und fahren bis der Tank leer ist", schlage ich vor. "Aber ich hab kein Geld mehr." Das ist ein berechtigter Einwand. Auch meine Reserven sind aufgebraucht und gänzlich im Mithnigthsclub versickert. "Uns wird schon was einfallen. Notfalls klauen wir uns alles nötige." "Na schön und wohin soll die Reise gehen?" "Warum hauen wir uns nicht auf Long Beach ein paar Stunden in die Sonne?", schlage ich vor und streife mir die Klamotten vom Vortag über. "Für den Anfang nicht schlecht, aber ich wollte mal raus aus New York." Toni nimmt sich seine Sachen, die er akkurat auf dem Tisch zusammen gelegt hat und zieht sich ebenfalls an. Mal raus aus New York, das ist kein schlechter Vorschlag. Es gibt da sogar jemanden, bei dem wir vielleicht unter kommen können. "Was hältst du von Miami Beach? Ich hab da noch nen alten Freund, der mir einen Gefallen schuldig ist. Der hat irgendwo am Strand ein Ferienhaus." Tonis beginnt zu grübeln und je länger er nachdenkt, um so größer werden die Sorgenfalten auf seiner Stirn. "Meinst du den Spinner, der vor acht Jahren an unserem Rennen teilgenommen hat?" "Ja, der exzellente Fahrer, der dich in der letzten Kurve noch geschlagen hat“, erinnere ich ihn. Toni verschränkt die Arme und schaut wütend. "Der Scheißkerl hat mich gerammt!" Ich zucke nur mit den Schultern. "Es gab keine Regeln!" Wieder schaut er finster. Das Rennen verloren zu haben, scheint noch immer an ihm zu nagen. "Unter einer Bedingung", meint er schließlich. Ich sehe ihn fragend an, während ich mir das Hemd zuknöpfe. "Keine illegalen Rennen, ich will Urlaub und keinen Stress mit den Bullen!" Schade, dabei habe ich den Spaß fest mit eingeplant. Bittend sehe ich Toni an. Wenigstens eines? "Enrico!" "Na schön! Keine Rennen", gebe ich seufzend nach. Am Empfang der Halle bitte ich den zerknitterten Mann hinter der Theke um ein Telefonat. Er reicht mir den Apparat über den Tresen und widmet sich seinen Geschäftsbüchern. Jacks Nummer habe ich in einem dicken Telefonbüchern nachgeschlagen, bleibt zu hoffen, dass sie aktuell ist. Nachdem mich die freundliche Dame am anderen Ende der Strippe weitergeleitet hat, tut sich lange Zeit nichts. Lediglich ein gleichbleibendes Tuten ist zu hören. Unser Ausflug nach Miami Beach scheint wohl ebenfalls ins Wasser zu fallen. Oder habe ich vielleicht den falschen Smith erwischt. Ich will den Hörer gerade zurück auf die Gabel legen und eine andere Nummer wählen, als sich eine verschlafene Stimme meldet: "Bei Smith!" Ich beginne zu lächeln. Jacks rauchige Stimme habe ich sofort wieder erkannt, es ist also doch die richtige Nummer. "Jack du altes Haus, sag bloß du pennst noch? Hast du mal auf die Uhr gesehen?" "Wer ist denn da?" "Enrico River!" Für einen Moment wird es still in der Leitung. Ich kann förmlich hören, wie es in Jack zu arbeiten beginnt, während er versucht den Namen einzuordnen. "Enrico? Verdammt, du lebst also wirklich noch? Und ich dachte es wären nur Gerüchte!" Überrascht betrachte ich das aufgeschlagene Telefonbuch. Die Kunde meiner Rückkehr hat sich bis nach Miami verbreitet? "Schön von dir zu hören, aber warum rufst du an?", will Jack direkt wissen. "Ich wollte wissen wie's dir so geht!", lüge ich nicht besonders geschickt. "Ja, genau! Komm schon, was brauchst du?" Na schön, dann sparen wir uns eben die Höflichkeiten und kommen gleich zum Wesentlichen. "Hast du noch das Ferienhaus am Strand?" "Ja?" "Ist es im Moment frei?" "Sag bloß du willst bei uns Urlaub machen?" "Gut geraten!" "Das Haus habe ich vermietet, aber du wirst eh mindestens drei Tage bis hier her brauchen. Bis dahin kann ich das regeln. Kommst du allein?" "Nein, ich wollte dich mit Toni zusammen überfallen." "Ernsthaft? Du bringst die Spaßbremse mit? Und was ist mit deiner Frau?" "Das Gezeter von ihr, tu ich mir doch nicht auch noch im Urlaub an!" Jack lacht auf, ich kann mir sein breites Grinsen bildlich vorstellen. "Familie war noch nie dein Ding, was? Hattest du dich nicht in der Zwischenzeit auch vermehrt gehabt?" "Ja, leider! Was glaubst du denn, warum ich Urlaub brauche?" "Dir ist echt nicht zu helfen. Du kannst froh sein, dass es überhaupt eine Frau mit dir aushält." "Was ist jetzt, können wir vorbei kommen, oder nicht?", will ich endlich wissen. Das Gerede über Frau und Kinder verdirbt mir die Urlaubsstimmung. Ich will nicht darüber nachdenken, dass ich sie einmal mehr zurück lasse. Sie können sicher auch Urlaub gebrauchen, aber ich will mit Toni allein sein. "Ja, von mir aus, komm vorbei, meinetwegen auch mit der Spaßbremse. Wir müssen den Kerl ja nicht überall hin mitnehmen!" Bei Jacks letzten Worte muss ich schmunzeln. Ich habe gerade genau das Selbe gedacht. Was ist schon ein Urlaub bei Jack, wenn ich nicht wenigstens bei einem seiner Rennen mitfahre. Toni muss ja nicht alles wissen. "Und?", will mein Leibwächter von mir wissen, als ich aufgelegt habe. Eine Wolke kaltem Zigarettenqualms schlägt mir entgegen, als er zu mir kommt. "Wir können vorbei kommen!", sage ich nur. Toni mustert mich skeptisch, er scheint zu ahnen, das wir über mehr gesprochen haben, doch ich habe nicht die Absicht, ihm davon zu erzählen. "Ich will meine Ruhe haben!", brummt er warnend. "Ja, ja!", entgegne ich knapp und lege dem Mann hinter dem Tresen einige Münzen auf die Theke, die für das Telefonat reichen sollten. Wenig später sitzen wir im Auto Richtung Miami und ich betrachte gedankenversunken die vorbeiziehenden Häuser. In der Ferne glänzt der Ozean und einige Dampfer ziehen vorbei. Auf einem davon hätten wir sein können. Irgendwie ist es schon schade um die teuren Tickets und das bezahlte Hotel. Dunkler Rauch, pechschwarz wölbt sich über den Hafen. Was ist das? Die vorbeiziehenden Häuser versperren mir immer wieder die Sicht und trotzdem hebt sich die dunkle Rauchsäule deutlich zwischen ihnen ab. Ob dort etwas brennt? "Da fackelt irgendwas ab!", sage ich und kann meinen Blick nicht von dem schwarzen Rauch lassen. Toni schaut von der Straße zum Hafen, er nickt verstehend. "Vielleicht ein Dampfschiff dem der Kessel geplatzt ist", vermutet er und zuckt mit den Schultern. Ein ungutes Gefühl beschleicht mich, wenn ich daran denke, dass es vielleicht unser Schiff ist, dass dort in Flammen steht. Ach, Blödsinn! Das ist schon vor Stunden ausgelaufen, versuche ich mich zu beruhigen und wende meinen Blick ab. Das alles geht uns nichts an. Bald sind wir in Miami, weit weg von allem, was uns gefährlich werden kann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)