Die Wölfe 5 ~Das Blut des Paten~ von Enrico (Teil V) ================================================================================ Kapitel 10: ~Nicht ohne dich~ ----------------------------- In meinen Ohren dröhnt es, meinen Schläfen hämmert und pocht. Mir ist so kalt und elend zumute. Ich spüre, wie mir der Kopf immer wieder nach vorn fällt, wenn ich eindöse. Jedes Mal schrecke ich auf. Hier ist nicht der richtige Ort, um zu schlafen, spukt es durch meine Gedanken und lässt mich keine Ruhe finden. Wo sich Toni wohl die ganze Zeit herumtreibt? Schließlich siegt die Erschöpfung und trägt mich fort in einen dumpfen Schlaf. "Enrico? Was machst du hier?" Undeutlich erreicht mich der Ruf meines Namens, doch ich will nicht aufsehen. Ich bin doch gerade erst eingeschlafen. "Wie siehst du überhaupt aus?" Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter, eine andere greift in meine Haare. "Was hast du mit deinen Haaren angestellt? Warum hast du die Jacke an? Kann ich dich nicht mal ein paar Stunden allein lassen, ohne dass du was Dummes machst? Ich rede mit dir, wach endlich auf!" Die Stimme wird immer lauter und eindringlicher. Mein Kopf wird grob an den Haaren zurückgezogen. Verflucht! Das tut weh! Ich öffne die Augen und schaue grimmig. Smaragdgrün! Gott, wie ich diese Augen hasse! Sie sind so tief und ausdrucksstark und diese Lippen ... Ich will ihn küssen. Verdammt! So schaffe ich es doch nie, ihm zu sagen, was ich mir vorgenommen habe. Er schaut so sorgenvoll. Warum? Ist irgendwas passiert? "Was ist los mit dir? Du bist kreidebleich." Bin ich? Mir ist, als wenn die Welt in Watte gepackt wurde, alles wirkt, wie in einem Traum. Aber dafür schmerzt mein Rücken, mein Arm, mein Kopf, einfach alles viel zu sehr. Also doch kein Traum? "Mir geht's nicht so gut", murmle ich schwach. "Das sehe ich. Hast du seit wir bei Erik waren überhaupt was gegessen und getrunken?" Ich muss nachdenken. Hab ich? Ich bin mir nicht sicher. "Ich weiß es nicht." "Oh Mann! Mit dir hat man schon sein Kreuz. Los, steh auf!" Toni packt mich unter den Armen und zieht mich auf meine schwankenden Beine. Alles dreht sich. Ich greife mir an die schmerzende Stirn und atme erschwert durch. "Mir ist schlecht", jammere ich und bin froh darüber, dass Toni nicht von meiner Seite weicht und mir Halt gibt. Als er sich in Bewegung setzt, taumle ich ihm mehr schlecht als recht hinterher. "Sag mal, hast du was getrunken?" Habe ich? Das könnte meinen Zustand erklären, aber ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern. "Nein, ich ... ich glaube nicht." "Du glaubst?" Er schüttelt abfällig mit dem Kopf. "Will ich wissen, was du die letzten Stunden getrieben hast?" Ich grinse breit. Nein, das will er bestimmt nicht. Denke ich, oder? Was habe ich überhaupt in den letzten Stunden gemacht? Ein ungutes Gefühl beschleicht mich. Irgendwas war mit Robin und Judy. Ich habe was ziemlich Blödes angestellt und es hatte irgendwas mit Sex zu tun. Toni schließt uns das Apartment auf. Er schiebt mich durch den Türrahmen. Ziemlich dürftige Einrichtung: Ein durchgelegenes Bett, zwei Nachttische, ein Kleiderschrank und ein Puppenhaus. Letzteres passt irgendwie gar nicht zum Rest der Einrichtung. Es ist aufwendig gearbeitet, die kleinen Puppen und Möbel, sind mit viel Liebe geschnitzt. Seit wann spielen Toni und Anette mit Puppen? Ich brauche eine halbe Ewigkeit, um zu begreifen, dass es sich bei dem Puppenhaus, um ein Spielzeug ihrer Tochter handelt. Toni hatte mir mal davon erzählt, dass er ihr eines aus den Holzresten gebaut hatte, die bei den Arbeiten an den Docks übrig geblieben sind. Ist hübsch geworden! Toni schiebt mich in die linke Hälfte des Raumes, in ihm ist eine kleine Küche untergebracht, die akkurat aufgeräumt ist. Gewürze stehen in Reih und Glied aneinander, der Messerblock ist nach Größe sortiert, selbst die Tassen auf dem Regal zeigen mit ihren Henkeln exakt in die gleiche Richtung. Toni hat schon immer ein übertriebenes Maß an Ordnung an den Tag gelegt und hat dabei auch noch ein photographisches Gedächtnis. Früher habe ich mir einen Spaß daraus gemacht, die Gegenstände in seinem Zimmer zu verstellen oder gegeneinander auszutauschen. Er hatte jede noch so kleine Veränderung bemerkt und sich tierisch darüber aufgeregt. Das war lustig. Ich muss lächeln. "Was grinst du denn so blöd?" Ich winke ab, das jetzt zu erklären ist mir zu anstrengend. Er atmet genervt aus. "Setz dich!", fordert er mich auf und schiebt einen Stuhl für mich zurecht. Mir fällt erst jetzt der Esstisch in der Mitte des Raumes auf. Ich war so fasziniert von der Ordnung der Küche, dass ich fast dagegen gelaufen wäre. Wie ein nasser Sack lasse ich mich auf den Stuhl fallen. Ich lege meine Arme übereinander auf den Tisch und bette meinen Kopf darauf. Dann beobachte ich ihn. Er holt ein Glas aus dem Schrank und füllt es mit Leitungswasser. Auch dort ist alles nach Größe sortiert. Die großen Gläser hinten, nach vorne werden sie immer kleiner. Was er wohl mit dem Wasser vor hat? Er stellt es vor mir ab. Ich betrachte es eine Weile ohne besonderen Grund. Was soll ich damit machen? "Trink!", knurrt er, dann durchsucht er einen anderen Schrank. Ja, das wäre eine gute Idee! Ich erhebe meinen viel zu schweren Kopf und greife nach dem Glas. Mein Arm will mir nicht gehorchen, ich habe kaum die Kraft das volle Glas zu halten und nehme die andere Hand zur Hilfe. Ich führe es zum Mund und leere es gierig. Mir wird erst beim Trinken bewusst, wie viel Durst ich eigentlich habe. "Ich habe nicht wirklich viel da, was ich dir anbieten könnte. Wir waren noch nicht einkau ..." Toni beobachtet mich, ich spüre seinen Blick auf mir. Er schüttelt mit dem Kopf und bringt den Satz nicht mehr zu ende. Hab ich was falsch gemacht? Er wendet sich wieder dem Schrank zu. Ich stelle das Glas auf den Tisch und lege Hände und Kopf daneben ab. Was sucht er denn da so lange? Mir ist heiß! Ich schwitze in der Jacke und dem langen Hemd. Seltsam, gerade war mir noch kalt. Es wird so unerträglich, dass ich die Jacke ausziehe und anfange das Hemd aufzuknöpfen. "Was machst du denn da?" Toni kommt mit Wurst und Käse zum Tisch zurück. Er sieht mich mahnend an. "Mir ist heiß", entgegne ich und löse den letzten Knopf, dann schiebe ich den Stoff von meinem Körper und lasse ihn über die Stuhllehne fallen. So ist es besser. Toni stellt die Lebensmittel ab, dann beugt er sich über den Tisch und legt seine Hand auf meine Stirn. "Du glühst ja förmlich." Ernsthaft? Ätzend! Ich brumme genervt und lege meinen schmerzenden Kopf auf der kalten Tischplatte ab. Ich bin mir sicher, dass er gleich explodieren wird. "Wo hast du die her?" Wo habe ich was her? Ich begreife nicht, was er meint. Toni umrundet mich und bleibt hinter mir stehen, seine Hand fährt über meinen Rücken. Die Haut spannt und brennt entsetzlich. Ich zucke zusammen. Was macht er denn da? Das tut echt höllisch weh! "Aua!", murre ich kraftlos. "Hast du etwa mit Judy gepennt?" Habe ich? Ich versuche vergeblich einen Blick auf meinen Rücken zu erhaschen. Nur dunkel fällt mir die Nummer mit meiner Frau auf Aarons Sofa ein. Doch meine Gedanken halten sich nicht lange dort auf. "Weißt du mit wem ich gerne schlafe?" Toni sieht mich gereizt an. Ich beschließe es ihm trotzdem zu sagen: "Mit dir!" "Du treibst mich in den Wahnsinn! Warum pennst du erst mit mir und gleich darauf mit der?" "Du bist abgehauen und ich hab mich einsam gefühlt." Selbst schuld! Was haut er auch einfach so ab? "Ich sollte dich rauswerfen. Nein erst sollte ich dich erwürgen und dann rauswerfen." Warum ist er denn so wütend? Egal, ich will nur noch schlafen. "Kann ich mit in deinem Bett pennen?" "Nein, kannst du nicht!", knurrt er aggressiv. Was hat er denn für ein Problem? Ich werde ihn schon nicht vergewaltigen, während er schläft. Dafür bin ich viel zu müde, denke ich. "Ich fasse dich auch nicht an ... eventuell ... vielleicht." Er sieht so niedlich aus, wenn er schläft, manchmal kann ich mich dann nicht mehr beherrschen. Ich grinse ihn an, doch seine finstere Mine hellt sich kein Stück auf. "Du bist echt das Letzte!" Er wendet sich von mir ab und stützt sich mit den Armen auf die Küchenzeile, seine Hände sind zu Fäusten geballt. Er ist wirklich sauer auf mich. "Hab mich lieb!" Mir geht es echt beschissen. Ich will geknuddelt werden! Tonis finsterer Blick richtet sich wieder auf mich. Ich ahne schon, dass ich das mit dem Knuddeln vergessen kann. "Ich kann das nicht mehr." Was meint er? "Ich habe mit Anette gesprochen." Seine Stimme ist brüchig, irgendwie niedergeschlagen. Hat er ihr etwa von uns erzählt? Ich schlucke schwer und zwinge meine vernebelten Gedanken dazu, sich auf das Thema zu konzentrieren. "Was hast du ihr erzählt?" Er atmet schwer, mit dem Rücken lehnt er sich an die Küchenzeile und verschränkt die Arme, sein Blick gleitet zu Boden. "Dass du wieder da bist und dass ich mich bei dir viel zu wohl fühle." Ist das sein ernst? Er hat ihr von uns erzählt? Ich fasse es nicht! Mein Herz rast, das Blut dröhnt mir in den Ohren, meine Gedanken überschlagen sich: Wie hat sie reagiert? Was genau hat er ihr gesagt? Wird sich jetzt alles zwischen uns ändern? "Wie hat sie reagiert?" "Sie hat es schon die ganzen Jahre gewusst." Er sieht noch immer nicht auf. Mich wundert nicht einmal, dass Anette etwas geahnt hat. Susen wusste es ja auch. Frauen haben ein natürliches Gespür dafür, wenn man sie betrügt. Judy weiß sicher auch Bescheid. Die drei Frauen hängen immerhin oft genug zusammen, sie werden sicher darüber gesprochen haben. Toni schweigt, also frage ich nach:  "Ja, und weiter?" Mir graut es vor der Antwort. Ich kenne Anette seit unserer Schulzeit. Sie wird sicher nicht einfach weiter machen wollen, wie bisher. Nach all den Jahren, wird sie endlich geklärte Verhältnisse schaffen wollen und eine Entscheidung gefordert haben. "Hat getobt wie der Teufel und mich vor die Wahl gestellt. Sie und Kira, oder du." Toni sieht mich traurig an, die Entscheidung kann ich in seinen Augen lesen. Er wird niemals zu mir stehen. Ein großer Felsen legt sich auf meinen Brustkorb und lässt mich schwer atmen. Ich hätte nie gedacht, dass mir diese Wahl mal abgenommen wird. Ich merke erst jetzt, dass mein Herz ganz anderes entschieden hätte. Mit einem wehmütigen Lächeln auf den Lippen wende ich mich von ihm ab. "Du würdest deine Familie nie für mich verlassen." "Würdest du es für mich?" Ich schweige und denke darüber nach. Selbst wenn ich es wollte, Aaron würde einer Scheidung niemals zustimmen, schon gar nicht, wenn er den Grund dafür erfährt. Wahrscheinlich würde er lieber mich beseitigen lassen, als seine Tochter dieser Schande auszusetzen, von dem Ruf seines Clans mal ganz zu schweigen. Ich komme aus der Nummer nicht mehr raus. Als ich nicht antworte, wendet sich Toni von mir ab. "Dachte ich mir." Er verlässt die Küche, geht zum Bett und setzt sich. Unter seinem Gewischt knarrt es entsetzlich. "Und wenn wir einfach verschwinden und nie wieder kommen?" Der Gedanke ist absurd, aber er beginnt mir zu gefallen. Über Tonis Lippen huscht ein bitteres Lächeln. "Und was wird dann aus unseren Kindern?" Irgendwie sind die mir gerade ziemlich egal. Sie sind fünf Jahre ohne mich zurechtgekommen, also schaffen sie es auch weiterhin. Ich hasse mich für diesen Gedanken. Warum nur fühle ich so? Ich müsste mich für sie entscheiden, aber mein Herz sagt etwas anderes. Ich spreche meinen Gedanken nicht aus, es kommt mir so falsch vor. Toni zieht sich die Schuhe von den Füßen und stellt sie vor dem Bett ab. Er sieht mich nicht an, als er wieder zu sprechen beginnt: "Es ist besser wir gehen getrennte Weg." Ein Stich durchfährt mein Herz, erschrocken sehe ich ihn an. Das kann nicht sein ernst sein! Uns nie wieder sehen? Das letzte Mal, als ich mit diesem Gedanken leben sollte, hab ich versucht zu sterben. Ich halte es nicht ohne ihn aus! "Das kann ich nicht!" "Es ist besser du gehst jetzt!" Seine Stimme ist kühl und abweisend. Er schmeißt mich raus? Das war es jetzt, einfach so? "Nein, ich brauche dich! Wir haben einen neuen Auftrag." Toni dreht sich zu mir. Er funkelt mich wütend an. Ich begreife zu spät, was ich gesagt habe. Warum nur ist das das Einzige, was mir einfällt? "Bist du nur deswegen hier?" "Nein!" Verflucht, warum will mir einfach kein besseres Argument einfallen? "Los verschwinde!" Toni streckt den Arm aus und deutet auf die Tür. Ich verfluche mich selbst für meine unbedachten Worte, es ist überhaupt nicht das, was ich eigentlich sagen will. Unschlüssig bleibe ich sitzen. "Geh einfach!", setzt er nach. Ich atme tief durch und dränge die Tränen zurück, die mich zu überwältigen drohen. So darf es nicht enden! Ich erhebe mich, gehe zu ihm und umrunde das Bett. Hinter Toni knie ich mich auf die Matratze "Hau ab Enrico! Ich will dich nicht mehr wieder sehen." Seine harten Worte tun entsetzlich weh, beinahe möchte ich wirklich gehen, doch nicht ohne vorher alles versucht zu haben. Ich lege meine Arme um seinen Oberkörper und drücke ihn an mich. Er rührt sich nicht, zeigt keinerlei Gefühlsregung, trotzdem. Ich bin mir ganz sicher, dass er nicht meint, was er sagt. Ich lege meinen Kopf an sein Ohr und flüstere ihm zu: "Wenn du willst, dass ich aus deinem Leben verschwinde, dann musst du mich töten." Ich meine, was ich sage mit ganzem Herzen. Egal wohin er geht oder was er tut, um mich los zu werden, ich werde immer einen Weg zu ihm zurück finden. Toni braucht eine gefühlte Ewigkeit für eine Reaktion. Schließlich legt er seine Hand über meinen Unterarm. "Du kannst heute hier pennen, aber bevor Anette am Nachmittag von ihrer Schicht im Krankenhaus zurück ist, bist du verschwunden!" Seine Stimme ist wieder ruhig und freundlich. Ich lächle erleichtert, während die Anspannung aus meinem Körper weicht. Erschöpfung und Müdigkeit ergreifen einmal mehr von mir Besitz. Ich lasse mich über Tonis Rücken hängen und schließe die Augen. "Warum nur kann ich dich nicht hassen?", murmelt er. "Weil du mich liebst", erinnere ich ihn, mit verschwindend dünner Stimme. Er lacht wehmütig auf. "Das ist ja das Schlimme." "Was will der hier?" Lautes Geschrei weckt mich aus meinem tiefen Schlaf. Es ist die Stimme einer Frau, die Stimme von Anette. Ich drehe mich um und suche nach etwas, das ich mir über den Kopf ziehen kann. Sie ist viel zu laut, ich will weiter schlafen. Mit der Hand taste ich die Matratze ab und findet ein Kissen. Perfekt! "Er saß bei uns vor der Tür und ..." Toni bewegt sich, er rutscht an den Rand des Bettes und setzt sich auf. Hat er etwa die ganze Zeit neben mir gelegen? Ich hab nicht mal mitbekommen, wie ich eingedöst bin. Mist, sollte ich nicht verschwunden sein, bevor sie auftaucht? Ich hebe das Kissen vorsichtig an und sehe nach den Beiden. Warum hat Toni mich denn nicht geweckt? Ist er etwa auch eingeschlafen? "Na und! Wenn er von einer Brücke springen würde, würdest du das dann auch tun?" Ich muss grinsen und kann mir ein Kommentar darauf nicht verkneifen: "Das hat er schon getan." Das war in dem Jahr, als wir uns kennen lernten. Es war später Herbst und der erste Schnee des Jahres ist gefallen. Auf der Flucht vor unseren Verfolgern, habe ich vorgeschlagen in den Fluss zu springen. Toni hat zwar zuvor gezetert und gemeckert, aber als ich ihn mitgezogen habe, ist er trotzdem gesprungen. Gott, wir wären damals fast erfroren, aber die Nacht, in der wir uns gegenseitig wärmen mussten, war geil. Wenn ich so darüber nachdenke, geht das mit uns wirklich schon ewig. Er war 14, ich 15, als wir in dieser Nacht das erste Mal miteinander schliefen. "Halt die Klappe Enrico! Scher dich lieber zu deiner Frau, wo du hingehörst und lass deine Pfoten von meinem Freund!" Mir liegt schon der passende Spruch auf den Lippen, dass ihr Freund seine Pfoten eben so wenig von mir lassen kann, doch ich verkneife ihn mir. Toni hat schon genug Stress mit ihr. "Er hatte hohes Fieber? Was hätte ich denn machen sollen? Ihn draußen vor die Hunde gehen lassen?", verteidigt er sich. "Ja, warum eigentlich nicht? Ich bin die letzten fünf Jahre ganz gut ohne ihn klar gekommen. Alles ist besser, als euch in meinem Bett zu finden." Das glaube ich ihr aufs Wort. Dabei ist doch gar nichts passiert, zumindest heute nicht. Ich seufze resigniert und ziehe das Kissen wieder über den Kopf. "Wir hatten gar nichts miteinander. Wir haben nur geschlafen. Hier gibt es nun mal nur ein Bett!" Als wenn sie uns das, nach seinem Geständnis, glauben wird. "Raus! Alle beide!", keift sie und zieht mir die Decke weg. Dieses grausame Weib! Es ist eiskalt, ich habe nicht mal mein Hemd wieder angezogen. Ein eisiger Schauer überzieht meinen Körper mit Gänsehaut. "Raus!", schreit sie schon wieder. Ich sehe hilfesuchend zu Toni. "Kannst du sie nicht abstellen?" Mein Kopf schmerzt noch immer und ihre schrille Stimme, bringt ihn gleich zum Platzen. "Komm schon, steh auf!" Mieser Verräter! Er packt mich am Handgelenk und zerrt mich auf die Beine. Ich habe wohl keine Wahl. Als ich gehen will, trifft mich meine Jacke und das Hemd im Gesicht. Mit den Händen in die Hüfte gestemmt, faucht Anette: "Verschwindet, bevor ich mich vergesse!" Sie streckt den Arm aus und deutet auf die Tür. Ich seufze und ziehe mir Hemd und Jacke an. Zumindest wird mir damit wieder wärmer. Anette geht es noch immer nicht schnell genug, sie geht zur Tür und öffnet sie. Ihr wütender Blick lässt keine Diskussionen mehr zu, also komme ich ihrem Wunsch nach und verlasse die Wohnung. "Du kannst deine Sachen die nächsten Tage hier abholen!", ruft sie Toni nach. Als auch er die Wohnung verlassen hat, knallt sie die Tür zu. "Na prima, und jetzt?", will er seufzend von mir wissen. "Also ich wäre für Frühstück." Toni sieht auf die Uhr. "Frühstück? Wir haben es drei Uhr Nachmittags." "Was für ne nervige Haarspalterei." Als wenn das einen Unterschied machen würde. Er sieht wehmütig auf die geschlossene Tür. Ich habe ihm das mit Anette gründlich versaut. Das tut mir leid! "Sie beruhigt sich schon wieder. Das hat sie immer", versuche ich ihm Mut zu machen und lege ihm meine Hand auf die Schulter. "Und was wenn nicht?" Er sieht mich nicht mal an. "Dann hast du immer noch mich?" "Ja, genau!" Er lacht spöttisch und holt mit der flachen Hand weit aus. Mit voller Wucht schlägt er mir auf den Rücken. Ich schreie gequält auf und gehe vor Schmerzen in die Knie. Dieser miese Dreckskerl! Auf die Nacht mit Judy hätte er mich auch anders hinweisen können. Er hat nicht nur die Kratzspuren auf meinem Rücken erwischt sondern auch noch meine Schulter. Ich ringe nach Atem, während er in Seelenruhe an mir vorbei geht und die Treppe nach unten läuft. "Warte Saftsack!", schreie ich ihm nach, doch er denkt gar nicht daran, stehen zu bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)