Persona: Shadows of Mirror von ShioChan (Kagami no Kage) ================================================================================ Kapitel 49: XLIX – Kuraikos Rebellion [edited] ---------------------------------------------- Sonntag, 09.August 2015 Vibrierend und laute rockige Musik abspielend, rutschte das violette Handy über den schwarzen Nachttisch, während eine laute hohe Frauenstimme durch den Raum schallte. Eine Hand tastete sich vorsichtig über die glatte Fläche des Schränkchens, bevor sie das nervige Etwas ertastete und mit einem Ruck drauf knallte, nur um es kurz darauf von der Erhöhung zu ziehen und damit unter einer schwarzen, mit violetten Schmetterlingen verzierten Bettdecke zu verschwinden. Einen Moment später verstummte die Musik wieder und Stille kehrte in den Raum ein, welcher mit schwarzen Möbeln eingerichtet war und an dessen weißen Wänden sich hier und da fliederfarbene Streifen wiederfanden. Lange hielt diese Stille jedoch nicht an, denn einige Minuten später regte sich jemanden unter der schwarzen Bettwäsche, welche kurz darauf schwungvoll zur Seite geschlagen wurde und darunter Kuraiko zum Vorschein kam. Diese setzte sich murrend auf und blickte auf das Smartphone in ihrer Hand, welches mit großen Zahlen anzeigte, dass es 9 Uhr war. Einen erneuten murrenden Ton von sich gebend, ließ die Schwarzhaarige ihren Kopf auf ihre Decke sinken, die immer noch zum Teil auf ihrem Schoß lag. Sie bereute in diesem Moment ihre Entscheidung sich den Wecker gestellt zu haben, obwohl sie hätte ausschlafen können, allerdings hatte sie dies nicht ohne Grund getan. Trotzdem hätte sie lieber den Tag im Bett verbracht. Sie war total fertig und übermüdet. Der Kampf im Dungeon am vergangen Abend hatte sie geschlaucht, was sie vor allem dem Einsatz ihrer Fähigkeiten zu verdanken hatte, welche einiges an ihrer physischen Kraft verbraucht hatte. Sie wusste, dass es ihren Freunden wohl nicht anders ergehen mochte und war auch froh darüber, dass sie entschieden hatten sich diesen Tag frei zu nehmen, um Kraft für den zweiten Part des Dungeons zu tanken. Trotzdem bereute sie es langsam, sich dazu entschieden zu haben den anderen im Kampf zu helfen, obwohl sie es schon interessierte warum das alles geschah. Aber für den heutigen Tag wollte sie von alledem nichts mehr wissen. "Urgh... verdammter Dungeon...", murmelte sie in die kuschlige Decke, welche sie regelrecht dazu einlud, sich wieder darin einzuwickeln. Allerdings widerstand Kuraiko schweren Herzens der Versuchung sich wieder in ihre Decke einzurollen und schob stattdessen ihre Beine aus dem Bett, nur um sich einen Moment später von der weichen Matratze zu erheben. Sich kurz streckend legte sie ihr Smartphone zurück auf den Nachttisch und ging langsam auf ihren Kleiderschrank zu, welcher gegenüber von ihrem Bett stand. Dabei fiel ihr Blick auf ihr Spiegelbild, welches von der verglasten Schranktür zu ihr herübersah, woraufhin ihr ein genervtes Seufzen entwich und sie sich durch die Haare strich. Sie liebte ihre Frisur, aber diese hatte einen entscheidenden Nachteil: Am frühen Morgen sah sie immer aus, als hätte sie in eine Steckdose gefasst. Ihre Haare schienen sich über Nacht dazu entschlossen zu haben ein Eigenleben zu führen und standen ihr nun zu allen Seiten wirr ab, sodass sie sogar Yasuo Konkurrenz machen konnte. Auch ihr violett gefärbter Pony und die etwas längere violette Strähne, machten was die wollten. Wie froh sie doch in diesem Moment war, dass keiner ihre Freunde sie so sah, denn wenn sie eines nicht leiden konnte, dann waren es Späße auf ihre kosten. Und sie wusste genau, dass vor allem Hiroshi diese Situation eiskalt ausnutzen würde. Noch einmal strich sie sich durch ihre Haare und trat nun direkt vor den großen Kleiderschrank, um sich endlich ein paar Sachen für den Tag zusammenzusuchen. Seufzend rückte sie noch ein Stück näher an den Spiegel und hob ihren Pony etwas an, sodass sie die Ansätze sehen konnte, welche sich langsam aber sicher wieder schwarz hervor hoben. "Da werde ich wohl demnächst wieder färben müssen.", murmelte sie und schob die große Tür zu Seite, um so ihren Schrank zu öffnen, in welchem sich vor allem schwarze und allgemein dunkle Klamotten befanden. Nur die Jacke, sowie der Rock ihrer Schuluniform stachen durch die rote und weiße Farbe extrem heraus. Diese beiden Dinge gekonnt ignorierend griff sie sich eine schwarze Leggings und ein sehr langes, aber ärmelloses, graues Oberteil und legte beides auf ihr Bett, bevor sie ihr Zimmer verließ und im anliegenden Bad verschwand, um sich für den Tag fertigzumachen und ihre Haare zu zähmen. Eine gute halbe Stunde später betrat sie die leere Küche und seufzte. Ihre Eltern waren also in der Bäckerei, welche sich unter der geräumigen Wohnung befand. Sie presste ihre Lippen fest zusammen, sodass sie beinahe einen Strich formten. Ihr war klar, dass ihre Eltern ihren Job als Bäcker liebten, jedoch war sie der Meinung, dass sie etwas ruhiger treten und sich auch mal Urlaub gönnen könnten. Stattdessen standen sie jeden Tag unten in der Backstube und hinter dem Tresen der Bäckerei. Selbst an den Tagen, wo ihr Laden offiziell geschlossen hatte, waren sie in der Früh dort, um bestellte Brote für ihre Stammkunden zu fertigen. Seufzend schüttelte Kuraiko den Kopf und ging auf die marmorierte Arbeitsplatte zu, welche sich vor ihr befand und auf der sie ein kleines Körbchen mit frisch gebackenen Brötchen vorfand. Davor lag ein kleiner Zettel, auf dem ihre Mutter ihr in Schönschrift einen guten Hunger wünschte. Ein kleines Lächeln huschte über das Gesicht der Schwarzhaarigen, als sie sich daran erinnerte, dass ihre Mutter das an den Wochenenden früher schon immer gemacht hatte. Doch so schnell, wie das Lächeln kam, war es auch schon wieder verschwunden und sie hatte nach dem Korb gegriffen und es auf den großen Esstisch gestellt. Einen Augenblick später hatte sie sich bereits wieder umgedreht, um alles für ihr Frühstück zusammenzusuchen und es auf dem Tisch zu verteilen. Frisch gestärkt stand die Schwarzhaarige etwas später im Flur vor der Wohnungstür und zog sich ihre schwarzen knöchelhohen Chucks über. Während sie sich wieder erhob schnappte sie sich ihre Tasche und legte sich diese über die Schulter. Dabei fiel ihr Blick auf die Galerie, welche ihre Mutter vor einigen Jahren über der Garderobe angebracht hatte und die aus mehreren mit Fotos bestückten Bilderrahmen bestand, die sie gemeinsam mit ihrer Familie zeigten. Immer, wenn man die Wohnung betrat, wurde man unweigerlich von diesen Bildern begrüßt, was wohl auch der Grund dafür war, dass ihre Mutter sie angebracht hatte. Kuraikos Blick wanderte wie schon viele Male zuvor über die verschiedenen Fotos und blieb dabei an einem hängen. Dieses zeigte sie als kleines Mädchen gemeinsam mit ihren Großeltern vor deren Gewächshaus. Fröhlich hatte sie, mit ihren damals noch langen und zu Zöpfen gebundenen schwarzen Haaren, in die Kamera gelächelt. Die knallig gelben Gummistiefel, die sie damals trug passten überhaupt nicht zu ihrem hellvioletten Kleid, welches allerdings ziemlich schmutzig wirkte. Auch ihre Wangen und Arme waren voller Dreck und in ihrer linken Hand hielt sie eine kleine Schaufel. Sie an sich gedrückt kniete ihr Großvater neben ihr, während ihre Großmutter freundlich lächelnd daneben stand. Ein wehmütiger Blick zierte plötzlich das Gesicht der jungen Frau. Früher war dies ihr Lieblingsbild gewesen. Damals... als ihre Großeltern noch lebten. Sie hatte Beide sehr geliebt und nur ungern erinnerte sie sich an die letzten zwei Jahre, in denen erst ihr Großvater einer schweren Krankheit erlegen und ihre Großmutter ihm kurz darauf gefolgt war. Seither war auch das Gewächshaus verlassen, denn ihre Mutter, welche dort sozusagen aufgewachsen war, hatte sich für das Leben einer Bäckerin und Konditorin entschieden, anstatt für das einer Botanikerin und wollte das Gewächshaus deshalb nicht übernehmen. Kuraiko senkte den Blick und knirschte hörbar mir den Zähnen. Sicher, sie konnte ihrer Mutter nicht verdenken, dass sie ihre eigenen Entscheidungen getroffen hatte, aber sie konnte und wollte nicht verstehen, wieso sie das Gewächshaus einfach so verkaufen konnte. Ihre Mutter meinte, dass sie weder die Zeit noch die Mittel hätten, dieses Gebäude weiter zu betreiben, so schwer es ihr auch fallen mochte. Kuraiko verstand es dennoch nicht, denn sie hatte ihren Eltern angeboten sich darum zu kümmern, doch diese blockten weiter ab und das war es, was die Schwarzhaarige zur Weißglut brachte und weshalb sie letzten Endes sogar in der Spiegelwelt gelandet war. Wiederum spornte das Verhalten ihrer Eltern sie an, denn nun wollte sie ihnen erst Recht beweisen, dass sie es schaffen konnte. Und aus diesem Grund war sie an diesem Tag so zeitig aufgestanden. Noch einmal kurz sah die junge Frau auf das Foto, bevor sie sich abwandte und die Wohnung verließ. Noch kurz gab sie ihren Eltern Bescheid, bevor sie sich auf den Weg zum Park machte, in welchem das Gewächshaus ihrer Großeltern stand. Es dauerte keine dreißig Minuten, bis die junge Frau das besagte Gewächshaus erreicht hatte. Wehmütig blickte sie auf das aus Glas bestehende Gebäude, um welches rundherum unzählige wilde Pflanzen wucherten. Sie war schon eine ganze Weile nicht mehr hier gewesen und das tat ihr in der Seele weh, aber in der letzten Zeit war so viel passiert, dass sie gar keine Zeit gefunden hatte. Doch das sollte sich ab heute wieder ändern. Sie würde sich die Zeit einfach nehmen, egal wie. Nur um ihren Eltern zu beweisen, dass sie das Gebäude, an welchem ihr Herz so hing, niemals aufgeben würde. Noch einmal zu sich selbst nickend setzte sie sich in Bewegung, während sie einen Schlüssel aus ihrer Tasche kramte, um damit sie verschlossene Tür zu öffnen. Kaum war dies geschehen und die Tür aufgezogen, kam ihr stickige, warme Luft entgegen, durch welche sich sogleich kleine Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten. Einmal ihren Pony anpustend, betrat sie das stickige Gebäude und riss erst einmal alle Fenster auf, die zu öffnen gingen, bevor sie sich umsah. Sie stand inmitten von Pflanzen, die allerdings alle schon bessere Tage gesehen hatten. Die meisten von ihnen hatten die heißen Temperaturen der letzten Tage nicht vertragen und waren deshalb eingegangen. Auch das Beet, welches sich zu ihrer Linken über die gesamte Fläche nach hinten durch das Gebäude erstreckte, sah völlig verwüstet aus. Von den Pflanzen, welche zu ihrer Rechten auf den dort aneinander gereihten Tischen standen, wollte sie gar nicht erst anfangen. Ebenso wenig von den ganzen Töpfen, welche hier und da kaputt verstreut herumlagen. Seufzend kratzte sie sich am Hinterkopf und versuchte das gesamte Ausmaß des Chaos' zu überblicken. Da hatte sie einiges vor sich. Noch einmal seufzte die Schwarzhaarige und griff dann erneut in ihre Tasche, um mit einem gekommen Griff eine schwarze Schürze und ein paar Gartenhandschuhe herauszuholen, welche sie sich überzog, nachdem sie ihre Tasche zur Seite gestellt hatte. Noch einmal schaute sie über das ganze Chaos, bevor sie sich an die Beseitigung des dessen begab. Ihr Ziel an diesem Tag war es, die abgestorbenen Pflanzen und das Unkraut zu beseitigen, sowie die Beete umzugraben. Neue Setzlinge würde sie die Tage besorgen, wenn sie mit dem Gröbsten fertig war. So hatte sie sich das jedenfalls vorgestellt, doch das ganze Chaos ins Reine zu bringen erwies sich als Zeitaufwendiger als sie anfangs dachte und sie musste feststellen, dass es wohl einige Tage mehr in Anspruch nehmen würde. So versuchte sie wenigstens an diesem Tag so viel wie nur irgend möglich fertigzubekommen. Der Himmel färbte sich bereits Orange, als Kuraiko das Gebäude verließ. Seufzend wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und sah noch einmal durch die geöffnete Tür auf ihre heute getane Arbeit und das nun doch etwas geordnete Inventar. Obwohl sie nicht alles geschafft hatte, was sie sich für diesen Tag vorgenommen hatte, war sie mit sich selbst zufrieden. Selbst das Unkraut, welches immer noch rund um das Gebäude wucherte störte sie in diesem Moment relativ wenig. In den nächsten Tagen musste sie ohnehin noch einmal hierherkommen. Die Sommerferien gingen noch eine Weile, deshalb war sie zuversichtlich, den Rest auch noch zu schaffen. „Naja… das war’s für heute.“, sich noch einmal streckend, wandte sich die junge Frau der Tür zu, um diese wieder zu verschließen, bevor sie sich auf den Heimweg begab. Dabei nahm sie einen kleinen Umweg und nutzte diese Gelegenheit für einen Spaziergang durch den Park. Dieser war einer von mehreren in der Stadt und auch nicht so anders, als die Anderen. Doch vor rund 50 Jahren, als die Stadt in Geldnot geriet und die Parks teilweise nicht mehr ordentlich betreiben konnte, wurden hier, genau in diesem Park, mehrere Grundstücke zum Kauf angeboten. Ihre Großeltern waren ein Paar von mehreren, welches eines der Grundstücke kaufte und darauf Gewächshäuser baute, denn das war die Voraussetzung für den Verkauf. Die meisten der Gebäude waren sogar noch in Besitz der ursprünglichen Käufer oder dessen Nachkommen. „Unseres leider nicht mehr lange, wenn nichts geschieht.“, ging es Kuraiko durch den Kopf und sie senkte wehmütig den Kopf, "Wenn ich doch nur mehr tun könnte. Es tut mir so leid, Obaa-Chan, Ojii-Chan.“ Eine leise Stimme drang plötzlich an ihr Ohr und ließ sie wieder aufblicken und sich umschauen. Sie stand an einer kleinen Weggabelung zwischen mehreren Bäumen. Ein Wegweiser vor ihr zeigte ihr an, dass sich zu ihrer Rechten der Ausgang befand und der Weg zu ihrer Linken zu einem Spielplatz führte. Wieder hörte sie die Stimme und ihr Blick richtete sich auf den Weg, welcher sich zu ihrer Linken befand, und langsam wurde sie neugierig. Es war eine männliche Stimme, welche an ihr Ohr drang, doch was sie am meisten irritierte und ihre Neugier geweckt hatte war, dass diese Stimme zu singen schien. Jedenfalls hörte sie sich sehr melodisch an, aber wer war so verrückt mitten in einem Park zu singen? Die Stimme wurde klarer, je näher sie dem Spielplatz kam und endlich konnte sie auch verstehen, was gesungen wurde. „Should've stayed, were there signs, I ignored? Can I help you, not to hurt, anymore? We saw brilliance, when the world, was asleep There are things that we can have, but can't keep If they say" Sie kam an dem Spielplatz an und lauschte weiterhin der klaren Stimme, welche über die freie Fläche schallte. Im langsam dämmrigen Licht erkannte sie schemenhaft einen jungen Mann, welcher etwas weiter von ihr entfernt auf einer Bank saß und gen Himmel starrte. Außer ihr und der Person war niemand sonst an diesem Platz. Ganz deutlich konnte sie das Lied hören, welches aus der Richtung des jungen Mannes kam. "Who cares if one more light goes out? In a sky of a million stars It flickers, flickers Who cares when someone's time runs out? If a moment is all we are We're quicker, quicker Who cares if one more light goes out? Well I do“ * Sie kannte das Lied. Es war von einer bekannten amerikanischen Nu Metal Band und es stimmte sie traurig. Die Art, wie die Person dieses Lied zum Besten brachte, machte die ganze Sache nicht wirklich einfacher, denn an der Stimme erkannte sie, dass denjenigen etwas mächtig belastete. Doch je länger sie dem Lied lauschte, desto mehr musste sie auch an ihre Großeltern denken und die letzten Monate, die sie mit ihnen verbracht hatte. Tränen stiegen ihr langsam in die Augen, welche sie genervt versuchte wegzuwischen, doch sie flossen unweigerlich nach, sodass sie ihr irgendwann über die Wangen liefen. Genervt stöhnte sie auf und wischte das Wasser wieder aus ihrem Gesicht. Leichte Wut stieg in ihr auf, darüber, dass diese Person es wagte sie zum Weinen zu bringen und wieder einmal war sie froh, dass keiner ihrer Freunde in der Nähe war und sie sehen konnte. Das Lied endete und so konnte sie wieder Herr über ihren Körper werden und auch die letzten Tränen wegwischen. „Fuka-Chan?“, hörte sie plötzlich eine ihr bekannte Stimme, welche sie unweigerlich zusammenzucken ließ. Erschrocken drehte sie ihren Kopf zur Seite und erkannte Shuya, welcher sich von der Bank erhob und auf sie zukam. Irritiert sah sie den Violetthaarigen an, während dieser immer näher kam. Ihr Gehirn begann auf Hochtouren zu laufen, denn das was ihr gerade durch den Kopf ging, konnte sie in keine richtige Reihenfolge bringen. Natürlich hatte sie vor zwei Tagen bereits durch Hiroshi erfahren, das Shuya in einer Band spielte, jedoch hätte sie niemals gedacht, dass er auch tatsächlich singen konnte. Nun stellte sie allerdings fest, dass er ein ziemliches Goldstimmchen besaß und dazu auch noch solch melancholische Lieder singen konnte, doch genau diese Erkenntnis konnte sie nicht mit dem Bild von Shuya in Einklang bringen, welches sie eigentlich sonst von ihm hatte. Er war immerhin eine dauergrinsende Nervensäge, der nichts Besseres zu tun hatte, als seinem weiblichen Fanclub schöne Augen zu machen und mit allen möglichen Mädchen zu flirten, sie mit eingeschlossen, auch wenn es da nur beim kläglichen Versuch blieb. Ihn nun so ernst zu sehen, war für sie neu. Natürlich hatte sie auch schon eine ernste Seite von ihm kennenlernen dürfen, als er den Streit zwischen Akane und Hiroshi geschlichtet hatte, doch hier war es anders. Das hier war kein Streit unter Freunden, den er schlichten wollte, in dieser Ernsthaftigkeit steckte etwas viel Tiefgründigeres. Konnte es wirklich sein, dass sogar diese Grinsekatze Shuya ernsthafte Probleme hatte? Eine Hand an ihrer Wange ließ sie aufschrecken und zurückweichen. Erschrocken sah die Schwarzhaarige ihren Klassenkameraden an, welcher seine Hand ebenso erschrocken wieder etwas zurückgezogen hatte und sie nun mit besorgten, violettblauen Augen betrachtete. Auch dieser Blick, ließ sie stutzig werden, denn auch diesen kannte sie von dem jungen Mann nicht. „Was soll das?“, fragte sie wütend, um ihre Unsicherheit zu überspielen. Beschwichtigend hob ihr Gegenüber die Hände: „Entschuldige. Mir war nur so als… Hast du geweint?“ Röte stieg ihr ins Gesicht: „W-wie kommst du darauf?“ „Weil deine Wange ganz nass ist.“, kam seine rasche, aber tot ernst gemeinte Antwort, „Hast du irgendwelche Probleme? Vielleicht kann ich dir helfen.“ „Als ob du das könntest. Außerdem habe ich keine Probleme.“, schimpfte die Schwarzhaarige. Irgendwie kam ihr dieses Gespräch absolut surreal vor, denn seine Ernsthaftigkeit verwirrte sie zunehmend. Trotzdem spürte sie das plötzliche Kribbeln in ihrem Magen, als die violettblauen Augen des jungen Mannes sie besorgt musterten. Dieses Gefühl machte sie wütend. Sie wollte es nicht spüren, vor allem nicht in seiner Nähe. Seine Art und wie er ständig über alles hinweg lachte, regte sie tierisch auf. Und das sie plötzlich Herzklopfen in seiner Nähe bekam nervte sie, denn wenn sie eines wusste, dann war es die Gewissheit nicht in diese dauergrinsende Nervensäge verliebt zu sein. Jedenfalls redete sie sich das immer wieder ein, auch wenn ihr Körper in diesem Moment wohl ganz andere Signale sendete. Aus diesem Grund versuchte sie ihm eigentlich ständig aus dem Weg zu gehen, was sich in letzter Zeit als extrem schwierig herausstellte, immerhin war der junge Mann der beste Kumpel von Hiroshi. Um diesem nervigen Gefühl zu entkommen drehte sie sich ruckartig um. Sie musste weg hier. Weg von ihm, sonst würde sie wohl noch die Geduld verlieren und ihm den Hals umdrehen. „I-Ich muss nach Hause.“, murmelte sie nur und wandte sich von ihm ab. „Soll ich dich begleiten? Es wird schon dunkel.“, fragte Shuya vorsichtig. „Nein danke! Ich brauche deine Hilfe nicht.“, damit war für die Schwarzhaarige das Gespräch beendet und sie rannte davon. Zurück blieb ein irritiert und besorgt drein blickender Shuya, welcher der jungen Frau nachschaute. Hastig rannte die Schwarzhaarige in Richtung Ausgang. Ihr Gesicht glühte, das merkte sie, und sie verfluchte ihr Herz dafür, dass es nicht aufhören wollte zu rasen. Wieso musste sie in seiner Nähe so fühlen? Das wollte sie nicht. Wieso wusste sie nicht, denn der junge Mann war im Grunde keine schlechte Partie und fast jedes Mädchen in ihrer Klasse riss sich um seine Aufmerksamkeit. Doch diese schenkte er sehr oft vor allem ihr und wäre sie wie die anderen Mädchen, dann müsste sie wohl überaus glücklich sein. Doch sie war nicht wie die Anderen. Sie wollte seine Aufmerksamkeit nicht. Doch noch während ihr dieser Gedanke kam, fühlte sie den kleinen Stich in ihrem Herzen. Und wieder verfluchte sie dieses. Es sendete ihr eindeutige Signale, aber sie wollte sie nicht wahrhaben, nicht spüren. Unaufmerksam wie sie war, bemerkte sie nicht die Person, welche gerade durch das Eingangstor des Parks wollte und rannte diese plötzlich um. Schmerzhaft landete sie auf ihrem Hintern und wollte die Person anschreien, dass sie gefälligst besser aufpassen sollte, als ihr jedoch sofort eine Hand gereicht wurde und sie auf einen jungen Mann blickte. Er trug eine schwarze Lederjacke und ein weißes Shirt. Dazu eine enge Jeanshose. Seine Haare hatte er zu einer merkwürdigen Tolle gekämmt, sodass sich Kuraiko vorkam, als wäre sie in einem Film aus den Fünfzigern gelandet. „Entschuldige. Ist dir was passiert?“, fragte er freundlich. „Nein, schon gut.“, murmelte die Schwarzhaarige und stand auf, die helfende Hand ihres Gegenübers ignorierend. Dieser ließ es sich jedoch nicht nehmen, ihr trotzdem aufzuhelfen, was die junge Frau als eher nervig empfand. „Hey… du bist ja hübsch.“, meinte er plötzlich. „Bitte was?“, erschrocken sah Kuraiko ihn an, während langsam Wut in ihr aufstieg, was wohl auch seiner Hand zu verdanken war, die immer noch an ihrer Hüfte ruhte. „Ich meine das ernst. Hast du Lust mit mir etwas trinken zu gehen?“, fragte er plötzlich. Schnell trat die Schwarzhaarige einen Schritt zurück, um sich so aus seinem Griff zu befreien: „Hast du sie noch alle? Ich geh doch nicht mit jedem dahergelaufenen Typen, der mich umrennt, was trinken.“ „Hey jetzt sei mal nicht so zickig.“, er griff nach Kuraikos Handgelenk, während sein erst freundlicher Ton langsam mürrisch wurde, „Immerhin hast du mich umgerannt. Du bist mir also was schuldig.“ „Ich bin dir gar nichts schuldig. Jetzt lass mich los und verschwinde.“, schwungvoll versuchte die junge Frau ihren Arm aus seinem Griff zu befreien, doch er ließ sie nicht los. Stattdessen wurde sein Griff eher stärker. Kuraiko war kurz davor zu explodieren und sie verfluchte diesen Typen, der es wagte sie so zu behandeln. Am liebsten hätte sie ihm den Hals umgedreht, doch dafür bräuchte sie ihre zweite Hand und diese hielt er immer noch fast. Plötzlich trat er näher an sie heran, woraufhin sie zurückweichen wollte, doch dann an den Steinpfeiler stieß, welcher das metallene Tor zum Park hielt. Erschrocken sah sie wieder nach vorn und erkannte sein grinsendes Gesicht. Gemischte Gefühle übermannten sie… Wut und Angst kamen gleichermaßen in ihre auf und sie suchte eine Möglichkeit dem Ganzen so schnell wie möglich zu entkommen. Eine Hand griff plötzlich nach dem Arm des jungen Mannes und zog ihn zur Seite, wodurch er endlich Kuraikos Handgelenk losließ. Doch kaum war sie frei, griff wieder eine Hand nach ihr und zog sie von dem Pfeiler weg. Erschrocken schloss sie kurz die Augen und versuchte das Gleichgewicht nicht zu verlieren, doch als sie diese wieder öffnete erkannte sie einen breiten Rücken und violettblaue, leicht gewellte schulterlange Haare. „Hey lass die Pfoten von ihr.“, drang Shuyas wütende Stimme an ihr Ohr, „Und wenn du nicht gleich nen Abgang machst, dann wird es unangenehm für dich. Die Polizei hab ich nämlich schon verständigt.“ Ein Lachen drang zu ihr herüber: „Das glaubst du doch selbst nicht. Denkst du ernsthaft damit könntest du mich verarschen?“ Shuya blieb ruhig: „Willst du es austesten?“ Der junge Mann ihm gegenüber zuckte kurz zurück und schien dann zu überlegen, bevor er die Hände in die Taschen schob und mit den Worten „mit so nem Kind macht es eh keinen Spaß“ davon stolzierte. Besorgt sah Kuraiko ihm nach und wandte dann ihren Blick wieder auf den Violetthaarigen vor sich, welcher seinem Gegenüber böse nachblickte. „Alles in Ordnung bei dir?“, fragte er plötzlich und die Schwarzhaarige konnte erkennen, wie er langsam die Schultern wieder sinken ließ, welche er vor Aufregung nach oben gezogen hatte. Seinen Blick hatte er dabei weiterhin auf die Straße gerichtet. Kuraiko senkte den Blick und blieb Shuya eine Antwort schuldig, doch dieser sprach ohnehin kurz darauf weiter: „Entschuldige. Ich hätte dich gleich begleiten sollen, auch wenn du abgelehnt hast. Um diese Zeit ist es gefährlich für junge Frauen. Los komm, ich bring dich heim.“ Damit hatte er ihr Handgelenk gepackt und sie hinter sich hergezogen, ohne sie vorher noch einmal anzuschauen. Die Schwarzhaarige war ihm dafür sogar ziemlich dankbar, denn ihr Gesicht glich mittlerweile einer überreifen Tomate. Ohne ein weiteres Wort ließ sie sich jedoch von Shuya durch die Straßen ziehen, bis sie in ihrem sicheren Heim angekommen war. Am späten Abend lag die junge Frau in der heißen Wanne und starrte gedankenverloren an die Decke. Ihre nassen Haare klebten ihr im Gesicht, doch das interessierte sie nicht. Viel mehr kreisten ihre Gedanken um das vor kurzem Geschehene. An das Lied, welches Shuya gesungen hatte, sein ernstes Gesicht und das darauffolgende Gespräch, sowie seine Hilfe. Zum ersten Mal hatte sie den jungen Mann durchgängig ernst erlebt und nicht hyperaktiv wie sonst und das hatte einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen. Sie seufzte und ihr kam der Gedanke, woran der Violetthaarige wohl gedacht haben mochte, als er dieses überaus traurige Lied gesungen hatte. Doch kaum war ihr dieser Gedanke bewusst geworden, schüttelte sie den Kopf und tauchte gänzlich in das heiße Wasser ein. Sie verharrte einige Sekunden so und tauchte dann nach Luft schnappend wieder auf. Ihre Wangen glühten, aber sie redete sich ein, dass es von dem heißen Wasser kam. Wieder schüttelte sie den Kopf: „Hör auf daran zu denken, Kuraiko! Er ist es gar nicht wert!“ Sie legte ihre Hände auf den Wannenrand und bettete ihren Kopf darauf, bevor sie noch einmal seufzte und einen Moment spät bereits wieder in ihren Gedanken um Shuya versunken war. Was später am Abend geschah: Murrend tastete Hiroshi nach seinem Smartphone, welches neben ihm auf der Matratze lag und freudig vor sich hin vibrierte. Wieso um alles in der Welt hatte er es nicht komplett auf lautlos gestellt? Müde blickte er auf das Display, welches ein Foto von Shuya zeigte, der, ein Peacezeichen zeigend, in die Kamera lächelte. Der Blonde legte eine Hand auf seine Stirn und wischte sich kurz darauf über das Gesicht. Was wollte Shuya denn um diese Zeit von ihm? Er strich über die glatte Oberfläche und legte sich das schwarze Handy ans Ohr: „Ja?“, murmelte er leicht genervt. „HIROOOOOOOOOO! Hilf miiiiiiiir.“, quängelte ihm die Stimme seines besten Kumpels entgegen, woraufhin er das Smartphone wieder von seinem Ohr zog. „Was ist denn passiert?“, fragte der Blonde, nachdem er sich das Handy wieder ans Ohr legte. „Ich hab mich verlaufen… und finde mich nicht heim.“, kam es weinerlich vom anderen Ende der Leitung. „Urgh…“, wieder wischte sich Hiroshi über das Gesicht und setzte sich auf, „Ich bin auf dem Weg…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)