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Das Glasherz

von

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L'Illusion de Youma

Es war warm; behaglich. Um einiges behaglicher als die Holzbank des gestrigen Abends... ah, kein Wunder; Youma erkannte es, noch ehe er die Augen aufschlug; den Geruch eines frisch gepressten Kaffees, das ferne Geräusch der lebendigen Stadt... er lag in seinem eigenen Bett und genau wie jeden Tag wollte er sich noch einmal herumdrehen, obwohl er wusste, dass es bereits spät war... er musste aufstehen, aber er wollte sich noch ein einziges Mal herumdrehen...  

Gähnend ging er diesem drängenden Wunsch nach, sich bewusst, dass er ein störrischer Langschläfer war... als er bemerkte, dass er nicht alleine war.

 

„Du hast dich schon zweimal umgedreht; du bist einfach unverbesserlich.“

 

Widerstrebend öffnete Youma ein Auge und sah Nocturn neben sich im Bett liegen. Offensichtlich war er schon eine Weile wach, denn sein neckisches Grinsen deutete keine Müdigkeit an.

„Was machst du in meinem Bett?“

„Hatten wir nicht vor Kurzem erst festgestellt, dass es eigentlich mein Bett ist?“

„Ich bin es aber, der in diesem schläft und es auch gerne noch ein wenig tun würde.“ Demonstrativ schloss Youma seine Augen wieder und wollte sich gerade von ihm abwenden, als jeglicher Versuch, wieder einzuschlafen oder wenigstens noch ein wenig zu schlummern, von Nocturn durchkreuzt wurde:

„Warum denn jetzt so abweisend? Das sah gestern Abend aber noch anders aus.“ Youma öffnete die Augen wieder und Skepsis zeigte sich in ihnen:

„Wovon redest du?“

„Ach, will der Herr es etwa schon wieder verdrängen?“ 

 

Youma verwirrte diese Aussage; wovon... wovon sprach er?

Aber ehe er mehr als Verwirrung erwidern konnte, beugte Nocturn sich plötzlich zu ihm und – Youma hätte es verhindern können, aber warum sollte er? – legte seine Lippen auf seine.

Der erste Impuls war Überraschung, der zweite Abwehr, aber warum? Es war lange her, aber für einige Stunden war es ihm so natürlich vorgekommen und als er es jetzt wieder spürte, fragte er sich, warum er gegen den Drang überhaupt angekämpft hatte; ließ es deshalb geschehen, froh, den ganzen Zwängen plötzlich entfliehen zu können.

 

Nocturn löste sich wieder von ihm, indem er grinsend den Kopf ein Stück anhob, so dass sich ihre Nasenspitzen gerade berührten und sein schwarzes, leicht zerzaustes Haar Youmas Wange streifte.

„Ich frage mich, wie lange du es noch verdrängen kannst.“  

 

Nocturns Grinsen wurde breiter, aber ehe Youma antworten konnte, erhob er sich aus dem Bett und verschwand ein wenig vor sich hin summend aus dem Zimmer. Youma, welcher sich einfach nicht von einer unergründlichen Verwirrung befreien konnte, ließ sich noch einmal ins Kissen zurückfallen, ehe er dann entschieden aufstand und Nocturn folgte.

 

„Wo sind Feullé-san und Blue-san?“, fragte Youma, da das Wohnzimmer samt der Küche ungewohnt leer war. Es war auch nicht Feullé, die den Kaffee kochte, sondern Nocturn. Er reichte ihm den frischgepressten Kaffee und antwortete lächelnd:

„Die sind nicht hier. Hier sind nur du und ich.“

 

Nocturn lächelte immer noch, obwohl Youmas Gesichtsausdruck misstrauisch wurde.

„Trink deinen Kaffee, Youma, ansonsten wird er kalt.“ Aber er war schon kalt; er war von Anfang an nicht heiß gewesen.

„Ich habe Kopfschmerzen“, antwortete er statt seinen Kaffee anzurühren, die Stirn in skeptische Falten gelegt, als würde er dem Schmerz auf den Grund gehen wollen – Nocturn schien sie allerdings nicht ergründen zu wollen, denn er antwortete wissend:

„Die werden bald verschwinden.“

 

Irgendetwas an Nocturns Tonfall machte Youma unruhig – aber was war es? Es war doch alles normal... nein, warte. Eigentlich war nichts normal. Aber was war es, das ihn irritierte? Was war es, das es nicht normal machte... denk nach, Youma, denk nach – er wusste, dass er die Lösung kennen musste, aber sein Kopf schmerzte so sehr; der Schmerz blockierte seine Gedanken.

Wie waren sie überhaupt hierher gelangt? Das Dorf... waren sie nicht im Dorf? Gefangen weil... oh Gott, der Schmerz... ein Antiteleportationsbannkreis, gewirkt von... aaaaaaaaargh--- er musste weiterdenken, aber der Schmerz, argh, denk nach, denk nach!

 

Der Schmerz hatte ihn dazu gebracht, sich zusammenzukrampfen, aber das Aushalten der Schmerzen hatte etwas bewirkt; das allzu bekannte Zimmer, die Welt um ihn herum, sie war... grau. Sie hatte jegliche Farbe, jegliches Leben verloren – kein Geräusch drang mehr herein, es herrschte absolute Stille; die Vögel, sie flogen nicht mehr, waren eingefroren – das einzige, das noch Farbe besaß und in dieser grauen Welt leuchtend hervorstach, waren Nocturns purpurne Augen.

 

„Was... was ist mit deinen...“ Der Schmerz gewann an Intensität; er durchzuckte Youma bohrend und als könne seine Hand etwas daran ändern, fuhr sie automatisch hoch zu seinem Kopf.

„Ist das hier eine Illusion? Wir sind immer noch...“ Er konnte nicht darüber nachdenken; es ging einfach nicht; der Schmerz blockierte ihn.

 

„Nein, so kann man das nicht nennen. Es ist eher eine... sagen wir, Visualisierung.“

„“Visualisierung“?“, wiederholte Youma skeptisch, aber auch stöhnend; der Schmerz nahm immer weiter zu, weshalb er auch nichts tun konnte, um Nocturn dazu zu bringen, ihn nicht mehr so widerlich anzulächeln. So von oben herab, so herablassend, hochmütig...

„Ach, das magst du nicht? Das ist eigenartig, denn so lächelst du immer; so siehst du aus, wenn du auf andere herabsiehst.“

„Wie ist das möglich---wie kannst du meine Gedanken lesen?!“

„Du hast wirklich noch nicht begriffen, wo wir hier sind, oder? Aber keine Sorge, ich werde es dir zeigen...“

 

Und dann wurde der Schmerz so unerträglich, dass Youma aufschreien musste – es war unmöglich, es zu unterdrücken; er ging auf die Knie, musste sich den Kopf jetzt mit beiden Händen festhalten, bemerkte nicht, wie Nocturn weiterhin mit hochmütigem Lächeln auf ihn herabsah---

 

„Was habe ich mir nur dabei gedacht?“

 

Das... das war seine eigene Stimme---

 

„Warum habe ich nicht versucht, es zu unterbinden?“

„Es hat nichts bedeutet.“

„Es war ein Versehen.“

„Ich werde einfach nicht mehr darüber nachdenken.“

„Ich muss mit Silence reden, ich muss es ihr doch beichten...“

„Sie liebt mich doch sowieso nicht mehr.“

 

„Du weißt, wo wir sind, oder, Youma? Wir können nur an einem Ort sein...“

 

„Es ist nichts passiert, es ist gar nichts passiert.“

„Warum sagt er denn gar nichts dazu? Warum macht er mir keine Vorwürfe?“

„Es war ein Unfall. Darin sind wir uns wohl beide einig. Darüber müssen wir gar nicht reden.“

„Ein Unfall.“

 

„All diese Dinge, die du nie ausgesprochen hast, die vielleicht nie zu Worten geformt worden sind.

 

 „Ich vermisse seine Nähe...“

 

„Weil du sie verdrängt hast, aber das Unterbewusstsein ist immun gegen Verdrängung.“`

 

„Abstand halten. Ich muss Abstand halten.“

„Es wird nicht wieder passieren.“

„Ich würde ihn so gerne wieder berühren... ob nur ich das will?“

„Nocturn ist wie immer. Ich muss auch wie immer sein.“

„Nicht darüber nachdenken. Wenn ich nicht darüber nachdenke, dann bin ich auch nicht... dann bin ich auch nicht...“

„Wem mache ich eigentlich etwas vor?“

 

„Raus aus meinen Gedanken!“

Youma war es gerade noch gelungen, diese Worte zu rufen, da wurde er auch schon zu Boden geworfen und er spürte, dass Nocturn ihm ohne Probleme den Verlobungsring vom Finger zog.

 

„Gib ihn mir zurück!“, fauchte Youma wütend, doch Nocturn lachte nur boshaft:

„Der ging aber ganz schön leicht von deinem Finger! Saß der schon immer so locker?“ Youma wollte sich auftürmen, Nocturn von sich herunterstoßen, aber der Schmerz lähmte ihn, ließ seine Sicht verschwimmen – aber den Ring sah er; triumphierend hielt Nocturn ihn hoch --- er musste ihn zurückbekommen---

„Normalerweise, Youma...“, fuhr Nocturn fort, auf Youmas Proteste gar nicht achtend, die glühenden Purpuraugen auf den goldenen Ring gerichtet:

„Wäre es nicht so einfach, dir den Ring von deinem Finger zu ziehen. Du nimmst ihn nie ab. Du trägst ihn immer – aber hier, in deinem Unterbewusstsein, dem Ort, dem du nichts vormachen kannst, haben sich Zweifel eingenistet, die den Ring lockern – hier könntest du ihn leicht abnehmen, hier kannst du ehrlich zu dir sein. Du warst nicht überrascht, als du neben „mir“ aufgewacht bist; verwirrt ja, weil du du bist und deine ewigen Zweifel sich sogar in deinem Unterbewusstsein verbreiten – aber trotz deiner Zweifel konntest du dich nicht gegen das Gefühl des „Wollens“ wehren. Du willst den Ring abziehen. Du willst ihn berühren. Du willst all die Dinge wiederholen, die ihr schon einmal getan habt und dann willst du am nächsten Morgen neben ihm aufwachen. Und du willst hören, dass er das gleiche will, weil du in ihn verliebt bist. Also...“ Er beugte sich nun zu dem vollkommen sprachlosen Youma herunter, den Verlobungsring mit seiner Faust umschließend:

„... warum lässt du die Zweifel nicht mal Zweifel sein und lässt dieses „Wollen“ einfach geschehen?“

 

Sprachlos und schockiert war Youma zwar von dieser absoluten und schonungslosen Ehrlichkeit, aber nicht handlungsunfähig – und als der andere Dämon ihn ein weiteres Mal küssen wollte, stemmte er seine flache Hand gegen dessen Stirn, stieß ihn von sich weg, warf den nun Lachenden zu Boden, stemmte seinen Fuß auf dessen Oberkörper und beschwor seine Sense, deren Klinge an die Pulsader des anderen sauste und dort zum Stillstand kam. Offensichtlich sah der andere Dämon die Situation aber nicht als sonderlich ernst an:

„Ahahaha, natürlich, natürlich – der Kronprinz will natürlich dominieren; geht ja auch nicht, dass der so Hochwohlgeborene unten liegt!“

 

„Wer bist du?! Sag es mir auf der Stelle oder ich werde dich enthaupten!“

Der sich unter ihm Befindende lachte gegen das Sensenblatt, aber die Wohnung, die Welt um sie herum, zerfiel; wurde grauer und grauer, bis sie schwarz wurde und nicht mehr zu sehen war.

„Wie kommst du jetzt auf einmal darauf, dass ich nicht „Nocturn“ bin? Sehe ich nicht genauso aus wie er?“, antwortete er, die Drohung Youmas scheinbar nicht sonderlich ernst nehmend.

„Du magst aussehen wie er, aber Nocturn würde niemals das Wort „verlieben“ benutzen, weil er meint, es gäbe nur Verlangen.“ Das brachte das Lachen auf seinem Gesicht tatsächlich zum Verschwinden:

Wie bitte?! Ich habe die ganze Zeit Hinweise gestreut und du hängst dich an einem einzelnen Wort auf?!“Youma antwortete nicht; stattdessen aktivierte er seinen Dämonenmodus und schob die Sense ein kleines Stück näher an dessen Kehle.

„Also gut, also gut, du kannst mich zwar sowieso nicht umbringen, aber ich will mal nicht so sein. Ich „bin“ Nocturn, aber nur im Prinzip. Ich könnte aussehen wie jeder andere, aber er ist momentan der Präsenteste in deinem Unterbewusstsein, daher sehe ich aus wie er – und natürlich besteht eine kleine Verbindung zu ihm, weil er für diese Visualisierung deines Unterbewusstseins verantwortlich ist. Deswegen kann ich dich vielleicht auch zu ihm bringen – wenn du mal die Sense von mir wegnehmen würdest, besten Dank – im Endeffekt bin ich auch nur eine Visualisierung. Eine Visualisierung deines Unterbewusstseins – und das in deinem Unterbewusstsein, ist das nicht herrlich paradox!? – kombiniert mit deiner Vorstellung von „Nocturn“.“ Kaum dass diese komische Gestalt sich nun wieder aufrichten konnte, da Youma die Sense entfernt hatte, fiel ihm Youma ins Wort:

 

„Warte, warte – ich stelle mir Nocturn aber nicht so nervig vor wie du.“

„Danke, ich finde dich auch nervig – das ist dein Selbsthass.“

„Ich hasse mich nicht selbst.“

„Du willst mir wirklich etwas vormachen? Soll ich ältere Gedanken heraussuchen, Gedanken an Light? Wollen wir uns noch mal den Mord an ihm und Silence angucken?“

„Du bist trotzdem nicht wie Nocturn.“

„Ohohohoho und jetzt umgehst du das Thema – wie immer!“     

     

Die Umgebung um sie herum änderte sich langsam; die Schwärze nahm Form an, Graustufen erschienen und bildeten gemächlich eine bizarre Szene, die Youma allerdings schnell als Eterniya wiedererkannte; seine alte Heimat, jedoch fern von dem, an was er sich normal mit Schmerz und Sehnsucht erinnerte. Auch hier war alles grau, wirkte alt und heruntergekommen; die sonst so prachtvollen Säulen zerstört, der ornamentierte Boden aufgerissen; die Pflanzen waren eingegangen; das von ihm so geliebte goldene Gras war tot.

„Auf die Umgebung habe ich übrigens keinen Einfluss“, flüsterte der Nocturn neben ihm triumphierend, weil die neue Szenerie seinen Punkt natürlich wunderbar untermauerte. 

 

Youma begann zu gehen, gefolgt von seinem komischen Begleiter, denn eigentlich war er nicht überrascht über diesen Ort oder wie er aussah – es war immerhin tatsächlich sein eigenes Unterbewusstsein und wie oft hatte er sich in Träumen nicht schon an diesem Ort wiedergefunden?

 

„Wie ich schon sagte“, begann der „Nocturn“:

„Entspreche ich in etwa deiner Vorstellung von ihm. Aber es ist unmöglich, dass man, wenn man sich eine Person vorstellt, diese so treffen wird, wie sie in Wahrheit ist – man mischt etwas von sich selbst, seine eigenen Erwartungen, sein eigenes Denken, mit hinein in diese Vorstellung – daher bin „ich“ unter anderem so hochmütig und übernehme viele deiner Gesichtsausdrücke.“ Youma warf ihm einen finsteren Blick zu, ließ ihn aber ungehindert fortfahren:

„Nocturns Asexualtität zum Beispiel ist etwas, was du nicht verstehen kannst, weil du selbst alles andere als das bist. Du weißt zwar, dass er es ist, aber weißt du, wie es ist, asexuell zu sein? Nein. Daher weiß „ich“ das auch nicht.“ Youma deutete ein kleines, verstehendes Nicken an, während sie schnellen Schrittes vorangingen – aber wenn er so einen „Begleiter“ hatte, hatte Nocturn das dann auch? Oder war es bei ihm etwas anderes, weil er der Urheber dieser Scheinwelt war?

 

„Aber ich kann – wie gesagt – auch andere Gestalten annehmen.“ Sofort blieb Youma wie angewurzelt stehen, als er neben sich plötzlich niemanden mehr stehen sah. Er wusste sofort warum, denn die Person, in die er sich verwandelt hatte, war nicht genauso hoch wie er und als Youma nach unten blickte und somit Hikaru sah, erschrak er fürchterlich. Er sah diese kleine Kindergestalt, ebenfalls mit absolut nicht passen wollenden Purpuraugen, allerdings nur kurz, da verwandelte er sich wieder in Nocturn zurück:

„Buah, ich habe vergessen, dass Hikaru nicht reden kann!“

„Mach das nicht noch einmal!“

 

Aber er tat es noch einmal: während sie durch die Einöde dieser grauen Welt wanderten, verwandelte sein Begleiter sich zweimal in den namenlosen Dämonenherrscher und wagte es tatsächlich, sich auch einmal in Light zu verwandeln; ein Anblick, der Youma einfach nur zum Erstarren brachte, denn nicht nur die purpurfarbenen Augen waren ihm in diesem hellen Gesicht zuwider, sondern auch dessen absolut nicht nach Light aussehendes Grinsen.

Nach dieser schrecklichen Verwandlung wiederholte er keine mehr und verweilte in Nocturns Gestalt; Youma ignorierte ihn trotzdem, sich selbst fragend, ob er wohl zur Selbstbestrafung neigte, wenn er sich selbst solche Dinge in seinem Unterbewusstsein zeigte.

Zunehmend wurde es kälter und dunkler und schon bald erkannte Youma die Umgebung nicht mehr; es schien ihm, als würden sie durch einen Felstunnel wandern, aber es war so dunkel, dass er das nicht klar bestimmen konnte – vom Hallen seiner Schritte her deutete es nur darauf hin.

 

„Wir sind da.“

Youma wusste nicht, warum sie jetzt „da“ waren und nicht schon vorher, denn er machte keine Veränderung aus – es war genauso dunkel wie schon seitdem sie Eterniya verlassen hatten. Etwas musste sich jedoch verändert haben, denn als er einen Schritt weiter ging, packte sein Begleiter ihn am Arm und zog ihn zurück.

„Nicht. Pass auf, unter dir.“

 

Zuerst wusste Youma nicht, was er meinte, selbst als er unter sich geguckt hatte; doch dann bemerkte er, dass sich die Oberfläche des Untergrundes verändert hatte... sie war... glatt?

„Ist das etwa...“ Youma kniete sich hin und berührte die Oberfläche mit seiner flachen Hand; sachte, denn er spürte, genau wie sein Begleiter, dass hier Gefahr lauerte.

„... Glas?“

Seine Berührung war nur sehr vorsichtig gewesen; dennoch war ihm, als könne er ein Knacken hören – hatte so eine leichte Berührung etwa schon für Risse gesorgt?

 

Youma konnte nicht genau sagen warum, aber diese Feststellung brachte ihn zu einem beruhigenden Lächeln – und zum ersten Mal, seitdem er an diesem eigenartigen Ort aufgewacht war, fühlte er sich sicher.

 

„Auf der anderen Seite dieses Glassees ist Nocturn, nicht wahr?“ Er spürte ein Nicken des Nocturns mit den purpurfarbenen Augen neben sich.

„Auf der anderen Seite beginnt sein Unterbewusstsein. Als du ihn berührt hast, entstand eine Verbindung zwischen eurem Unterbewussten.“

„Ich weiß, auf diesen Gedanken bin ich auch gerade gekommen.“

„Logisch, ich bin ja auch du.“

 

Youma wollte gerade loslaufen, da hielt sein Begleiter ihn noch einmal am Arm fest:

„Bist du denn wahnsinnig? Das Glas wird dich nie und nimmer halten – es ist immerhin Glas! Und was ist, wenn du abstürzt; du weißt nicht, ob du in einer Illusion sterben kannst; willst du es denn wirklich auf einen Versuch ankommen lassen?!“ Kurz sah Youma den anderen Nocturn an, dann legte er lächelnd seine Hand auf die, die ihn festhielt, löste sie von sich und antwortete:

„Es ist in Ordnung. Wenn es eine Sache gibt, die mir keinen Grund gibt, zu zweifeln, dann ist es Nocturns Vertrauen in mich – und jetzt bin ich an der Reihe, ihm zu zeigen, dass ich ihm vertraue. Er wird mich nicht fallen lassen.“

 

Ohne noch etwas zu sagen und ohne aufgehalten zu werden, drehte Youma sich herum und rannte in die gläserne Dunkelheit hinein.

 

Und das Glas hielt.

 

„Youma!“ Er drehte sich herum; genau in dem richtigen Moment, um etwas aufzufangen – seinen Verlobungsring.

Youma sah über die Schulter, den Verlobungsring an sich drückend und ihm war, als würde die Person am anderen Ende des Ufers ihm entgegen lächeln – eine Person, deren Augen rot waren.

 

Dann rannte er weiter.

 

Von mehreren Ecken hörte er, zuerst leise, aber lauter werdend, das Knacken und Klirren der gläsernen Oberfläche, doch er verlangsamte nicht – er rannte und rannte, ohne auf den Boden zu sehen; atemlos, aber voller Zuversicht, in die Dunkelheit hinein.        



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