Once upon a time... von Vienne (Als wäre es erst gestern gewesen...) ================================================================================ Kapitel 6: I need you tonight ----------------------------- Der Empfang war eisig. Kaum hatten sie wieder Boden unter den Füßen, schlugen ihnen Eiskristalle entgegen, die wie kleine Messerstiche auf ihrer Haut wirkten. Der Wind war frostig. Und Moon hätte schwören können, dass es noch kälter war als bei ihrem Aufbruch. Wieder musste sie husten. Erneut brannte es in ihrer Lunge und ihr blieb fast der Atem weg. Sie spürte den besorgten Blick von Tuxedo. Sie blickte zu ihm und lächelte. Schüttelte den Kopf: ”Es geht mir gut.” ”Wirklich?”, er strich zärtlich über ihre Wange und sie ertrank fast in seinen Augen. Er hatte seine Maske nicht mehr auf. Auch sein Zylinder fehlte und so sah sie einfach nur Mamoru in einem Smoking vor sich. Sie kam nicht umhin, seine Berührungen zu genießen. Nichts stand mehr zwischen ihnen. Sie füllte sich erleichtert bei diesem Gedanken. “Nicht träumen, Usako!”, sein warmer Atem streifte ihr Ohr und holte sie in die Realität zurück. “Tut mir leid.” ”Verrätst du mir später, an was du da gerade dachtest?” “Ja.” ”Ich freu mich drauf.”, er lächelte sie an und hauchte ihr einen Kuss auf die Schläfe, “Los, machen wir ihn fertig.” Moon folgte seinem Kopfnicken und wandte sich ebenfalls um. Nur allzu gut konnte sie Tsurara erkennen, der fies in ihre Richtung grinste. Er hatte sich vollständig regeneriert: Seine Arme waren inklusive der Hände und Finger intakt. Auch beide Ohren waren wieder vorhanden. Er war scheinbar auch noch gewachsen und hatte an Umfang zugelegt. Moon überkam ein Schauer bei diesem Anblick. Er sah viel furchteinflößender aus, als noch vor wenigen Minuten und ihrem Teleport. Schwer musste sie schlucken. Zwar hatte sie sich bei Mamoru in der Wohnung erholen können, aber sie hatten keine Zeit gehabt, sich einen gescheiten Schlachtplan zu überlegen und auszuarbeiten. Stattdessen hatten sie nur geredet. Über sich und ihre Identitäten und darüber, dass sie ihn nicht gehen lassen wollte. Irgendwie erschien das ihnen in diesem Moment um so vieles wichtiger als Tsurara. Moon war kurz davor, sich schwarz zu ärgern. Sie war sich bewusst, dass das mehr als nur typisch für sie war. Sie machte sich immer um alles und jeden Gedanken, aber nie um das Wesentliche. Und erst recht nicht um einen Feind, der ihnen unmittelbar schaden wollte. Leise fluchte sie. “Willkommen zurück!”, Tsurara sah sie böse grinsend an, “Ich dachte schon, ihr habt aufgegeben.” ”So ein Blödsinn. Wir laufen doch nicht davon.” ”Ähm, Tuxedo Kamen?”, Moon blickte unsicher zu ihm, “Vielleicht sollten wir doch aufgeben.” ”Was?”, er schaute sie fassungslos an. “Na schau doch mal. Er ist noch größer. Wahrscheinlich hat sich seine Macht auch vergrößert. Hast du etwa Lust, von einem der jetzt riesigen Fingern erschlagen zu werden?” ”Nein, das nicht. Aber hast du Lust, die Welt ins Verderben zu stürzen und somit auch dich und mich?” Moon blickte ihn nur an. Er musste nicht mehr sagen. Sie wusste auch so, was er meinte. Sie senkte den Blick und starrte auf den Boden. “Willst du das?” Sie schwieg. So wie immer, wenn sie ohnehin falsch lag. “Willst du alles aufgeben? Willst du das aufgeben, was gerade zwischen uns passiert?” Erstaunt schaute sie auf und ihre Augen wurden groß: ”Du meinst das von heute Nacht?” ”Nicht nur.”, nun war es Tuxedo, der den Blick vor Verlegenheit senkte, “Ich will wissen, was aus uns werden könnte. Aus dir und mir, Usako. Aber ich werde es nie erfahren, wenn du jetzt einfach wegrennst. Verstehst du?” Bei seinen letzten Worten hatte er wieder den Blick gehoben und sah sie an. Ihre Augen waren immer noch geweitet vor Erstaunen. Ihm war klar, dass sie ihn verstanden hatte. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. “Willst du immer noch davon laufen?” ”Nein.” “Okay. Dann greifen wir an.” ”Wie denn? Mein Mondstein wird an ihm nur wieder abprallen.” ”Probieren wir es einfach. Was soll schon schief gehen.” Moon wollte gerade etwas darauf erwidern, aber sie verkniff es sich, als sie seinen Ausdruck in den Augen sah: Wilde Entschlossenheit und Mut. Sofort wusste sie wieder, warum sie sich damals bei ihrem ersten Aufeinandertreffen in ihn verliebt hatte. Er wäre und war immer für sie da. Hatte nie Bedenken gegen ihr Tun geäußert. Und ganz egal was auch passierte, er war immer für sie da. Hatte sie sogar gegen ihre Freundinnen verteidigt, als die ihr eine kopflose Aktion vorgeworfen hatten. Sie erwiderte seinen Blick und nickte. Stellte sich in Kampfposition und zog ihr Diadem von der Stirn. Es flakerte sofort auf und verwandelte sich augenblicklich in den Mondstein. Er schwebte einige Zentimeter über ihrer Hand und wartete auf seinen Einsatz. Moons Blick glitt wieder zu Tuxedo, der vier rote Rosen zwischen den Fingern seiner rechten Hand hielt. Aber er erwiderte ihren Blick nicht, sondern starrte auf Tsurara. Dieser hatte selbst die Finger seiner linken Hand abgebrochen und hielt sie ebenso in der rechten Hand wie sein Gegner. Die eisigen Finger klimperten fast schon fröhlich und ein Lachen durchbrach die Stille. Es kam von dem Eiszapfenkönig. Sein ganzes Gesicht war zu einer Fratze verzogen und jagte Moon mehr als nur Angst ein. Die junge Kriegerin zitterte am ganzen Körper und Panik machte sich in ihr breit. Auch der Mondstein verlor ein wenig an Helligkeit. Er schien seine Kraft an ihrem Willen fest zu machen. Es war ein bitteres Lächeln, was sich auf ihr Gesicht schlich. Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf und ausgerechnet die schlimmsten setzten sich fest: Was passierte, wenn wir hier versagen? Was würde aus mir werden? Was würde aus mir und Mamoru werden? Ihr Blick wanderte erneut zu dem jungen Mann an ihrer Seite. Sie hatte eine Heidenangst, ihn zu verlieren. Wenn ihr schon der Gedanke an seinen möglichen Studienaufenthalt in Harvard Angst machte, was sollte dann erst passieren, wenn er hier schwer verletzt wurde. Oder schlimmeres eintraf. Sofort bildeten sich Tränen in ihren Augen. “Nicht weinen.” Perplex schaute sie zu Tuxedo Kamen, der aber ihren Blick immer noch nicht erwiderte. “Nicht weinen, Usako! Ich bin bei dir und ich werde dich mit aller Kraft beschützen. Ich verspreche es dir.” Sie nickte nur, lächelte und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. Dann richtete sie ihren Blick wieder auf Tsurara. Es war genau im richtigen Moment. Das Monster holte mit dem rechten Arm aus und schleuderte alle vier Finger in ihre Richtung. Und auch wenn sie es noch bemerkt hatte, was er da tat, so war es ihr unmöglich, sich zu bewegen. Doch das musste sie auch nicht. Kurz bevor die Eisfinger sie erreichten, und sie hatte schon ein Auge zugekniffen, flogen vier rote Rosen durch ihr Sichtfeld und ließen die Finger zersplittern. Erschrocken riss sie die Augen wieder auf und ihr Blick wanderte zwischen Tsurara und Tuxedo hin und her. “Lass deine dreckigen Finger von ihr.”, knurrte Tuxedo, “Sie gehört zu mir und wenn du ihr wehtust, muss ich dir wehtun.” Kaum hatte er seinen Satz beendet, schoss er die nächsten Rosen in die Richtung des Monsters. Er traf Tsurara empfindlich im Gesicht und seine linke Wange zeigte feine Haarrisse auf. Wütend griff er sich an die Stelle und ein kehliger Laut entfuhr seinem eisigen Hals. “Was regst du dich so auf?” ”Du hast mich verletzt, du Vorstadt-Casanova!”, brüllte Tsurara in Tuxedos Richtung. “Ich hab nur die Verletzung von ihr gerächt, die du ihr vorhin zugefügt hast.” “Du Bastard! Spiel dich doch nicht so als Rächer der armen kleinen Mädchen auf. Soweit ich weiß, bist du keinen Deut besser als ich. Bist doch auch hinter dem Silberkristall her, oder?” ”Und wenn schon. Das geht dich nichts an.” ”Dann verrat mir doch mal, wie du es deiner geliebten Sailor Moon erklären willst, dass du ihr nur zur Seite stehst, um an den Kristall zu kommen. Stimmt doch, oder?” Tuxedo starrte ihn gebannt an. Unfähig ein Wort zu sagen. Alles was er konnte, war die Fäuste zu ballen. “Sag ihr doch, dass du den Silberkristall haben willst. Um jeden Preis. Dass du sie nur deswegen rettest, um ihr ihn irgendwann einmal abzujagen. Dass du nur deswegen bei ihr bist.” “Das stimmt nicht!”, Moons Stimme hallte durch die dunkle Straße und zog so die Blicke sowohl von Tsurara als auch Tuxedo auf sich. “Oh doch, Püppchen. Das stimmt! Er ist nur bei dir, um heraus zu finden, wann du den Silberkristall finden wirst. Und dann wird er ihn dir wegnehmen. Nur deswegen ist er in deiner Nähe und hilft dir. Ihm liegt nichts an dir. Du bist nur das Mittel zum Zweck.” ”Nein.”, ihre Stimme war brüchig und Tränen flossen heiß über ihre Wangen, “Nein, das ist nicht wahr.” “Sag es ihr, Tuxedo Kamen. Ich ergötze mich nur allzu gerne am Leid junger Damen.” Moon blickte zu dem jungen Mann. Ging langsam einige Schritte auf ihn zu. Es war nur eine kurze Distanz, die sie zu überbrücken hatte. Sie nahm seine geballte Faust in ihre kleinen behandschuhten Hände. Strich sanft mit einem Daumen über seinen Handrücken. “Mamo-chan.”, ihre Stimme zitterte, “Stimmt das? Stimmt es, dass du mich nur rettest, weil du an den Silberkristall willst?” “Nein. Ja.” “Was?” ”Ich meine, ich brauche den Silberkristall. Ja, das stimmt. Aber ich will ihn dir nicht wegnehmen.” ”Was willst du damit?” ”Meine Erinnerungen zurück erlangen. Du weißt, dass ich mit sechs Jahren einen Autounfall hatte, bei dem meine Eltern starben.” Sie nickte. Motoki hatte ihr einmal davon erzählt. “Ich weiß nicht, was davor war. Ich habe keinerlei Erinnerungen mehr daran. Aber seitdem habe ich diesen Traum.” ”Traum?” ”Ja. Erst war es nur eine Stimme, die mir sagte, ich solle den Heiligen Silberkristall suchen. Und als Kind wusste ich auch nicht, was ich davon halten sollte. Es war nichts weiter als ein Traum. Aber als du vor einigen Monaten auf der Bildfläche aufgetaucht bist, kam dieser Traum immer häufiger. Jede Nacht. Und ich sah Bilder.” “Bilder? Was denn für Bilder?” “Ein Palast und auf dessen Balkon eine mir unbekannte Frau. Sie ist eine Prinzessin und sie sagt mir, dass ich den Heiligen Silberkristall finden soll. Ich soll sie retten. Und dann wache ich jedes Mal auf.” “Wie heißt diese Frau?”, ihr Herz zog sich bei ihren eigenen Worten schmerzhaft zusammen. “Ich weiß es nicht.”, er schüttelte den Kopf, “Aber du musst mir glauben, dass ich ihn dir niemals stehlen würde, wenn du ihn vor mir hättest. Und ich weiß, dass ihr ihn braucht, um eure Prinzessin zu finden. Selbst wenn ich ihn vor dir finden würde, würde ich ihn dir überlassen. Bitte, Usako, du musst mir glauben.” ”Das tue ich auch.” “Wirklich?” ”Ja.”, sie strich mit ihrer Hand über seine Wange und stellte sich auf die Zehenspitzen. Sanft berührten ihre Lippen seine. “Danke!” “Mamo-chan, öffne mir dein Herz und sage mir, was dich bedrückt. Ich weiß, dass wir soviel Schmerz zusammen durchgestanden haben. Aber ich brauch dich immer und zu jeder Zeit in meinem Leben.” Er lächelte sie an und strich ihr eine einzelne Strähne aus dem Gesicht: ”Ich habe mir überlegt, was ich dir sagen werde. Aber manchmal klingen Worte so falsch.” ”Ja das tun sie.” ”Und ich weiß, dass du es eines Tages verstehen wirst. So wie ich. Denn was wir haben, ist richtig. Es ist so richtig!” “Ja das ist es!”, sie drückte erneut ihre Lippen auf seine. Legte ihre Hände in seinen Nacken und lehnte sich an ihn. Instinktiv legte Tuxedo seine Arme um sie und drückte sie fest an sich. Er war froh, dass sie ihm glaubte. Und für eine Weile vergaß er alles um sich herum. Genau wie sie. Tsurara hingegen schaubte vor Wut. Er konnte nicht glauben, was er da zu sehen bekam. Sein Wissen, welches er von seiner so heiß geliebten Königin bekommen hatte, nützte überhaupt nichts. Es schien die Kriegerin der Liebe nicht einmal zu interessieren. Sie vertraute ihrem Retter im Smoking um so vieles mehr als ihm, dem König der Eiszapfen. Wütend riss er sich ein Ohr ab. Sein Befehl lautete, dass er Sailor Moon und Tuxedo Kamen im Falle eines Aufeinandertreffens voneinander fernhalten sollte. Das Vertrauen zwischen ihnen zerbrechen sollte. Aber es gelang ihm nicht. Stattdessen vertrauten sie einander mehr als je zuvor. Tsurara sah die Blicke, die die beiden nach ihrem mehr als innigen Kuss austauschten. In einer Hand hielt er sein abgebrochenes Ohr, die andere ballte er so sehr zur Faust, dass sie gefährlich knirschte. “Jetzt hört gefälligst auf mit dieser Gefühlsduselei!”, seine Stimme war mehr ein Brüllen als alles andere und hallte durch die einsame Straße. Erschrocken fuhren Moon und Tuxedo ein Stück weit auseinander. Sie hatte ihre Finger in den Stoff seines Smokings gegraben. Zitterte. Lediglich der leichte Druck seiner Hände, die auf ihrer Taille ruhten, gaben ihr ein wenig Sicherheit und Zuversicht. “Ich werde euch beide vernichten. Ihr werdet nicht leiden müssen, keine Sorge. Ich mache es kurz und schmerzlos.” Moon riss die Augen vor Angst weit auf, als sie das Ohr sah, was binnen Sekunden und rasend schnell auf sie zugeschossen kam. Sie war starr vor Angst und konnte sich überhaupt nicht mehr bewegen. Etwas, was Tuxedo nicht entging. Entschlossen griff er nach ihrem Handgelenk und zog sie mit sich und aus der Schussbahn. “Usako, konzentrier dich.”, er zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. Die Kriegerin sah die Ernsthaftigkeit in seinen Augen und nickte. Sie wusste, dass sie sich zusammenreißen musste, wenn sie hier lebend rauskommen wollte. Und das wollte sie. Das wollte sie unbedingt! Sie musste ihm noch soviel sagen. Sie mussten noch soviel klären. “Du darfst keine Angst haben.”, er schob sie verteidigend hinter sich, “Er sieht es sofort und wird es ausnutzen.” “Aber ich hab doch Angst.” “Das weiß ich. Die hab ich auch. Aber das darf hier nicht unser Ende sein. Denk an deine Freundinnen und deine Familie.” “Ich kann gerade nur an dich denken.” ”Usako.” ”Tut mir leid.”, sie grinste ihn schief an. Sein Seufzen war ihr nicht entgangen und auch die Röte nicht, die sich auf seinen Wangen zeigte. “Gut, dann denk eben an mich.” “Okay. Aber...” ”Was?”, er schaute wieder zu Tsurara, der bereits sein zweites Ohr wieder abgerissen hatte. Scheinbar wollte er sich wieder auseinander nehmen. “Aber wirst du nach diesem Kampf auch immer bei mir sein?” Er sah sie an. Ihm war klar, was sie meinte und nickte lächelnd: ”Ich werde immer bei dir sein.”, er beugte sich zu ihr und küsste sie. Seine Lippen strichen sanft über ihre und er verlangte auf eine liebevolle aber bestimmende Art Einlass, den sie ihm nur allzu gerne neuerlich gewährte. Beide durchfuhr ein wohliger Schauer und ein Kribbeln breitete sich in ihnen aus. Sie beide fühlten ein warmes Licht, was sie einhüllte. Langsam öffneten sie die Augen. Nahezu gleichzeitig. Ein Lächeln war auf ihren Lippen zu sehen. “Es ist so angenehm warm.”, seufzte Moon und hob leicht den Arm, um das sichtbare Licht über ihre Handinnenfläche fließen zu lassen. “Es fühlt sich so vertraut an. Fast so als würde man etwas längst Vergessenes wiederfinden. Wie nach Hause kommen.” Sie nickte und wandte ihren Blick zu Tsurara. Sah seinen ungläubigen Blick. Sie hatte das untrügliche Gefühl, dass er ihnen nichts mehr anhaben konnte. Spürte eine innere Kraft, die immer stärker wurde. Moon bemerkte, wie das Monster sein zweites Ohr in ihre Richtung katapulierte. Aber im Gegensatz zu einigen Minuten zuvor, war das Mädchen nun fast schon tiefenentspannt. Sie lächelte und blickte zu Tuxedo, der sie aufmerksam musterte. “Ein Schutzschild?”, seine Stimme klang überrascht. “Ja. Aber ich weiß nicht, wo der herkommt.” ”Das Licht.” ”Wahrscheinlich.” ”Ich hab da eine Idee.” “Aha.” “Ich erklär es dir später, okay?” Sie nickte nur lächelnd und er erwiderte es. Zog sie in eine enge Umarmung, als das Ohr gegen das leuchtende Schutzschild prallte und sich dabei dampfend auflöste. Beide waren dabei leicht zusammen gezuckt, aber sie begriffen schnell, dass ihnen das Eis nicht mehr gefährlich werden konnte. “Wie kann das sein? Was habt ihr gemacht? Wo kommt das Schild her und das hässliche rosafarbene Licht?”, die Fragen sprudelten nur so aus Tsurara raus. Verwirrt blickte er in die Richtung des Pärchens. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was da gerade vor seinen eigenen Augen passiert war. Sein Ohr war nur mehr eine Pfütze und es wuchs an seinem Eisschädel momentan auch keines mehr nach. Weder links noch rechts. Panik wallte in ihm auf und er besah seine Hände. Auch die fünf abgebrochenen Finger machten keine Anstalten, schnell wieder nachzuwachsen. Ein Fluchen entfuhr seiner eisigen Kehle. Wütend riss er sich den ohnehin schon fingerlosen Arm ganz ab und schwang ihn bedrohlich wie eine Keule über seinem Kopf. Tuxedo wollte den Griff um Moon festigen, doch sie schaute ihn nur an und schüttelte lächelnd den Kopf: ”Nein. Du musst mich nicht festhalten.” Sein Blick war fragend. Langsam folgte er ihrem Blick mit seinen Augen. Sah, wie sie die Hände auf ihre Brosche legte, die an der Schleife heftete. Ein Strahlen breitete sich unter ihren Händen aus und leuchtete hell. Moon fühlte die Wärme und die Geborgenheit, die sich einen Weg von ihrem Herzen in ihren ganzen Körper suchte. Sie wusste nicht was es war, spürte aber, wie sich dieses Licht kristallisierte. Vorsichtig senkte sie ihre Hände und gab den Blick auf etwas frei, was nicht nur sie sondern auch Tuxedo staunen ließ. “Ist es das, was ich denke?”, seine Stimme war am Zittern und er musste mehrfach schlucken. Noch nie war ihm sein Hals so trocken vorgekommen. “Ich glaube schon. Aber wie...” Moon wurde unterbrochen, als etwas Schweres ihr Schutzschild traf. Verblüfft schaute sie auf. In den wenigen Sekunden, die sie sich nicht ihrem Feind gewidmet hatten, schien dieser die Entscheidung getroffen zu haben, doch seinen Arm als Keule auf sie zu schleudern. Ein Beben des Bodens schwappte zu ihnen herüber. “Verdammt!”, neuerlich stellte sich Tuxedo vor Moon und schaute grimmig zu Tsurara, der nun zu ihnen hinüber geeilt kam und seinen Arm hochhob. Wie ein Besessener schlug er immer und immer wieder auf das leuchtende Schild ein. Versuchte sich so Zugang zu verschaffen. Und langsam zeigte diese grobe Vorgehensweise auch Wirkung: Erste feine Risse durchzogen das Schutzschild. Instinktiv griff Tuxedo nach einer Rose in der Innentasche seines Smokings und zog sie heraus. “Geh hinter mich.” Er traute seinen Ohren nicht und sah sie ungläubig an: ”Was?” ”Geh hinter mich.” “Aber warum?” ”Tu es einfach.” ”Wie soll ich dich schützen, wenn du vor mir stehst?” ”Vertrau mir.”, sie sah ihn an und strich ihm eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht, “Stell dich hinter mich und gib mir deine Kraft!” Er sah es in ihren Augen. Sah ihr Zuversicht und ihre Willenskraft. Scheinbar war es das Auftauchen des Kristalls, der ihr die Kraft gab und ein geheimes Wissen. Er positionierte sich hinter ihr und umfasste ihre Taille mit einer Hand, die andere ruhte auf ihrer Schulter. Er fühlte, wie eine Kraft durch sie und in ihn floss. Ihn ausfüllte. Das musste die Macht des Heiligen Silberkristalls sein. Tuxedo war sich mehr als zu einhundert Prozent sicher, dass es das sein musste. Er kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich. Sammelte seine eigenen Kräfte und lenkte sie durch seine Arme und Hände direkt in die Fingerspitzen und von da in ihren Körper. Er wollte ihr soviel davon geben, wie sie brauchte. Ganz egal ob er danach womöglich kraftlos zusammen brach. Moon hatte das Gefühl, als würde ein gigantische Welle an Energie durch ihren Körper schießen und darauf warten, jeden Moment zu explodieren. Was zunächst als warmes Kribbeln anfing, hatte sich binnen Sekunden in eine Art angenehmes Stechen verwandelt. Sie spürte Tuxedos Energie, die in sie floss und sich mit ihrer eigenen verband. Mit ihr zusammen arbeitete und sich in Richtung ihrer Handinnenflächen bewegte und von dahin in den Silberkristall. Sie sah kaum mehr etwas, als ein gleißendes Licht aus dem Kristall heraus schoss und sowohl sie, als auch den jungen Mann hinter ihr einhüllte. Wie eine Fontäne explodierte die sagenhafte Kraft über ihren Köpfen und verteilte sich um sie herum wie vorher das Schutzschild. Allerdings mit dem Unterschied das es nun um ein zigfaches stärker und durchhaltefähiger war. Tsurara schoss nun mit allem, was sein Körper ihm endlich wieder nachgewachsen anbot: Finger. Zehen. Ohren. Selbst seine Nase nutzte er. Sogar seinen linken Unterarm zerteilte er in mehrere kleinere Teile und warf sie in die Richtung des Paares. Aber nichts half mehr. Alles zerschmetterte an dem Schutzwall. Kein Riss war zu erkennen. Stattdessen zerflossen seine Gliedmaßen zu armseligen Wasserlaken. Auch wuchs kaum mehr etwas an seinem Körper nach. An seiner Hand waren Stummel als Finger zu erkennen. Das gleiche galt für seine Zehen und Ohren. Konnte er vorher seine Nase selten vor Kälte fühlen, spürte er sie nun gar nicht mehr. Sie war einfach nicht mehr da. Er war leicht orientierungslos, weil er nichts mehr hören konnte. Alles war nur mehr dumpf wahrzunehmen. Ihm entging es jedoch nicht, wie das Schutzschild immer stärker und mächtiger wurde. Langsam bekam auch er nun Angst. Er hatte keinerlei Ideen mehr, was er noch anstellen konnte und sollte, ohne das er endgültig auseinander fiel. Moon konzentrierte sich mehr und mehr. Bemerkte, wie das Gefühl in ihr immer mächtiger wurde. Sie immer mehr vereinnahmte und gänzlich ausfüllte. Auch etwas Neues durchströmte sie nun. Es fühlte sich an wie ein Herzschlag. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Sie wusste, dass es nicht ihr eigenes war. Den hatte sie schon die ganze Zeit vorher gespürt. Es war Tuxedo Kamens Herz. Mamorus Herz was mit ihrem eigenen im selben Takt schlug. Sie hatte keine Ahnung, was das alles bedeutete. Sie wusste noch nicht mal, warum sich so plötzlich und auch ausgerechnet bei ihr der Heilige Silberkristall gezeigt hatte. Warum er bei ihr seine wahre Macht preisgab. Aber sie hatte nicht die Zeit darüber nachzudenken. Erst musste sie Tsurara zur Strecke bringen. Dann würde sie genug Zeit haben, mit Mamoru noch einmal alles ganz genau zu besprechen. Moon atmete tief ein und wieder aus und schloss die Augen. Instinktiv schickte sie ein Stoßgebet an ihren Schutzpatron den Mond. Hoffte, dass er ihr zur Seite stehen und helfen würde. Kaum war ihr das Gebet leise und still über die Lippen gekommen, durchfuhr sie ein weiterer Energiestoß. Viel schneller als die vorherigen Energiewellen schoss er direkt von ihrem Herzen in den Silberkristall und über dessen Spitze nach außen. Aber anstatt sich nach oben auszubreiten und das Schild zu stärken, suchte er sich seinen Weg nur einige Zentimeter nach oben, bevor er nahezu abknickte und direkt durch den Schutzwall hindurch in Richtung Tsurara schoss. Dieser konnte gar nicht mehr so schnell reagieren, als er den Energiestoß in Sekundenschnelle auf sich zu schießen sah. So wie Momente vorher das Mädchen in eine Schockstarre durch seine Attacke gefallen war, so blieb nun auch er einfach nur stehen. Ihm war klar, dass er hätte weglaufen müssen, um sich zu retten. Doch er konnte nicht. Er konnte nur fasziniert auf dieses goldene und strahlende Lichtbündel starren, dass immer mehr auf ihn zu raste. Er hatte keinen, der ihn aus der Schussbahn ziehen konnte. Er wusste, er müsste sich selber bewegen. Doch es ging nicht. Als die Attacke seiner Gegnerin nur mehr einige Millimeter von ihm entfernt war, schlich sich ein Lächeln auf die Lippen. Ein letzter Gedanke keimte in ihm auf und gab ihm Hoffnung. Eine Hoffnung darauf das man ihn rächen würde und er nicht umsonst gleich zu einer Pfütze zerfloss. Ein Seufzen entfuhr ihm, als der Energiestoß ihn traf und sich durch seinen Bauch bohrte. Wärme breitete sich immer mehr in ihm aus und er sackte langsam aber stetig in sich zusammen. Jemand würde ihn rächen. Wasser bildete sich um ihn herum und seine Sicht wurde immer wässriger. Bis er gar nichts mehr sah. Und nichts weiter von ihm überblieb, als nasses, kaltes Wasser. Moon blinzelte und spürte, wie die Kraft in ihrem Körper schwächer wurde. Ihre Beine wurden weich und sie glaubte, sie würde gleich zu Boden sinken. Aber es geschah nichts dergleichen. Statt des harten Aufpralls auf dem Boden, spürte sie die warmen und die umfangenden Arme von Tuxedo. Ein Seufzten entglitt ihren Lippen. “Erschöpft?”, er grinste sie wissend an und sie konnte nicht anders, als ihm einen Klaps zu geben. Sie wusste, wie er es meinte. “Ich glaube, ich hab zu viel von der Bowle getrunken.” “Ich glaube auch.” Ihr Blick fiel in ihre Hände und sie sah darin den jetzt unscheinbaren Silberkristall ruhen. Er leuchtete nicht mehr strahlend hell so wie noch wenige Minuten vorher. “Darf ich?” “Ja.”, sie hielt ihm den Kristall hin. Beobachtete, wie er ihn schon fast zärtlich berührte: ”Und?” “Nichts.” “Keine Erinnerungen?” “Nein.”, er seufzte und stand mit ihr zusammen auf, “Vielleicht soll es nicht so sein.” ”Quatsch! Ich glaube eher, dass es ohnehin nur Zufall war, dass er aufgetaucht ist. Eigentlich müsste er nur der Prinzessin gehören. Wir sollten Geduld haben. Vorallem du.”, Moon griff an ihre Brosche, die auf der Schleife pickte und ein ihr nur allzu bekanntes Gefühl durchströmte sie. Warmes Licht hüllte sie ein und ihre Sailor-Outfit verschwand. Machte wieder Platz für ihre Klamotten von der Party. Als sie blinzelte, stand auch Mamoru wieder in seinen Alltagssachen neben ihr. Außer einem zerstörten Wartehäuschen und einer großen Wasserlake erinnerte nichts mehr an das eben Geschehene. Außer der Silberkristall den Usagi immer noch in ihrer Hand hatte. “Komm, ich bring dich heim.”, Mamoru hielt ihr seine Hand hin und spürte den leichten Druck, als sie ihre Hand hinein legte. Er wollte gerade einige Schritte gehen, als er bemerkte, dass sie nicht mitkam. Er drehte sich zu ihr und schaute sie fragend an: ”Was ist, Usako?” Doch sie schwieg und ihr Blick glitt zum Himmel und dem Mond. “Usako?” “Wie spät ist es eigentlich?”, sie schaute wieder zu ihm. Lächelte bei seinem verdutzten Gesicht. Mamoru musste sich selbst zur Ordnung rufen, bevor er einen kurzen Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk warf. “Gleich halb fünf. Warum?” “Nur so.” ”Nur so?”, er zog sie an der Hand zu sich und hob ihr Kinn mit dem Zeigefinger, “Spuck’s aus, Usako. Was willst du?” ”Ich will nicht nach Hause.” Er konnte nicht anders als zu grinsen bei ihren Worten. Aber er schwieg. Nur allzu gerne wollte er mehr hören. “Ich will nicht nach Hause.”, wiederholte sie ihre Worte, seufzte und blickte verlegen zur Seite, “Ich will den Abend nicht so enden lassen. Einfach so. Ich meine, wir wissen doch jetzt voneinander und unseren wahren Identitäten. Und außerdem haben wir noch was zu besprechen.” Mamoru blickte auf ihre Hand, in der immer noch der Silberkristall ruhte. “Zu besprechen?” “Zu besprechen, ja.”, sie glaubte selbst nicht an ihre Worte. Viel zu viel war heute Nacht geschehen, als das sie nur über den Kristall reden würden oder ihre Alter-Egos. “Wo?” “Ähm, also ich dachte, dass wir zu dir gehen könnten. Also du und ich.” “Du stotterst ja. Bist du nervös?”, er lachte. “Nein. Also, ähm, ja. Naja, vielleicht.” “Komm mit.” Sie nickte nur und ihre Finger verschlangen sich mit seinen. Sie schmiegte sich näher an ihn ran und sie gingen los. Usagi wusste nicht, wohin das alles führen sollte. Sie wusste allerdings nur allzu gut, dass ihre beste Freundin Rei über beide Ohren in diesen Mann neben ihr verliebt war. Das sie ihm ihr Herz geschenkt hatte und nicht vorhatte, ihn einfach kampflos aufzugeben. Schon gar nicht ihr gegenüber. Doch das Mädchen wusste auch, dass es ihr wahrscheinlich mehr als schwerfallen würde, Mamoru jemals wieder aus ihren Gedanken und noch mehr aus ihrem Herzen zu streichen. Sie steckte in einem Dilemma. Ohne Aussicht auf einen Ausweg. Und nun ging sie auch noch mit zu ihm. Mitten in der Nacht. Oder am frühen Morgen. Je nachdem wie man es interpretierte. Was tat sie da nur? Ihr war klar, dass sie darüber reden mussten, wie es zwischen ihnen und mit ihrem Wissen weitergehen sollte. Das sie über den Heiligen Silberkristall und Mamorus Erinnerung sprechen mussten. Sie brauchten einen Plan. Irgendeinen. Und wenn er auch nur die Tatsache beinhaltete, dass sie nett zueinander waren. Mamoru fühlte den leichten Druck, der von dem Mädchen neben sich ausging. Sie hatte seinen Arm mit ihrem einen umfasst. Drückte sich an ihn. Die Erinnerungen der letzten Stunden schossen durch seinen Kopf: Ihre weichen Lippen. Ihre zarten Berührungen. Ihr liebevolles Lächeln. Er betrachtete sie aus dem Augenwinkel heraus. Auch sie schien in Gedanken zu sein. Warum schaffte sie es immer wieder, sein Seelenheil aus dem Gleichgewicht zu bringen. Nur wegen ihr hatte er schon am Anfang der Party seinen Entschluss wegen Harvard überdacht. Und nun war er sich ziemlich sicher. Er würde nicht gehen. Niemals. Er würde hier bei ihr bleiben. Hier war sein Platz. Bei Usagi. Mamoru war sich bewusst, dass er womöglich im Begriff war, die größte Dummheit seines Lebens zu begehen, indem er sie mit zu sich nahm. Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit bei sich schlafen ließ. Aber dieses eine Mal wollte er dumm sein. Viel zu oft war er vor manchen spontanen Ideen geflüchtet. Hatte sich aus ihnen gewunden. Dieses eine Mal erschien es ihm richtig. Egal was andere dachten. Und ganz egal was diese Nacht noch brachte, war es ihm vollkommen gleichgültig, ob es richtig oder falsch war. “Wir sind da.”, sein Blick glitt von Usagis Haarschopf auf den Apartmentblock, “Wollen wir rein gehen?” Usagi hob ebenfalls ihren Blick und sah auf die graue Fassade. Sie schluckte, als sie seine Worte hörte und wandte ihren Blick zu Mamoru, der ihn kreuzte. Sie ertrank halb in seinen Augen und nickte: ”Ja.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)