Die Legende von Shikon No Yosei von Ami_Mercury (Das Schicksal einer Elementarmagierin) ================================================================================ Kapitel 3: Buch 02: Legende gegen Prophezeiung ---------------------------------------------- Der Brief eines alten Bekannten Cantha, das Kaiserreich im Süden dieser Welt, war für Außenstehende schon immer ein geheimnisvolles und wundersames Land gewesen. Über viele Jahre hatte die Beziehung zu den anderen Kontinenten gelitten und zusehends abgenommen. Der Initiative des im Kampf gegen Shiro Tagachi gefallenen Meister Togo war es zu verdanken, dass die Verbundenheit und damit die Kommunikation sowie der Handel mit Tyria wiederhergestellt war. Glücklicherweise musste man sagen … Nicht nur, dass die Canthaner dadurch Hilfe und Unterstützung bekommen hatten, sondern so war es Bruder Mhenlo auch möglich gewesen, seinerseits eine dringende Botschaft an Shikon No Yosei zu schicken. Überrascht öffnete diese den aus Tyria stammenden Brief, auf den mit fein säuberlicher Schrift ihr und der Namen ihrer Heimat geschrieben stand, und las ihn laut vor, sodass Ohtah Ryutaiyo mithören konnte: „Liebe Shiko, lieber Ohtah, ich hoffe, es geht euch gut. Ihr fragt euch sicherlich, warum ich euch gerade jetzt schreibe. Ich ersuche euch in einer sehr wichtigen Angelegenheit … Glint, die Drachin und Prophetin Tyrias, hat mich zu sich gerufen. Ihr müsst wissen, Tyria ist ein gespaltenes Land … Ich selbst stamme aus Ascalon, doch meine Heimat wurde von den Charr zerstört. Darum bin ich mit den überlebenden Flüchtlingen nach Kryta gegangen. Aber der friedliche Schein dort trügt … Gruppen und Parteien kämpfen gegen einander. Ich fürchte, eine nahende Katastrophe, die weit über unsere Grenzen reichen wird … Deshalb bitte ich euch, helft mir! Wenn ihr diesen Brief in Händen haltet, kann ich zwei Wochen auf eure Ankunft in Löwenstein warten. Dann muss ich aufbrechen … Auf bald, meine Freunde, Mhenlo.“ Als sie geendet hatte, sahen sich Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo schweigend an. Es bedurfte keinerlei Diskussion oder gar der Frage, ob sie nach Tyria reisen würden, um Bruder Mhenlo zu helfen. Er war ihnen im Kampf gegen Shiro beigestanden – hatte sein Leben für sie riskiert –, es wurde Zeit diesen Gefallen zu erwidern! Bruder Mhenlo überprüfte den Stand der Sonne. Sie hatte ihr Zenit erreicht. Das Schiff würde in wenigen Augenblicken ablegen. Zeit für ihn an Bord zu gehen. Allein an Bord zu gehen, denn Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo waren – aus welchem Grund auch immer – bislang nicht erschienen. „Wartet!“, rief eine ihm bekannte Stimme und der Mönch drehte sich um. Ein erleichtertes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Seine beiden Verbündeten rannten über den Kai auf ihn zu. Mit einer festen Umarmung begrüßte er sie. Seine Freude war nicht in Worte zu fassen. Er war so glücklich darüber, sie an seiner Seite zu haben. Denn sollte es tatsächlich zu einem Kampf kommen, wäre er ohne ihre Unterstützung machtlos gewesen und hätte den Untergang seines Landes mitansehen müssen … Doch so gab es wenigstens eine Chance auf Frieden für Tyria. „Wohin geht die Reise eigentlich?“, wollte Ohtah Ryutaiyo plötzlich wissen. Bruder Mhenlo, der einen kleinen Moment brauchte, um seine Gedanken wieder zu ordnen, antwortete daraufhin: „In die Südlichen Zittergipfel … zu einer Festung der Deldrimor-Zwerge. Dort existiert ein Portal, das uns in Glint´s Höhle führen wird. Ich danke euch wirklich sehr, dass ihr gekommen seit.“ „Es ist uns eine Ehre und eine Freude, Bruder Mhenlo.“, erwiderte Shikon No Yosei, die bei dem Reiseziel aufgehorcht hatte, „Es tut uns übrigens Leid, dass wir so spät sind … Unser Schiff kam in einen Sturm, weswegen wir etwas vom Kurs abgekommen sind.“ Die hübsche Elementarmagierin lächelte. Zum einen weil sie sich wahrlich über das Wiedersehen mit Bruder Mhenlo freute. Zum anderen weil sie sich fragte, ob es in den Südlichen Zittergipfeln noch ein Wiedersehen gebe würde – ein Wiedersehen mit Seiketsu No Akari … Das Schiff war bereits einige Stunden unterwegs. Die Sonne ging unter. Wenn sie am nächsten Morgen wieder aufgehen würde, hätten sie ihr Ziel erreicht. Shikon No Yosei lehnte an der Brüstung und atmete die salzige Meeresluft ein. Der tyrianische Ozean war ganz anders, als jener in ihrer Heimat. Der Blick wurde nicht vom Nebel getrübt, sondern reichte bis an den Horizont. Bruder Mhenlo, der sich zu ihr gesellte, fragte: „Gefällt es dir?“ „Oh ja, das tut es. Ich fühle mich so frei … unbeschwert. Und dass obwohl wir wahrscheinlich bald wieder einem schweren Kampf bestreiten müssen.“, antwortete die Elementarmagierin lächelnd und legte eine kleine Pause ein, „Ihr habt in Eurem Brief geschrieben, Eure Heimat sei zerstört worden und dass Ihr flüchten musstet … Würdet Ihr mir mehr davon erzählen?“ Der Mönch seufzte schwermütig, dann begann er zu erzählen: „Mit Tyria ist es so ähnlich, wie mit Cantha … Nur ohne Hoffnung auf Frieden. Jede Zone lebt für sich und tritt nur selten in Kommunikation. Ascalon war ein prächtiges, grünes Königreich voller Leben …“ Er sprach von den Wäldern und Feldern, dem friedlichen Leben – wäre da nur nicht der Große Nordwall gewesen, hinter dem das Charr-Gebiet lag. Die Charr, blutrünstige Kreaturen, deren Körperteile an Stiere, Löwen und Katzen erinnerten und die auf zwei Beinen gingen, wollten Ascalon erobern. Doch solange es den Wall gegeben hatte, lebten sie großteils uneingeschränkt von den wilden Bestien. Bis die Schamanenkaste eines schrecklichen Tages die Unsichtbaren Götter anrief und einen vernichtenden Zauber auf das Land herabfahren ließ. Feuer regnete vom Himmel, die Erde bebte, Explosionen zerstörten alles. Es blieb nichts außer Asche und Trümmern von dem einst prunkvollen Königreich übrig. Nur wenige Ascalonier hatten den Angriff überlebt – unter ihnen Bruder Mhenlo und sein Prinz. Rurik sammelte die Überlebenden und führte sie, gegen den Befehl des Königs, durch die Nördlichen Zittergipfel in Richtung Kryta. Während Flucht wurde er allerdings von den Steingipfel-Zwergen getötet. „Verstehst du, Shiko, ich kann nicht zulassen, dass der Weiße Mantel Kryta im Kampf gegen die Glänzende Klinge vernichtet … Die Ascalonier dürfen ihr Zuhause kein zweites Mal verlieren!“, schloss er seine Erzählung mit verzweifeltem Unterton in der Stimme. Shikon No Yosei legte ihm tröstend eine Hand auf die Schulter und eindringlich: „Sorgt Euch nicht länger, Bruder Mhenlo. Wir werden Tyria ebenso wenig untergehen lassen wie Cantha. Darauf habt ihr mein Wort!“ [B[Die Flammensucher-Prophezeiung Bruder Mhenlo durchschritt das Portal als erster, Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo folgten ihm auf dem Fuße. Das, was sie auf der anderen Seite sahen, raubte ihnen den Atem. Glint´s Höhle war einmalig. Die schöne Elementarmagierin konnte ihren Blick nicht von den Kristallen lösen, die das dämmrige Licht in seine Spektralfarben brach. Überall glänzte ein einziges Farbenspiel. Tief im Innern der Höhle wartete die Drachin, deren Körper ebenfalls mit Kristallen besetzt war. Ihre Stimme, die von ihrer Macht sprach, erklang in den Köpfen der drei Besucher: „Ich wusste, dass Ihr kommen würdet, Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo. Mit meiner Einladung beabsichtigte ich, dass Ihr, Bruder Mhenlo, Eure einstigen Kampfgefährten zu Hilfe rufen würdet.“ „Wenn Ihr gewusst habt, dass Bruder Mhenlo uns als Unterstützung anfordern würde, bedeutet das, dass tatsächlich eine Katastrophe auf Tyria zukommt.“, meinte Ohtah Ryutaiyo sachlich. Glint nickte leicht antwortete: „So ist es, junger Assassine … Vor über achthundert Jahren sprach ich die Flammensucher-Prophezeiung aus. Sie besagt, eines Tages würde der Flammensucher erscheinen und mit seiner Macht die Unsichtbaren Götter bezwingen.“ Bruder Mhenlo blieb die Luft weg und er stotterte geschockt: „Die … Unsichtbaren Götter?! Ihr … Ihr sprecht von jenen, die … die von der Schamanenkaste angepriesen wurden?“ Mit wissender Stimme erwiderte die Drachin: „Ich sehe, meine Wahl war richtig. Ja, die Charr haben Eure Heimat Ascalon auf ihren Befehl hin zerstört … Und jetzt kämpfen die Anhänger des Weißen Mantels aus demselben Grund gegen die Mitglieder der Glänzenden Klinge, um ganz Tyria aus dem Gleichgewicht zu bringen.“ „Aber wer oder was sind diese >Unsichtbaren GötterCantha´s Bürger unterjochen, die Monarchie absetzen und das Land eigenmächtig regieren<.“ Bewunderung lag im Blick der schönen Elementarmagierin, als sie erwiderte: „Mir gefällt es … Es passt zu dir. Verschlungen, unergründlich, geheimnisvoll. Und … schließlich bist du mit Cantha verbunden! Nicht als Am Fah … als Held und mein Beschützer. Es hat sich nur die Aufgabe geändert … Der Grund, warum du kämpfst ist ein anderer als früher.“ Sprachlos und gerührt von ihren Worten, umfasste Ohtah Ryutaiyo Shikon No Yosei´s Gesicht, küsste ihre Augenlider, ihre Wangen und schließlich ihre Lippen. Als sie sich danach verliebt in die Augen schauten, drang ein trauriges Schluchzen an ihre Ohren. Evennia, die Anführerin der Glänzenden Klinge, weinte um ihre tote Freundin. Denn es war unmöglich, allein gegen eine Gruppe Mursaat zu bestehen – ohne jeden Schutz vor der Spektralqual. „Ich kann es nicht fassen … Saidra … Saidra ist tot.“, brachte sie unter ihren Tränen hervor, doch dann machte sich die Wut in Evennia breit, „Wenn es die Alte Götter noch gibt, die Ihr Euch von unserem Land abgewendet habt, so hört mich an! Saidra´s Leben war zu kurz. Sie hätte nicht sterben sollen. Sie hat sich für mich … für uns … für Tyria geopfert. Die Mursaat werden büßen … Sie werden büßen für jeden einzelnen unserer Blutstropfen, die sie vergossen haben. Balthasar sei mein Zeuge! Bis zum bitteren Ende …“ Die Wiederholung von Saidra´s Worten trieben auch Shikon No Yosei die Tränen in die Augen. Der Anfang war gemacht … die Anführerin der Glänzenden Klinge befreit, der Weiße Mantel und die Mursaat herausgefordert. Nun galt es den Kampf gegen sie richtig aufzunehmen. Allerdings stellte die Spektralqual ein gewaltiges Problem dar. Shikon No Yosei konnte sich, obwohl sie versuchte es zu verbergen, mehr schlecht als recht auf dem verletzten Bein halten. Des weiteren hatte sie Probleme ihre Magie zu konzentrieren. Die Waffe der Mursaat war nicht grundlos gegen andere Zauberwirker entwickelt worden. Sie durften dieser Kraft kein zweites Mal zum Opfer fallen. Doch für jedes Problem gab es eine Lösung … So musste es auch eine für dieses geben. Und die Deldrimor kannten die Antwort! Sie hüteten nicht umsonst das Wissen Tyria´s in ihren gewaltigen Hallen aus Stein. Inmitten der Südlichen Zittergipfel lebte ein Wesen, deren Lebensalter Jahrtausende betrug. Dieses Wesen wurde von den Zwergen »die Seherin« genannt. Angeblich hatte ihr Volk vor vielen Jahren gegen die Mursaat gekämpft. Die Zwerge kümmerten sich derweil um Evennia, die lautstark protestierte, und brachten sie in ein sicheres Versteck. Mindestens genauso dickköpfig war Shikon No Yosei. Sie duldete keinerlei Widerspruch von Bruder Mhenlo und ignorierte Ohtah Ryutaiyo´s Befürchtungen. Für sie war ihr Entschluss unabänderlich, sie würde die beiden zur Seherin begleiten! Die einzige Einschränkung, die sie akzeptierte, war, dass der Assassine sie auf seinem Rücken trug – was jedoch auch seinen Kampfausfall bedeutete. Aus diesem Grund wurden sie von einem Teil der Leibgarde des Königs eskortiert. Er wollte alles dafür tun, dass der schönen Elementarmagierin in seinem Reich nichts zustieß – und damit meinte er keinesfalls solche »kleinen« Verletzung, wie die an ihrem Bein –, denn für ihn gehörte Seiketsu No Akari zu seinem Volk. Und ihre Familie war gleichsam ein Teil seiner Familie. Die Höhle, in der sich die Seherin aufhielt, lag zentral im Steingipfel-Territorium. Der Weg dorthin war allerdings einfach. Es begegneten ihnen kaum Feinde, was ziemliches Misstrauen erregte. Als sie die Seherin erblickten, ließ Ohtah Ryutaiyo Shikon No Yosei von seinem Rücken steigen, stützte sie jedoch weiterhin. „Ich grüße Euch … Mein Name ist Shikon No Yosei, ich bin die Fee der vier Elemente. Wenn ich Euch meine Begleiter vorstellen darf – Ohtah Ryutaiyo, Bruder Mhenlo und die Deldrimor-Zwerge.“, richtete die junge Elementarmagierin das Wort an ihre Gegenüber und zeigte auf die jeweils angesprochenen Personen, „Man sagte uns, Ihr hättet schon einmal gegen die Mursaat gekämpft und könntet uns helfen, den Kampf ebenfalls aufzunehmen.“ Das magische Wesen, deren Körper an altes Leder erinnerte, nickte und ließ ihre Stimme in den Köpfen ihrer Besucher erklingen: „Ja, das war zu der Zeit der Verkündung der Flammensucher-Prophezeiung … Damals kamen sie aus einer anderen Dimension nach Tyria. Ihr müsst wissen, sie sind unsere natürlichen Feinde … deshalb sind wir ihnen hierher gefolgt. Es gelang uns, sie in ihre Welt zurückzuschicken und den Zugang zu versiegeln, doch sie haben eine Möglichkeit gefunden mit Tyria in Verbindung zu treten. Diese mentale Kommunikation mit den Charr machte sie zu den >Unsichtbaren Göttern< … Keiner der Schamanen hatte sie jemals gesehen. Dennoch sind sie ihren Befehlen gefolgt und haben die Versiegelung mit einem Zauber gesprengt. Die gewaltige Energie, die dabei frei wurde, ist der wahre Grund für die völlige Zerstörung und jetzige Unfruchtbarkeit Ascalon´s. Und nun haben sie es auf Kryta abgesehen …“ „Aber warum?“, rief Bruder Mhenlo sichtlich wütend aus. Es war nicht weiter verwunderlich. Die Mursaat trugen immerhin die Schuld an der Vernichtung seiner Heimat. Die Seherin faltete ihre Hände, während sie erklärte: „Sie wollen alles dem Erdboden gleich machen … Sie wollen diese Welt für sich. Wir können Euch allerdings nicht sagen, aus welchen Gründen sie ausgerechnet Tyria für sich beanspruchen.“ „Wie können wir sie aufhalten?“, wollte Shikon No Yosei mit einer Spur von Angst wissen. Sie hatte die Konfrontation mit den Mursaat noch nicht verarbeitet. Zu stark spürte sie die Folgen. Nach einem kurzen Augenblick erwiderte die Seherin beinahe ehrfürchtig: „Mit dem Zauber der >Imprägnierung<. Unsere Magie schützt vor ihrer >Spektralqual<.“ Diesmal war Ohtah Ryutaiyo derjenige, der ihr eine Frage diesbezüglich stellte: „Wie können wir diese Imprägnierung erlangen?“ Ein leichtes Zucken ihrer Mundwinkel ließ darauf schließen, dass sie lächelte, als die Seherin meinte: „Indem wir sie Euch verleihen.“ „Und werdet Ihr das tun?“, fragte nun Bruder Mhenlo, der seine Wut hinunter geschluckt hatte. Ein zustimmendes Nicken begleitete die Antwort der Seherin: „Den würdigen unter euch … Glint hat es Euch bereits mitgeteilt, Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo. Ihr seid die Auserwählten, die gegen sie und ihn kämpfen werdet. Aber es gibt insgesamt drei Auserwählte … Und Ihr, Bruder Mhenlo, seid keiner davon. Eure Aufgabe war es, Eure Verbündeten hierher zu führen – och diesen Kampf könnt Ihr nicht gewinnen.“ „Wer ist es? Kennen wir den dritten Auserwählten?“, platzte es aus Shikon No Yosei heraus. Die Seherin antwortete nur ausweichend: „Ihr werdet ihm schon sehr bald begegnen … Anders als Ihr, ist er bemächtigt, sich selbst vor ihrer Kraft zu schützen.“ Langsam schwebte sie auf Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo zu und legte ihnen jeweils eine ihrer vier Hände auf den Kopf. Die Magie der Seherin strömte in ihre Körper, bildete einen magischen Schutz um sie herum. Die dadurch entstandene Wärme erinnerte Shikon No Yosei an das Licht, das sie umhüllte, wenn sie sich mit Teinai´s Macht vereinigte. Apropos Teinai – seltsamerweise spürte sie in letzter Zeit keine Regung mehr von dem Geist der heldenhaften Elementarmagierin, die sich in ihrem Innern verbarg. Bereits vor ihrem Zusammentreffen mit den Mursaat … sonst hätte sie diesen Umstand ebenfalls ihrer Magie zugeschrieben. Doch so … war schon wirklich sehr eigenartig … beunruhigend. Ein lang ersehntes Wiedersehen Shikon No Yosei und Ohtah Ryutaiyo kehrten in Begleitung von Bruder Mhenlo und den Deldrimor zurück, ohne sich vergewissern zu können, dass die Imprägnierung wirkte. Denn selbst an Stellen, an denen es bisher von Mursaat gewimmelt hatte, war kein einziger Gegner zu entdecken gewesen. „Meine Freunde! Wie schön, dass Ihr zurück seid!“, rief Jalis Eisenhammer freudig aus, als sie ihm erneut ihre Aufwartung machten, „Euren lächelnden Gesichtern nach zu urteilen, war Euer Unterfangen erfolgreich. Sehr schön … sehr schön.“ Die hübsche Elementarmagierin unterdrückte ein Lachen und erwiderte: „Ja, das war es, Eure Majestät. Wir hoffen nun eine größere Chance gegen unsere Feinde zu haben.“ „Ja, ja. Sicherlich, sicherlich. Aber während Euer Abwesenheit haben meine Späher den Aufenthaltsort dieser dreckigen Steingipfel herausgefunden. Sie haben – unfassbarerweise, wirklich einfach unfassbar – meinen Palast, die Feste Donnerkopf besetzt!“, erzählte der König, der allein davon immer aufgebrachter wurde, „Sie sind endgültig zu weit gegangen! Sie werde büßen! Deshalb fordere ich jetzt Eure Hilfe!“ Von der leicht theatralischen Übertreibung erheitert, kostete es Shikon No Yosei große Mühe eine ernsthafte Antwort zu geben: „Selbstverständlich stehen wir Euch zur Verfügung, König Jalis. Ich werde nicht eher ruhen, bevor die Steingipfel von Eurem Eigentum vertrieben sind …“ „Also, jetzt mal ehrlich … Du hast dich wirklich kein bisschen geändert, Shiko.“, ertönte eine Stimme im Saal, die Shikon No Yosei mehr als nur vertraut war, „Aber dein Mut und deine Entschlossenheit erstaunen mich trotzdem immer wieder.“ Beinahe panisch huschte ihr Blick umher. Sie versuchte den Besitzer der Stimme auszumachen. Ihr Versuch blieb solange erfolglos, bis eine Gestalt hinter dem großen Stuhl hevortrat, den der König der Deldrimor als Thron benutzte. Sie musste sich bereits vor Shikon No Yosei´s Ankunft dort versteckt haben. Die Augen der Heldin Cantha´s waren geweitet. Tränen stiegen über ihre Augenränder. Und auch in denen der jungen Frau, die ihr gegenüber stand, konnte man ein feuchtes Glitzern erkennen. Beide bissen sich auf ihre Unterlippen. Die gebannte Atmosphäre zwischen ihnen war fast greifbar. Zunächst verstand Ohtah Ryutaiyo die Reaktion seiner Geliebten nicht. Erst in den folgenden Sekunden begriff er. Dieses braunhaarige Mädchen war Seiketsu No Akari, die Shing Jea für ein Studium bei den Deldrimor-Zwergen in den Südlichen Zittergipfeln verlassen hatte. Nach mehreren bewegungslosen Augenblicken war Shikon No Yosei die erste, die sich wieder rührte. Da sie wegen ihrer Verletzung nicht in der Lage war, ihrer Cousine entgegen zu rennen, breitete sie einfach die Arme aus. Kaum hatte sie dies getan, lagen sie und Seiketsu No Akari bereits in einer herzzerreißenden Umarmung. Ihre Tränen gewannen gegen die Unterdrückung und wollten anschließend kein Ende mehr finden. Ein solch gefühlsvolles Wiedersehen hatte weder Tyria noch der Rest der Welt jemals gesehen. Seiketsu No Akari hatte Shikon No Yosei eine kleine Menge Schlafmittel verabreicht, um sie behandeln zu können, was leider nicht bedeutete, dass sie keine Schmerzen mehr spürte. Langsam löste die Mönchin den Ärmel, den Ohtah Ryutaiyo notgedrungen als Verband um ihr Bein gebunden hatte. Die offene Wunde blutete zwar nicht mehr, wollte aber auch nicht heilen … Und dass obwohl die sonstigen Folgen der Spektralqual, wie etwa die Störung ihrer Zauberkünste, bereits abgeklungen waren. „Dein Name ist Ohtah, nicht war?“, richtete die begabte Mönchin das Wort an den Assassinen, der ihre Frage mit einem Nicken quittierte, „Du musst Shiko jetzt gut festhalten … Sie darf sich nicht zu stark bewegen, sonst kann ich ihre Verletzung nicht heilen.“ Erstaunen breitete sich in seinem Gesicht aus und er fragte überrascht: „Du kannst sie heilen?“ Im Grunde genommen eine berechtigte Frage – denn Bruder Mhenlo war dieses Unterfangen nicht gelungen. Dennoch ging Seiketsu No Akari nicht auf diese Infragestellung ihrer Fähigkeiten ein, sondern schloss die Augen, legte ihre Hände übereinander und hielt beide knapp über das Bein ihrer Seelen-Schwester. „Dwayna, die du mir die Macht der Heilung verliehen hast, ich rufe dich an … Lass´ meine Energie in ihren Körper fließen, auf dass sie gerettet wird … Um das Leben zu erhalten, das du ihr geschenkt hast, hilf mir …“, murmelte sie die Beschwörungsformel des Heilgebetes. Kleine, blaue Flöckchen fielen auf die Wunde. Kaum hatten die ersten sie berührt, bäumte sich Shikon No Yosei vor Schmerzen auf. Ohtah Ryutaiyo verstärkte seinen Griff und drückte seine Stirn gegen die seiner Geliebten. Er wünschte sich, er könnte das Leid für sie ertragen. Es dauerte einige Minuten, bis sich die Wunde geschlossen hatte und zarte Haut die Stelle bedeckte. Erschöpft setzte sich Seiketsu No Akari auf den Boden. Ihr Atem ging keuchend. Trotz der verhältnismäßig kleinen Verletzung war es viel schwieriger gewesen, als sie angenommen hatte, was bedeutete, die Mursaat waren im Grunde noch gefährlicherer Gegner. Ohtah Ryutaiyo hielt ihr seine Hand entgegen, um ihr auf zu helfen und sagte: „Seiketsu … ich danke dir! Ich danke dir von ganzem Herzen … Ohne Shiko wäre einfach alles sinnlos für mich. Ich liebe sie mehr, als mein Leben …“ „Ich weiß.“, bestätigte die Studentin und legte dem Assassinen eine Hand auf die Schulter, nachdem sie mit seiner Hilfe aufgestanden war, „Shiko ist etwas besonderes … wertvoller als jeder Schatz. Ich werde immer für meine kleine Schwester da sein … und für dich nun auch. Denn du bist derjenige, den sie liebt und damit gehörst du auch zu dieser … meiner Familie! Ich werde mich vor dem Kampf gegen Steingipfel jetzt ein bisschen hinlegen. Bleib´ du bei ihr. Sie wird dich sehen wollen, wenn sie aufwacht.“ Seiketsu No Akari verschwand durch die Tür und Ohtah Ryutaiyo konnte ihr nur noch sprachlos hinterhersehen, bevor er sich wieder neben Shikon No Yosei setzte und ihre Hand in seine nahm. Das neue Ziel Als Shikon No Yosei am nächsten Morgen erwachte, sah sie wie derjenige, dem ihr Herz gehörte, bei dem Versuch über ihren Schlaf zu wachen, selbst eingeschlafen war. Der Anblick, der er ihr bot, trieb ihr ein sanftes Lächeln ins Gesicht. In manchen, stillen Augenblicken konnte sie die Liebe, die Ohtah Ryutaiyo ihr entgegen brachte, einfach nicht fassen. Immer war er an ihrer Seite, gab ihr Kraft und Schutz, brachte sie zum Lachen, erfüllte ihr jeden unausgesprochenen Wunsch. Kurz gesagt, er machte sie jeden Tag glücklich. Sacht streichelte sie ihm ein paar Haare zur Seite, die ihm in kurzen Fransen ins Gesicht hingen. Realistisch betrachtet war ihre Liebe wirklich ein Wunder … Ohtah Ryutaiyo war ein ausgezeichneter Kämpfer, sah gut aus, war stark, selbstlos und unendlich mutig. Im Grund genommen konnte er jede haben, die er wollte. Doch er wollte nur sie allein … So schämte sich Shikon No Yosei manchmal für ihre Abhängigkeit. Sie machte sich Vorwürfe, dass er wieder und wieder sein eigenes Leben riskierte, um sie zu beschützen und um ihr zu helfen. Egal, wohin sie auch gehen würde, er würde ihr folgen – selbst wenn es seinen Tod bedeuten würde. Kaum hörbar flüsterte Shikon No Yosei: „Du bist vielleicht bereit für mich zu sterben … Aber ich bin nicht bereit dich sterben zu lassen! Denn … was wäre mein Leben ohne dich?“ Sie beugte sich zu ihm herüber und legte ihre Lippen auf seine. Gerade als sie sich zurückziehen wollte, wurde sie von ihn wieder nach vorne gezogen und sie küssten sich erneut. Seiketsu No Akari bestätigte ihre vollständige Genesung und gab damit den Startbefehl für die Zurückeroberung der Feste Donnerkopf. Die Deldrimor-Zwerge bewaffneten sich, auch König Jalis Eisenhammer rüstete sich für den Kampf. Bruder Mhenlo war dafür zuständig die Verletzungen der Deldrimor zu heilen; im Traum hätte er nicht daran gedacht, in den Tempel der Gelassenheit zurückzukehren und seine Verbündeten im Stich zu lassen – Seherin hin oder her, er blieb ein Teil dieses Kampfes. Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo und Seiketsu No Akari bildeten die Spezialeinheit. Die Reihen der Steingipfel-Zwerge waren stark. Doch die Deldrimor kämpften mit eiserner Entschlossenheit. Sie konnten ihren Verwandten diesen Frevel nicht verzeihen – letztendlich würden die Steingipfel unterliegen. Im Kampf bemerkte Shikon No Yosei, dass ihre Feuermagie an Stärke gewonnen hatte. Sie lächelte leicht und schielte zu Seiketsu No Akari hinüber, die unter großer Konzentration Schutzgebete sprach. Ihr hatte die Elementarmagierin die neue Kraft zu verdanken. Das Wiedersehen mit ihrer Cousine hatte sie seelisch gestärkt. Sehr überraschend fanden jedoch alle drei Mitglieder der Spezialeinheit, dass sie sich beinahe ohne Worte verstanden … Shikon No Yosei und Seiketsu No Akari waren zwar früher bereits ein Team gewesen, aber sie hatten sich lange Zeit nicht gesehen. Und zwischen Seiketsu No Akari und Ohtah Ryutaiyo hatte es bisher keinerlei Bindung gegeben. Sie waren einfach – wie die junge Möchin bereits sehr richtig erkannt hatte – eine Familie und damit alle ein Teil von einander! Als die Deldrimor und ihre Verbündeten in das Innere der Feste gelangten, erstarrten Jalis Eisenhammer und Seiketsu No Akari gleichermaßen. Im Nachhinein hätten sie wissen müssen, dass die Besetzung des Palastes nur von einem einzigen Zwerg hatte angeordnet sein können. „Was ist mit dir?“, fragte Shikon No Yosei besorgt. Seiketsu No Akari schluckte und erklärte: „Er war es … Dragnar Steinhaupt. Er war der Grund für meine letzte Mission … Um König Jalis zu provozieren, hat Dragnar den tyrianischen Studenten entführt. Er ist der Vetter unseres Königs … und der Anführer der Steingipfel-Zwerge.“ „Das bedeutet, wenn wir ihn töten, zerbricht die Armee der Steingipfel.“, schlussfolgerte Ohtah Ryutaiyo. Ein Nicken seitens der canthanischen Mönchin war die Antwort. „Wir werden ihn für seine Taten büßen lassen … das verspreche ich dir, Seiketsu.“, entschied Shikon No Yosei und wandte sich an ihren Geliebten, „Und danach stellen wir uns den Mursaat.“ Keine Sekunde später machte der flinke Assassine einen Schattenschritt auf Dragnar Steinhaupt zu und tötete sein massiges Reittier mit einem gezielten Dolchstoß. Noch bevor der Zwerg den Boden berührte, verwandelte Shikon No Yosei ihn in eine lebendige Fackel. Sie war zwar keine Mörderin – und würde es in Gedenken an Meister Togo niemals sein wollen –, doch wer ihren Liebsten Schaden zufügte, verdiente nichts anderes als den Tod! Ein lauter Jubelschrei verkündete den Sieg der Deldrimor. Stolz nahm König Jalis Eisenhammer seinen Platz auf dem Thron wieder ein. Die Atmosphäre, die diese Szene ausstrahlte, sprach von Macht und Gerechtigkeit. Aber diese freudige Stimmung war nicht von Dauer, denn ein gewaltiger Blitz durchzuckte die Feste Donnerkopf, welcher sich im großen Innenhof materialisierte. Aus dem bläulichen Licht trat ein Mann, der ein meeresgrünes Gewand mit langem Mantel und einen großen Zauberstab trug. Der Mann, der allem Anschein nach ein Magier war, ging auf Shikon No Yosei zu und sagte ehrfürchtig zu ihr: „Ich habe lange auf Euch gewartet, Shikon No Yosei. Wenn ich mich Euch vorstellen darf … mein Name lautet Wesir Khilbron. Ich bin hier, um Euch auf die nächste Etappe Eurer Reise zu führen.“ „Was meint Ihr damit?“, fragte sie verständnislos und ihr Blick huschte zu Ohtah Ryutaiyo. Wesir Khilbron räusperte sich leise, bevor er erklärte: „Habt Ihr Euch nicht gefragt, warum Ihr in den letzten Tagen keinem einzigen Mursaat begegnet seid? Sie wissen, genau wie Ihr, von der Flammensucher-Prophezeiung … Deshalb haben sie die Südlichen Zittergipfel verlassen.“ „Was?“, riefen Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo und Bruder Mhenlo entsetzt. Der Magier nickte und meinte: „Sie haben sich zur Feuerring-Inselkette begeben. Dort wollen sie Euch und die anderen beiden Auserwählten töten … Sie gehen davon aus, dass Ihr Ihnen trotz der hiesigen Gefahren folgen werdet.“ „Glaubt Ihr, wir haben eine Chance sie aufzuhalten?“, wollte die Elementarmagierin wissen. Ihr Gegenüber nickte erneut und antwortete: „Oh ja, das glaube ich. Doch zunächst müsst Ihr selbst zum Feuerring gelangen. Im Vulkan Abaddon´s Maul werde ich Euch zeigen, wie Ihr die Mursaat vernichten könnt.“ „Dann werde ich mich auf den Weg dorthin machen.“, entschied Shikon No Yosei, „Aber … ich zwinge niemanden mich zu begleiten.“ Ein Lachen erfüllte den Innenhof und Ohtah Ryutaiyo fragte ironisch: „Und du denkst wirklich, dass ich dich allein gehen lassen würde?“ Shikon No Yosei lächelte. Nein, das hatte sie nicht. Dennoch war es ihr Ernst gewesen … Der Wesir verbeugte sich leicht vor dem Assassinen und bestätigte: „Damit hätte sich der zweite Auswählte Euch angeschlossen.“ „Und wer ist jetzt der letzte Auswählte?“, warf Bruder Mhenlo die Frage auf, die alle interessierte, denn von der Seherin hatte sie ja bereits erfahren, dass er es nicht war. Bevor Wesir Khilbron darauf allerdings eine Antwort geben konnte, meldete sich jemand zu Wort, der bisher geschwiegen hatte: „Ich bin es.“ Shikon No Yosei wirbelte herum und schaute verwundert ins Antlitz von Seiketsu No Akari. Die Bedeutung des Tors von Komalie Vollkommen perplex wurde Seiketsu No Akari angestarrt. So bemerkte keiner von ihnen, wie Wesir Khilbron, ohne Blitz wohl gemerkt, verschwand. „Das ist ja alles schön und gut … Aber eine Expedition zum Feuerring wäre reiner Selbstmord!“, unterbrach König Jalis Eisenhammer die angespannte Stille. Der geschickte Assassine suchte mit seinen Augen Shikon No Yosei´s Blick und erwiderte: „Mag sein … Doch wenn wir uns den Mursaat nicht stellen, wird sich eine Schreckensherrschaft von Tyria aus über die ganze Welt verbreiten. Wir müssen sie jetzt aufhalten!“ „Solange du an meiner Seite bist, Ohtah, fürchte ich den Tod nicht.“, flüsterte seine Geliebte. Dann wandte sich Shikon No Yosei an Seiketsu No Akari. Sie wusste, dass die Mönchin keinen Widerspruch dulden würde. In dieser Beziehung waren sie sich einfach zu ähnlich … Deshalb ließ sie es gleich bleiben. „Ich versteh´ dich nicht, Seiketsu …“, meinte der König und schüttelte den Kopf, „Warum?“ Ihr sanftes Lachen begleitete ihre Antwort: „Weil Tyria eine zweite Heimat für mich geworden ist. Und die Deldrimor eine zweite Familie. Das lasse ich mir das nicht wegnehmen … Ich werde kämpfen für das, was ich liebe!“ „Dann werde ich Euch zum Feuerring führen.“, meldete sich einer der obersten Kommandanten zu Wort, „Für Deldrimor und für dich … mein Bruder.“ Schweren Herzens nickte Jalis Eisenhammer nach einem zögerlichen Moment und erwiderte: „Ich danke dir … Möge der Große Zwerg mit dir sein, Bruder!“ „Wenn Balthasar uns gnädig ist, sehen wir uns im Riss wieder!“, sagte Brechnar Eisenhammer, bevor sich beide umarmten. Shikon No Yosei stand im Bug des Schiffes und schirmte diesen mit ihrem Flammenschild gegen die Lava und Gesteinsbrocken ab, die durch die Luft wirbelten. Die aktiven Vulkane waren der Hauptgrund, warum Schiffe die Feuerring-Inseln mieden. Um die Flanken kümmerten sich Seiketsu No Akari und Bruder Mhenlo mit ihren vielfältigen Schutzgebeten. Es war erstaunlich, wie viel die junge Canthanerin in der Zeit bei den Deldrimor gelernt hatte. Ohtah Ryutaiyo wiederum stand hinter Brechnar Eisenhammer, der das Schiff steuerte. Zum ersten Mal seit er Shikon No Yosei begegnet war, fühlte er sich nutzlos … Bisher hatte er immer einen Weg gefunden ihr beizustehen – doch dieses Mal plagten ihn Zweifel. Konnte er auch hier auf dem Feuerring seinen Schwur halten? Das Glutsteinlager war der einzige Hafen, den man ansteuern konnte, wenn man die Feuerring-Inseln betreten wollte. Von dort aus gelangte man über ein Arsenal aus Lavastein und Lavaseen zum Vulkan Abaddon´s Maul. Der Name allein genügte, um Shikon No Yosei einen Schauer über den Rücken zu jagen. Und dass obwohl sie als Feuermagierin noch am ehesten mit der Hitze und der Gefahr umgehen konnte. Doch wenn man von Gefahr sprach, stellten die Mursaat ein beinahe noch größeres Problem dar, als die gewaltigen Lavamassen. Die Mursaat hatten auf dem Feuerring ihre Festungen erreichtet. Durch die schimmernden Steine, aus denen die Festungen gebaut waren, floss konstant eine große Menge an Magie, welche die Mursaat zusätzlich stärkte. Nur die Spektralqual brachte ihnen keinen Vorteil mehr – zumindest nicht gegen Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo und Seiketsu No Akari, die, so gut es ging, ihre beiden Begleiter vor einem Schaden zu bewahren versuchten. Richtig schlecht sah es für die mutigen Helden aber erst aus, als sie entdeckten, dass der Zugang zum Innern des Vulkans von einer gewaltigen Ansammlung Mursaat bewacht wurde. Gegen diese Anzahl von Gegnern konnten sie nicht bestehen. „Ich werde gehen.“, beschloss Brechnar Eisenhammer auf einmal, wodurch er überraschte Blicke seiner Kameraden erntete. Seiketsu No Akari kniete sich zu ihm hinunter und meinte eindringlich: „Das könnt Ihr nicht tun! Was ist mit König Jalis? Was soll ich ihm sagen? Ihr werdet-“ „Es ist in Ordnung. Mein Bruder weiß es. Er hat mich verstanden … Ich wünsche Euch Glück – der Große Zwerg wacht über Euch.“, unterbrach der Deldrimor sie mit einem Lächeln. Entschlossen rannte der Zwerg auf die Mursaat zu. Ungeschützt traf ihn die Spektralqual von allen Seiten. Sein Herz verstummte augenblicklich. Sein Körper fiel zu Boden. Die Mursaat gaben den Blick auf ihn frei. Unzählige Brandwunden und ein Strom aus Blut gaben ein Bild des Schreckens ab. Sein Plan, die Mursaat wegzulocken war vollkommen gescheitert. Seiketsu No Akari´s Augen füllten sich mit Tränen. Ohtah Ryutaiyo starrte den leblosen Körper fassungslos an. Shikon No Yosei zitterte. Sie erinnerte sich nur zu gut an den Tod von Meister Togo … Dieses Mal war sie ebenso hilflos gewesen, wie damals. Ihre Wut war unbeschreiblich. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Die Energie in ihrem Innern schwoll an. Sie verlor die Kontrolle über ihre Feuermagie, die ungezähmt aus jeder Pore ihres Körper drängte – ohne die Verschmelzung mit Teinai war es ihr nicht möglich, diese riesige Menge richtig zu lenken. Jeder einzelne Mursaat fand durch ihre Macht den Tod und die ewige Verdammnis in der Unterwelt. Nachdem sich die Lage wieder beruhigt hatte, gaben Shikon No Yosei´s Knie nach und sie fiel bewusstlos zu Boden. Aber wie so oft, war Ohtah Ryutaiyo zur Stelle um sie aufzufangen. Als die vier verbliebenen Kämpfer – die junge Elementarmagierin gestützt von ihrem Geliebten – den Zugang zu Abaddon´s Maul durchschritten, erschien Wesir Khilbron vor ihnen. Mit dröhnenden Kopfschmerzen hörte Shikon No Yosei, wie der Magier sagte: „Ich grüße Euch, Auserwählte der Flammensucher-Prophezeiung … Inmitten von Abaddon´s Maul liegt das Tor von Komalie. Es ist der Schlüssel … Ihr müsst nur das Siegel zerstören, dann ist Tyria von den Mursaat befreit! Geht! Geht und erfüllt eure Pflicht!“ Shikon No Yosei ging taumelnd auf das Tor zu und sah sich das Siegel an. Ein physischer Angriff würde nichts ausrichten können, es musste mit Energie geöffnet werden. Noch bevor sie ihre Vorgehensweise erläuterte, ergriff Ohtah Ryutaiyo bereits ihre rechte und Seiketsu No Akari ihre linke Hand. Bruder Mhenlo dagegen blieb auf Abstand. Dies war nicht seine Aufgabe. Die Elementarmagierin spürte die Kraft ihrer Liebsten durch ihre Adern pulsieren. Ein kleines Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Gemeinsam konnten sie die Mursaat bezwingen. In dem Moment, in dem die Energie ihr maximales Limit erreicht hatte, löste Shikon No Yosei ihre Hände und richtete sie auf das Tor von Komalie. Der Feuerring wurde von einem Erdbeben erschüttert. Das Siegel bröckelte, bekam Risse. Und mit einer gewaltigen Lichtexplosion zerriss es vollständig. Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo, Seiketsu No Akari und Bruder Mhenlo wurden von der Druckwelle gegen die Felswände geschleudert. Benommen beobachteten sie, wie sich Wesir Khilbron in ein gehörntes Wesen verwandelte. Mit deutlicher Euphorie hielt er sein Zepter in die Höhe und rief: „Es ist vollbracht! Die Flammensucher-Prophezeiung hat sich erfüllt! Mit dem Zepter von Orr kontrolliere ich, der Untote Lich die Titanen und bringe Tyria die völlige Vernichtung!“ Die Worte, die sie großteils nur als einzelne Teile wahrgenommen hatten, fügten sich langsam zusammen. Stück für Stück eröffnete sich ihnen der Sinn. Wesir Khilbron war der Untote Lich. Der Untote Lich war der Flammensucher. Der Flammensucher besaß das Zepter von Orr. Das Zepter von Orr verlieh die Macht die Titanen zu kontrollieren. Und die Titanen verhießen das Ende von Tyria … Das Ende von Tyria? Die Flammensucher-Prophezeiung, welche die Drachin Glint vor so vielen Jahrhunderten ausgesprochen hatte, hatte sich erfüllt! Der Flammensucher war erschienen … Die Mursaat waren vernichtet … Die Titanen stellten eine noch größere Gefahr für das Land dar … War nun wahrhaftig das Ende von Tyria gekommen? Die letzte Chance auf Rettung wäre ein Sieg über den Untoten Lich durch die drei Auserwählten Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo und Seiketsu No Akari. Der Untote Lich war derweil mitsamt der Titanen-Armee verschwunden, die er aus dem geöffneten Tor gerufen hatte – doch seine höhnische Stimme hallte durch die Vulkanberge: „Wenn ihr mutig genug seid, folgt mir zum Vorhof der Hölle!“ Der Vorhof der Hölle war ein riesiger Vulkan, der sich auf der dritten und gefährlichsten Insel des Feuerrings befand … Shikon No Yosei, die teilweise von dem Energieverlust, teilweise von dem Schock, geschwächt war, sank erneut zu Boden. Ihre Augen waren geweitet und starrten auf das Tor von Komalie. „Shiko, keiner von uns wusste, wer Wesir Khilbron in Wirklichkeit ist … und dass er uns so verraten würde.“, versuchte Seiketsu No Akari sie aufzubauen. Mit schmerzverzerrter Stimme erwiderte die Elementarmagierin: „Dennoch habe ich die Titanen befreit. Versteht ihr das nicht? Ich trage die Schuld daran!“ „Nein, das tust du nicht.“, widersprach ihr Ohtah Ryutaiyo und zwang sie mit einem kraftvolleren Griff, als sie es von ihm gewohnt war, ihn anzusehen, „Selbst wenn sich die Prophezeiung erfüllt hat … wir können ihn aufhalten. Hörst du, Shiko? Zusammen können wir es schaffen! Solange wir die Hoffnung auf den Sieg in uns tragen. Ich liebe dich, Shiko, und ich werde meine ganze Kraft aufbringen, um dir zu beweisen, dass der Flammensucher und die Titanen nicht das Ende von Tyria einläuten werden!“ Shikon No Yosei befreite sich von ihm und stand taumelnd auf. Ihre rechte Hand legte sich über ihr Herz. Es schlug … es schlug kraftvoll und gleichmäßig. Sie war noch am Leben. Ohtah Ryutaiyo war am Leben. Seiketsu No Akari war am Leben. Sie konnten noch kämpfen! Plötzlich spürte Shikon No Yosei nach so langer Zeit endlich wieder die Präsenz von Teinai in ihrem Körper, in ihrem Geist. Die Verzweiflung ihres Schützlings hatte sie aufgeweckt. So gab sich Shikon No Yosei der Macht der verstorbenen Elementarmagierin hin und wurde wieder einmal von dem hellen Licht umhüllt. „Was geht hier vor?“, rief Seiketsu No Akari erschrocken, die es zum ersten Mal miterlebte. Shikon No Yosei öffnete den Mund und die Stimme Teinai´s drang daraus hervor: „Fürchtet euch nicht. Ich komme mit Rat zu euch in dieser schweren Stunde … Du hast recht mit deinen Worten, junger Assassine. Es gibt einen Weg, wie ihr siegen könnt – doch ihr müsst wagen, ihn zu gehen! Das Schicksal hat euch aus gutem Grund für diese Aufgabe ausgesucht.“ Das Licht erlosch und diesmal sprach Shikon No Yosei selbst: „Danke, Teinai … Ja, wir können Tyria retten. Selbst wenn dies meinen Tod bedeutet … Ich werde nicht aufgeben! Niemals!“ Im Vorhof der Hölle: leben oder sterben Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo, Seiketsu No Akari und Bruder Mhenlo betraten die Region des Vorhofs der Hölle. Er wurde seinem Namen wahrlich gerecht. Die Lavaseen, die Vulkanberge und vor allem die Titanen sprachen von tödlicher Gefahr. So ähnlich musste wohl wirklich die Hölle in den tiefsten Tiefen der Unterwelt aussehen. Gerade, als die ersten Titanen zum Angriff übergehen wollten, erschien ein strahlendes Licht vor den vier und die Titanen zerfielen langsam zu Staub. Eine ihnen bekannte Stimme erklang in ihren Ohren: „Ihr habt einen weiten Weg hinter Euch … Aber der wahre Kampf liegt noch vor Euch. Um Tyria von den Titanen zu befreien, müsst Ihr das Tor von Komalie wieder versiegeln. Der Untote Lich muss auf dem Blutstein im Innern des Vulkans sterben … Sein Tod wird genug Energie diesen Zauber freisetzen.“ Nachdem Glint´s Stimme verstummt war, verschwand auch das Licht. Sie folgten einem Weg Richtung Südosten, da sie dort in etwa das Zentrum vermuteten, in dem sich, laut Glint, der Blutstein befinden sollte. Eine der letzten, magischen Steinplatten, welche in der Alten Zeit für Opferrituale verwendet worden waren. In einem kleinen Tal erfassten die scharfen Augen von Ohtah Ryutaiyo eine Gestalt und er hinderte seine Freunde am Weitergehen. Die Person, die dort stand, war nicht der Untote Lich. Bei genauem Betrachten konnte man ein flammendes Schwert sowie einen roten Mantel erkennen. Bruder Mhenlo standen Schock, Trauer und Wut deutlich ins Gesicht geschrieben. Er kannte denjenigen, der sich ihnen in den Weg gestellt hatte. Untot ebenso wie sein Meister … Dennoch konnte der Mönch es nicht glauben und ging wie in Trance auf den Mann zu. „Bitte … bitte, sagt mir, dass das nicht wahr ist … Das darf nicht wahr sein! Seid … seid Ihr das wirklich? Antwortet mir!“, verlangte er mit brüchiger Stimme. Der Untote lächelte gequält, während er antwortete: „Ich bin es, alter Freund. Ich bin Rurik … Nein, ich war Rurik.“ „Aber wie kann das sein, mein Prinz? Ich dachte … ich dachte, Ihr wärt am Frosttor gefallen!“, erwiderte Bruder Mhenlo verzweifelt. Prinz Rurik, der einstige Thronerbe Ascalon´s erklärte: „So hätte es sein sollen. Ich gehöre nicht mehr in die Welt der Lebenden. Doch ich wurde zurückgerufen … Verzeiht mir, Mhenlo, ich will nicht gegen Euch kämpfen! Aber mir bleibt keine andere Wahl.“ Der Untote hob sein Schwert zum Angriff. Shikon No Yosei reagierte ohne nachzudenken. Sie zog einen von Ohtah Ryutaiyo´s Dolchen aus seinem Halfter und schleuderte ihn auf den Prinzen. Die Klinge versank tief in dessen Brust. Genau an der Stelle, an der früher sein Herz geschlagen hatte – früher, als er noch ein Mensch gewesen war. Schwach flüsterte Prinz Rurik ein paar letzte Worte: „Ich … ich danke Euch, Fremde. Ihr habt mich von ihm erlöst … Ihr habt meine Seele von der Folter und Knechtschaft des Untoten Lich befreit.“ Der Prinz Ascalon´s starb ein zweites Mal. Diesmal mit einem Lächeln auf den Lippen. „Er ist als Mensch gestorben …“, meinte Ohtah Ryutaiyo und legte dem Mönch eine Hand auf die Schulter. Seiketsu No Akari und Shikon No Yosei schwiegen, während ein leises Schluchzen von Bruder Mhenlo durch das Tal hallte. Aufgrund des langes Marsches, einer gewagten Kletterpartie und einem endlosen Kampf gegen eine Armee Titanen hatten sie den Großteil ihrer Kräfte eingebüßt. Ihr Atem ging keuchend. Der Schweiß stand auf ihren Stirnen. Ihre Kleider waren angesenkt. „Ein letzter Kampf.“, murmelte Bruder Mhenlo. Seiketsu No Akari bestätigte nickend: „Ein letzter Kampf gegen den Untoten Lich.“ „Ein letzter Kampf gegen den Untoten Lich, um Tyria zu retten.“, fügte Ohtah Ryutaiyo hinzu und Shikon No Yosei vervollständigte mit leiser Stimme, „Ein letzter Kampf gegen den Untoten Lich, um Tyria zu retten, den wir gewinnen werden!“ Sie überwanden die letzten Meter, die sie noch vom Blutstein trennten. Der Untote Lich stand genau in dessen Mitte und erwartete sie. „Ich bin sichtlich beeindruckt … Ihr habt einen weiten Weg zurückgelegt, euch im Kampf bewährt und alle Hindernisse überwunden. Aber hier endet eure Glückssträhne!“, sagte er lachend. Sie verteilten sich um den Blutstein herum, kreisten den Untoten Lich ein. Dann erhob die schöne Elementarmagierin ihre Stimme: „Du lachst über Dinge, die du nie versehen wirst … Wie Shiro bist auch du nur zu bemitleiden. Tyria ist zwar nicht meine Heimat … doch es gibt viele, denen dieses Land wichtig ist! Wir kämpfen für all diejenigen, die sich dir nicht selbst in den Weg stellen können! In ihrem Namen werden wir dich töten! Die Flammensucher-Prophezeiung verheißt nicht unser aller Ende … Wir werden diese Prüfung bestehen! Solange auch nur noch in Fünkchen Hoffnung in uns brennt, werden wir weiterkämpfen! Das schwöre ich dir bei allen vier Elementen und beim Lichte Teinai´s!“ Damit entbrannte der Kampf. Der Untote Lich erschuf kleine »Seelenstrudel«, welche bei direkter Berührung Energie entzogen. Dolchangriffe seitens Ohtah Ryutaiyo waren völlig nutzlos gegen sie, weswegen er den Untoten Lich in ein Gefecht verwickelte. Bruder Mhenlo belegte ihn währenddessen dauerhaft mit Schutz- und Heilgebeten. Seiketsu No Akari tat dasselbe bei Shikon No Yosei, die sich vorrangig um die Seelenstrudel kümmerte. Nachdem sie alle vernichtet hatte, sah sie zu ihrem Geliebten. Der Assassine hatte es tatsächlich geschafft einen Nahkampf zu provozieren, bei dem der Untote Lich seine Dolchstöße mit den Händen parierte. Wären sie in einer etwas weniger gefährlichen Situation gewesen und hätten nicht dem personifiziertem Bösen gegenübergestanden, hätte dieses Bild Shikon No Yosei durchaus zum Lachen gebracht. Doch sie musste sich konzentrieren. Seiketsu No Akari und Bruder Mhenlo bezogen hinter ihr Stellung, als die Elementarmagierin mit geschlossenen Augen niederkniete und die gewaltige Macht des Feuers anrief. Sie entzog der Lava ihre Kraft und vermischte sie mit ihrer eigenen Energie. Ohne sichtbares Zeichen zog sich Ohtah Ryutaiyo via Schattenschritt vom Zweikampf mit dem Untoten Lich zurück und warf noch im Flug eine Handvoll Giftpfeile auf ihn. Im selben Moment öffnete Shikon No Yosei wieder die Augen und entfesselte die gesammelte Feuermagie – dank Teinai´s innerer Unterstützung genauso, wie die Shing Jea es wollte. Der Blutstein begann zu beben. Die geballte Energie hatte ihn aktiviert. Runen schimmerten in verschiedenen Farben. Blitzschnell entfernten sich die vier Verbündeten von ihm. Gerade rechtzeitig, denn die Feuermagie und die Giftpfeile brachten dem arroganten Flammensucher seine verdiente Strafe. Das Tor von Komalie leuchtete auf, öffnete sich und sog alle verbliebenen Titanen wieder in sich hinein. Sogar das Siegel erneuerte sich. Das Beben verstärkte sich, erfasste inzwischen die gesamte Feuerring-Inselkette. Die Lavaseen türmten sich auf. Aus dem Gestein schossen Lavafontänen in die Höhe. Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo, Seiketsu No Akari und Bruder Mhenlo waren sich einig. Es war Zeit zu verschwinden! Erneut erschien Glints vor ihnen und ihre Stimme in ihren Köpfen: „Die Schwingen des Schicksals haben gut gewählt … Das Böse, das so lange Zeit im Herzen Tyria´s schlummerte, ist ausgelöscht. Die teuflische Verbundenheit gelöst. Die Flammensucher-Prophezeiung erfüllt. Das Tor von Komalie bis in alle Ewigkeit verschlossen. Ihr habt eure Aufgabe erfüllt, ihr habt Tyria gerettet! Doch nun müsst Ihr Euch selbst retten … Geht durch dieses Portal und ihr werdet in einer vertrauten Umgebung erwachen. Lebt wohl, meine Freunde, bis wir uns eines Tages wiedersehen!“ Ein strahlendes Portal öffnete sich und zog sie in sein Inneres. Abschied und Hoffnung Als die vier wieder zu Bewusstsein kamen, spürten sie zunächst nur eine eisige Kälte. Sie öffneten langsam ihre Augen und fanden sich zurück in den Südlichen Zittergipfeln, genauer gesagt in Droknar´s Schmiede. Vor ihnen stand Jalis Eisenhammer mit seinem Gefolge. Ihre Freudenschreie drangen erst jetzt wirklich an ihre Ohren. Der Kampf war einfach zu anstrengend gewesen, sie waren noch immer ganz benommen. „Ihr habt etwas vollbracht, was niemandem sonst gelungen wäre!“, lobte der König der Deldrimor- Zwerge ihre Heldentat, „Ihr habt das drohende Unheil abgewendet … Deldrimor dankt Euch! Ganz Tyria dankt Euch!“ Seiketsu No Akari biss sich auf die Unterlippe, um ihre Tränen zurückzuhalten und sagte dann verzweifelt: „Wir haben diese Ehre nicht verdient, mein König … Euer Bruder … ist …“ „Sorge dich nicht, mein Kind. Brechnar wusste, was er tat. Er hat dich auf diese Reise begleitet, um dein Leben zu bewahren. Ihm war klar, wie wichtig du den Deldrimor in der vergangen Zeit geworden bist. Um deinen Tod zu verhindern, hat er sein Leben bereitwillig gegeben … Irgendwann werde ich ihn sicher wiedersehen.“, erklärte Jalis Eisenhammer und wischte seinem Schützling die Tränen von den Wangen, die dennoch über ihre Augenränder getreten waren. Shikon No Yosei, die ebenfalls den Tränen nahe war, sagte: „Trotzdem können wir diesen Kampf nicht nur als Triumph ansehen. Brechnar und die Glänzende Klinge Saidra … Sie haben sich beide für uns geopfert.“ „Behaltet sie Eurem Herzen und Eurer Erinnerung, dann werden sie nicht umsonst gestorben sein.“, meinte der Zwerg gütig und legte eine kleine Pause ein, um seine Worte wirken zulassen, „Um ihrer zu gedenken und unsere Rettung zu feiern, veranstalten wir heute ein großes Fest!“ Perplex sahen sich Shikon No Yosei, Ohtah Ryutaiyo und Bruder Mhenlo an. Mit einem kleinen Lächeln flüsterte Seiketsu No Akari ihnen zu: „Abrupte Themenwechsel sind typisch für die Deldrimor-Zwerge … besonders für unseren König.“ Bis spät in die Nacht dauerte das Fest an. Es wurde getanzt, gesungen, gegessen und getrunken. Die Trauer und die Freude waren deutlich spürbar. Shikon No Yosei verstand inzwischen, warum die Deldrimor diesem Brauch folgten. Es tat gut, half loszulassen. Sie hatte sich etwas abseits gesetzt und beobachtete die Sterne. Der Himmel über Tyria zeigte ganze andere Bilder als jener ihres geliebten Canthas. „Du denkst an Zuhause, nicht wahr?“, riss ihre Cousine sie plötzlich aus ihren Gedanken. Die Elementarmagierin nickte und antwortete: „Ja … Vor dir kann ich wohl gar nichts verbergen, oder, Seiketsu? Ohtah und ich werden morgen aufbrechen.“ „Auch das dachte ich mir …“, bestätigte Seiketsu No Akari, „Ich werde mein Studium weiter fortsetzen. Ich habe es noch lange nicht beendet … Ich … ich meine … würdest ... würdest du ...“ Shikon No Yosei zog sie in eine Umarmung und flüsterte: „Bis du wieder da bist, werde ich Shing Jea allein beschützen und … auf dich warten. Ich hab´ dich lieb, Sei!“ Damit wiederholte sie die Worte, die sie bereits bei Seiketsu No Akaris Abreise auf Shing Jea zu ihr gesagt hatte. „Danke, Shiko … danke.“, erwiderte die Mönchin und zog ein großes Bündel das ihrer Tasche, welches sie ihrer Cousine überreichte, „All diese Briefe habe ich in den vergangenen Monaten geschrieben. Ich weiß, was du in Cantha durchmachen musstest … deshalb habe ich sie nicht abgeschickt. Aber jetzt ist es Zeit sie dir zu geben. Und diesmal müssen wir uns wirklich regelmäßig schreiben!“ Die Shing Jea lachte – erst war ihr der Kampf mit Shiro Tagachi in die Quere gekommen, dann hatte sie Angst gehabt zu schreiben – und antwortete: „Versprochen …“ Auf der Fahrt zurück nach Shing Jea kämpft Shikon No Yosei´s Herz mit Freude und Trauer … Ihr Wunsch nach einem Wiedersehen mit Seiketsu No Akari ist zwar für den Moment erfüllt, aber der neuerliche Abschied war schwerer, als beim ersten Mal. Trotzdem hat die junge Elementarmagierin das Gefühl nicht nur ihre geliebte Seelen-Schwester von einer anderen Seite, sondern auch Ohtah Ryutaiyo besser kennengelernt zu haben. Dafür brennt eine Frage nun deutlicher als jemals zuvor in ihr – warum ausgerechnet sie? Für den Kampf gegen Shiro Tagachi hatte sie Meister Togo bestimmt, doch diesmal war es, laut Glint, das Schicksal selbst gewesen … Tief in sich spürt Shikon No Yosei bereits jetzt, dass dies nicht ihre letzte Aufgabe gewesen ist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)