Die Zeit deines Lebens von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 11: Herzensbrecher. --------------------------- You were the only one I wanted. Get Back, Don’t Forget. Demi Lovato, 2008. 01. Juni 2010. Odaiba, Japan. Konzerthalle. „Oh man ich bin voll nervös“, meinte sie hibbelig und krallte sich in Soras Oberarm. „Man Mimi, krieg dich mal wieder ein“, sagte diese mahnend. „Ist nur ein Wettbewerb, der über die Uni läuft“. „Na und? Ich habe Matt noch nie spielen gehört. Das ist eine Weltpremiere“, polterte sie und schlug mit ihren Armen wild in der Gegend herum. „Pass doch auf“, giftete Taichi, der mit Izzy Getränke geholt hatte. Er reichte zwei Becher an die beiden jungen Frauen weiter und musterte Mimi auffällig. „Was ist?“, fragte diese und zog die Augenbraune nach oben. „Hast du vielleicht was genommen oder warum bist du so überdreht?“ „Ich hab nur gute Laune“, antwortete sie eingeschnappt. „Ist das etwa verboten?“ Tai bereute es jetzt schon, sich zu den Mädels gesellt zu haben. Warum musste auch Matt unbedingt alle einladen? Auf Mimi hätte er wirklich verzichten können, besonders nach der Textmarker-Attacke. Er musste sage und schreibe, drei Mal unter die Dusche steigen, um auch den letzten Rest abzubekommen. Seiner Meinung nach, war sie wirklich irregeworden. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er sie in eine Zwangsjacke steckte. Er schmunzelte bei dem Gedanken und nippte an seinem Bier. Tai bemerkte nicht, dass Mimi ihn nur kopfschüttelnd anstarrte. „Warum grinst der wieder so dämlich?“, fragte sie sich selbst und verschärfte ihren Blick. Wahrscheinlich hatte er wieder ein Attentat auf sie geplant. Zum Glück sah sie keinerlei Stifte oder andere Schreibutensilien, mit denen er sie verunstalten konnte. Dann wand sie den Blick wieder zur Bühne. Matt und seine Band machten gerade den Soundcheck und würden in zehn Minuten mit dem Spielen beginnen. Ihr Blick wanderte und blieb an Kari hängen, die sich angeregt mit Yolei zu unterhalten schien. So langsam hatte Mimi das Gefühl, dass sie sich in Japan langsam wieder einlebte. Sie war um einiges offener geworden und zeigte allmählich ihre wahren Gefühle. Auch die Abtreibung schien sie immer noch zu beschäftigen. Selbstverständlich, wenn man bedachte, dass sie noch nicht mal einen Monat her war. Natürlich ging einem so etwas sehr nahe. Es war ein Teil von ihr, auch wenn sie noch nicht bereit war, sich darum zu kümmern. Kari liebte eigentlich Kinder, daher konnte sich Mimi auch nicht vorstellen, dass alles so spurlos an ihr vorbeigegangen war. Wäre sie an ihrer Stelle gewesen, wüsste sie nicht, wie sie gehandelt hätte. Mit 19 war ein Baby eine sehr große Verantwortung, besonders wenn man auf sich allein gestellt war. Der Vater war ja nur ein One-Night-Stand gewesen, der sich sicherlich nicht, um sie und das Kind gekümmert hätte. Vielleicht war es die richtige Entscheidung gewesen. Und vielleicht halfen ihr ihre Freunde endlich dabei, das Vergangene hinter sich zu lassen. „Weißt du schon welche Lieder er spielen wird?“ Sora hatte sich an Tai gewandt, der nur desinteressiert mit den Schultern zuckte. „Keine Ahnung, aber bestimmt wieder irgendwas mit Herzschmerz und so ein Kram“. „Klingt doch voll romantisch“, meinte die Brünette verträumt. „Er schreibt sicher wundervolle Songs, nicht wahr Sora?“ „Ähm…ja. Wundervolle…“, stotterte sie und blickte in die anderen Richtung. Mimi sah sie verdutzt an, aber sagte daraufhin nichts mehr. Tai hingehen hielt sich die Hand an seine Stirn und schüttelte mit dem Kopf. Sora sollte wirklich langsam mal in die Gänge kommen. Matt machte mittlerweile immer wieder solche Andeutungen Mimi gegenüber. Tai war sich nicht sicher, doch er hatte das Gefühl, dass sie ihn Sora noch vor der Nase wegschnappten würde. Er war ganz fasziniert von der jungen Tachikawa und erzählte immer, wie hübsch er sie fand. Auch die Tatsache, dass sie Gesang und Schauspiel studierte, imponierten Matt. Tai hatte wusste, dass wenn es so weiter ginge, sie wie die Titanic auf einen Eisberg zu steuern und gnadenlos sinken würde. Sora war in Matt verliebt und er war der einzige der davon wusste. Sein bester Freund ahnte noch nicht mal etwas von seinem Glück. Daher würde er sicher keine Rücksicht auf ihre Gefühle nehmen. Tai musste deswegen Mimi verklickern, dass sie die zarten Finger von Matt lassen sollte, auch wenn es so aussah, als würde die Sympathie auf beiden Seiten bestehen. Er musste sich dringend etwas einfallen lassen. Kari stand neben Yolei, als Takeru auf beide zugesteuert kam. Er lächelte sachte und stellte sich neben die beiden. „Und ist zwischen dir und Matt wieder alles klar?“, fragte Kari lauthals um gegen die Lautstärke in der Halle anzukommen. TKs Lächeln verschwand daraufhin wieder und er gab nur ein knappes „Nein“ von sich. Danach wand er sich der Bühne zu und beobachtete seinen Bruder dabei, wie er an das Mirko trat. „Hallo mein Name ist Matt und wir sind die Teenage Wolves“, kündigte er sich selbst an und setzte sich auf einen Hocker, der direkt hinterm Mirko stand. Er legt sich seine Gitarre um und spielte die ersten Akkorde. Kari beobachtete immer noch Takeru, der verbissen zu Matt starrte. Er kannte diesen Song. Immer wenn er ihn spielte, erinnerte sich der Jüngere an die Zeit zurück, in der noch alles in Ordnung war. Zur der Zeit, wo Kari einfach nur seine beste Freundin und sein Bruder nicht sein größer Konkurrent war. Er biss sich auf die Unterlippe und Matt begann zu singen. I can't have you, no Like you have me Der Blonde lauschte seine Stimme und erinnerte sich an die unbeschwerte Zeit zurück. Für einen Moment schien alles in Ordnung zu sein, auch wenn dem nicht so war. Genaugenommen stand alles Kopf. Seine Eltern hatten sich immer noch nicht zusammengerafft, obwohl seine Schwester Sayuri, die sie alle liebevoll Saya nannten, bereits seit drei Wochen auf der Welt war. Matt hatte sich seit ihrer Geburt nicht mehr bei seiner Mutter gemeldet. Er ignorierte jeden ihrer Anrufe. Immer wieder sagte er zu Takeru, dass er nicht ertragen konnte, wie seine Eltern ein weiteres Leben ins Unglück trieben. Egal wie der junge Takaishi auch argumentierte, nichts half. Er warf ihm immer nur das gleiche an den Kopf. „Du bist zu naiv. Werd‘ gefälligst erwachsen und sieh ein, dass es vorbei ist.“ Doch es war noch nicht vorbei. Noch lange nicht. Es war doch erst der Anfang von etwas Neuem. Wieso konnte er es nicht sehen? And I want you in my life And I need you in my life „Hey?“ Kari stellte sich neben ihn und berührte sanft seine Schulter. „Du siehst so traurig aus. Ist alles in Ordnung?“ Er nickte nur und zog gequält seine Mundwinkel nach oben. Doch ihr mitleidiger Blick verschwand dadurch nicht. Wahrscheinlich war sie wirklich die Einzige, die ihn zu durchschauen schien. Okay, abgesehen von seinen Gefühlen zu ihr. Die konnte er komischerweise immer sehr gut verstecken. Doch wenn ihn sonst immer etwas bedrückte, war Kari die erste die es bemerkte. Es hatte sich also nichts verändert. Sie war immer noch die Alte. Sie tanzten wild in der Menge, hoben die Arme und versuchten die Texte laut mit zu grölen. Mimi sprang im Takt und nahm die Hand ihrer alten Freundin und animierte sie zum Mitmachen, auch wenn die Rothaarige nur schüchtern mitwippte. Sie war eben kein Energiebündel so wie Mimi, die die Texte noch nicht mal kannte und trotzdem mitsang. Sora sah zu Tai, der nur rhythmisch mit dem Kopf nickte und seine Hände tief in seiner Hosentasche vergrub. Er und Izzy kannten wohl jedes Lied auswendig und waren mehr gelangweilt als amüsiert. Der Rotschopf drückte sich gerade an der wildgewordenen Menge vorbei und verschwand in der Masse. Tai stand auf einmal alleine da und bemerkte Izzys Abwesenheit zuerst gar nicht. Erst als er sich nach links wandte, fiel ihm auf, dass er gegangen war. „Wo ist Izzy hin?“, rief er Sora fragend zu, die wegen des Lautstärkepegels nichts verstand. „Was?“, antwortete sie und spitzte die Ohren. Tai trat näher an sie heran und wiederholte seine Frage nochmals. „Keine Ahnung wohin er gegangen ist. Er ist vorhin in der Menge verschwunden“. „Na toll“, grummelte er und zog ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Selbst Mimi war sein Blick nicht entgangen. Sie blieb auf einmal stehen und in ihrem Gesicht bildeten sich mehrere Fragezeichen. „Man Tai, wenn man dich so sieht, kann einem wirklich die Lust vergehen“. „Danke. Nicht jeder ist halt so hyperaktiv wie du“, konterte er und drehte sich weg. Sie nuschelte etwas Unverständliches vor sich hin und wand sich wieder Sora zu. Sollte er doch ruhig schmollen. Sie wollte ihren Spaß haben. I'm still alive but I'm barely breathing Just prayin' to a God that I don't believe in „Er singt so unfassbar gut“, schwärmte die Brünette und schenkte ihm einen schmachteten Blick. Sora hingegen antwortete mit einem leisen „Mhm“ und blickte traurig zur Bühne. Matt stand vor dem Mikrofon, der Schweiß tropfte von seiner Stirn hinunter und er lächelte ihnen zu. Doch seine Augen fixierten Mimi, die wie ein Teenager kreischte und sich wieder in Soras Arm krallte. Selbst Tai hatte mittlerweile das Weite gesucht und stand etwas weiter abseits bei Ken und Davis. Die Rothaarige blickte kurz zu dem Trio, wand ihren Blick aber wieder recht schnell zu Matt, der immer noch Mimi anstarrte. Das durfte doch nicht wahr sein. Auch wenn sie eine ihrer engsten Freundinnen war, es konnte doch nicht sein, dass Matt tatsächlich Interesse an ihr hatte. Sora schaute zu Mimi, die vergnügt tanzte und ihre Haare umherschüttelte. Sie war so vieles, dass Sora nicht war. Sie war hübsch, immer gut angezogen und trat immer selbstbewusst auf – auch wenn sie sich zum Depp machte. Es war ihr egal. Sie liebte es im Mittelpunkt zu stehen. Sora hingegen agierte eher im Hintergrund. Genaugenommen hasste sie es im Vordergrund zu stehen. Aus diesem Grund wollte sie Designerin werden. Sie musste ihre Kleider nur nähen und nicht präsentieren. Dafür hatte man ja schließlich die Models, die wahrscheinlich genau wie Mimi vor Selbstbewusstsein nur so überschäumten. Doch jetzt veränderte sich etwas. Mimi war auf dem besten Weg ihr etwas wegzunehmen, was ihr viel bedeutete. Sie liebte Matt, auch wenn es bisher nur Taichi wusste. Er hatte Recht, sie musste langsam in die Gänge kommen. Sonst würde sie ihn verlieren. Für immer. 'Cause I got time while she got freedom 'Cause when a heart breaks, no, it don't break even Tai stand gelangweilt an der Wand und lauschte nur halbherzig der Musik seines besten Freundes. Davis und Ken schienen auch eher zwangsweise hier zu sein. Sie unterhielten sich beiläufig und Davis blickte sogar ein paar Mal auf die Uhr. „Sag mal hast du Yolei gesehen?“, fragte Ken auf einmal und suchte mit den Augen die Halle nach ihr ab. Davis folgte seinem Blick, zuckte aber nach erfolgsloser Suche mit den Schultern. „Vielleicht ist sie aufs Klo. Du kennst sie doch, wenn sie zu viel Rootbier trinkt“. „Meinst du? Sie ist doch mindestens schon zwanzig Minuten weg“, erwiderte er sorgenvoll. „Na und? Sie wird wohl ne lange Schlange erwischt haben“. Davis rümpfte die Nase und lockerte seine Beine, die vom vielen Rumstehen bereits wehtaten. Er konnte nicht verstehen, dass er nach all der Zeit immer noch in sie verliebt war. Damals während Marikos Hausparty und auch danach, haben sie ellenlang über die Problematiken, die eine Beziehung mit Yolei mit sich bringen würde, geredet. Doch Ken hatte wohl auf Durchzug gestellt. Wie ein liebeskranker Hengst suchte er nach der brünstigen Stute, die nur gierig auf ihn zu warten schien. Auch TK machte sich immer noch Hoffnungen auf eine Liebe, die immer einseitig bleiben würde. Davis schielte unbemerkt rüber zu ihm und sah, wie angeregt und belustigt er sich mit Kari unterhielt. Sie kicherte und hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht gleich laut los zu pusten, während er bereits lautstark lachte. Zum Kotzen. Wo war ein Eimer, wenn man mal einen brauchte? „Man er fällt wieder voll auf sie rein“, nuschelte er, so dass es Tai nicht hören konnte. Ken unterbrach daraufhin seine Suche und schaute ebenfalls zu TK. „Lass ihn doch. Vielleicht hat er ja Glück und aus den beiden wird doch noch ein Paar“. „In welcher Traumwelt lebst du denn?“, wollte er irritiert wissen und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. „Sie spielt nur mit ihm! Das weiß ich“. „Und woher? Steht es ihr auf der Stirn geschrieben?“, witzelte er und lehnte sich mit der rechten Schulter gegen die Wand, an die sich schon Taichi gelehnt hatte. „Ich seh´s in ihren Augen“, meinte er überzeugt und der Schwarzhaarige begann ohne weiteres zu Lachen. „In ihren Augen? Ich erkenne ihre Augen von hier noch nicht mal oder hast du irgendeinen Röntgenblick von dem ich noch nichts weiß?“ „Witzig“, knurrte er eingeschnappt und verschränkte die Arme vor der Brust. Warum konnte auch niemand ihn ernst nehmen? Lag es an seiner Frisur oder an seinem Auge, das ab und zu komisch zuckte? Doch er hatte sie gewarnt. Es war bestimmt nur eine Frage der Zeit, bis er wieder sagen konnte, „Ich habe es dir ja gleich gesagt“. Mimi drückte sich durch die Massen durch, während sich Sora lautlos zu Taichi verzog. Matt stand umringt von zahlreichen Mädels, die unbedingt ein Autogramm von ihm haben wollten. Zwar waren sie nur Zweiter geworden, aber das schien ihrer Beliebtheit wenig auszumachen. Sie waren eben die Sieger der Herzen und wenn Mimi ehrlich war, fand sie diese „Kids from Tokyo“ gar nicht mal so gut. Wahrscheinlich steckte doch Wahlmanipulation dahinter. Doch was sollte man machen? Mimi wollte daher erst einmal dem Sänger ihre Glückwünsche aussprechen. „Hey Matt“, rief sie ihm zu und er krakelte die letzte Unterschrift auf ein Magazin, in dem sie einmal erschienen waren. Seine Augen funkelten richtig, als er Mimi vor sich sah. Er hatte seine Gitarre umgelegt und steuerte freudestrahlend auf sie zu. „Und hat dir der Auftritt gefallen?“ „Ja sehr sogar“, antwortete sie grinsend und stupste ihn leicht an. „Ich hätte so tiefsinnige Lieder gar nicht von dir erwartet“. „Ich nehme das jetzt einfach mal als Kompliment, okay?“ Mimi nickte eifrig und ein weiterer Fan stürmte auf die beiden zu, um mit Matt ein Foto zu machen. „Du bist ja wirklich sehr beliebt. Besonders bei den Damen“, lachte sie und spielte verräterisch an ihren Haaren. Er machte sie sichtlich nervös. So komisch hatte sie sich seit dem „Vorfall“ nicht mehr gefühlt. Irgendwie bestand eine magische Anziehung zwischen den beiden, die sie zuvor nie wahrgenommen hatte. Er hatte sogar Grübchen, wenn er lachte. Und Mimi stand auf Grübchen. Sie seufzte leise, als Matt das Foto von ihm und seinem Fan machte. „Hier bitte“, sagte er freundlich und gab dem jungen Mädchen, die Kamera zurück und wand sich wieder zu Mimi, die ihn immer noch verträumt anschaute. „Und was haben Kari und du noch geplant, solange ihr in Japan seid?“ „Ehm gute Frage. Ich weiß es gar nicht so genau“, gab sie zu und fuhr sich wieder durch ihre Haare. Matt lächelte verschmitzt und ging ein paar Schritte auf sie zu. „Hast du auch mal einen Kari-freien Tag geplant?“ „Einen Kari-freien Tag?“ Sie überlegte kurz und fragte sich auf was er eigentlich hinaus wollte. Wollte er sie etwa… „Sag mal willst du dich etwa mit mir verabreden? Oder warum fragst du sowas?“ Gespielt empört schaute er sie an und klatschte sich mit der Hand auf den Oberschenkel. „Man ich wollte eigentlich mal kreativ sein, aber du hast mich eiskalt durchschaut“. „Ups“, brachte sie hervor und wirkte sehr weich und mädchenhaft dabei. Sie wusste, wie sie verschiedene Facetten zeigen konnte. Darin war sie wohl sehr geübt. Der Schauspielausbildung sei Dank. „Und was hältst du davon? Wollen wir morgen vielleicht was Essen gehen?“ Ihre Augen begannen zu leuchten, auch wenn sie sich immer wieder sagte, sie solle ruhig bleiben. Verzweifelt wollte sie auf gar keinen Fall wirken. Sie atmete daher ruhig aus und presste kurz die Lippen aufeinander, bevor sie etwas sagte. Fast schon ein wenig schüchtern blickte zu ihm und nickte verhalten. „Ich glaube Kari wird sicher einen Abend ohne mich zurechtkommen“. Sie schaute kurz zu ihnen, konzentrierte sich jedoch schnell wieder auf Takeru, der sich mit ihr in eine Ecke zurückgezogen hatte. Es wurde immer noch Musik gespielt und die Besucher tanzen ausgelassen und tranken Bier. Doch Hikari hatte gemerkt, dass ihren besten Freund etwas zu bedrücken schien. Erst die Situation bei der Einweihungsparty, dann diese Kälte zwischen den beiden Brüdern, während des gemeinsamen Mittagessens in der Zentralmensa und dann Takerus Gesicht, das so traurig wirkte. Kari hatte generell ein schlechtes Gewissen gegenüber ihm. Sie war in letzter Zeit keine gute Freundin gewesen, auch wenn sie selbst genug Probleme hatte. Doch Takeru war immer für sie da gewesen, auch als sie ihm die Sache mit Matt gestanden hatte, die ihm Anfangs so fürchterlich unangenehm war. Er hatte sie nie verlassen. Er war immer für sie dagewesen und verurteilte sie nicht, im Gegensatz zu Davis, der sie nach wie vor noch zu hassen schien. Doch Kari wollte nicht an die Vergangenheit denken. Sie wollte ihm einfach nur zuhören und ihm beistehen, egal was auch passiert war. „Dir geht es wirklich schlecht oder?“ „Sehe ich etwa so scheiße aus?“, stellte er die Gegenfrage. „Nein. Nein. So habe ich das nicht gemeint“, sagte sie und kam leicht ins Straucheln, was Takeru sichtlich amüsierte. „Mich interessiert es halt, was in meiner Abwesenheit so passiert ist. Anscheinend einiges“, meinte sie und deutete mit ihrem Blick zu Matt, der sich immer noch mit Mimi unterhielt. TK verrollte nur die Augen und tauschte sein amüsiertes Gesicht mit einem genervten. Klar Kari konnte nicht wissen, was passiert war, aber musste sie es wirklich hinterfragen? Er könnte sich mittlerweile dafür Ohrfeigen, dass er auf Matt losgegangen war. Die Wut hatte wohl die Kontrolle über seinen Körper gehabt. Dieser kleine Schalter, der ihn zur Beherrschung zwang wurde einfach umgelegt und schon passierte die Tragödie. Kein Wunder also, dass Kari die Fragenzeichen im Gesicht zu stehen schienen. Er wüsste sicherlich auch gerne, was passiert wäre, wenn sie sich plötzlich mit Tai prügeln würde – auch wenn das eher unwahrscheinlich war. „Weißt du…es hat mit unseren Eltern zu tun“. Das hatte bereits Matt erwähnt, doch mehr hatte sie damals nicht erfahren. Vielleicht erfuhr sie jetzt das, was Yamato ihr nicht sagen wollte. Takeru war in solchen Dingen generell viel offener als sein Bruder. Oft hatte er mit Hikari über seine Eltern gesprochen und seinen Wunsch, dass sie endlich wieder eine Familie werden sollten. All die Jahre sah es nicht danach aus, doch kaum hatte Hikari das Land verlassen, eröffneten sich neue Möglichkeiten. „Was? Deine Eltern hatten wieder was miteinander?“, quietschte sie schrill , während TK den Zeigefinger auf die Lippen legte und „Shht“ hindurch pfiff. „Nicht so laut, er steht da hinten“. „Und weiter?“, flüsterte sie ihm zu. „Darf ich etwa nicht wissen, was vorgefallen ist?“ „Das ist es nicht. Aber er rastet immer aus, wenn ich mit anderen darüber spreche“, erklärte der Blondschopf und richtete seinen Blick immer noch zu Matt, der wieder mit einem Fan beschäftigt war. „Genaugenommen ist das noch nicht alles“, gestand er plötzlich und wand sich wieder voll und ganz Hikari zu. Dann erzählte er ihr die ganze leidige Geschichte. Die ungeplante Schwangerschaft seiner Mutter. Seine Hoffnung, dass seine Eltern doch noch zusammen finden würden. Die Geburt seiner kleinen Schwester vor rund drei Wochen. Und die Tatsache, dass Matt seine Mutter und Saya seither kein einziges Mal besucht hatte. „Aber wieso macht er sowas? Sie ist doch eure Schwester!“, stellte sie fest und war immer noch schockiert über die Nachricht, die ihr Takeru vor wenigen Minuten anvertraut hatte. Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet. Wie konnte Matt nur so stur sein? Es ging doch schließlich um SEINE Familie. „Findest du, dass ich mir falsche Hoffnungen mache?“, fragte er bedrückt und presste die Lippen aufeinander. Kari berührte leicht seine Schulter und schüttelte den Kopf. „Wäre ich in deiner Situation, würde ich sicher genauso hoffen wie du. Immerhin haben sie jetzt drei Kinder und das eine davon ist ein Baby. Sie müssen also automatisch mehr Zeit miteinander verbringen“. TK zog den rechten Mundwinkel nach oben und hoffte inständig, dass Hikari damit Recht behalten würde. Er wünschte sich seine Familie zurück, auch wenn sich Matt noch so sehr dagegen sträubte. Manchmal sollte man zweite Chancen einfach nutzen. Traurig schaute sie zu ihnen, und erkannte wie gut sich die beiden verstanden. Das konnte doch nur ein Alptraum sein. Wieso immer sie? Was hatte sie getan? Warum musste sie nur so leiden? Wieso durfte sie nicht glücklich sein? Und vor allem wie konnte es sein, dass eine höhere Macht zuließ, dass sie sich ausgerechnet in Matt verliebt? Den besten Freund ihres Ex. Sie schnaubte und verzog ihr Gesicht so schmerzverzerrt, dass es Tai prompt mitbekam. „Mach dir nichts draus. Mit ihr wird er es sicher nicht ernst meinen“. „Ach Tai“, murmelte sie und lehnte sich gegen die Wand. „Ist doch so. Sie fliegt ja hoffentlich wieder zurück!“ „Sei nicht so gemein“, meinte sie und starrte ihn nieder. „Wir beide wissen doch, warum du so allergisch auf sie reagierst. Und sie weiß es sicher auch noch“. Tai schüttelte vehement den Kopf und lief etwas rot um die Nase an. „Man, das hat rein gar nichts damit zu tun. Ich bereue wirklich, es dir erzählt zu haben“. „Was denn? Ich habe schon immer gedacht, dass da irgendwas nicht stimmen konnte. Und ich bin froh, dass du so ehrlich zu mir warst“, erwiderte sie und blickte wieder zu Mimi und Matt. „Er weiß es gar nicht, oder?“ „Nein“, antwortete er und fuhr sich durch die Haare. „Und das wird auch so bleiben“. „Verstehe…“. „Du solltest wirklich langsam mal in die Gänge kommen. Sie wird wieder abfliegen, daher wird das mit den beiden eh nichts“, klärte er sie auf und tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. „Fahr einfach mal die Krallen aus“. Sora sah ihn vollkommen entgeistert an. Hatte er gerade wirklich Krallen gesagt? Das war doch wohl ein Scherz. Er wusste doch genau, dass sie nicht der Typ Frau war. „Ich glaube nicht, dass ich das mit meinem Gewissen vereinbaren kann“, nuschelte sie unverständlich. „So ein Quatsch“, protestierte er und setzte sich in Bewegung. „Wo willst du hin?“ „Wir werden jetzt einfach ein bisschen Unruhe stiften“, stellte er klar, packte sie am Arm und steuerte direkt auf Matt und Mimi zu. Das wäre doch gelacht. Im Unruhestiften war er schließlich ein Ass auf seinem Gebiet. Er musste es nur schaffen, dass Mimi die Finger von Matt ließ. Und er hatte schon einen Plan, wie er diese Idee in die Tat umsetzen wollte. Ken und Davis standen immer noch beisammen, konzentrieren sich jedoch auf zwei verschiedene Dinge. Ken suchte immer noch die Menge nach Yolei ab, die seit 45 Minuten spurlos verschwunden war. Davis hingegen blickte angesäuert zu TK, der sich von Kari einlullen ließ. „Ich kann es nicht fassen“, grummelte der Igelkopf und wand sich an Ken. „Ich auch nicht“, erwiderte er, so das Davis dachte, sie würden sich über die gleiche Sache aufregen. Doch Ken war wegen etwas anderem sauer. „Yolei ist wie vom Erdboden verschluckt. Vielleicht ist was passiert. Wir sollten besser nach ihr suchen“, sagte er aufgebracht und wollte gerade losgehen, als Davis ihn am Arm festhielt. „Sag mal spinnst du? Yolei ist unser geringstes Problem. Guck dir das mal an!“ Er deutete offensichtlich auf Hikari und Takeru, die sich prächtig miteinander vertrugen. So als wäre sie gar nicht weg gewesen. „Man, lass ihn doch! Er ist alt genug“, verteidigte er den Blondschopf und befreite sich schwungvoll aus Davis Griff, um nach Yolei zu suchen. Davis war einfach hochgradig dramatisch. Das konnte Ken wirklich nicht nachvollziehen. Der Schwarzhaarige drückte sich an den Massen vorbei und bahnte sich einen Weg nach draußen. Es konnte doch nicht sein, dass Davis sich unbedingt in Takerus Leben einmischen wollte…wenn er Kari eine zweite Chance in Sachen Liebe geben wollte, warum auch nicht? Zumal sie gar nichts von seinen Gefühlen wusste. Davis war einfach nur anstrengend. Er hoffte, dass… Ken blieb wie angewurzelt stehen, als er plötzlich zwei Personen erkannte. Sein Herz zerbrach augenblicklich in tausend Einzelteile und seine Kinnlade klappte nach unten. Das konnte nicht wahr sein. Nein. Das durfte nicht wahr sein. Vor ihm standen tatsächlich Yolei und Izzy, die Zärtlichkeiten miteinander austauschten. Er presste seine Lippen aufeinander und schluckte den aufkommenden Schmerz hinunter. Es gab also doch jemanden in ihrem Leben. Jemanden mit dem er nicht gerechnet hatte. Ken stellte sich etwas weiter abseits und versuchte irgendwelche Anzeichen zu erkennen, doch nichts deutete darauf hin. Wann war das nur passiert? Er starrte immer noch ungläubig zu den beiden, die ihn noch nicht bemerkt hatten. Sie vergrub ihre Finger in seinen rötlich-schimmerten Haaren und küsste ihn zärtlich auf die Lippen. Der Kuss intensivierte sich schnell und beide verschwanden daraufhin in der Dunkelheit der Nacht. Es war bereits zehn vor zwölf. Doch Zeit spielte in Kens Leben keine Rolle mehr. Er hatte sie verloren. Jetzt war es klar. Sie hatte sich für jemand anderen entschieden, der sich nicht scheute ihr seine Gefühle zu zeigen. Hätte er bloß nicht auf Davis gehört. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Niedergeschlagen kehrte er zu seinem besten Freund zurück, der sich mittlerweile als Wachhündchen zu TK und Kari gesellt hatte. Takeru war der Erste, der ihn sorgenvoll musterte. Wahrscheinlich stand ihm der Schock ins Gesicht geschrieben. „Stimmt was nicht?“ „Ähm…nein. Ich…ich bin nur müde“, log er und gähnte gestellt. TK schaute ihn skeptisch an, sagte jedoch nichts Weiteres zu ihm. Er hatte wohl erkannt, dass er nicht darüber reden wollte. Und auch, wenn sich Yolei für jemand anderen entschieden hatte, wollte ihre Beziehung nicht gleich „zwangsouten“. Er musste selbst erstmal damit zurechtkommen. Vielleicht konnte er sie ja jetzt endlich gehen lassen. 02. Juni 2010. Hamamatsu, Japan. Musikfestival. Es war kurz nach zwölf. Raketen schossen nach oben und verwandelten den dunkeln Nachthimmel in ein farbenfrohes Paradise. Es ertönte Musik und freudige Menschen schlendern auch noch nach Mitternacht munter durch die Straßen. Joe war einer von ihnen. Gemeinsam mit den beiden Studenten Richard und Maggie zog er noch durch die Straßen. Auch Asuka begleitete die kleine Gruppe. Die anderen waren bereits im Hostel verschwunden. Aber welcher Rentner feierte auch noch gern in die Nacht hinein. Diese Zeiten waren wohl vorbei. Für Joe fingen sie jetzt erst richtig an. Es war das erste Mal seit Ewigkeiten, dass er sich mal fallen lassen und Spaß haben konnte. Er fühlte sich frei. Die beiden Studenten unterhielten sich munter, als Asuka neben ihn trat und ihn zufrieden anlächelte. „Du siehst so glücklich aus“, bemerkte sie freudig und verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken. „Das bin ich auch“, gestand er und schaute wieder zum Nachthimmel. „Ich bin froh, dass ich hier bin“. „Hast du dich denn schon entschieden, was du danach machen möchtest?“ Er seufzte leise und schüttelte kaum merklich mit dem Kopf. „Noch nicht. Aber je länger ich nachdenke, desto mehr merke ich, dass Medizin eigentlich nicht mein Ding ist!“ Asuka nickte verständlich und steuerte auf eine Bank zu. Richard und Maggie gingen schon weiter, während sich die beiden wortlos hinsetzen. Es dauerte einen Moment bis sie erneut das Wort ergriff. „Weißt du denn, was dein Ding ist?“ Er überlegte kurz, doch es schien ihm nichts Sinnvolles einzufallen. Er könnte auch Wirtschaftswissenschaften studieren, doch er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, irgendwann mit Tai zusammen zu arbeiten. Er war auch nicht musikalisch begab wie Matt oder so unfassbar neugierig wie Izzy. Eigentlich stand es sein ganzes Leben lang fest, dass er einmal Arzt werden würde. „Ich glaube, ich bin unbegabt“, lachte er und rückte sich seine Brille zurecht. „Ach komm, jeder kann doch etwas. Was ist deine herausragende Eigenschaft?“ „Ich bin immer zuverlässig“, antwortete er unsicher und fragte sich ob es bereits das einzige war, was ihn auszeichnete. „Und weiter? Da muss es doch noch mehr geben“, bohrte sie hartnäckig und krallte sich an seinem Arm fest. Sie schüttelte ihn etwas, so als ob sie hoffte, dass ihm dadurch etwas einfallen würde. Doch nichts geschah. Die Einfälle blieben aus. Zurück blieb ein deprimierter Joe, der kein Wort mehr herausbrachte, sondern nur angestrengt nachdachte. Es musste doch etwas geben…es konnte doch nicht sein, dass all seine Freunde etwas gefunden hatten, dass sie gut konnten – nur er nicht? Das war ganz und gar unmöglich. Dann holte es ihn ein. Wie sollte er wissen, was ihm gefiel, wenn er all die Jahre nach dem Willen seines Vaters lebte? War doch klar, dass es seiner Autonomie nicht gut tun würde. Wahrscheinlich hatte er vor Neuerungen deshalb so große Ängste. Und jetzt saß er hier. In Hamamatsu. Vollkommen planlos. Do you have a light, can you make me feel alright There's plenty of light to go around Joe spitzte die Ohren und schaute sich um. Er mochte den Text des Songs, auch wenn er ihn zum ersten Mal hörte. Viele Bands spielten auf dem Festival. Viele Bands, die kaum einer kannte. Aber trotzdem gaben sie nicht auf. Sie stellten sich auf die Bühnen und sangen über ihren Schmerz. Er wollte auch so mutig sein, und einfach etwas Neues probieren. Vielleicht setzte er sich nach seiner Rückkehr einfach in verschiedene Vorlesungen und lauschte neuen Möglichkeiten, an die er noch nicht gedacht hatte. Jeder würde seinen Weg finden, wenn er sich auf die Suche begab. Er hatte einfach nur noch nie selbst gesucht. Daher wurde es Zeit, dies zu ändern. If you think it's right when you hit me to the ground Well light me up when I'm down Möglicherweise würde er mit seiner Entscheidung, das Studium aufzugeben, seinem Vater das Herz brechen, aber es ging um seine Zukunft. Sein Vater wollte Arzt werden. Er eben nicht. Und es gab immer mehrere Optionen. Er drehte sich zu Asuka, die ihn erwartungsvoll anschaute. Stimmt, sie hatte ihn gefragt, was ihn noch auszeichnete… „Ich glaube, ich bin auf dem besten Weg es herauszufinden“, sagte er, schnappte sich ihre Hand und zog sie mit sich. Er hatte sie einfach weggezogen. Mitten im Gespräch. Wie unhöflich konnte man nur sein? Tai hatte einfach ihr Handgelenk gepackt und sie zur Seite gezogen, gerade als er mit ihr das gemeinsame Date besprechen wollte. Sie hatte Soras Miene nicht bemerkt. Wie traurig sie wurde. Taichi hingegen fiel es sofort auf. Und auf Worte mussten immer noch Taten folgen. Daher beschloss er Mimi ins Gewissen zu reden. „Du hast ein Date mit Matt?“, fragte er ruppig nachdem er sie wieder losgelassen hatte. „Na und? Was interessiert es dich? Er hat mich nach seinem Auftritt…“. „Sag das ab!“, forderte der Brünette harsch und sah ihr direkt in die Augen. „Wieso? Du hast mir rein gar nicht zu sagen“, zickte sie zurück und stemmte ganz Mimi-typisch die Arme in die Hüpfte. „Sag ES ab! Bitte“, forderte er noch eindringlicher als zuvor. „Warum? Er ist wirklich nett zu mir und malt mich im Gegensatz zu gewissen anderen nicht mit einem Textmarker an“, giftete sie und zog provokant die Augenbraue nach oben. „Ach und diese Aktion war selbst für dich zu kindisch“. Sie wollte gerade kehrt machen, als Tai sie ruckartig zu sich zog und sich ihre Gesichter auf einmal sehr nah kamen. Ihr Herz begann heftig gegen ihre Brust zu pochen und ihr wurde plötzlich sehr heiß. Was wollte er mit dem ganzen bezwecken? War er etwa? „Sag mal bist du eifersüchtig?“ Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)