Grimmige Märchen von Inzestprodukt (Ein Märchen-Crossover) ================================================================================ Kapitel 2: Uri-Punzel --------------------- Es hatte gefühlte Stunden gedauert, ehe Michaels höhnisches Gelächter verklungen war und Raphael hatte in dieser Zeit insgesamt sieben Mal den Wunsch unterdrückt, den Rothaarigen an Ort und Stelle zum Schweigen zu bringen – von Gewalt über sexuelle Übergriffe bis hin zu Mord war jede Situation gedanklich weit ausgeschmückt worden. Tatsächlich hatte sich der Kleinere dann nur noch ein paar Minuten herzlichst amüsiert, ehe er wieder die Kurve bekam und in seinen täglichen Trotzanfall verfiel, weil die Situation ihm einfach nicht schmeckte; ihr Weg war ziemlich eindeutig und das regte ihn nur noch mehr auf, da kaum Platz für Spekulationen blieb. „Ich renn jetzt nicht von Märchen zu Märchen, ne.“ „Ich hab auch keine Lust aber was bleibt uns übrig?“ „Ist das überhaupt logisch?!“ Genervt trat er nach einem plüschigen Nager, der sich ihnen mit großen Augen in den Weg gestellt hatte und sowas wie ein Lächeln vermuten ließ – weg mit dem scheiß Viehzeugs! Raphael sah der beachtlichen Flugkurve des erschrocken quietschenden Tieres nach, dann strich er sich einmal durch die Haare und zuckte die Schultern. „Mit etwas Glück hast du dir nur mal wieder den Kopf gestoßen und träumst. Dann mache ich mir aber ernsthafte Sorgen um deine unterdrückten, sexuellen Wünsche, wenn sie dir ein Kleid andrehen wollen.“ „Du im Nachthemd warst auch nicht gerade eine Offenbarung.“ Ein freches Grinsen zuckte über Michaels Gesicht, doch dieses Mal richtete er seine Aufmerksamkeit nicht auf den Hohn – dazu hatte er noch genug Zeit. Raphael nahm es inzwischen gelassen, denn wenn schon an aller Logik gezweifelt wurde: Er hatte wieder vollkommen normale Kleidung an, seit sie Rotkäppchens Wald verlassen hatten. Insofern man diese engen Hosen und geschmacklosen Schuhe normal bezeichnen konnte. „Wehe, jemand rennt um die Ecke und singt mir die Ohren zu“, knurrte er bedrohlich neben dem Heiler, der genau das eigentlich sehnlichst herbeiwünschte; etwas mehr Spannung und eine schrecklich sichere Konstante würden zwar ein brennendes Nagetier als Opfer nehmen aber damit würde er sich sicherer fühlen. Bisher stand ein Großteil des Waldes noch und das war eigentlich ein Grund zur Sorge. Abgesehen von dem ganzen Mist hier natürlich. „Du verwechselst das Ganze hier mit Disney.“ „Mir scheiß egal ich will nach Hause! Und wo zu seiner Selbst willen ist Luzifer eigentlich abgeblieben?!“ Das war Raphael streng genommen auch egal, sollte der Teufel sich doch zum Herrscher des Märchenbuchs erheben, sie hatten ganz andere Sorgen. „Was ist das für ein hässlicher Turm?“ Michael stemmte die Hände in die Hüften – eine furchtbar zickige Pose, wie Raphael fand aber daran hatte er sich ja gewöhnt – und starrte das Gebilde nicht minder hasserfüllt an, als er sich gerade offensichtlich dem Ganzen hier gegenüber zu fühlen schien. „Du kennst die Pornoversion, oder? Worum geht’s?“ „Wieso sollte ich…?“ „Weil du von allem – egal, was – die Pornoversion kennst. Lüg mich nicht an! Worum geht’s jetzt? Ich hab kein Bock mehr.“ „Sieht wie Rapunzel aus… ich weiß aber nicht mehr, worum es ging. Lange Haare und irgendeine Hecke oder so.“ „Gings um Äpfel?“ „Ehm… nein.“ Glaubte Raphael zumindest, so wirklich interessiert hatte er sich nie für den ganzen Mist. Zu ihrer Zeit der damaligen zeit – also der non-digitalen – hatte es bereits andere Mittel und Wege gegeben, die ihnen die Erotikbranche lieferte. Der Himmel war schließlich Gottes größter Sündenpfuhl und Raphael der strebsamste Kunde. „Irgendeine Ziege sitzt da oben und man kann an den Haaren hochklettern.“ Michael, seines Zeichens ungläubiger Streithahn, zog eine Augenbraue nach oben und überquerte die geräumige Wiese, um dann den Turm einmal zu umrunden und den Stein abzuklopfen. Dann richtete er den Blick nach oben, ließ den Nacken einmal kurz knacken und spannte schließlich die Flügel – klettern, war er ein Affe im Zoo? Mit ein paar kräftigen Schlägen landete er oben am Fenster, zog seine Schwingen zurück und schlüpfte hinein, dicht gefolgt vom blonden Schoßhündchen, der sich misstrauisch die Wange kratzte; jedes nächtliche Gewand würde seinen Händen zum Opfer fallen – zur Not wickelte er Mika-Chan darin ein und vertraute auf dessen zuverlässig kurze Zündschnur. „Hatte das Weib im Turm eine Sense?“ „Nicht, dass ich wüsste. Klingt auch ziemlich unlogisch für ein Kindermärchen, oder?“ „Aber dich von Luzifer fressen lassen ist viel besser oder was? Was hättest du gemacht, wenn der zu dir ins Bett geklettert wäre?“ „Ich glaube nicht, dass er das getan hätte…“ „Wieso ich mach es doch auch. Aber kann ja nicht jeder mein mangelndes Selbstwertgefühl besitzen.“ „Was soll DAS denn heißen?!“ Ein Räuspern, als sich aus der Ecke ein erschreckend großer Schatten löste und schließlich Uriel preisgab, der ungewohnt genervt mit dem Fuß wippte. „Habt ihrs bald? Ich musste auf euch warten, irgendwer hat mich in dieses Ding gestopft.“ Raphael wirkte nicht weniger überrascht als der Rothaarige neben ihm, der sich eigentlich gerade auf einen kleinen Streit eingestellt hatte und sich dessen nun durch den unerwartet aufgetauchten Erdengel betrogen fühlte; dabei hatte er so schöne Argumente, um Raphaels Weltbild durch den Kakao zu ziehen! „Warum bist du nicht einfach rausgeflogen?“ Und jetzt ignorierte der ihn auch noch für den Erdengel! „Bin ich, dann war das Ding aber wieder da. Die Geschichte muss erzählt werden oder sowas in der Art. Wobei es so viele verschiedene Varianten gibt, dass ich mir des Ausgangs nicht wirklich bewusst bin. Der Turm muss auf jeden Fall weg.“ Das schien zumindest den Blonden zu entspannen; er hatte zwar noch immer keine Zigaretten, doch wenn es um die Beseitigung eines Mobiliars ging, hatte er seinen persönlichen, laufenden Werkzeugkasten dabei. „Verpiss dich mal von da.“ Mit der Laune eines geärgerten Krokodils, das aus den Tiefen seines Seins eine Art Verwandtschaft zu den feuerspeienden Kollegen vermutete und nun ungeniert das Bett du einen Schrank in Brand setzte. Uriel nickte geringfügig anerkennend und folgte dann Raphael aus dem Fenster hinaus, während der Kleinste endlich ein Ventil für seine schlechte Laune gefunden hatte und Rapunzels Märchenturm zu einem Haufen trostloser Steine verwandelte. Müsste Raphael dies benoten, würde er nun gerne ein Schild heben und mit einer glatten zehn beschriften, doch das würde Michael nur noch weiter anstacheln und so wie der gerade drauf war hoffte der Blonde, dass ihre nächste Station diverse Aufreger ausließ: Zucker war ein ganz schlechtes Thema, Wasser sowieso und eine neue Begegnung mit Luzifer würde dem Ganzen noch das Sahnehäubchen verpassen. Nun… hoffentlich gab es all diese Dinge irgendwo auf einmal, das würde Michael irgendwann müde machen und er könnte schlafen. „Du kommst also mit uns, ja?“, fragte Raphael deswegen die rauchende Todesmaschinerie knapp hinter ihnen ignorierend direkt den Größten, der noch immer ungewohnt genervt aussah. „Scheint so. Habt ihr schon was hinter euch?“ „Ja, Mika-Chan hat sich geweigert, ein Kleid anzuziehen.“ „Dafür hatte Raphael ein Nachthemd an.“ Ein genervter Blick von genau diesem an den Rothaarigen, der nun aufgeschlossen hatte und spöttisch grinste. „Es sah scheiße aus.“ Uriel überlegte sich gerade dazwischen zu gehen und als Puffer zu dienen, damit sich die anderen beiden nicht die ganze Zeit gegenseitig schubsten, doch dann wurde aus dem leichten Stoß des Heilers eine Kurzschlussreaktion Michaels, der sich mit einem schnellen Dreher mit Vollkontakt auf den Blonden schmiss und ihn somit von den Füßen holte – einzige Reaktion aka lebensverlängernde Maßnahme von genau diesem war, sich an den langen Haaren des Größten festzuhalten, der daraufhin erschrocken aufschrie und somit immerhin ein kurzweiliges Gefühl davon vermittelt bekam, wie sich die Rolle der Rapunzel angefühlt hätte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)