Raritäten von Ur (rare-pair Oneshots) ================================================================================ Kapitel 3: Zufluchtsangebot --------------------------- Für Janne ♥ _____________________ Ginny hatte es nur selten in ihrem Leben als vorteilhaft empfunden mit sechs Brüdern aufgewachsen zu sein. Es konnte witzig sein, ja. Sie hatte einiges gelernt und fühlte sich oftmals wie eine Überlebenskünstlerin – einfach nur wegen ihrer familiären Umstände. Aber meistens war es einfach zu viel des Guten. Sie konnte all die dämlichen Sprüche darüber, dass sie ein Mädchen war und deswegen bestimmte Dinge nicht tun oder tun konnte, nicht mehr hören. Sie hatte nie mit den anderen Quidditch trainieren dürfen. Sie hatte nie Percy und Ron beim Schach zuschauen dürfen, weil sie »störte« und »sowieso keine Ahnung hatte, wie das Spiel funktionierte«. Charlie und Bill waren diejenigen gewesen, sie ihr all diese dummen Sachen am wenigsten um die Ohren gehauen hatten, weswegen sie mit ihren ältesten Brüdern am besten auskam. Aber die beiden waren schon ewig aus dem Haus und vor allem Fred und George stichelten gern bei jeder Gelegenheit gegen sie. Sie hatte sich über die Jahre hinweg ein dickes Fell angefressen, heimlich Quidditch trainiert und einige sehr nützliche Flüche in der Abgeschiedenheit ihres Zimmers geübt, damit sie sich gegen ihre älteren Brüder wehren konnte, wenn diese ihr wieder einmal zu viel wurden. Mit fünfzehn konnte sie voller Stolz von sich behaupten, dass sie sich Freds und Georges Respekt erarbeitet hatte und lediglich Ron, der das Konzept vom Mädchensein offenbar immer noch merkwürdig, kompliziert und vollkommen unverständlich fand, ging Ginny häufiger auf den Zeiger. Ron hatte noch nicht so richtig verstanden, dass Mädchen auch Menschen waren. Aber Ginny würde einen Teufel tun und sich mit Rons Holzköpfigkeit weiter herum schlagen. Das konnte Hermine übernehmen. An diesem denkwürdigen Tag in ihrem fünften Schuljahr, als Ron seine Schwester mit Dean beim Knutschen erwischt hatte, hatte Ginny vollends bestätigt, dass ihr jüngster Bruder ein Hornochse war, mit einem Gehirn so groß wie eine Fledermausmilz. Trotzdem konnte sie nicht so tun, als hätten seine Worte sie nicht verletzt. Ginny hatte nicht übel Lust gehabt Ron von oben bis unten durch zu hexen und sie wusste mit großer Sicherheit, dass ihr Bruder in einem Duell gegen sie keine Chance gehabt hätte. Sie hatte hart für alles gearbeitet, was sie erreicht hatte. Ron war einfach nur ein Junge. Ha! »Du siehst sehr wütend aus«, kommentierte Luna Ginnys grimmige Miene als sie sich mehrere Wochen nach dem Vorfall an Rons scheußliche Worte erinnerte, während sie ihre Schulsachen in die Tasche packte und drauf und dran war das Klassenzimmer für Zauberkunst zu verlassen. Lunas große, lampenartige Augen musterten Ginny aufmerksam. Sie seufzte leise und warf sich ihre Schultasche über die Schulter. »Ich hab an Ron gedacht«, gab sie zu und strich sich ein paar Strähnen ihres feuerroten Haares aus dem Gesicht. Auch dafür hatten ein paar Jungs aus ihrem Jahrgang sie früher ausgelacht. Bis Ginny mit zwölf den Beinklammerfluch gelernt hatte. Dann hatten sie damit aufgehört. »Ron ist lustig. Und ziemlich grob«, meinte Luna mit einem nachdenklichen Nicken, als würde sie in ihrem Kopf all ihre Begegnungen mit Ron durchgehen und still bewerten. Ginny schnaubte freudlos. »Lustig ist er nur, wenn er nicht dein Bruder ist«, antwortete sie ungehalten und steuerte Seite an Seite mit Luna auf die Tür zu. »Das kann ich mir vorstellen. Ich wollte immer gern Geschwister, aber meine Mutter und Daddy hatten nicht genug Zeit für noch ein Kind, nehme ich an. Mit all ihren wichtigen Forschungen und Experimenten«, erklärte Luna verträumt. »Willst du später Kinder?«, erkundigte sich Ginny bei Luna, um das Thema zu wechseln, da sie keine Lust hatte, weiter über Ron nachzudenken. »Ja, ich denke schon«, sinnierte Luna während sie ihre Augen gen Decke richtete und nachdenklich an einem ihrer Radieschenohrringe herumspielte. Ginny mochte diese Ohrringe. Sie passten hervorragend zu Luna. »Vielleicht nicht sieben. Aber ich denke zwei oder drei wären schon in Ordnung«, fuhr sie fort und lächelte Ginny verschwommen an. »Wie ist es mit dir?« Ginny zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht so recht. Vielleicht. Ich will jedenfalls nicht so wie Mum direkt damit anfangen, wenn ich aus der Schule raus bin, weißt du? Ich will noch andere Dinge tun. Quidditch spielen, auf Konzerte gehen, die Welt sehen.« »Ja, das fände ich auch schön. Es gibt so viele spannende Kreaturen zu erforschen. Daddy und ich wollen nach meinem Abschluss auf jeden Fall nach ein paar Schlubbrigen Summlingern suchen gehen und wenn wir schon mal unterwegs sind, können wir ja vielleicht auch den ein oder anderen Schrumpfhörnigen Schnarchkackler beobachten.« Ginny gluckste leise und spürte, wie ihre Wut langsam verebbte. Luna hatte oftmals diese Wirkung auf sie. Sie brachte Ginny zum Lachen und beruhigte sie, wenn sie sich über irgendetwas – meistens irgendwelche dummen Jungs – geärgert hatte. Während sie gemeinsam mit Luna hinunter zu ihrer nächsten Stunde in Pflege magischer Geschöpfe bummelte, kamen ihr Dean und Seamus auf dem Gang entgegen. Ginny seufzte, als Dean den Kopf abwandte und sie sah, wie Seamus ihm mitleidig auf die Schulter klopfte. Luna musterte Ginny aufmerksam von der Seite. »Ich bin sicher, dass Dean sich wieder beruhigen wird«, murmelte Luna und Ginny verzog das Gesicht. »Ich will gar nicht, dass er sich beruhigt. Er hat sich benommen wie ein Hornochse. Ich glaub ich brauch dringend Urlaub von Jungs. Erst Michael, der ein grottenschlechter Verlierer ist, dann Dean, der es witzig findet, wenn jemand einen Klatscher gegen den Kopf kriegt… Ich sollte mein Glück endlich mal mit einem Mädchen versuchen.« Ginny atmete zufrieden die frische Luft ein, die ihnen entgegen schlug, als sie aus der Eingangshalle ins Freie traten und den Hang hinunter zu Hagrids Hütte liefen. Ginny mochte Pflege magischer Geschöpfe und war damit vermutlich eine Ausnahme. Aber abgesehen davon, dass sie Hagrid mochte und gern an der frischen Luft war, hatte sie nichts gegen gefährliche Situationen und Herausforderungen und fand magische Geschöpfe spannend. Vielleicht hatten Charlies Schwärmereien von früher sich ausgezahlt. »Mir gefallen Mädchen besser als Jungs, glaube ich«, überlegte Luna laut und wurde im Vorbeigehen von ein paar Gryffindor-Siebtklässlern angestarrt, als hätte sie verkündet, dass sie mit einem Besen zum Mars geflogen war. Ginny blickte ihnen finster nach und wandte sich dann wieder Luna zu. »Also, Jungs als Freunde sind ok«, fuhr Luna fort und nickte nachdrücklich, was Ginny zum Lächeln brachte, »aber ich glaube, wenn ich mal irgendwann jemanden küsse, dann lieber ein Mädchen.« »Und ich muss meine Ferien mit mindestens drei Jungs in einem Haus verbringen«, stöhnte Ginny und ließ ihre Schultasche ins Gras sinken, nachdem sie Hagrids Hütte erreicht hatte. »Ich hab diesen Sommer besonders wenig Lust auf Ron.« Luna tätschelte ihr die Schulter. »Wenn du willst, kannst du mich besuchen kommen. Da gibt es keine Jungs. Nur mich und Daddy, aber der ist ohnehin mit der Redaktion und seinen Forschungen beschäftigt«, bot Luna ihr an und Ginny konnte nicht umhin sehr breit und zufrieden zu grinsen. »Das wäre super«, gab Ginny zurück und freute sich, als sich auf Luna Gesicht ein Strahlen und ein leichter Rotton auf ihren Wangen ausbreitete. Ginny hatte nicht übel Lust in diesem Moment Lunas Hand zu nehmen, aber so wie es aussah, würden sie dafür in den Ferien noch genug Zeit haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)