Lust'n'Needs von Anemia ================================================================================ Kapitel 50: First Time Memories ------------------------------- First Time Memories     Die Frage, ob es denn Liebe auf den ersten Blick gibt, ist unter den meisten Menschen noch immer ungeklärt. Einige behaupten, sie existiere tatsächlich, hätten sie diese doch selbst getroffen, andere wiederum vertraten die Meinung, dass wahre, starke Gefühle Zeit benötigten, um zu voller Größe heranzureifen. Auch Cari hatte keine feste Meinung zu dem Thema. Eines allerdings konnte er mit Sicherheit sagen: Falls die Liebe auf den ersten Blick nicht real war, dann aber allenfalls das Hingezogenheitsgefühl zu einem anderen Menschen, das einen innerhalb einer Sekunde überwältigen konnte. Denn das, das hatte er am eigenen Leib erfahren dürfen.   Alles hatte mit dem Traum begonnen, aus seiner kleinen Schülerband ein ernsthaftes Projekt entstehen zu lassen. Rikki hatte seine Leidenschaft mit ihm geteilt, allerdings nicht ihr ehemaliger Sänger, der andere Pläne und gegensätzliche Vorstellungen von seiner Zukunft gehegt hatte. So also hatten sich ihre Wege getrennt, und sie standen als zwei Mann starke Truppe dar, was natürlich ein zu kleiner Kreis war, um eine Rockband ins Leben zu rufen, die sich an den coolen Glam Metal anlehnte, der in den 80s große Erfolge gefeiert hatte. Ohne einen Sänger wäre aber selbst in einer Boyband nichts gelaufen, in welcher die Mitglieder nur gut auszusehen hatten und die Fähigkeit besitzen sollten, ihren Arsch im Takt der Musik zu schwingen. Also musste ein Ersatz für ihren Aussteiger her, und Rikki hatte sofort erkannt, dass sich die Suche nach einem solchen als nicht gerade leicht herausstellen würden, kannten sie doch niemanden, der den Posten in ihrer Mitte hätte einnehmen wollen. Doch Cari hielt an seinen Träumen fest, gab nicht schon nach ein paar Konzertbesuchen auf, bei denen sie vergeblich potenziell geeignete Kandidaten inmitten der Zuschauermengen angesprochen hatten. Kein einziges Nein ließ ihn resigniert sein Vorhaben fallen lassen. Denn tief in sich drin wusste er, dass sie den Richtigen finden würden. Und er sollte Recht behalten.   Meist glückte eine Suche erst dann, wenn man gar nicht mit Erfolg rechnete. So auch an jenem Tag, an dem Rikki und Cari auf den Gig einer örtlichen Band ging, deren Namen sie noch nie gehört hatten. Allenfalls das Promofoto wirkte vielversprechend, wie Rikki seinem Kumpel mitgeteilt hatte, und Cari wäre der Letzte gewesen, der zu solch einem Event Nein gesagt hätte. Schließlich liebte er es bereits mit seinem zarten Alter von sechzehn Jahren, zu feiern und heimlich mal ein Bier zu kippen, wenn keine Erwachsenen anwesend waren. Zudem war die Musik schon seit er denken konnte sein Leben gewesen, und was gab es besseres, als diese Leidenschaft so oft wie möglich mit Gleichgesinnten zu teilen? An diesem Abend hegte er keine Absichten. Er wollte lediglich Spaß haben, den Beat des Schlagzeugs fühlen, die Intensität des Basses und vielleicht hier und da ein paar hübsche Mädchen anbaggern, die sich als Groupies der spielenden Band zwischen die Fans gemengt hatten. Doch es sollte alles anders kommen. Es sollte Groupies geben, doch keine weiblichen. Der einzige weit und breit sollte männlich sein, blonde Haare besitzen und auf den Namen Cari hören.   Die beiden Freunde hatten sich einen Platz recht weit vorn an der Bühne gesichert, um eine gute Sicht auf das Geschehen auf den Brettern zu haben. Als die Scheinwerfer ausgingen und man die Bandmitglieder nach und nach die Bühne betreten sah, allerdings nur schemenhaft, nippte Cari gerade noch recht erwartungslos an seinem Mixgetränk, doch als der Sänger schließlich in das Licht trat und sich lachend hinter seinem Mikro positionierte, ganz vorne, fast direkt vor Cari, da verschluckte Letzterer sich so heftig, dass Rikki ihm Zu Hilfe kommen musste. Doch trotz seines Anfalls und den tränenden Augen schaffte er es nicht, die Blicke von der Person zu wenden, die das erste Lied anstimmte und mit Leidenschaft über die Bretter fegte, so, als wäre sie bereits seit Jahren im Geschäft und kein Anfänger. Er wusste nicht so recht, was es war, das seine Aufmerksamkeit gefangen nahm, er wusste lediglich, dass sein Herz heftig zu klopfen begonnen hatte und er das pure Glück in seinem Körper rauschen spürte, wann immer der blonde Sänger besonders heftig die Sau heraus ließ, die Augen schloss und nur noch die Musik zu spüren schien. Daran konnte Cari ableiten, dass sie auf einer Wellenlänge liegen mussten, dass sie ähnliches zu fühlen schienen, was die Klänge dieser wundervollen Musik anbelangte. Doch er hätte sich selbst belogen, hätte er gemeint, dass dies den Hauptgrund dafür dargestellt hätte, den Wirbelwind in ihre Band aufnehmen zu wollen. Tief in seinem Innersten wusste Cari schon nach ein paar Minuten, dass er diesen Jungen dort bei sich haben wollte, jeden Tag, um ihn anschauen zu können mit schmachtenden Blicken und sehnsüchtigen Gedanken. Das, was er empfand, war keine Liebe, aber es kam dieser sehr nahe. Zwischen ihnen schien sich eine schier magnetische Anziehungskraft aufgebaut zu haben, die nicht nur Cari spürte, wie dieser später feststellen sollte.   Cari hatte Rikki davon berichtet, dass dieser Kerl da wie gemacht für ihre Band war, dass sie ihn für sich gewinnen mussten, immer mit der leichten Angst, der Bassist hätte seine strahlenden Augen sehen oder seine brodelnde Leidenschaft aus seinen Worten heraushören können. Denn für ihn zählte nur noch eines: Den Sänger in ihre Band zu holen, koste es, was es wolle. Und wenn sie den restlichen Mitgliedern dafür Geld geben mussten. Im Nachhinein war Cari sich sicher, dass er alles dafür getan hätte, um ihre Band um dieses eine Mitglied zu erweitern. Um den Jungen mit den blonden Haaren, der ihn gefesselt hatte wie es kein Mädchen jemals zuvor gekonnt hatte.   Er hieß Jamie. Jamie Anderson, und er reichte Cari gar mit einem freundlichen Lächeln die Hand, als sie ihn nach der Show abfingen und unverhohlen ansprachen. "Wir haben eine Band, und wir wollen, dass du unser Sänger wirst", war es Cari sofort herausgeplatzt, woraufhin Jamie zunächst nur vor Überraschung große Augen gemacht hatte. "Aber ich spiele doch schon in einer Band", hatte er verwirrt erklärt, und Cari hatte ihn daraufhin mit solch einem flehenden, verzweifelten Blick in die Augen geschaut, dass Jamie plötzlich das spüren konnte, was auch in Cari vor sich ging. Mit einem Mal wusste er, dass dieser Junge, der da vor ihm stand, einfach nur wunderschön war mit seinem kindlichen Gesicht und den blonden, wuscheligen Haaren. Dessen graue Augen waren mit schwarzem Kajal umrandet, was sie noch eindringlicher wirken ließ, und prompt griff es mit solch einer überwältigenden Intensität nach Jamie, dass er nichts mehr lieber wollte, als diesem Jungen, den er überhaupt nicht kannte, nah zu sein, ganz nah, den Klang seiner Stimme hören wollte, sein Gesicht sehen, wie er lachte und wie er seinen Namen aussprach. Auch Jamie wusste nicht, wie das Wort lauten mochte für das, was er in diesem Moment empfand. Er wusste nur, dass er Cari nie wieder gehen lassen wollte. Dass er zu ihm gehörte. Dass er ihr Sänger war.   Erst ein paar Tage nach diesem Erlebnis feierten sie Jamies Einstand in einer Kneipe für Jugendliche, in welcher selbstverständlich - und zum Leidwesen von Cari - kein Alkohol ausgeschenkt wurde. Als Jamie ihm mit einem verlegenen Lächeln mitteilte, dass auch er gern hin und wieder einen kippte und dazu auch noch Caris liebstes Biermixgetränk bevorzugte, hatten sie sich mit funkelnden Augen angesehen, sekundenlang, so lange, bis Rikki sie unterbrochen hatte, weil er auf Jamie anstoßen wollte. Auf Jamie und ihre gemeinsame Band. Doch schon nach ein paar Schlucken von dieser bittersüßen Cola war der quirlige Sänger aufgesprungen, hatte seinen neuen Freunden den Rücken zugewandt und war auf ein paar Mädchen zugegangen, die an der Bar standen und sich kichernd unterhielten. Cari hatte ihm dabei mit einem holen, dumpfen Gefühl in der Magengegend zugesehen, war aber selbstverständlich nicht eingeschritten. Schließlich stand es ihm nicht zu, irgendwelche Besitzansprüche gegenüber Jamie zu hegen. Sie waren nur Freunde, und das war in der Tat auch das, was Cari von Jamie wollte. Seine Freundschaft, aber auch seine Nähe. Und er hasste es von ganzem Herzen, dass Jamie drauf und dran war, eben diese diesem blonden Mädchen zu schenken, das ihn mit genau denselben Augen anschaute wie Cari es den ganzen Abend über getan hatte. Wahrscheinlich war, dass Jamie es bei ihm jedoch nicht bemerkt hatte, einfach, weil er sich nicht für Jungs interessierte. Und das, obwohl Cari davon überzeugt gewesen war, dass auch in Jamies Blick eine tiefe Sehnsucht gelegen hatte, als sie eine Gemeinsamkeit festgestellt hatten. Womöglich hatte er es sich aber nur eingebildet. Er versuchte sich damit abzufinden, und er hatte es beinahe geschafft, als er später die Toilette aufsuchte, um sich ein wenig frisch zu machen. Doch bereits im Türrahmen blieb er wie angewurzelt stehen und starrte auf die Person, die vor ihm auf die Idee gekommen war, nach ihrem Make up zu schauen. Vor dem Spiegel stand Jamie und zog sich gerade hochkonzentriert seinen Lidstrich nach. Trotzdem hatte er Notiz von Cari genommen, der nach einem wie immer freundlichen Blick von Jamie endlich den Toilettenvorraum betrat und trotz aufgewühlter Unruhe im Bauch versuchte so zu tun, als wäre nichts. In seiner gespielten Normalität gesellte er sich zu ihm, blickte in den Spiegel, doch seine Augen wanderten ständig zu dem Abbild seines Nebenmannes, bis sie schließlich an einem Lippenstiftabdruck auf dessen Wange haften blieben.   "Du hast da was", machte er seinen Bandkollegen auf den roten Fleck aufmerksam und sofort reckte Jamie ein wenig seinen hübschen Kopf, um den kleinen Unfall mit einem Lächeln zur Kenntnis zu nehmen. "Der ist von der Blonden", erklärte er versonnen, aber nicht ganz ohne stolz. "Die schien mich ziemlich gut gefunden zu haben." Cari wollte davon eigentlich nichts hören, doch er konnte sich schlecht die Ohren zuhalten. Deswegen ermahnte er sich zu Tapferkeit und setzte ebenfalls ein Lächeln auf. "Rikki hat auch schon mal mit nem Mädel rumgeknutscht...so richtig, mit Zunge und allem Drum und Dran..." Er wendete den Blick in den Spiegel und griff sich in seine Mähne. "Und hinterher hat er gegrinst wie ein verliebter Esel. So ein notgeiler Bock." Doch Jamie schien an dieser Geschichte nicht sonderlich interessiert zu sein. Er fummelte anstelle an seinen Ohrringen herum und zupfte sich dann ein paar Strähnen ins Gesicht, ehe er wie beiläufig fragte: "Und du?" Cari war sich zunächst nicht sicher, was sein Freund meinte. "Was ist mit mir?" Jamie schaute ihn nicht an, hatte nur Augen für sein Spiegelbild. "Na, ob du schon mal geknutscht hast." Nun verstand Cari. Seine Mundwinkel zuckten verheißungsvoll. "Mh, hab ich schon..." Prompt lösten sich Jamies Blicke von der verspiegelten Glasfläche und richteten sich eindringlich auf Cari. Zudem trat er einen Schritt auf den anderen zu, sodass Cari glaubte, das Herz rutschte ihm in die Hose. "Gut, dann weißt du ja, wie das geht." Und im nächsten Moment spürte er die Lippen seines Freundes auf den eigenen, nahm in seiner Ohnmacht wahr, wie er gegen die Fliesen gedrückt und von Jamie regelrecht überfordert wurde, von dessen gierigen Küssen, bis ihm bewusst wurde, was gerade vor sich ging. Erst dann legte er die Hände auf Jamies Wangen und küsste ihn zurück, ehe dieser glauben konnte, dass er es nicht mochte. So verharrten sie eine halbe Ewigkeit, ignorierten die doofen Sprüche der anderen Jungs, die die Toilette aufsuchten und das versunken knutschende Paar mit abschätzigen Blicken musterten, Jamie sogar hin und wieder grob gegen die Schulter stießen, was allerdings weder ihn noch Cari zum Aufhören bewegen konnte. Endlich, endlich waren sie dem anderen nah, zum ersten Mal konnten sie den Jungen spüren, der ihn ihnen Gefühle geweckt hatte, die ihnen keine Ruhe mehr gelassen hatten. Doch auch wenn Cari geglaubt hatte, dass nun alles gut war, dass Jamie solch intimen Momente nur noch mit ihm teilen wollte, so kam es anders. Jamie schien der Kuss zwar ohne Frage genauso viel Spaß gemacht zu haben wie dem Schlagzeuger, aber womöglich hatte er es nur als Spiel betrachtet, als nichts, dem eine Ernsthaftigkeit zugrunde lag. Das war das, was Cari ganz genau wusste, als Jamie ihm ein paar Wochen später etwas offenbarte, das sich für den Drummer anfühlte wie ein Schlag ins Gesicht.   Es mutete nicht verwunderlich an, dass die Mädchen sich für Jamie interessierten, von ihm fasziniert waren, schließlich spielte er in einer Band, besaß Charisma und eine ausgeprägte Rockstarattitüde, obwohl er genau wie Cari gerade mal sechzehn war. Seine Berufung als Frauenheld war somit geradezu vorprogrammiert, und so staunte Cari noch nicht einmal, als Jamie ihm an einem Abend, den sie nur zu zweit bei Cari und mit ein paar Bieren verbrachten, mitteilte, dass er seit ein paar Tagen eine Freundin hatte. Und trotzdem tat es weh, das zu hören, trotzdem fühlte Cari sich, als hätte man ihm einen Teil seiner selbst geraubt. Doch das wollte und konnte er Jamie nicht sagen. Er behielt es einmal mehr tapfer für sich und machte anstelle den Vorschlag, auf Jamies Glück anzustoßen, was dieser auch guthieß, allerdings erst nach einem kurzen Zögern, das Cari nicht entgangen war. "Ist was?", hakte er sofort nach, beinahe fürsorglich, woraufhin Jamie etwas ratlos die Schultern zuckte. "Irgendwie...na, ja, irgendwie hab ich bisschen...Schiss", verriet er seinem Freund daraufhin und musterte konzentriert seine Schuhe. "Chrissie ist schließlich schon achtzehn, und sie hatte schon Sex...im Gegensatz zu mir." Cari war, als würde in ihm etwas aufblühen. Warum, das konnte er sich selbst nicht erklären. Darüber, dass Jamie noch Jungfrau sein könnte, hatte er sich nie Gedanken gemacht. Wahrscheinlich, weil er angenommen hatte, dass der andere bereits sehr früh erste Erfahrungen gesammelt hatte, womöglich schon mit dreizehn oder vierzehn. Dass dem nicht so war, das freute ihn irgendwie.   Vertraulich rückte er näher zu Jamie heran und legte ihm behutsam eine Hand auf das Knie, was der andere gewähren ließ. Sorge sprach dafür aus Jamies Blick, welchen er nun in Caris Gesicht gerichtet hatte. "Du brauchst dir keine Gedanken machen", sprach er seinem Freund gut zu. "Rikki ist auch noch Jungfrau. Und...ich auch. Wir haben doch Zeit..." "Na, aber...", fiel Jamie ihm ins Wort. "Was, wenn sie schon morgen ankommt und mir sagt, dass sie mit mir schlafen möchte?" Angespannt zupfte er an seinem Shirt herum. "Ich hab doch nur Schiss, dass ich mich anstelle wie der letzte Idiot..." "Ach, das wirst du nicht." Cari fasste sich ein Herz und streichelte mit den Fingerknöcheln sanft über die Wange des anderen, was dieser mit gesenktem Blick über sich ergehen ließ. Doch plötzlich schaute er Cari wieder an. "Wenn ich jemanden hätte, mit dem ich das alles ganz unverbindlich ausprobieren könnte...das wäre..." Er hielt inne. Sie blickten sich fest an. Jamie erkannte, was er da gesagt hatte. Und auch Cari hatte verstanden.   Es war eine Mainacht, in der sie sie sich gegenseitig zu Männern gemacht hatten. Cari mochte vielleicht in seiner körperlichen Entwicklung noch nicht so weit wie Jamie sein, wirkte er kleiner, zierlicher und kindlicher, doch trotzdem fühlte es sich für beide einfach natürlicher an, Cari die Rolle des Aktiven zuzuteilen. Genauso natürlich, wie es sich anfühlte, den Körper des jeweils anderen Stück für Stück zu entblößen, die freigewordene Haut mit Küssen zu übersähen und sich sogar an Stellen zu berühren, die besonders bei Teenagerjungs sehr empfindlich waren. Sie zogen sich aus, schmiegten sich aneinander und rieben ihre Körper rhythmisch gegeneinander, bis es ihnen fast kam, nur um in diesem Moment fast erschrocken inne zu halten, denn es war noch immer ein Kerl, der ihnen diese wahnsinnig schönen Gefühle entlockte, dem sie beinahe ihren Höhepunkt geschenkt hätten. Doch auf der anderen Seite wollten sie nichts lieber, als sich fallen zu lassen, in der Gewissheit, dass sie ihr erstes Mal miteinander erlebten und nicht mit irgendwelchen Mädchen. Es fühlte sich so gut und richtig an, das zu tun, so gut, dass sie die rasende Lust um jeden Preis in noch höhere Sphären treiben wollten. Und sie wussten gleichermaßen, wie das zu bewerkstelligen war. Sie nahmen sich gegenseitig jede Angst, denn sie spürten, dass sie dem anderen vertrauten konnten, dass ein potenzielles Versagen keine Konsequenzen mit sich gezogen hätte. Keiner musste sich vor dem anderen schämen, weder wegen seiner körperlichen Eigenheiten oder der Beschaffenheit seiner Männlichkeit. Sie mussten sich nur in die Augen blicken, um sich mitzuteilen, dass sie sich wunderschön fanden, genau so, wie sie waren und dass sie sich in dieser Nacht derart zueinander hingezogen fühlten, dass sie miteinander verschmelzen wollten. Das, was am ersten Tag noch als kleiner, süßer Funken in ihrer Brust geschwelt hatte, hatte sich zu einem Monstrum ausgewachsen, das sich nach Futter sehnte. Und sie gaben ihm das, was es brauchte.   Sie stellten sich etwas ungeschickt an, natürlich taten sie das. Besonders Cari hatte mit sich zu kämpfen, und es gelang ihm nicht so recht, in Jamie zu bleiben. Immer wieder rutschte er hinaus, fädelte dann wieder mühsam ein und Jamie klagte seinerseits nicht nur einmal über Schmerzen, da sie sich nicht getraut hatten, ihn ordentlich mit den Fingern vorzubereiten. Immer wieder fragte Cari ihn besorgt, ob sie denn nicht besser aufhören sollten, doch dann schüttelte Jamie hastig mit dem Kopf und zog seinen Freund ganz dicht auf sich, um ihm das Wertvollste ins Ohr zu flüstern, was dieser je gehört hatte. "Mach bitte weiter. Es ist so schön, nur deine Nähe spüren zu können." Und genau deshalb verwandelte sich ihr erster Sex in ein wunderschönes, ganz besonderes Erlebnis, das sie beide nie mehr vergessen hatten. Die Erinnerungen daran würden sie für immer in ihren Herzen tragen, auch wenn sie sich nach diesem Abenteuer nie wieder so nahe gekommen waren. Sie mochten sich verändert haben, sowohl äußerlich wie auch innerlich, aber etwas war ihnen geblieben. Etwas, das sie aus dieser Mainacht mitgenommen hatten. Etwas, das nur ihnen gehörte.   *   Über die Jahre hatte Jamie sich von dem blonden Engel zu einem schwarzen Prinzen gemausert, einem Kind Luzifers, und Cari sah man schon bald auf den ersten Blick an, dass in ihm eine wilde Drecksau schlummerte. Vom dem süßen Jungen mit den hellen Haaren war nichts mehr übrig geblieben. Als sie Jahre später in einer erneuten Mainacht beieinander saßen, ihren Verlobten gegenüber, erinnerte nichts mehr an die Persönlichkeiten, die sie mit sechzehn besessen hatten. Man erkannte sie kaum wieder, und wann immer Cari seiner Freundin das erste Promofoto mit Jamie zeigte, auf dem er besitzergreifend die Hand auf dessen Schulter gelegt und dabei der Kamera den Stinkefinger gezeigt hatte, fragte diese mehrfach verwundert nach, ob das wirklich ihr Freund war. Und Cari konnte nur jedes Mal mit einem versonnenen Lächeln auf den Lippen nicken. Ja, das war er. Zwei Tage nach seinem ersten Mal.   Keiner aus der Runde schien zu wissen, wie sie auf dieses Thema gekommen waren. Und doch tauschten sich ihre Mädels gerade sehr offen über ihren ersten Sex aus, lästerten über die unsensiblen Kerle, die sie so mechanisch bearbeitet hatten wie einen Gegenstand und ihnen somit ein grässliches Erlebnis bereitet hatten. "Der wusste noch nicht mal, wie man ein Kondom benutzt", schüttelte Jamies Freundin ihren Kopf und hielt ihre Zigarette über den Aschenbecher, um ein wenig Asche abzuklopfen. "Sei froh, dass er überhaupt eins dabei hatte", warf Caris Liebste ein. "Ich kann von Glück reden, dass ich noch nicht gleich schwanger war. Man, was war ich dumm..." Seufzend zog sie die Augenbrauen hoch, warf dann aber plötzlich ihrem Freund einen Blick zu. "Und bei euch? Du hast mir noch nie erzählt, wie dein erstes Mal war." "Ja, raus mit der Sprache!", verlangte auch Jamies Freundin mit neugierigem Blick. "Wart ihr auch solche von der Sorte, die ein gefühlloses Raus und Rein veranstaltet haben?" Doch die andere stieß ihr gegen die Schulter. "Ach, Kerle sind doch immer von sich überzeugt..." Kichernd steckten sie ihre Köpfe zusammen, doch noch ehe sie weiter lästern konnten, hob Cari selbstbewusst das Kinn und begann zu sprechen. "Mein erstes Mal war auch nicht perfekt. Aber es hätte trotzdem nicht schöner sein können." Womöglich verrieten Jamies vor Schreck aufgerissene Augen bereits viel zu viel, und gleichzeitig fühlte er sich berufen, auch irgendetwas zu sagen, doch noch ehe er den Mund aufmachen konnte, ergriff seine Freundin das Wort. "Und hat deine Partnerin das auch so gesehen?", wendete sie sich spitz an Cari, der nur breit grinste und nickte. "Sie fand es ganz genauso schön wie ich. Das hat sie mir gesagt..." Verstohlen linste er in Jamies Richtung und griff verdeckt vom Tisch nach dessen Hand, deren Finger er unbemerkt von ihren Freundinnen mit seinen verschränkte. Einfach, weil er nie aufgehört hatte, Jamie nah sein zu wollen. Weil er noch immer dieselben Gefühle hegte wie bei ihrer ersten Begegnung. Und weil er aus Jamies Blicken viel zu oft gelesen hatte, dass sein Freund ganz genauso empfand wie er.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)