Eine neue Geschichte von maidlin ================================================================================ Kapitel 8: ----------- Während Luan die Treppen nach oben ging, fühlte er, wie er wesentlich entspannter war als zuvor. Das Haus wirkte nicht mehr ganz so erdrückend auf ihn. Als er auf dem oberen Treppenabsatz angekommen war, hielt er kurz inne und überlegte sich die Bilder doch noch anzusehen. Schnell entschied er sich aber dagegen. Das konnte auch noch ein wenig länger warten. Auf die paar Stunden kam es auch nicht mehr an. Genauso leise wie zuvor hinaus, schlich er sich durch den Gang. Noch einmal sah er bei Selene und Nathaniel vorbei, doch diese schliefen noch immer friedlich. In seinem eigenen Schlafzimmer entkleidete er sich und legte sich zu Apple ins Bett. Schläfrig kuschelte er sich an seine Frau, die daraufhin zusammenzuckte und kurz die Augen öffnete. „Du bist kalt“, nuschelte sie und rückte wieder ein Stück von ihm ab. Luan lachte leise in sich hinein. So wie es jetzt war, war es gut, dachte er. Er war ganz zufrieden mit seinem Leben. Luan hatte alles, was er sich wünschen konnte. Er musste wirklich lernen, täglich dankbar dafür zu sein. Wenn er die Worte auf den Bildern gelesen hatte, konnte er womöglich endgültig mit der Vergangenheit abschließen. Dieses Mal wollte er sie nicht nur tief in seinem Inneren begraben. Vielleicht sollte er auch einfach nur aufhören sich zu viele Gedanken zu machen und abwarten, was der nächste Tag brachte. Auch wenn die Vergangenheit nicht änderbar war, so war die Zukunft doch vollkommen offen. Es lag an ihm, was er daraus machte und ob er sie von der Vergangenheit schwärzen ließ. Seltsam, dachte Luan, als er bereits in den Schlaf abdriftete. Dafür, dass man ihm sein ganzes Leben lang gesagt hatte, wie intelligent er doch war, hat er ganz schön lang gebraucht, um das zu verstehen. Aber immerhin, die Erkenntnis kam noch. Luan stand auf, als Apple und die Kinder bereits beim Frühstück waren. Apple war sofort aufgestanden, als Nathaniel in ihr Zimmer getapst war und hatte sich bereitwillig um ihn gekümmert. So hatte er noch ein wenig vor sich hin dösen können. Doch obwohl Luan geistig vollkommen erschöpft war, wollte sich ein erholsamer Schlaf nicht richtig einstellen. Also gab er den Versuch schließlich auf und tröstete sich mit dem Gedanken, dass er sich ja vielleicht mit Nathaniel zu einem Mittagsschlaf hinlegen konnte. Nachdem Luan sich gewaschen und angezogen hatte, ging er jedoch nicht gleich in das Esszimmer, sondern in Jonathans Atelier. Dieses Mal überlegt er nicht erst, ob er sich die Zeichnungen ansehen sollte oder nicht. Er nahm sich die Mappe gezielt, öffnete sie und suchte nach den Skizzen seiner Eltern und das Brandzeichens. Das erste Bild in seiner Hand, war jenes, welches Magdalena ihm in der Nacht noch einmal gezeigt hatte. Luan kannte den Blick seines Vaters inzwischen, spürte dennoch den altbekannten Stich im Herzen. Dann drehte er das Blatt um. Zwei Worte standen drauf, in einer dünnen, doch schwungvollen Handschrift geschrieben: „Erinnere dich“. Irritiert runzelte Luan die Stirn, nahm sich jedoch das nächste Blatt vor. Auch auf diesem standen die gleichen Worte, ebenso wie auf den anderen drei und dem des Brandzeichens. Erinnere dich? Woran wollte Jonathan sich erinnern? An den Mann und die Frau, deren Leben er geholfen hatte zu zerstören? Warum hätte er das tun sollen? Hatte er wirklich nicht vergessen wollen? Hatte er bereut und diese Bilder, als eigene Strafe angefertigt? Hatte er die Mappe deswegen nicht vernichtet, um nicht vor seinen eigenen Erinnerungen fliehen zu können? Wieder so viele Fragen. Wieder keine Antworten. Luan legte die Zeichnungen in die Mappe zurück und diese auf den Tisch. Dann trat er an das Fenster und schaute auf den Garten hinaus. Er dachte an seine Eltern und an Jonathan Semerloy und Mary. Eigentlich, überlegte er, waren sich sein Vater und Jonathan gar nicht so unähnlich gewesen. Beide hatten Stolz besessen, der einen hohen Preis von ihnen gefordert hat. Sie beide hatten eine Frau geliebt, die sie nicht lieben durften, die schließlich einen anderen geheiratet hatte. Sogar die Heiraten waren unter ähnlichen Umständen zustande gekommen. Aus der Not heraus, hatten seine Mutter, als auch Mary in eine Ehe ohne Liebe eingewilligt, weil sie keinen anderen Ausweg gekannt hatten. Jonathan und sein Vater hatten beide mit ganzem Herzen geliebt, so sehr, dass ihr eigenes Leben ihnen nach dem Verlust der Geliebten egal gewesen war. Es war verrückt. In einem anderen Leben hätten sich Jonathan Semerloy und sein Vater möglicherweise gut verstanden. Ja, Mary und seine Mutter auf jeden Fall. Es wäre so vieles, so viel einfacher gewesen. Beim Frühstück herrschte eine entspannte Atmosphäre. Als Luan dazu kam, hatte sich Magdalena bereits wieder in den Salon zurückgezogen. Vorher hatte Apple ihr versprechen müssen, dass Jonathan bald nachkommen würde. Scheinbar sah Magdalena in Apple eher eine Gouvernante. Zu gern hätte Luan gewusst, wie Magdalena ihm nun begegnen würde. Würde sie die Begegnung vergessen haben oder würde sie nur so tun, als hätte es das Treffen nicht gegeben? Wie auch immer sie sich verhalten würde, Luan würde nicht wissen, was wahr und was gespielt war. Aber wie hatte Magdalena gesagt, wenn man sein Kind und dann den Ehemann verlor, konnte man nur verrückt werden. Luan erzählte Apple nicht, dass er sich die Bilder bereits angesehen hatte. Er wollte später mit ihr sprechen, wenn sie allein waren. Er erfuhr jedoch, dass Selene und Nathaniel sich die Zeit bis zum Frühstück damit verbracht hatten das Haus zu erkunden. Laut Apple hatten sie eine Menge Spaß dabei und waren noch lange nicht fertig. Es freute Luan, dass die beiden Kinder sich scheinbar so wohl fühlten. Er sah einer potentiellen Zukunft in diesem Haus immer entspannter entgegen. Nur hatte er noch immer keine Idee, wie er Apple darauf ansprechen sollte. Luan hoffte, dass sich im Laufe des Tages eine passende Gelegenheit ergeben würde. Nach dem sie das Frühstück beendet hatten, blieben Selene und Nathaniel bei Therése und Babette, während Apple und Luan in den Obstgarten gingen. Sie bewunderte die Pflanzen, die sie auf ihrem Weg sahen und Apple konnte beinah jede von ihnen benennen, kannte aber viele nur aus Büchern. Bei denen, deren Namen ihr unbekannt war, nahm sie sich vor später unbedingt Babette danach zu fragen. Luan konnte sehen, wie wohl auch sie sich bereits fühlte. Als sie auf der Apfelwiese ankamen, beobachtete er seine Frau sehr genau. Sichtbar rang Apple mit ihren Gefühlen. Langsam drehte sie sich im Kreis und schien jeden Baum einzeln zu betrachten. Woran genau sie wohl dachte, fragte er sich. Stellte sie sich vor, wie Mary und Jonathan sich an diesem Ort kennengelernt hatten? Oder dachte sie an die erste zarte Berührung zwischen den beiden? Als Apple ihn wieder anblickte, sah er abermals Tränen in ihren Augen glitzern. Verlegen wischte sie sie mit den Fingern weg. „Tut mir leid, so viel wie gestern und heute, habe ich, glaube ich noch nie geweint.“ Luan nahm ihre Hand in seine. Dann gab er ihr anschließend einen Kuss auf die Stirn. „Diese Tränen sind Ausdruck deiner Erleichterung. Es ist also vollkommen in Ordnung. Ich hoffe aber du sagst mir, wenn sich das Grund für deine Tränen einmal ändern sollte.“ „Natürlich“, erwiderte sie lächelnd. Apple lehnte sich an seine Brust und er legte die Arme um sie. Eine Weile standen sie so beieinander und sprachen nicht. Es waren keine Worte nötig. Jeder ließ diesen Moment für sich wirken. „Hast du es dir so vorgestellt?“, flüsterte er schließlich in ihr Haar. Apple nickte. „Ja, es ist aber in Wirklichkeit noch viel schöner. Ich verstehe nun, warum sie so oft hier waren. Unsere Apfelwiese ist auch sehr schön, aber diese hier hat etwas an sich, das ich nicht in Worte fassen kann.“ „Sie ist älter, sie hat schon viele Geschichten erlebt.“ „Unverbesserlich…“, murmelte Apple und er ahnte was sie ihm damit sagen wollte, ging aber nicht darauf ein. „Wo warst du heute Nacht?“, fragte sie ihn danach und sah ihn von unten an. Dadurch wirkten ihre Augen größer und Luan musste sich zusammenreisen sie nicht zu küssen. Er war nicht sicher, ob er würde aufhören können und dieser Ort wäre doch reichlich unpassend gewesen. „Hast du es im Haus nicht mehr ausgehalten?“, sprach Apple weiter, weil Luan ihr nicht gleich geantwortet hatte. Ihre Stimme klang trauriger, als wüsste sie, dass es stimmte. „Nein, mit dem Haus hatte das nichts zu tun“, antwortete er schließlich. „Ich konnte einfach nicht schlafen. Mir sind ziemlich viele Dinge im Kopf herum gegangen und ich dachte ein kleiner Ausritt würde mir gut tun.“ „Was für Dinge?“ Luan seufzte. Auch das war schwierig zu erklären. „All diese Dinge, die ich über deinen Vater erfahren habe und dann die Bilder, die ich gesehen habe und Magdalena und… die Vergangenheit. Ich konnte nicht aufhören darüber nachzudenken. Deswegen hielt ich es für besser auszureiten, bevor ich dich vielleicht geweckt hätte. Außerdem brauchte ich die frische Luft. Aber ich muss sagen, ich bin echt von dir überrascht. Ich hätte eher erwartet, dass du keinen Schlaf findest, schließlich war das für dich doch alles viel aufregender gewesen.“ Apple lachte kurz. „Stimmt, aber es hat sich irgendwie… alles richtig angefühlt. All die Fragen, die ich mein Leben lang hatte, waren auf einmal beantwortet. Es gab nichts mir worüber ich nachdenken musste. Zum erstem Mal habe ich mich wirklich vollständig gefühlt.“ „Es ist schön, dass zu hören.“ Luan meinte es genauso, wie er es gesagt hatte. Apple glücklich zu sehen, machte auch ihn glücklich. Das war eine einfache Tatsache. „Hast du bei deinem Ausritt irgendetwas Interessantes gesehen?“ „Nein, nicht so richtig. Ich denke, dass das Land schön ist. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich nachher noch einmal losreiten und Selene mitnehmen. Ich glaube, sie fühlt sich ein wenig vernachlässigt.“ „Natürlich nicht.“ „Aber es muss auch eine große Verantwortung sein, so ein Land zu verwalten, sich um die Leute zu kümmern und eben auch Recht zu sprechen. Schwer vorzustellen, dass ein einziger das schaffen soll, dass es Mathew geschafft hat“, tastete er sich langsam vor. „Weißt du, was seltsam ist? Als ich Magdalena heute beim Aufstehen und Anziehen geholfen haben, schien sie einen Moment der Klarheit gehabt zu haben. Anders kann ich mir das einfach nicht erklären.“ „Was meinst du?“, fragte Luan verwirrt. Hatte Magdalena etwas auch mit ihr gesprochen? „Sie hat mich mit meinem Namen angesprochen und gesagt, das ich Nathaniels Mutter sei.“ „Dann hat sie dich also erkannt?“ Luan verstand immer weniger. Warum würde Magdalena erst darauf bestehen Apple nicht zu nahe zu kommen, wenn sie sich ihr dann doch offenbarte? Vielleicht war sie wirklich verrückter, als er gedacht hatte. „Ja, ja, aber das war nicht einmal das merkwürdigste. Sie sagte dann, dass sie sich freute, dass Nathaniel eines Tages alles gehören wird. Sie murmelte etwas davon, dass er der letzte lebende männliche Semerloy sei. Doch als ich sie näher danach fragen wollte, wusste sie schon nicht mehr wer ich bin und fragte nach Jonathan.“ Wieder schwieg Luan einen Moment und biss sich auf die Lippen. Irgendwie musste er Magdalena sogar für ihre Gerissenheit bewundern. Sie hatte sie beide auf Nathaniels Erbe vorbereitet, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. „Was würdest du davon halten, wenn Nathaniel wirklich all das erben sollte?“, fragte sie ihn, noch bevor er geantwortet hatte. „Wäre es schrecklich für dich?“ „Nein“, antwortete Luan dieses Mal sofort. „Um ehrlich zu sein, habe ich an so etwas ähnliches auch schon gedacht. Das war eines der Dinge, die beschäftigt haben.“ Es war nicht einmal gelogen, dachte er still. „Du bist Jonathans Tochter und unser Sohn ist wirklich der einzig lebende, männliche Nachkomme. Laut Recht würde es ihm irgendwann gehören.“ „Aber ich bin nicht offiziell anerkannt. Niemand würde es glauben.“ „Mmh… vielleicht… Das kommt wohl darauf an, ob Magdalena, das was sie dir gesagt hat, auch in ihrem Testament vermerkt.“ Er konnte ihr nicht sagen, dass Magdalena das bereits getan hatte. Mit Nathaniels Namen im Testament würden das Haus und das Land ihm gehören, egal ob man Apple als eine Semerloy anerkannte oder nicht. „Nur mal angenommen… Also… Nathaniel erbt dieses riesige Land wirklich, könntest du dir vorstellen hier zu leben?“, fragte Apple ihn anschließend. „Wie kommst du darauf?“ Die Frage überraschte ihn. Nicht weil er Apple nicht zutraute daran zu denken, sondern weil sie seinen eigenen Gedanken entsprach. „Nun, Nathaniel müsste auf diese Aufgabe vorbereitet werden, müsste alles lernen und bräuchte Leute um sich herum, die sich damit auskennen würden. Weder du noch ich haben Ahnung von der Verwaltung so vieler Ländereien. Von uns zu Hause aus, würde das nicht gehen. Wir müssten also hierher ziehen.“ Verwunderte und gleichzeitig lächelnd blickte Luan sie an. Sie war einfach perfekt. Er hätte es sich wirklich sparen können, so viel darüber nachzudenken, sondern gleich mit seiner Frau reden sollen. Manchmal lernte er es aber auch einfach nicht. Bevor er ihr antwortete, küsste er sie. „Wofür war das denn?“ „Weißt du, ich frage mich echt, wie du es mit mir aushältst. Dabei stelle ich mich manchmal doch ganz schön dumm an. Auch daran habe ich die ganze Nacht denken müssen. Ich hab genau diese Gedanken gehabt und bin ebenfalls zu dem Entschluss gekommen, dass es das Beste für ihn wäre. Ich habe auch darüber nachgedacht, ob ich hier leben könnte. Selene und meine Eltern dürfen wir auch nicht vergessen“, antwortete er langsam. „Selene gefällt es hier bestimmt, allerdings muss ich gestehen, dass ich an deine Eltern noch gar nicht gedacht habe“, räumte Apple ein. „Das ist in Ordnung, es ist viel passiert und ich hatte ja die ganze Nacht Zeit“, erwiderte er lächelnd. „Ich dachte, dass vielleicht Anne-Rose und ihr Mann das Grundstück übernehmen könnten. So wären meine Eltern nicht allein und wir könnten hier leben.“ Apple löste sich von ihm und sah ihn aus großen Augen an. „Heißt dass, das du hier leben wollen würdest? Das würdest du tun?!“, fragte sie vollkommen aufgebracht. „Naja… Ich bin nicht ganz sicher“, sagte er ehrlich. Keine Geheimnisse mehr, dachte Luan. „Aber ich glaube es wäre nicht das Schlechteste. Ich könnte es aushalten.“ Er lächelte seine Frau an und meinte jedes Wort. Eine Zukunft in diesem Haus erschien ihm immer wahrscheinlicher. Es schien ein guter Ort zu sein, um Kinder aufzuziehen. „Oh Luan… Das… Ich muss ehrlich zu dir sein.“ Plötzlich schwieg Apple und biss sich auf die Lippen. „Was ist?“, fragte er irritiert. Er dachte, dass sie ihm vor Freude um den Hals fallen würde. Fragend sah er sie an. Was wollte sie ihm denn nun sagen? „Ich muss schon seit gestern daran denken, seit ich Magdalena gesehen habe und seit ich weiß, wie zerbrechlich sie wirklich ist. Ich würde sehr gern hier bleiben, egal ob Nathaniel das alles einmal erben wird oder nicht. Magdalena braucht jemand, der sich um sie kümmert. Nicht, dass Babette und Therése das nicht ganz wunderbar machen würden, aber sie sind… keine Familie. Ich möchte Magdalena kennenlernen so lange es mir noch möglich ist. Versteh mich nicht falsch, ich gebe mich nicht der Hoffnung hin, dass sie mich als Jonathans Tochter erkennen oder gar akzeptieren wird. Aber ich möchte einfach die Zeit, die mir noch mit ihr bleibt, so gut wie möglich nutzen, auch wenn sie nie wieder so sein wird wie sie früher einmal. Kannst du das verstehen?“ Ihre Stimme klang unsicher und vielleicht sogar ein wenig ängstlich. Wie viel Mut hatte es wohl sie gekostet, um mit ihm darüber zu reden? „Das kann ich sogar sehr gut verstehen“, antwortete er, ohne lange zu überlegen. „Sie ist deine Familie, genauso wie wir es sind. Es ist nur verständlich, dass du mehr über sie wissen möchtest. Vielleicht wäre es für Babette eine Entlastung, wenn ihr noch jemand helfen würde. Auch der Garten und die Wege müssen gepflegt werden und ich bin sicher in den Nebengebäuden gibt es auch genug zu tun. Wir sollten mir ihr darüber reden, meinst du nicht? Es kann ja auch sein, dass sie uns gar nicht im Haus haben will.“ „Da hast du natürlich recht und wenn Magdalena nicht möchte, dass wir bleiben, müssen wir ohnehin gehen. Daran will ich lieber gar nicht denken. Ich glaube, es würde mich furchtbar traurig machen.“ Allein bei der Vorstellung verdüsterte sich Apples Gesicht und Luan strich ihr beruhigend über den Rücken. „Denk so etwas doch nicht. Ich bin sicher, sie ist einverstanden. Immerhin würde Nathaniel bei ihr bleiben und ihn scheint sie wirklich gern zu haben.“ Er konnte ihr nicht sagen, dass Magdalena sehr genau wusste, was sie tat. „Das liegt wohl nur daran, dass sie ihn für Jonathan hielt, aber du hast recht. Was ist mit der finanziellen Seite? Was würde aus deinem Handel werden?“, fragte sie ihn nun. An dieser Stelle musste Luan seufzen. Das war natürlich ein Aspekt, den sie nicht unberücksichtigt lassen durften. „Nun ja, du weißt ja, dass ich schon seit längeren darüber nachdenke den Handel mit Kräutern einzustellen. Es wird einfach immer gefährlicher und ich möchte nichts tun, was dich oder die Kinder in Gefahr bringt. Mach dir wegen dem Geld keine Gedanken, mir wird schon etwas anderes einfallen. Vielleicht kann man ja den Früchten handeln, die hier wachsen.“ „Aber es sind die Früchte der Semerloys, wenn du sie verkaufen wollen würdest, wäre das ja fast so als würdest du für sie arbeiten.“ Luan verzog das Gesicht. Da hatte sie natürlich recht und der Gedanken gefiel ihm gar nicht. „Entschuldige…“, murmelte Apple. „Schon gut, darüber können wir immer noch nachdenken, wenn wir wirklich hier bleiben sollten. Außerdem haben wir ja auch ein wenig zurückgelegt. Für den Anfang könnte es reichen.“ „Weißt du, es klingt fast so, als ob du wirklich hier leben wollen würdest. Du hast dir alles genau überlegt“, sagte Apple und klang ganz erstaunt. „Wäre das so schrecklich?“, fragte er sie mit einem Augenzwinkern. Apple lächelte ihn breit an. „Ich kann nur nicht begreifen, dass du das tatsächlich für mir tun würdest.“ Nun sah Luan sie ernst an. Er legte seine Hände auf ihre Wangen und zog ihr Gesicht sanft zu sich. Dann küsste er sie lang. „Du solltest doch inzwischen wissen, dass ich alles für dich tun würde“, murmelte er, als er sich von ihr löste. „Ich liebe dich schließlich.“ Apple küsste ihn abermals sehnsuchtsvoll. „Ich liebe dich auch, aber ich möchte nicht, dass du etwas tust, von dem du nicht ganz Überzeugt bist. Ich möchte, dass du ebenso glücklich bist. Alles andere wäre einfach falsch.“ „Keine Angst, du solltest doch inzwischen wissen, dass ich mich zu Wort melde, wenn mir etwas nicht passt.“ „In letzter Zeit, war ich mir da nicht so sicher“, gestand sie ihm. „Ich weiß, das ist vorbei. Versprochen“, versicherte er ihr. „In Ordnung.“ „Weißt du, wir können auch einfach abwarten was passiert, ohne uns allzu viele Sorgen darüber zu machen“, sprach Luan weiter, während er ihr noch immer über den Rücken strich. Skeptisch sah seine Frau ihn an. „Wann hattest du denn die Erkenntnis?“, fragte sie mit gespieltem Entsetzen. „Irgendwann diese Nacht, denke ich. Vielleicht wird Nathaniel das Land erben, vielleicht auch nicht. Ganz egal, wir werden ihn trotzdem zu einem gerechten Menschen erziehen. Wir machen alles so, wie wir es sowieso gemacht hättet und auf alles andere können wir uns dann immer noch einstellen.“ Noch immer sah Apple in ungläubig an und Luan musste lachen. „Was ist, glaubst du mir nicht?“ „Wer bist du und was hast du mit meinem Mann gemacht?“, brachte sie verwundert heraus. Luan küsste sie hart auf die Lippen. „Dem geht es gut. Er hat sich nur vorgenommen, die Vergangenheit endgültig ruhen zu lassen.“ „Und? Wird ihm das gelingen?“ „Mmh… Im Moment ist er ziemlich zuversichtlich. Schließlich hat er eine hübsche und kluge Frau, die ihm den Kopf schon zurechtrückt, sollte er es vergessen.“ „Das denke ich auch“, erwiderte sei. Abermals schmiegte sie sich an ihn und lehnte den Kopf gegen seine Brust. Luan wusste, dass er ihr ein großes Versprechen gemacht hatte. Er hoffte, er würde es halten können, dass er stark genug war, gegen seine inneren Dämonen anzukämpfen und sich von der Vergangenheit nicht mehr seine Zukunft diktieren zu lassen. „Es wäre der perfekte Ort, um noch ein Kind zu bekommen“, hörte Luan Apple plötzlich murmeln. Überrascht sah er sie an. „Es wäre ein richtiger Neuanfang, findest du nicht?“, fragte sie ihn leise. Ihre Stimme war kaum zu hören und Luan wusste nicht, ob dies aus Angst vor einer Antwort geschah oder aus Verlegenheit. Über ein weiteres Kind hatten sie noch nicht gesprochen. Aber es war ein Gedanken, bei dem Luan alles andere als Zweifel oder Angst empfand. „Und wenn wir nicht hier bleiben?“, fragte er ebenso leise. „Das wäre egal, ich würde trotzdem gern noch ein Kind von dir bekommen.“ „Dann sollten wir vielleicht so bald wie möglich anfangen zu üben, meinst du nicht?“ Luan spürte wie Apple grinste. Er küsste sie hingebungsvoll. Dann führte er sie aus dem Garten heraus und in ein neues Leben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)