Fußspuren im Sand der Zeit von Yalene (Manchmal reicht schon ein kleiner Stoß in die richtige Richtung) ================================================================================ Kapitel 1: Fußspuren im Sand der Zeit ------------------------------------- Unvorstellbar groß präsentierte sich der Raum zwischen den Galaxien. Viele Lichtjahre - endlich zwar, nichtsdestotrotz immens viele – erstreckte er sich von einem Zentrum zum nächsten. Doch für manche war dies nur ein kleiner Sprung, wie das Hüpfen von einem Fuß auf den anderen. Diese Wesen – alt, machtvoll, losgelöst – streifen durch das All ohne materiellen Körper, ohne die Beschränkung einer Form. Nur Geist, Verstand und Energie. Sie sehen die Geburt und den Tod von Sternen an ihrem Wegesrand, erleben, wie ganze Galaxien kollidieren und miteinander verschmelzen oder still ihren Weg ziehen. Manchmal tauchen diese Wesen tiefer ein in die großen Staubwolken, in denen Millionen von Sonnen ihren Schein verbreiten. Dort spielen sie mit den Materieansammlungen, lassen Atome aufeinander prallen – mal mehr, mal weniger – und freuen sich, wenn sie dadurch einen neuen Lichtpunkt zum Glühen bringen. Eines dieser Wesen passierte gerade eine Spiralgalaxie, als es etwas Ungewöhnliches spürte. Es war nicht das erste Mal, dass sie dieses Gefühl hatte, jedoch war es ungewöhnlich, dass es aus dieser stabil erscheinenden Galaxie zu kommen schien. Neugier wurde erweckt. Mit einem Mal stürzte die riesige Ansammlung von Sonnen, Sternenstaub und Gravitation auf das Wesen zu. Es beschleunigte weiter, versuchte der von ihr verspürten Anomalie so nahe wie möglich zu kommen. Dann bremste es ab, zielte auf einen der Spiralarme und flog vergleichsweise langsam darauf zu. Es kam an weniger dichten Ansammlungen von Sonnen vorbei, viele von ihnen einsam im Raum schwebend. Dann traf es auf eine Wolke aus Gestein, Eis und Staub. Da es kein materielles Wesen war, wurde es bei der Durchquerung von nichts aufgehalten. Als es diese Schicht hinter sich gelassen hatte, präsentierte sich ihm wieder weiter Raum. Doch dieser war nicht leer. Eine Sonne saß in seinem Zentrum. Sie war nicht besonders aufregend. Mittelgroß, langlebig, stabil, langweilig. Und sie wurde von großen Steinklumpen und Gasansammlungen umkreist. Von einem dieser Dinger kam die Anomalie, die das Wesen spürte. Es verlangsamte seine Geschwindigkeit noch mehr und näherte sich dem dritten Steinbrocken. Hätte das Wesen materielle Augen und ein Sehspektrum des sichtbaren Lichts gehabt, hätte es ihn als blau beschrieben. Das Wesen hatte schon einige dieser Art gesehen. Es wusste, dass sich auf diesen Brocken Leben entwickeln konnte. Und überall, wo es einen solchen mit Wasser bedeckten Brocken sah, war da Leben. Dieser hier war nur einer von vielen, aber auf den anderen hatte das Wesen keine solche Anomalie gespürt. Es war eine Störung der Raum-Zeit. Selbst in instabilen Regionen des Alls, in denen Dimensionen aufeinander trafen und alle Konstanten aufgehoben worden zu sein schienen, hatte sie selten diese Art von Störung gespürt. Das weite Blau wurde von vielen Landmassen durchzogen. Das Wesen ging weiter hinunter, passierte Atmosphäre, fühlte die ganzen Signale in der Luft. Die Lebewesen auf diesem Klumpen waren technologisch fortgeschritten, wenn auch noch nicht zu sehr, immerhin bevölkerten sie nur dieses eine kleine Klümpchen Gestein. Der Spur der Anomalie folgend schwebte es auf eine Seite einer der großen Landmassen zu. Dort lagen mehrere vom Hauptland getrennte, vom Wasser eingeschlossene Inseln. Sie streckten sich in einer langen Form hin. Dort kam sie her, diese Störung. Weiter, immer weiter näherte sich das Wesen besagtem Punkt. Schon aus großer Höhe konnte es die künstlichen Bauten der kleinen Lebewesen sehen. Sie waren verhältnismäßig hoch und bestanden aus metallenen und reflektierenden Materialien. Wetterfeste Schlösser, die vielen der Lebewesen Obdach geben mochten. Die formlose Entität wechselte ihren Kurs auf einen der abgelegenen Abschnitte dieser Siedlung. Dort waren die künstlichen Bauten nicht so hoch und bestanden aus anderen Materialien. Dort sah man auch mehr biologische, Sauerstoff produzierende Masse. Die Entität fühlte, dass sie nun der Anomalie sehr nah war. Gerade überflog sie einen Bereich, der von Mauern umgeben war und einige der älter wirkenden Gebäude mochten hier einer begrenzten Anzahl dieser kleinen Lebewesen ein zu Hause gewesen sein. Eine größere Halle war ebenfalls in jenem Bereich. Vielleicht war sie so eine Art Versammlungsort gewesen. Das Wesen hielt inne, fokussierte sein ganzes Spektrum an sensorischen Fähigkeiten auf dieses Gebäude. Dort, inmitten des großen Raumes, dieser Versammlungshalle der kleinen Gestalten, die nun leer stand aber irgendwann bewohnt war, dort war der Ursprung dieser verzerrenden und zerstörerischen Anomalie. Die Entität wusste, dass sie zerstörerisch war. Nicht für das Wesen selbst natürlich, es war hier nur losgelöster Beobachter. Aber für die biologischen, materiellen Lebewesen, die hier früher gewohnt hatten. Als solche waren sie anfälliger für jedwede Änderung ihrer Umgebung, erst recht dann, wenn diese eine Krümmung des Raumes oder gar unterschiedliche Zeitabläufe beinhaltete. Die Entität musste sich eingestehen, dass sie neugierig geworden war. Die ganze Angelegenheit war nichts Außergewöhnliches, nichts Unbekanntes – und doch… Diese Gegend des Alls galt als stabil. So etwas durfte hier gar nicht vorkommen. Nicht einmal eine Laune des Universums – und davon gab es genug – hätte dies hervorbringen können, so spezifisch lokal begrenzt auf diesen winzigen Punkt. Ihre Artgenossen hatten dem Wesen stets vorgehalten, dass es zu neugierig war. Diese Neugier, mahnten sie, würde sie eines fernen Augenblicks vielleicht ihr Sein kosten. Doch in jenem Moment störte sich die Entität nicht daran. Sie spürte in die Sphäre aus Raum, Zeit, Gravitation, Dimension und Energie – und tat einen metaphorischen Schritt zurück auf der Ebene der Zeit. Dann noch einen. Immer weiter schritt es zurück und behielt dabei immer die Anomalie im Visier. Und tatsächlich, sie wurde kleiner. Es war also ein kausales Vorkommnis, welches in einer normalen Zeitebene verlief. Das Wesen war fasziniert, wollte unbedingt den Ursprung dessen erfahren, was hier so völlig fehl am Platz und offenbar künstlich hervor gerufen wurde. Daher folgte sie ihm zurück durch die Zeit. Auf diesem Weg nahm es auch wahr, wie der Abzug der biologischen Wesen aus diesem Gebiet erfolgt war. Zuletzt hatten sich die Kreaturen aus den entfernten Gebieten zurückgezogen. Mit jedem Schritt in die Vergangenheit des Ortes rückten die Lebewesen näher an diesen heran und nun registrierte die Entität auch zum ersten Mal, wie die Bewohner dieses Erdklumpens aussahen: Es waren nicht besonders große, jedoch sich aufrecht fortbewegende Wesen, deren Extremitäten bestimmten Funktionen untergeordnet waren. Deren einzelne Körperteile waren allgemein spezialisiert, weshalb sich das Wesen fragte, wie sie in einem unbeständigen Klima wohl zurechtkommen konnten. Doch sie lebten, bauten und waren sogar in der Lage, mechanische Hilfsmittel zu konstruieren und zu benutzen. Dann stieß das zeitreisende Wesen auf eine Art Mauer, obwohl dieser Ausdruck unzureichend war. Es war eher wie eine dicke Membran, die zwar leicht nachgab, wenn es versuchte dagegen vorzugehen, aber dennoch nicht ohne weiteres durchbrochen werden konnte. Daher sammelte das körperlose Wesen Energie und versuchte mit einem forcierten Kraftakt hindurchzustoßen. Es gelang. Und plötzlich fand sich die Entität am Ursprungsort und in der Ursprungszeit der Anomalie wieder. Es waren viele dieser kleinen Kreaturen in der Halle und sie schienen auch unterschiedlichen Lebensaltern zuzugehören, obwohl die jungen der Spezies überwiegten. Das Wesen konnte bestenfalls raten, wie sich diese Kreaturen unter normalen Umständen benahmen, was gesellschaftliche oder soziokulturelle Norm war. Dennoch kam ihm in dem relativ kurzen Moment der Beobachtung der Eindruck, dass hier ein Konflikt ausgetragen wurde. Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung waren ein Weibchen und ein Männchen jüngeren Alters. Mehrere andere Männchen und Weibchen schienen einen Kampf auszutragen. Vielleicht war dies eine Art ritueller Auswahl oder ein Balzverhalten um die Gunst eines der beiden im Zentrum. Und andere, vormerklich ältere Vertreter der Gattung standen rundherum und sahen entweder zu oder versuchten einzuschreiten. Die Waffen, sofern man dies dazu sagen konnte, waren vielfältig. Viel wurde im primitiven Faustkampf ausgefochten. Ein weibliches Wesen hatte lange flexible Bänder, ein Männchen hingegen eine aus Metall gefertigte, längliche Waffe. Wieder ein anderes Weibchen hatte eine große, jedoch breit gefächerte metallene Platte an einem Stab. Und dann war dort ein junges Weibchen, welches einen Gegenstand herauszog, der dort selbst für diese Ansammlung von Merkwürdigkeiten anders war. Von ihm gingen seltsame Schwingungen aus, die nicht im Einklang mit der Umgebung waren. Die Entität spürte, dass es der Ursprung der Anomalie sein musste. Dann warf das Weibchen dieses Gerät auf das andere Weibchen im Zentrum der Halle, um das einige der Männchen gestritten hatten. Die Anomalie formte sich in dem Augenblick, da der Gegenstand das Weibchen berührte. Sie verschlang sie in einer plötzlichen Zusammenballung von Zeit und Raum; sie und das andere Männchen in ihrer Nähe, welches ihr zu Hilfe eilen wollte. Danach herrschte nur noch Chaos, als die anderen Kreaturen zu fliehen versuchten, aber das war für die Entität schon nicht mehr interessant. Sie überlegte kurz, wie sie die Entstehung der Anomalie verhindern konnte. Es war nicht unbedingt ihre Aufgabe, dies zu tun, ebenso wenig wie es ihr verboten war. Doch dieser Klumpen mit seinen Lebewesen darauf litt in der Zukunft unter dieser Anomalie. Nicht nur die unmittelbar betroffene Region, sondern der ganze Erdklumpen mit seinem Wasser darauf und allen Lebewesen in seiner Sphäre. Sogar das ganze System um den Leuchtpunkt darum schien betroffen zu sein. Leben war im Universum zwar nicht auf diesen einen Klumpen hier beschränkt, aber es war dennoch selten genug, um es schützenswert zu machen. Und hier hatte die Entität in metaphorisch greifbarer Nähe die unmittelbare Ursache für dessen Gefährdung vor sich. Das Problem war nun herauszufinden, was zum Einsatz des Gerätes geführt hatte und wie sie dies verhindern konnte. Es schien etwas mit den jungen Weibchen und Männchen vor sich zu gehen, was man durchaus als soziales Gefüge bezeichnen konnte, mitunter standen sie vielleicht in monogamischen oder polygamischen Beziehungen zueinander oder waren auf dem Weg dahin. Das würde den Kampf und das Brunftverhalten erklären. Die beiden im Mittelpunkt, ein Weibchen mit kurzen Haaren und ein Männchen mit langen, zusammengebundenen Haaren, schienen der Schlüssel zu sein. Um sie drehte sich alles. Die Entität beschloss, dies näher zu untersuchen. Dafür brach sie erneut durch die nun entstandene zeitliche Membran und reiste weiter in die Vergangenheit, immer darauf bedacht, den beiden Lebewesen möglichst nahe zu sein. Das körperlose Wesen war nie sonderlich an Xenologie interessiert gewesen. Das Entstehen und Vergehen gewaltiger Himmelskörper schien ihr spannender zu sein. Dennoch konnte sie ihre vorherige Annahme bestätigt sehen, dass unter den jungen Kreaturen dieser Spezies ein Paarungsverhalten zu erkennen war. Dieses äußerte sich vielfältig in verbalen, nonverbalen und handgreiflichen Gesten. Letzteres verstand die Entität als Besonderheit dieser Spezies, wenngleich es auch merkwürdig war. Und die beiden, um die sich alles drehte, schienen ebenfalls Interesse aneinander zu haben, obwohl es niemals zu einer Bindung oder gar Paarung kam. Doch die Ursachen dafür waren weitab des Interessensfeldes des körperlosen Wesens. Monogamie schien die normale Beziehungsform zu sein, weshalb ein Konflikt um die möglichen Partner entstand, der letztendlich zum Einsatz des Anomalie hervorrufenden Gegenstandes führte. Wenn also das Problem der Wahl vorher beseitigt wurde, kam es vielleicht gar nicht erst zu dem Zwischenfall. Und noch etwas war bemerkenswert: Das hart umkämpfte Männchen und Weibchen, welche sich füreinander interessierten, kamen sich verhältnismäßig oft nahe. So oft, dass es eigentlich schon nicht mehr zu begreifen war, dass sie nicht zueinander fanden. Doch dies war vermutlich nicht nur auf die Eigenheiten dieser beiden Individuen zurückzuführen, sondern auch auf die ganzen Störungen durch die anderen Bewerber. Würden diese ausbleiben, nur für eine kurze Zeit, würde sich das Problem von allein lösen. Die Entität beschloss, an dieser Stelle einzugreifen. Sie suchte sich einen Moment aus, in dem die beiden sich besonders nahe waren. Es war zu einem Zeitpunkt, als sie räumlich gesehen allein waren. Sie befanden sich in einem Aufenthaltsraum jener Heimstätte, in der später auch der Unfall passieren sollte. Es war keine Spur von Aggression erkennbar. Sie waren friedlich und kommunizierten miteinander. Es war jener Moment, da das Weibchen sich erhob – vermutlich wollte es in einen anderen Raum der Heimstätte gehen – als es das Gleichgewicht in seinem fragilen Körper verlor und von dem Männchen aufgefangen wurde. Würde dieses Ereignis unbehelligt fortschreiten, dann käme in jenem Moment ein konkurrierendes Weibchen auf einem Vehikel, was wohl für die Fortbewegung bestimmt war, durch eine Begrenzung des Raumes gebrochen und würde die beiden unterbrechen. Doch die Entität hatte vorher für eine Änderung des Weges der Rivalin gesorgt, sodass sie nicht diesen Weg fuhr. Zusätzlich schirmte sie das Haus durch ein leichtes Kraftfeld ab, welches niemandem ermöglichte, auf das Grundstück zu kommen. Sicherlich mochten die Kreaturen das merkwürdig finden, doch daran störte sich die Entität nicht. Sie beobachtete das Männchen und das Weibchen. Ihr Paarungsverhalten war in der Tat seltsam. Es schien keine Rolle zu spielen, wie oft sie sich bereits nahe gekommen oder in einer ähnlichen Situation gewesen waren, sie blieben zurückhaltend. Doch das körperlose Wesen war nicht unbedingt für seine Geduld bekannt. Daher störte es für einen winzigen Augenblick die normalen gravimetrischen Zusammenhänge der Molekühle in dem Material, auf dem das Männchen saß. Dieses gab daraufhin nach und sorgte dafür, dass sowohl Männchen als auch Weibchen liegend auf dem Boden auftrafen. Und dann endlich schien es zu passieren. Eine Art Bindungsritual, das Berühren zweier Körperöffnungen, deren Zweck das Wesen bisher nur die Kommunikation hatte zuordnen können, statt fand. Zuerst zögerlich, dann bestimmter. Das Wesen beobachtete noch eine Weile das seltsame Paarungsvorgehen dieser Kreaturen, war aber zufrieden, dass es den eigentlichen Verlauf verändert hatte. Dann überließ es diese beiden sich selbst, lüftete das Kraftfeld und setzte einige wenige Schritte versuchshalber in die noch kommende Zeit. An der Stelle, an der die Membran der Anomalie aufgetreten war, gab es nunmehr nur noch einförmige, natürliche Zeitstrukturen. Keine Störungen mehr. Die Entität reiste vor zu dem Zeitpunkt, an dem sie ursprünglich zurück gereist und die Spur der Anomalie aufgenommen hatte. Anders als zuvor bevölkerten nun dieselben kleinen Kreaturen den Bereich, der vorher unbewohnbar gewesen war. Und wenn man genau hinsah, dann konnte man Ähnlichkeiten dieser Lebewesen mit jenem Männchen und Weibchen feststellen, deren Lauf von der Entität beeinflusst wurde. Es waren vermutlich deren Nachkommen. Zufrieden mit sich entfernte sich das körperlose Wesen wieder von jenem Ort, der von seltsamen kleinen Geschöpfen bevölkert war, die so widersprüchlich und unverständlich handelten. Es reiste weiter, beschleunigte immer weiter und raste schon bald durch die großen Räume dessen, was man Universum nannte. Ranma und Akane hätten niemals auch nur erahnen können, welcher Besucher sie an jenem Tag gefunden und seinen Fingerzeig, seine Spur hinterlassen hatte. Für sie war das Nachgeben des Fußbodens sicher seltsam gewesen, doch nichts weiter als ein Zufall. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)