Zum Inhalt der Seite

Interdependenz Buch 1

Die schweigende Lilie
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog

Prolog:
 

Das erste Grau des Morgens kroch über die allgegenwärtigen Felsketten und Felsformationen der Eisenberge... eigentlich nichts weiter als ein Streifen etwas weniger dichter Finsternis. Hier konnte bei Mondlosen Nächten die Nacht stofflicher sein als der Stein selbst und erstickender wirken als eine Höhle...

Luca erhob sich von seinem Lager und strich sich das lange, schwarze Haar zurück. Die Nachtwache sah gähnend zu ihm, sagte aber nichts. Er war es gewohnt, dass der junge Magier wenig schlief, fast gar nicht mehr, nachdem sie das Letzte Dorf durchquert hatten.

Keiner von ihnen konnte den Anblick des Ortes verdrängen. Sie alle hatten den letzten Krieg überstanden, jeder von ihnen hatte getötet... Gedankenlos, unfair, so war dieser Krieg.

Nur das... Das kleine Bergdorf war nichts als eine Ansammlung gedrungener Steinhäuser, aufgeschichteter Steine und Holz. Hier, in dieser unwirtlichen, unfruchtbaren Gegend wohnten nur ein paar Bergleute, Schmiede und Steinmetze, Männer und Frauen, die niemandem etwas getan hatten. Es gab keinen Grund diesen Ort zu schleifen, schon gar nicht nach Ende des Krieges. Aber wie dieser Krieg, war auch diese Tat sinnlos, brutal und unfair.

Das Dorf war vernichtet worden, so effektiv und sicher, dass es eher an eine Hinrichtung, ein rituelles Schlachtfest erinnerte.

Wären die Dörfler einfach nur erschlagen worden, wäre der Effekt der Gleiche gewesen, sie hätten ihr Leben eingebüsst... Man hatte aber die Leichen geschändet. Die Frauenkörper verstümmelt, die Männer zerhackt und Tieren zum Fraß vorgeworfen... Einige von ihnen hatte man gevierteilt, andere wurden zerhackt, wieder andere...

Luca schüttelt seine Erinnerungen ab, soweit er konnte. Ihm war schlecht, wenn er sich die Bilder in Erinnerung rief. Aber sie waren auch so da. Er musste nur seine Augen schließen und schon war jedes Detail da... Jedes noch so kleine.

Luca zog die Schultern hoch und rieb sich die Oberarme. Er fror. Sicher, es war sehr kalt, aber daran hatte er sich gewöhnt, schon vor einer Weile.

Erschöpfung und das allgegenwärtige Bild von Tot und Zerstörung und seine eigene, beharrlich wachsende Gleichgültigkeit, der Schrecken und die Klarheit über das Gefühl, ließen ihn frieren.

Luca nahm eine seiner Decken von dem Felsboden auf und schlag sie sich um die Oberarme.

Er sah sich im Lager um. Die Lagerfeuer waren schon lange erloschen, die Asche erkaltet.

Die Männer lagen in ihre Decken gewickelt da und schliefen, die meisten sehr unruhig und ein paar von ihnen gar nicht, genau wie Luca. Jeder einzelne von ihnen schien darauf zu warten, dass das Signal zum Aufbruch gegeben wurde, dass sie endlich weiter ziehen konnten, um endlich diese Männer zu finden, die diese Blutspur durch die Eisenberge zog...

Luca ging ein paar Schritte weit, an der Wache vorbei und sah kurz zurück.

"Wo willst Du hin, Lysander?" fragte ihn der Söldner, ohne ihn anzusehen oder auch nur eine Sekunde lang die unbequem wirkende Position zu verlassen, in der er dasaß.

Luca sah ihn an. "Ich muss ein wenig allein sein, Orpheu," antwortete er ihm leise.

"Bis Du das nicht auch so?" antwortete der Elf und sah nun doch zu ihm auf. Luca antwortete ihm nicht darauf, sondern drehte sich um und ging einfach.

Er spürte die Blicke des Elfen im Rücken.

Orpheu hatte leider recht. Obgleich sie eine kleine Söldnerarmee ausgesuchter Kämpfer waren, blieb jeder von ihnen doch allein. Selbst im Kampf...

Luca senkte den Blick und ging weiter. Allein sein... die bloße Gegenwart der anderen Söldner störte ihn. In den wenigen Stunden, die er geschlafen hatte, verfolgten ihn die Bilder des Krieges, die Bilder vergangener Erlebnisse und Gefühle, die so bodenlos und dunkel waren... sanft und hoffnungslos und verloren. Und wie so oft seit er ihn zum ersten mal gesehen hatte, träumte er von diesen tief grünen, verletzten Elfenauen und silberweißem Haar was ein zauberhaftes, trauriges Gesicht umrahmte...

Und wie jedes Mal nachdem er von dem schönen, namenlosen Elfen geträumt hatte, erwachte er mit dem Gefühl tiefster Einsamkeit und Trauer. Alles daran erschien so Hoffnungslos, seit ihm dieser Elf begegnete. Er hatte ihn nur ein einziges Mal gesehen, kurz, keine zehn Minuten. Aber diese Zeit reichte aus, dass er sein Herz für immer verloren hatte. Ein paarhundert Meter vom Lager entfernt bleib er stehen und setzte sich auf den Boden. Die Decke glitt von seinen Schultern und er öffnete sein Haar, den schwarzen, dicken, langen Zopf. Obwohl er nicht lange geschlafen hatte, war sein Haar zerzaust. Geduldig begann er es auszukämmen. In vielem bewies er eine Engelsgeduld, etwas, dass nicht so normal für einen noch recht jungen Mann war. Nach einer Weile zog er sich wieder die Decke über die Schultern und umschlang die Knie mit den Armen. Sein Blick richtete sich in den grauen Sonnenaufgang, in die Morgendämmerung. Seine offenen Haare wehten um seine schmale Gestalt und verfingen sich in dem verwitterten Gestein.

"Luca?"

Der junge Magier sah zu Boden. Eine kleine Drachenechse saß neben ihm, blau geschuppt und goldäugig. Er hatte seine Flügel an den Leib gedrückt und spielte mit der Quaste an seiner Schwanzspitze.

"Was denn Tambren?" Er löste seine Hände von seinen Knien und nahm den gerade mal Katzengroßen Drachen in seine Arme und unter die Decke. Tambren schmiegte sich an Luca und kroch unter sein Hemd. Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit war der kleine Drache nicht annähernd so spröde und aggressiv. Im Gegenteil suchte er eher Lucas Nähe und seine Wärme. Behutsam begann Luca seinen Vertrauten unter dem schmalen, winzigen Unterkiefer zu kraulen. Tambren schnurrte wie ein Kätzchen.

Erst nach ein paar Minuten, die er reglos dagehockt hatte und einfach nur die Zuneigung seines Herren genoss, antwortete er auf Lucas Frage.

"Du warst fort, als ich aufwachte... Du denkst wieder an ihn, nicht?" Er sah ihn aus großen, dunkel gesprenkelten, intelligenten Augen an.

Luca nickte matt. "Ja, natürlich. Er geht mir nicht mehr aus dem Sinn."

"Was wirst Du tun, wenn dir der Elf nicht wieder begegnet? Willst du dich dann umbringen, oder wirst du einfach nur genauso wahnsinnig wie alle anderen Seraphin, die ihre wahre Liebe nicht finden?"

Luca zuckte die Schultern. Ein schmerzliches Lächeln huschte über seine Lippen. "Umbringen werde ich mich sicher nicht, schon wegen Dir und Goldy nicht. Du und deine Schwester, ihr habt ja nur mich."

Tambren schmiegte sich an Luca und schloss die Augen. "Ich spüre Deinen Schmerz, Luca. Du wirst nicht ohne ihn leben können. Ich glaube eher, dass du an Einsamkeit und einem gebrochenen Herzen sterben wirst." Der kleine Drache klang ernst, traurig.

"Ja, vermutlich hast Du recht. Du kennst mich leider viel zu gut. Aber lassen wir das, mein Kleiner. Im Moment habe ich die Aufgabe diese marodierenden Irren zu finden und sie nach Sarina zu bringen, damit der Kaiser sie aburteilen lassen kann, und danach werde ich wieder einen Auftrag finden und wieder und wieder und... Ich werde gar keine Zeit bekommen nachzudenken, mein kleiner Freund."

"Deshalb weinst Du wohl auch," fragte Tambren leise, sorgenvoll.

Erst jetzt bemerkte Luca, dass Tränen über seine Wangen rannen. Tambren kroch aus Lucas Hemd, krabbelte auf seine Knie und versuchte ihm die Tränen on den Wangen zu wischen.

"Schau Dir diesen Sonnenaufgang an, Tambren," flüsterte Luca und sah zu den Bergketten und die Dämmerung. Über den Felsen mischte sich Rotgold in das Grau. Der Drache wendete den Kopf und sah mehrere Minuten lang einfach in das Licht. "Das gibt mir die Hoffnung, ihn doch wiederzufinden und ihn eines Tages in meinen Armen zu halten, Tambren."

Der kleine Drache nickte nachdenklich und kroch wieder unter Lucas Hemd.

"Wir sollten wieder ins Lager zurück, Luca. Die anderen werden wahrscheinlich bald aufbrechen wollen."

"Ja, vielleicht hast Du recht..." Der Magier erhob sich und sein langes, schwarzes Haar flutete um seine schlanke, fast hagere Gestalt. Ein Wasserfall geronnen Nacht, die ihn wie ein Mantel umgab und bis zu seinen Knien flutete.

"Ich habe ein seltsames Gefühl, Tambren. Ich weiß nicht... es lässt sich nicht in Worte fassen..."

"Luca...was für ein Gefühl?"

Der Magier zuckte nur die Schultern. "Ich weiß nicht..."

"Hör' mal, Luca, du bist ein wunderschöner Mann, zerbrechlich und zart wie eine Frau, mit dem Gesicht eines Engels. So viele wollen Dich und lieben Dich... Warum? Warum hältst Du Dich mit einem Mann auf, den du gerade einmal für einen Augenblick gesehen hast und vermutlich dein Leben lang nicht wieder siehst?" Tambren schaute aus Lucas Hemd und blinzelte zu ihm hoch. "Justin ist da, der rothaarige Elf liebt Dich doch mehr als alles auf der Welt, Kyle liebt Dich... Kael und Cyprian ebenso. Sie lieben Dich alle leidenschaftlich und abgöttisch und jeder von ihnen würde sonst was darum geben, dich für immer bei sich zu haben..."

Luca nickte und schwieg. Er blickte noch einen Moment lang in das erste Licht des Tages. Blendend hell kroch die Sonne über die Massive...

Dann drehte er sich um und ging zurück ins Lager.
 

Eigentlich eher durch einen Zufall fanden sie das Kriegsgefangenlager in den Bergen... Ein verlassenes Lager, wie sie dachten, Höhlen, Schluchten, Hängebrücken in schwindelnder Höhe, eiserne Käfige an Ketten, die von Domartigen Decken herabhangen und verwesende Leichen...

"Lysander... Lass uns gehen!" Orpheu berührte kurz seinen Arm und lächelte kurz, unverbindlich. Sein langer, blauschwarzer Zopf peitschte gegen Lucas Arm, als sich der Elf von ihm abwendete und zum Ausgang eilte.

Der elfische Söldnerführer wollte bereits wieder den Talkessel verlassen und winkte seine Männer zu sich.

"Kommt. Wir haben hier kein Glück, lasst uns weiterziehen."

"Orpheu, bitte warte," sagte Luca leise. Seine Stimme hallte dennoch in dem gewaltigen, natürlich entstandenen Gewölbe nach.

Der schwarze Elf drehte sich zu ihm um und sah ihn aus kalten, blauen Augen an. "Wie Du es verlangst, Magier, ich bin nur der Hauptmann der Truppen, Du unser Herr."

Seine Stimme klang so abweisend und kalt und hart, dass Luca einen Schritt zurückprallte.

"Du wirst Dich nur selbst quälen, Lysander. Aber bitte, tu Dir keinen Zwang an, Magier, quäle Deine Seele weiter."

Luca hob den Blick und sah Orpheu aus klaren hellen Augen an. Er wusste nur zu gut, dass der Elf recht hatte. Fand er nichts außer Tot, würde er noch mehr und noch heftiger davon träumen und hassen, was er zu tun hatte.

"Luca?" Der kleine blaue Drache schaute aus Lucas Hemd und sah zu ihm hoch. "Was hoffst Du eigentlich zu finden?"

"Vielleicht nur einen einzigen Überlebenden," murmelte Luca und wendete sich von Orpheu ab. "Helft mir, Tambren und Goldy, bitte," sagte er leise.

Der kleine blaue Drache kletterte aus Lucas Hemd und auf seine Schulter. Aus der Kapuze des langen Mantels arbeitete sich Goldy hervor, gähnte und streckte sich. Ihre winzigen Rotgoldenen Schuppen raschelten und klapperten leise. "Klar Luca," murmelte sie und ihre kleinen Ärmchen, ihre winzigen Hände, streichelten über seinen Hals.

Hinter sich konnte Luca die Stimmen der Söldner hören, murren und Unwille... Er wusste, dass die Männer wenig von ihm hielten, ihn als schwach ansahen und ihn verachteten.

Luca legte seinen Mantel ab und kletterte die hölzernen Stufen einer Leiter zu einem Plateau hinauf.. Luca hatte keine Ahnung wo er überhaupt in diesem gewaltigen Felsendom anfangen sollte. Es war vielleicht auch völlig gleichgültig, denn letztlich fürchtete er sich vor dem, was er finden würde.

Tambren und Goldy stiegen von seinen Schultern auf und flatterten die gewaltigen Steilwände hinauf.

"Helft Lysander!" befahl Orpheu laut. Für einen Moment hatte Luca fast den Eindruck, einen Hauch von Hoffnung in der Stimme des Söldnerhauptmannes zu hören... aber das war Unsinn. Orpheu kannte keine Hoffnung und sein Herz war kälter als Eis.

Luca bedauerte das bei Orpheu. Er mochte den schwarzen Elfen sehr.

Ewas atemlos erreichte er das Plateau. Er richtete sich auf und lies seine Blicke über die Wände gleiten, die Alkoven und die winzigen Räume, die man mit schweren eisenbeschlagenen Holzgittern verschlossen hatte. Seine Augen durchdrangen nur wenig der Dunkelheit hier oben. Er musste weiter hinein gehen, um besser sehen zu können... Der allgegenwärtige Gestank nach Verwesung und Exkrementen, Schweiß und Blut war erstickend stark hier oben... und diese Wärme...

Die Luft war so dick und dicht, dass sie seine Haut fast wie Sirup umspülte.

Nach wenigen Schritten blieb er dicht vor einem der Gitter stehen, ein abgedeckter Alkoven, rechts von ihm. In den Gittern hingen Leichen, verwesende Leichen, aufgedunsen... Er sah, dass auch so schon der Raum überfüllt war, als die Männer hier drinnen noch lebten, nur jetzt war das eine Wand aus Leichen. Luca senkte den Blick und schüttelte hilflos den Kopf. Behutsam versuchte er, die verkrampften Finger eines Toten von dem Gitter zu lösen, damit sie später die Leichen hier herausbringen konnten, um sie zu bestatten.

Plötzlich hörte er ein leises Wimmern, ein schmerzlich apathisches Keuchen...

Luca sah erschrocken auf, nun alarmiert.

Er trat näher an das Gitter. Das Stöhnen wiederholte sich. Nun drehte sich der Magier um und schrie nach unten: "Orpheu!!! Hier oben lebt noch jemand!!!"

Der Elf stand im Licht des Fackelscheins und sah zu ihm hinauf. Seine schwarze Rüstung schimmerte matt. Er nickte knapp...

"Hier sind noch mehr überlebende, aber sie sind alle bereits ohne Bewusstsein und ein paar sind dazu noch krank..." Auf einer der Hängebrücken stand Berou, einer der Männer des Söldnerführers. Orpheu neigte den kopf und lächelte.

"Durchsucht alles hier! Ich will, dass jeder Überlebende hier herunter gebracht wird."

Luca nickte freudig. "Ja, Orpheu!"

Der Auftrag dürfte damit zwar gestorben sein, aber es ist gut so, dachte er bei sich.

Mit schnellen Schritten ging er zurück und sah sich das Gitter etwas genauer an. Er konnte nicht mit seinem Schwert darauf einhacken. Die Gefahr, einen der Toten zu treffen, vielleicht sogar einen Lebenden war einfach zu groß.

Das Gitter besaß irgendwo einen Hebemechanismus, denn es gab weder eine Türe darin noch eine Klappe...

Das stöhnen wurde lauter, mehrstimmig.

Luca sah sich nervös um, fand aber nichts. Hier gab es einfach keinen offensichtlichen Mechanismus!

"Verdammt," flüsterte er. Dann hob er beide Hände und begann Symbole in die Luft zu malen und verwob mit seiner Stimme Magie hinein. Alte Worte, unheimlich und düster. Er war sich nicht sicher, dass dieser Zauber besonders gut war. Aber es war sicherer, das Gitter einfach aufzulösen, verschwinden zu lassen, als alles andere.

Luca flüsterte die Formel, band all seine Macht und seine Hoffnungen hinein... Dann stieß er seine Hände nach vorne und ein grauer, dunstiger Strahl Energie verließ seine Finger.

Das Gitter begann sich aufzulösen...

Luca atmete auf und senkte die Lider. Er hatte niemanden getroffen, nur den Rahmen der Gitterstäbe, wie geplant. Hätte er falsch gezielt... Er machte sich lieber keine konkrete Vorstellung dessen.

Die Leichen, wo sie nun keinen Halt mehr hatten, fielen Luca vor die Füße. Der junge Mann schauderte, begann aber vorsichtig die toten, schwammigen Körper zur Seite zu heben, damit er besser hinein konnte.

In Sekunden keuchte er vor Anstrengung und zog sich seine Weste und sein Hemd aus. Er zitterte vor Anstrengung. Nur aufgeben wollte er nicht. "Ich hole Euch hier heraus!!! Das verspreche ich Euch!!!"

Er machte nach und nach den Weg frei, über eine Stunde arbeitete er, ohne Pause, bis sein gesamter, feingliedriger, schmaler Körper vor Schmerzen brannte... Aber er gönnte sich keine Pause mehr. Letztlich hatte er einen Gang freigelegt, über den er nach hinten durchgehen konnte, an das andere Ende der Zelle, in dessen Wand eine niedrige Holztüre saß... Das also war es. Mann wollte die Lebenden sterben lassen, indem man die Toten wie eine Wand vor ihnen aufbaute...

Luca Wischte sich schmutz und Schweiß an seinem Hemd ab und zog es wieder über den Kopf, bevor er in die Zelle hinein ging und auf die Türe zutrat. Davor blieb er stehen.

"Wie viel seid ihr?" fragte er leise...Stöhnen antwortete ihm.

Luca wollte nun nicht mehr länger zögern. Er hielt sich nicht länger mit dem komplizierten Schlossmechanismus auf, sondern sprengte ihn einfach mit seiner Magie.

Luca schob die Türe auf und prallte im ersten Moment zurück. So menschenunwürdig konnte man niemanden unterbringen...!Dürre Leiber, schmutzig und pockennarbig, mit offenen Wunden, die der Wundbrand langsam abtötete... Fast 20 Männer saßen da, auf engstem Raum, zugewucherte Gesichter, halb wahnsinnige Augen, gemartert und gefoltert...Aber kein einziger von ihnen hatte eine Bedeutung für Luca, bis auf einen unter ihnen... Ein bleiches, zusammengekauertes Bündel, schön wie der Mond selbst und doch gequälter und geschändeter als jeder andere hier. Er kauerte an der Rückwand, beide Arme um die Knie und die Schultern geschlungen, umflutet von verschmutzten silbernen Wellen... und unter dem zerzausten Pony blickten stumpfe, smaragdgrüne Augen, Katzenaugen... Im ersten Moment glaubte Luca, der Elf würde ihn anstarren... Freude und Schrecken kämpften in ihm... Aber die Freude, ihn, Lucas einzige, große Liebe gefunden zu haben gewann... Bis Luca realisierte, dass diese Augen nirgendwohin starrten, nur ins Leere.

Luca stürzte auf den Elfen zu, wollte ihn umarmen, ihn an sich drücken, ihn wecken... Aber nichts davon tat er. Er verharrte reglos vor ihm, kniete dann nach Minuten nieder und sah ihn lange zeit an. Ohnmächtige Wut erwachte in ihm und ein unsäglich tiefer Schmerz...

Wortlos nahm er die Hände des Elfen, wollte sie lösen, sie halten... Der Kehle des jungen Elfen entrang sich ein entsetzliches Geräusch, eine Art Schrei und seine Hände, seine zersplitterten Fingernägel bohrte sich mit unsäglicher Gewalt in sein eigenes Fleisch. Er verkrampfte sich, schrie wieder und begann sich ruckhaft, mit der gleichen Gewalt, seine oberarme zu zerfleischen. Luca ließ den Elfen los, als habe er sich an glühendem Eisen verbrannt...

"Nicht...," flüsterte Luca hilflos. "Bitte nicht, tu dir das nicht an..." Er schüttelte entsetzt den Kopf und ihm wurde klar, dass man den Willen du den Stolz des Elfen nicht hatte brechen können, aber seinen Geist. Wenigstens hatte sich sein Verstand soweit hinter Schmerz und Irrsinn verborgen, dass es fast unmöglich war, ihn daraus zu befreien. "Ich verspreche Dir, dich nie wieder zu berühren, wenn du nur aufhörst damit..." wisperte er tonlos. In der Sekunde, in der er die Worte aussprach, war er sich sicher dieses Versprechen nicht halten zu können, wollte er nicht selbst wahnsinnig werden.

Der Elf hörte nicht auf. Im Gegenteil, es wurde schlimmer.

Luca ergriff seine Hände und hielt sie fest. Der Elf wehrte sich mit roher Gewalt gegen Luca, keuchte, krächzte, es war ein Ringkampf, den Luca einfach nicht gewinnen konnte... Aber Luca ließ ihn keine Sekunde los. "Hör auf!" schrie er den Elfen an. Tränen schimmerten in seinen Augen. "Bitte hör doch auf, bitte..."

Etwas in den Augen des Elfen änderte sich. Er wehrte sich noch ein paar Sekunden lang, aber nur noch halbherzig... Dann erschlaffte er in Lucas Armen und sank gegen seine Brust. Speichel und Tränen durchweichten Lucas Hemd. Er war nun nichts anderes als eine Marionette, aber eine dessen Dämonen seine Seele zermaterten und den wachen, klaren Teil seiner selbst zerbrechen wollten.

Luca schlang beide Arme um ihn und schloss seine Lider. Tränen rannen darunter hervor, über seine Wangen... zugleich begann Luca ihn mit seiner eigenen Lebensenergie zu versorgen, Lebenskraft, die allein durch seine Berührungen in den gemarterten Körper des Elfen floss. Während er das tat, schlief der silberhaarige Elf in seinen Armen ein... Für sehr lange Zeit...

Der Weg zurück

Der Weg zurück nach Valvermont, in die Freistadt, gestaltete sich als recht Problematisch zusammen mit all den Verwundeten und Kranken. Die schlimmsten Fälle wurden zu zweit oder zu dritt auf die Pferde der Söldner gesetzt, gebunden... Einer von Orpheus Männern hatte Tragen aus herausgebrochenen Holzgittern gebaut, die sie an die Pferde banden, oder auf ihren Schultern mit sich trugen...

Die Packpferde wurden weitgehend entlastet und das Wichtigste an die Rucksäcke und Satteltaschen gebunden. Unnötiger Ballast wurde zurückgelassen. Selbst dann noch waren es zu viel... Der einzige, der noch selbst ritt, war Luca, und auch nur deshalb, weil der junge Elf bewusstlos vor ihm im Sattel saß...

Nach ein paar Tagen, am Ende eines viel zu langen Tages rasteten sie in einer alten Bugruine Während sie ihr Lager aufbauten, trat Orpheu an Luca heran, der sich um die Verwundeten kümmerte.

Die Sonne, verdeckt von grauen Wolken, versank hinter den Mauerresten du verfärbte die Schatten rötlich grau. Die Wolkenfetzen erhielten einen seltsamen, irrealen, alptraumhaften Schimmer...

"Lysander?"

Der Magier sah von seinem Patienten auf und sah Orpheu fragend an.

"Ich mag es zwar nicht, Dich darum zu bitten, aber... wäre es möglich, dass du ebenfalls läufst?" in Orpheus Gesicht arbeitete es nervös.

"Sicher," antwortete Luca schlicht und beendete seine Arbeit.

"Ich meine..."

Luca sah zu Orpheu auf und schüttelte lächelnd den Kopf. "Rechtfertige Dich nicht. Dazu gibt es keinen Grund."

Er krempelte sich die Ärmel herab und stand auf. "Ich will sehn, ob ich noch Wasser im Burghof finde... Wenn ich nicht irre ist da ein Brunnenschacht gewesen. Ich brauche Wasser um die Männer zu waschen und..."

"Du bist irre, wenn du glaubst, das allein zu schaffen. Das sind fast 200 Männer!"

Luca hob lächelnd die Schultern. "Hier habe ich die Chance dazu, Orpheu. Und einige von ihnen haben heftig verschmutzte Wunden... Sie werden sterben, wenn ich nichts daran ändere, oder wenigstens Arme oder Beine verlieren. Einige von ihnen haben Krankheiten, Seuchen..."

"Das wird die Nacht über an Zeit brauchen, wenn wir das zusammen machen."

Luca lächelte. "Danke, Orpheu."
 

Eine Stunde vor Sonnenaufgang gab Luca es vorerst auf. Orpheu lag bei einem der Kranken und schlief friedlich... Luca deckte ihn zu, kniete neben ihm nieder und lächelte. "Vielen Dank, Hauptmann."

Orpheu grunzte etwas und drehte sich auf die andere Seite. Mit einem breiten grinsen stand Luca auf und ging zu seinem eigenen Lager und seinem silberhaarigen Elfen zurück...

Der junge Mann lag noch immer wie Bewusstlos da. Luca wusste, dass er wach war und vermutlich sogar etwas mitbekam, aber er wollte einfach nicht reagieren. Manchmal erschien es Luca, als sei der Elf in einem ewigen Tagtraum gefangen, einem Alptraum, der kein Anfang und kein Ende kannte, der einfach ein Endlosschleife, ein Möbius-Band war...

Wie an jedem der Tage hatte Luca ihn zuerst verbunden und ihn so behutsam wie möglich gereinigt. Er wusste nicht, wie er ihn dazu bringen sollte, zu essen, oder zu trinken. Sobald der Elf etwas Wasser bekam, würgte er es wieder hoch... an Nahrung war nicht zu denken. Schließlich kaute er es dem Elfen sogar vor und machte Breie aus Obst, dass er zerkleinerte und mit Wasser versetzte und ich gab... Von all den Männern hier, ging es dem Elfen am schlimmsten. Nachdem Luca ihn zum ersten Mal gereinigt hatte, ihn verband, wusste er, was man ihm angetan hatte. Die Wunden und Narben waren Rückstände von Folter. Narben, die teilweise seit Monaten seine Arme, Hände, Füße und seine Brust verunzierten... Glatte Stiche, quer durch die Hände, Stiche mit Stiletten in die Seiten seines Körpers, Schnitte, Peitschenhiebe über seine Brust...

Luca setzte sich neben ihn. Unwillkürlich begann er den Nacken des Elfen zu streicheln und seine Schultern. Tambren und Goldy krochen zu ihm und kuschelten sich an. "Und?" fragte er leise, besorgt.

"Er schläft," antwortete Goldy leise. "Immer schläft er nur."

"Er hat Dein Essen diesmal irgendwie drin behalten, Luca, aber es geht ihm so schlecht. Heil ihn doch weiter..." bettelte Tambren leise.

Luca nickte "Gib mir nur ein paar Minuten Pause, Tambren. Mir ist schwindelig."

"Wie viel von Deinem Leben hast Du schon an andere abgegeben, Luca?"

Der Magier zuckte die schultern. "Ist egal, mein Kleiner."

"Nein," knurrte der kleine Drache. "Sicher nicht."

Luca schüttelte wieder den Kopf. "Tambren, er ist das einzig wichtige in meinem Leben. Für ihn halte ich das aus."

"Was hast Du vor? Wie willst du ihm helfen, wenn Orpheu Dich morgen nicht mehr reiten lässt?"

"Ich trage ihn," antwortete Luca leise.

"Das hältst Du nie durch."

Luca verkniff sich darauf jede antwort. Er wollte es wenigstens versuchen. Wortlos lies er sich auf seinen Decken nieder und schloss den Elfen in seine Arme.

Wenn ich Dir doch nur helfen könnte, dachte er. Wenn ich dich doch nur heilen könnte, all Deinen Schmerzen in mir aufnehmen und vor dir versiegeln könnte...

So halte ich dich einzig in meinem Arm, doch du weißt nicht einmal, dass ich da bin, geschweige, dass ich dich liebe...

Für einen winzigen Moment zuckte der Elf in seinen Armen, regte sich, verfiel aber dann wieder in seine Katatonie.

Lucas Augen weiteten sich, erwartungsvoll, hoffend, doch schließlich änderte sich gar nichts. Er zog den Elfen enger an sich und deckte ihn gründlich zu. Erschöpft und müde lehnte Luca seine Stirn gegen die des Elfen. Er schloss die Augen. Die trockene, heiße Haut des Elfen machte ihm Angst. "Ich lasse dich nicht gehen. Ich will nicht, dass Du stirbst!"

Das Gefühl begann sich in Luca zu manifestieren und die Angst, dass sein schöner Elf sterben könnte, erstickte ihn. Fast schon Automatisch strichen seine Hände über die Arme und die Brust des Elfen. Wortlos wob er den Zauber, der tief in ihm ruhte, mit mehr Angst und Inbrunst als je zuvor... Vielleicht war es das, was den Zauber etwas verstärkte, aber Luca spürte, wie mehr seiner Lebenskraft aus ihm heraus und in den Jungen hineinfloss... Er hörte erst auf, als er am ganzen Körper vor Schwäche zitterte. Auch wenn es ihm nun schlecht ging, so war er doch erleichtert und glücklich. Er spürte, dass der Elf nun wesentlich ruhiger atmete, auch wenn er immer noch in seinen Alpträumen gefangen war. Die Pupillen unter seien Lidern bewegten sich so hektisch und schnell... Luca sah ihn an. "Warum kann ich dich nur nicht vor Deinen Träumen beschützen...?"

Er blickte matt zu dem Elfen. "Ich möchte Dir so gerne schöne Träume schenken..."

Noch während er den Gedanken aussprach, schlief auch er ein...
 

Im Laufe des folgenden Morgens bekam Luca mit, wie schwer ein bewusstloser Körper sein konnte... Trotz Magie, die Luca stärker werden ließ. Aber er war nicht der einzige der einen Anderen trug oder stützte. Und ausnahmsweise kam ihm diesmal seine Verbissenheit zu gute.

Er lief den ganzen Tag, zwar ziemlich am Ende des Zuges, aber er hielt bis zum Abend durch. Die beiden kleinen Drachen flogen immer Dicht bei ihm...

Kurz bevor sie rasteten, kam Orpheu zu ihm.

"Ich hätte nicht angenommen, dass Du auch nur bis zum Mittag durchhältst, Lysander..."

Schweigend ging Luca neben dem schwarzhäutigen Elfen her, schleppend...

Ihm fehlte die Kraft zu reden. So erschöpft wie er war, mit nur einer Stunde Schlaf, erschien es sogar für ihn wie ein Wunder, noch nicht zusammengebrochen zu sein. Aber er war sich auch ziemlich sicher, würde er Rast machen, er im Anschluss keinen Schritt mehr weiterlaufen konnte. Schon jetzt zitterte er so stark, und seine Muskeln fühlten sich so hart und verkrampft an, dass er bezweifelte, Morgen viel mehr als ein unnützer Klumpen Fleisches zu sein.

Er lief mit halbgeschlossenen Augen neben Orpheu, bis dieser den gesamten Zug mit einem lauten Pfiff durch die Zähne stoppte und mit einem Handzeichen zur Rast aufrief.

Luca sah sich kurz um. Es war ein Felsplateau, das an zwei Seiten Windgeschützt war. Mit einer natürlichen, recht großen Höhle, die sie auch vor Regen schützten konnte. Luca lehnte sich an die Felswand und sank daran herab. Selbst jetzt noch hielt er den jungen Elfen an sich gedrückt.

Er schloss die Augen, eigentlich nur für ein paar Augenblicke, doch kaum hatte er sich ein wenig entspannt, schlief er auch schon tief und fest.
 

Kurz vor der Morgendämmerung erwachte er. Um ihn herum und dicht bei ihm lagen und lehnten unzählige Männer und schliefen. Fünf Wachen konnte er entdecken, einer davon war Berou... Er lehnte noch immer an der Felswand. Halb in seinem Schoss und halb an seine Brust gelehnt lag der Elf. Er hatte Alpträume, wie eigentlich ständig. Behutsam streckte Luca sich, wobei er darauf achtete, dass sein Silberhaariger Freund nicht von ihm fortglitt, gähnte und nahm den jungen Elfen wieder in die Arme, zärtlich, liebevoll... mit jedem Tag, den er diesen jungen Mann sah, seine Nähe fühlte und sich um ihn kümmern dürfte, würde seine Liebe zu ihm stärker...

"Wie kann ich Dir nur deine Träume versüßen?" Zärtlich küsste er die Wange des jungen Mannes.

In seinem Hemd bewegten sich seine zwei Drachen.

Aber nur Tambren erwachte. Goldy schlief weiter.

"Luca...?" Luca erkannte seinen eigenen Namen kaum, denn der kleine Pseudo-Drache gähnte und schmatzte dabei. "Geht es weiter?"

"Nein, mein Kleiner," antwortete Luca leise. "Schlaf ruhig noch. Der Tag wird wieder anstrengend."

Tambren begann sich aus Lucas Hemd hervorzuarbeiten. "Was denn, willst du dir das etwa wieder antun? Willst du Schwächling den Jungen tragen?"

Behutsam stubbste Luca die Nase des Drachen an. "Sei still, Tambren... Sei froh, dass ich so gutmütig bin. Jeder andere Meister hätte dich schon aus seinen Augen verbannt..."

"Kaum," giftete Tambren. "Ich bin dein Vertrauter, mich kannst Du nicht abschieben, Luca."

Über Lucas Lippen huschte ein Lächeln. "Ach, wirklich?"

Tambren blinzelte und nickte dann heftig, während er sich gegen Lucas Hals drängte.

"Du bist nicht halb so aggressiv, wie du immer tust."

Tambren schnappte wie zur Antwort nach Lucas Nasenspitze, ohne ihn jedoch zu treffen.

Auch über sein Gesichtchen huschte etwas wie ein Lächeln.

Er hatte Luca nie gesagt, dass er ihn sehr liebte, aber das wusste der Magier auch so. Luca kraulte ihm recht lange das Köpfchen. "Wovon träumt er?" fragte Luca Tambren.

Der Drache hob ein Augenlid und sah ihn aus diesem goldenen Auge nachdenklich, besorgt sogar, an.

"Das willst Du gar nicht wissen, Luca, glaub es mir..."

"Doch," flüsterte der Magier eindringlich. "Ich muss es wissen, Tambren."

"Nein Luca, ich weiß, wie sehr du dich schon jetzt um ihn sorgst. Du würdest es ihm und dir noch schwerer machen. Es ist erst einmal besser..."

"Schon gut," Flüstert Luca. "Das soll er mir eines Tages von sich aus sagen..."

"Du meinst, falls er je wieder zu sich kommt..."

Luca deutete ein nicken an. "Ich weiß." Er deutete auf seinen Mantel. "Da, in der Innentasche sind noch trockene Früchte. Nimm dir und Goldy welche und gib mir eine oder Zwei für ihn."

"Meinst Du er behält so was ei sich?"

Luca deutete ein Schulterzucken an, lächelte aber zuversichtlich. "Ich bin mir sicher..."

Tambren befreite sich ganz aus dem Schnürhemd und dem Wust pechschwarzen Haars, dass wie ein Mantel um Luca und den Elfen weit hin über den Boden flutete...

Brav holte er aus dem Innenstoff des Mantels ein paar Trockenfrüchte, mampfte aber erst selbst welche, bevor er eine in Lucas Hand legte.

"Danke Dir, kleiner Gierschlund," lächelte der junge Mann. Er hob die Frucht an die Lippen und biss davon ab. Er vermutete, dass das geschwefelte, getrocknete Ding wohl mal eine Pflaume war, aber beschwören konnte er es nicht mehr. Es schmeckte ja nicht mal mehr danach. Dennoch zerkaute er den Bissen so gut es ging, nahm den Elfen behutsam hoch, öffnete seinen Mund und legte seine Lippen über die des Jungen. Vorsichtig schob er ihm die Frucht mit der Zunge in den Mund, zog sich sofort zurück und nahm seinen Wasserschlauch auf. Er träufelte ihm Wasser in den Mund, legte dann den Kopf des Elfen soweit zurück, dass der Junge schlucken musste.

"Siehst Du, es klappt," lächelte Luca.

"Ich glaube nicht, dass es ihm gefiele zu sehn, wie du ihn fütterst, Luca," murmelte Tambren.

Während Luca ein weiteres Stück der Trockenfrucht zerkaute, zuckte er die Schultern.

Er gab es dem Elfen auf die selbe Art und Weise... Das Procedere setzte er noch eine Weile fort. Irgendwann lächelte er sanft. "So verhungert er nicht."

Er blinzelte Tambren fröhlich zu. "Ich will dass er lebt, um schönere Tage zu erleben als die vergangenen... Ich will ihn sicher und behütet wissen und ihn selbst glücklich machen."

Tambren schwieg darauf hin und verkroch sich wieder. "Wecke mich, wenn es weitergeht, Luca," murmelte er nach mehreren Sekunden.

Luca schüttelte lächelnd den Kopf. "Wie du willst," murmelte er und konzentrierte sich wieder nur auf den jungen, zerbrechlichen Elfen in seinen Armen. Behutsam streichelte Luca den Jungen und wiegte ihn in seinen Armen.

"Was erhoffst Du Dir eigentlich von ihm, Lysander?"

Der Magier zuckte zusammen, als er Orpheus Stimme erkannte. Er fühlte sich für einen Moment fast ertappt, erschrocken und zugleich war ihm völlig egal, was ein anderer von ihm dachte.

"Es ist recht auffällig, wie sehr Du Dich nur um ihn bemühst."

Nach einer Sekunde hob Luca den Blick und versuchte, den dunklen Elfen in der Finsternis zu erkennen.

"Ich kenne ihn, deshalb..."

"Ich habe durchaus mitbekommen, dass Du nur was mit Männern anfangen kannst." Orpheu kroch ein wenig näher und lehnte sich mit den Rücken gegen die Felswand. Er saß nun direkt neben Luca und schloss die Augen. Sein Kopf sank gegen die Wand.

Das lange, schwarze Haar raschelte etwas, die dünnen Zöpfe, zu denen er sein Haar gebunden hatte und die winzigen Perlen aus Halb-Edelsteinen und Holz, schlugen gegeneinander.

"Ja, ich bin pervers und bevorzuge Männern," sagte Luca böse. "Und? Habe ich bisher versucht, dich ins Bett zu ziehen?"

Orpheu schüttelte den Kopf und sah ihn dann von der Seite her an. "Ich denke, ich falle nicht in das Idealbild, dass Du hast." Er lächelte plötzlich und entblößte perlend weiße, angespitzte Zähne. Normal für Kriegerprinzen aus Kalesh, wie ihn... "Mich würde es auch nicht stören, würdest Du es. Ich mag dich irgendwie sehr gerne und mir fällt es oft schwer zu akzeptieren, dass Du ein Mann bist. Du siehst sehr weiblich aus und das irritiert die meisten meiner Männer... zugegeben, mich am Anfang auch. Aber ich habe schon erkannt, dass du etwas besonderes bist..." Er beobachtete Luca, seine Mimik, wie seine Worte auf den Magier wirkten. Luca sah ihn eine ganze Zeit auf undefinierbare Weise an.

"Ich bin nichts besondere. Ich liebe ihn, das ist alles," sagte es sehr leise. "Ich würde alles für ihn tun, Orpheu."

Der schwarze Elf nickte. "Das habe ich mir bereits gedacht..."

"Bitte, sag' ihm nie was davon, wenn er überhaupt je wieder zu sich kommt. Ich will nicht, dass er sich von mir bedrängt fühlt oder sich in irgendeiner Verpflichtung sieht." Lucas Stimme klang gedämpft.

"Dann musst Du ihm das irgendwann mal sagen."

Luca schüttelte den Kopf. "Nein. Ich erinnere mich, als wir uns das erste mal sahen, bei Justin D'Arc, im Labyrinth..." er machte eine kurze Pause. "Er ist, glaube ich, jemand, der es nicht mag, wenn andere ihm helfen. Er will alles selbst erreichen und nicht auf andere angewiesen sein. Wenn er davon wüsste, wäre es ihm sicher Peinlich und nicht recht. Ich glaube, er ist sehr stolz und das schlimmste, was man einem solchen Mann antun kann wäre..."

"Wo ist Dein Stolz?" fragte Orpheu leise. "Hast Du so etwas überhaupt?"

Lucas Blick glitt über das blasse Elfengesicht und das silberne Haar. Er antwortete lange nicht, überlegte sich seine Worte. "Ich glaube, Stolz ist etwas, dass man sich erlauben kann, hat man ein reines Gewissen, und existiert etwas, worauf man stolz sein kann. Der letzte Krieg hat mir all meinen Stolz genommen, der mal existent war. Ich habe getötet, wahllos, ohne meinen Gegner zu kennen und über ihn irgendetwas zu wissen. Ich bin daran Schuld, dass Väter und Mütter tot sind... Ich bin nicht wie Du. Mein Stolz liegt nicht darin ein berühmter, umjubelter Krieger zu sein, mit Macht und Ehre und dieser unglaublichen, kalten Stärke im Inneren. Mein Leben war zu studieren, in staubigen Bibliotheken zu sitzen und zu lernen, zu malen und zu dichten. Das ist schwach, aber mein Stolz war es, wenigstens darin unschuldig zu sein. Das ist nicht mehr. Ich kann mir einiges in diesem Krieg nicht verzeihen..."

"Warum bist du dann in diesem Krieg dabei gewesen..."

"Der Orden hat mich dahin entsandt."

"Und warum bist Du einem Maierorden beigetreten, der so offensiv ist wie der Deine? Ihr seid Söldnermagier. Damit musstest Du rechnen..."

Luca lächelte plötzlich. "Ich hatte keine Wahl. Mein Vater gab mich als Kind in den Orden. Ich war 9 Jahre alt damals."

Nun schwieg Orpheu. Er sah lange Zeit zwischen Luca und dem silberhaarigen Elfen hin und her. "Diese Art von Leben wird dich irgendwann umbringen, Lysander. Du bist zu weich und zu sanft dafür. Tu dir das nicht an. Tritt aus dm Orden aus."

Luca schüttelte den Kopf. "Dann waren die letzten 21 Jahre verschenkte Zeit, Orpheu... Ich verliere ale Macht, trete ich aus dem Orden aus. Und es gibt nichts, wo ich hingehöre. Ich habe kein Heim und niemanden, der mich braucht oder auf mich wartet."

"Vielleicht irgendwann ihn," sagte Orpheu leise und stand auf. "Für ihn solltest Du es vielleicht tun. Würdest du das nicht gerne, einfach als Künstler an seiner Seite sein?"

Luca lächelte still in sich hinein. Er begann sich seine Zukunft auf dieses Art auszumalen und drückte den silberhaarigen Elfen enger an sich. Eine Zukunft, in der sie zusammen außerhalb von Valvermont lebten, auf dem Land, fern ab des Labyrinthes und der Menschen und Ihads, Justins und des Stadt-Prinzen Mesalla... Nur zusammen. Er würde nur malen und zeichnen und dichten, inspiriert von diesem wunderschönen, zerbrechlichen Geschöpf... Gemeinsam... Die Tage würde er nutzen, ihn zu malen und die Nächte ihn zu umwerben und zu lieben... Ein Traum, unerfüllbar, schon weil sie Geld verdienen mussten und Luca letztlich Magier war, mit Leib und Seele und dem Wissen eines Mannes, der nicht erst 30 Jahre alt war. Er konnte seinem Schicksal und seinem Großmeister Ihad nicht entgehen. Und zudem hatte Luca zwei kleine Kinder, seinen Sohn Kiél und seine Tochter Sybilla... und er liebte sie beide sehr und vermisste sie einfach nur furchtbar.

Dennoch nickte er, aber Orpheu war schon lange nicht mehr in seiner Nähe.

Es ist ja nur ein wunderschöner Traum, dachte er. Es würde ohnehin nie wahr werden.

Luca lehnte sich wieder gegen die Wand und schloss die Augen. Aber er konnte nicht mehr schlafen. Der Elf in seinen Armen bewegte sich wieder. Er träumte... Seine Alpträume erstickten ihn fast. "Was geht nur in Dir vor sich, mein Engel?" flüsterte er und streichelte sein Gesicht, seine Wangen und sein Haar. "Wie kann ich Dir nur helfen?" Er ergriff die Hand des Elfen und hielt sie fest.

"Du bist mir das wichtigste auf der Welt."

Der Elf bäumte sich in Lucas Armen auf...! "Was...?" Luca hob die Lider und sah den Elfen erschrocken an. Der Elf warf sich in seinem Arm hin und her. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Plötzlich begannen seine Lider zu flackern. Er zitterte, schien zu frieren und seine Zähne knirschten aufeinander... Luca glaubte leise einen Namen zu hören, Lia... oder Lea... Er zog den jungen Mann an sich und drückte ihn an sich.

"Du bist nicht allein, mein Freund!" Er umarmte ihn so fest er konnte. "Du bist bei mir, sicher. Ich wache über dich und bin da, bleibe bei Dir und lasse dich nicht mehr los."

Luca spürte plötzlich, dass ihm Tränen über die Wangen liefen und er immer mehr Angst um den Jungen bekam. Genauso plötzlich wurde er ruhiger und schlief dann wieder friedfertiger. Er hatte sich gefangen. Seine Träume verliefen wieder in einer ruhigen Bahn.

Luca wagte keine Sekunde lang mehr, ihn loszulassen. Er wollte ihn mit aller macht beschützen. Und vielleicht war das der einzige Grund, warum sich der Junge beruhigte. Behutsam zog Luca ihn wieder an sich und küsste sanft seine Lider, seine Stirn und schließlich seine Hand.

Er konnte spüren, dass der Junge wieder sehr viel tiefer schlief. "Gut, mein Engel. "Gut..."

Nach einer Weile entspannte auch er sich wieder etwas und wickelte sich und seinen schönen Elfen-Freund in seinen Mantel ein.

Wenige Minuten später schliefen sie beide wieder.

Qual

Den zweiten Tag verkraftete Luca sehr viel weniger gut, als den ersten, an dem er den Elfen Trug. Seine Muskeln fühlten sich verkrampft an, verhärtet und schmerzten in jeder Sekunde. Aber er wollte nicht aufgeben, schon nicht wegen des bewusstlosen Elfen. Für Luca war überhaupt nur noch der Junge in seinem Arm von Bedeutung. Er lief den Tag hindurch, bis irgendwann seine Arme und Beine nicht mal mehr schmerzten, sondern einfach nur noch taub waren und sein Geist seinen Schritten folgte, ohne zu verstehen, was um ihn geschah.

Er realisierte nicht einmal mehr, dass sie die aus den kargen Felsen in die tiefer gelegenen Bergwälder herab gestiegen waren... Am Ende des Tages brach er einfach nur an dem Platz zusammen, an dem er stand und schlief, halb über dem jungen Elfen liegend, ein.

Orpheus Stimme drang wenig später in seinen Geist.

"Lysander...?"

Der Magier hob unendlich erschöpft den Kopf und blinzelte ihn an. "Was...?" Orpheu hockte eben ihm und hielt eine Schale Hirsebrei hin.

"Hier, iss das, Magier."

Luca deutete ein Kopfschütteln an.

"Du musst essen, Lysander," murmelte Orpheu. "Sonst krepierst du mir noch weit vor der Stadt. Du tust zuviel und bist unterernährt."

Luca setzte sich nun doch auf und nahm den Elfen wieder in die Arme. "Danke Orpheu."

Der Kriegerprinz nickte lächelnd und strich Luca kurz und vermutlich ungewollt über die Haare. "Ich habe Dir Dein Lager bereitet. Iss nun und lege Dich schlafen."

Luca nickte. Orpheu stand auf. "Iss bitte wirklich mal auf."

"Ja," murmelte Luca und begann den grauen Brei aus der Holzschüssel zu löffeln. Das Zeug schmeckte nicht nur nicht, sondern kam im Geschmack an die ekelhafte Farbe heran...

Nach ein paar Bissen wurde ihm sogar schlecht. Er sah den Elfen an. "Da musst Du nun auch durch," murmelte er.

Tambren krabbelte aus Lucas Hemd, gefolgt von Goldy. "Das kannst du dem Jungen nicht antun..."

Luca lächelte. "Es wird ihm anders schmecken, glaube mir. Ich bin immer noch ein Magier. Hoffentlich mag er Obst."

Luca murmelte einen Zauber und machte eine Handbewegung. "Hmmmmm... riecht nach Apfel," murmelte Tambren gierig... "Nehmt euch, meine Kleinen... ich füttere ihn mit dem Rest."

Die beiden Drachen ließen sich nicht zweimal bitten. Sie begannen zu fressen.

"Das kannst du gern öfter machen, murmelte Goldy mit vollem Mund.

Luca nahm sich etwas auf den Löffel und gab es dem Jungen. Wie bisher immer träufelte er Wasser in seien Mund. Aber diesmal verschluckte sich der Junge... Krampfhaft hustete er du würgte, ohne allerdings zu erwachen.

Erschrocken klopfte Luca ihm auf die Brust. "Entspanne Dich..."

Tambren sah ihn an. "Die Körner waren zu groß." Luca nickte.

Er nahm den nächsten Löffel in den Mund und kaute die kleinen Körnchen durch. Dann erst öffnete er den Mund des Jungen und legte seine Lippen über die des Jungen, schob ihm den Brei in den Mund und spülte mit Wasser nach. Diesmal funktionierte sein Plan wieder.

Lächelnd sah er den Jungen an. "Scheint so, als müsse ich dich täglich so füttern. Mich stört es nicht... Im Gegenteil." Ich wünschte mir nur, führte er gedanklich fort, dass du mich immer so dringend brauchen würdest wie jetzt.

Nach und nach fütterte er dem Jungen seinen gesamten Brei an den Jungen. Danach kuschelte er sich in seine Decken, den Jungen in seinen Armen und die beiden Drachen dicht bei sich.

Kaum dass er lag, schlief er bereits fest.
 

Wie jede Nacht verging auch diese friedlich, ohne dass das Söldnerheer angegriffen wurde... Und der junge Elf erlebte wieder seine schlimmsten Alpträume. Luca erwachte sofort davon und setzte sich auf. Still umklammerte er ihn mit seinen Armen und wiegte ihn wie ein kleines Kind. Beruhigend streichelte er über seinen Kopf und flüsterte beruhigende Worte... Summte ein altes Wiegenlied aus seiner Heimat...

Nur ganz langsam ließ sich der Elf beruhigen. Schließlich bettete Luca ihn so sicher und gut er konnte in seinen rauen Wolldecke und wickelte ihn zusätzlich in sein Mantel ein. Lange betrachtete er den schönen, jungen Mann... Diese ebenmäßigen Züge, das sanfte, schmale, zarte Gesicht, die weichen Wangenknochen und das weiche, dennoch energische Kinn... Das alles war so perfekt und stimmig... zudem die gerade, schmale Nase und die sanften, weichen Lippen, dieser wundervolle Mund, der Luca zum Kuss einlud... Er hatte nie bemerkt, wie schön dieser Mann wirklich war... Er erinnerte sich immer nur dieser vorwurfsvollen, verletzten, riesigen, leuchtend grünen Augen, die damals bis zu seiner Seele hinab zu schauen schienen... Luca rief den Augenblick in sich wieder wach, als er den jungen Mann zum ersten mal sah und sich sofort in ihn verliebte...

"Sieh mich wieder so an, so verletzt und traurig und so zerbrechlich... bitte... Bitte, bleib am Leben. Lass mich zu dem werden, was Du am meisten auf der Welt brauchst... Auch wenn du mich nie lieben wirst."

Luca neigte sich über den Elfen und strich seine Haare aus der Stirn. Er betrachtete die weichen, silbrigen brauen, den Schwung dieser hohen Stirn... Plötzlich wurde Luca bewusst, dass er erregt war und seine Lippen sich denen des Elfen näherten...

Luca konnte nicht anders, als ihn zu küssen... Flüchtig, scheu. Es war nicht mehr als eine sanfte Berührung seiner Lippen auf denen des Elfen, ein Hauch... Dennoch... Sein Herz hämmerte schmerzhaft hart in seiner Brust und sein Puls raste. Luca schloss die Augen und ließ sich neben den Elfen sinken.

"Ich bin ein Monster," murmelte er verzweifelt und versuchte die enge in seiner Hose zu verdrängen. Als er wieder aufsah, erkannte er, dass der junge Mann fror. Sofort war Sorge um den Jungen sein primärer Gedanke. Vorsichtig deckte er den Elfen mit allem zu, was er hatte... Schließlich legte er sich wie eine lebende Decke über den Jungen und beobachtete den Elfen lange. Tatsächlich schien ihm langsam warm zu werden... Luca lächelte glücklich...

"Wenn musst du dich ausziehen und zu ihm unter die Decken legen. Er muss auch nackt dazu sein, Lysander." Der Magier sah sich nach Orpheu um. "Eure warmen Körper wärmen einander, und du wirst feststellen, ihr werdet keinen Moment lang mehr frieren..."

Der Blick, der Orpheu streifte, war definitiv tadelnd. "Was glaubst du, wird dann wohl passieren?" fragte er gereizt. "mir fällt es so schon schwer genug, mich zurückzuhalten, um ihn nicht zu küssen... Was glaubst Du, geschieht, wenn ich ihn in meinem Arm halte, nackt?"

Über Orpheus ernstes Gesicht huschte ein Grinsen. Er antwortete nicht, stand nur auf und ging dann...

Erschöpfung

Im Laufe der Nacht begann Luca zu frieren. Es kühlte immer weiter ab, und er ertrug diese Kälte kaum, so leicht bekleidet, wie er nun war. Der Elf schlummerte friedfertig unter ihm, zum ersten mal seit langer Zeit überhaupt schien er keine Alpträume zu haben. Mit einem liebevollen Lächeln auf den Lippen erhob sich Luca und setzte sich nun hinter den Jungen, bettete seinen Kopf in seinen Schoß und begann, ihm durch das lange, silberne Haar zu streicheln. Der Elf schrak zusammen. "Verzeih," murmelte Luca und zog rasch seine Hand wieder zurück...Nun rieb er sich über die Oberarme. Das dünne Hemd und seine Weste schützten ihn nicht vor der Kälte. Er fror ganz erbärmlich im Augenblick...

"Lea..."

Luca sah zu dem jungen Elfen...

"Lea," flüsterte dieser wieder. Schweiß perlte auf seiner Stirn, kalter Schweiß... Seine Pupillen bewegten sich heftig hinter seinen Lidern... Die fein geschwungenen Lippen zitterten. Dann begannen seine Lider zu flattern. "Lea!!!!" schrie er... Sein Körper bog sich durch, spannte sich an, seine Hände verkrampften sich und er riss sie unter den Decken hervor, schien etwas zu halten... Seine Lider flatterten wie bei einem Anfall und Tränen rannen über seine Wangen. Luca griff spontan zu und zog ihn fest in seine Arme. Wiegte ihn, flüsterte beruhigend auf ihn ein...

Das halbe Lager erwachte von dem Aufschrie des Elfen, einige der Männer kamen herbei und andere fragten halblaut was geschehen sei...

Orpheu aber stand als erster bei Luca, drängte die anderen zurück.

"Geht, legt euch wieder hin, es ist alles in Ordnung!" rief er und wehrte seine Männer ab.

Luca sah kurz, dankbar zu ihm auf. Er war froh, in Orpheu einen Freund zu haben, der ihm beistand. Sofort sah er wieder zu dem Elfen. Sein Herz füllte sich mit verzweifelter Angst, als er spürte, wie sich der Junge in seinen Armen aufbäumte und sich gegen ihn wehrte. Dann, plötzlich, brach er zusammen und fiel in Lucas Armen in sich zusammen, scheinbar bewusstlos... Luca lies ihn gegen seine Brust sinken und barg den schönen Kopf in seinen Armen. Nach einigen Sekunden bemerkte er, dass der Junge nicht ohnmächtig war, sondern sich tatsächlich beruhigte... "Mein Armer Freund," flüsterte Luca und streichelte seinen Kopf und seinen Nacken. Es brach ihm fast das Herz, zu sehen, wie schwach und zerbrechlich der junge Elf war, wie zerbrechlich auch sein Wesen und sein Geist... "Lass mich dich vor deinen Alpträumen schützen," flüsterte er. Er dachte wieder an den Namen, den der Elf schrie... Lea... Wer war sie? Wie stand sie zu ihm? Gleich wie, sie musste ihm alles bedeuten oder bedeutet haben... Lea... ein schöner Name, dachte Luca. Zugleich empfand Luca zum ersten Mal tiefe Eifersucht. Aber was sollte er sich darüber Gedanken machen... Wie konnte er überhaupt daran denken? Das einzige was zählte war der Junge in seinen Armen und das Glück, was ihn vielleicht noch erwarten sollte. "Du weinst, Luca..." Luca zuckte zusammen und sah Orpheu an, der neben ihm kniete. Der Söldnerhauptmann strich Luca über das lange Haar und die Wangen. Aus großen Augen sah er Orpheu an, begegnete dem Blick des Halbdrachen mit dankbarer Freundschaft...Fast unbewusst schmiegte er seine Wange in Orpheus Handfläche.

"Mein Gott," flüsterte Orpheu. "Du liebst ihn wirklich..." Er senkte den Blick. "Mein Armer Freund. Er wird dir das Herz brechen, wenn er erwacht. Luca, gib ihm nicht alle deinen Gefühle..."

"Kann ich nicht," entgegnete Luca leise und zog sich ein wenig zurück. "Meine Art ist nur einmal in der Lage zu lieben... Und... Ich liebe ihn. Es ist schon längst zu spät, Orpheu."

"Was machst Du, wenn er stirbt, oder schlimmer, wenn er zu sich kommt und dich von sich stößt...?" fragte Orpheu ernst.

Luca drückte unbewusst den Jungen fester an sich, als wolle er den Elfen in seinen Armen bergen, ihn vor allen Blicken schützen. "Wenn er stirbt, sterbe auch ich, Orpheu. Vielleicht nicht körperlich, nicht sofort, aber ich würde nicht ertragen, ihn zu beerdigen, und genauso wenig würde ich es ertragen das er unglücklich ist. Wenn es ihm gut geht, wenn er glücklich ist, Orpheu, bin ich es auch. Auch wenn ich nie Teil seines Lebens werde."

Orpheu sah Luca noch einige Sekunden lang in die Augen, dann erhob er sich. "Dir ist nicht mehr zu helfen, mein armer Freund."

"Mag sein," flüsterte Luca und schloss Die Augen. Er schlang die Decken wieder um den jungen Elfen und nieste plötzlich... Vorsichtig sah er sich um und stellte erleichtert fest. Dass er keinen anderen geweckt hatte.

Der Elf lag in seinem Arm und schlummerte so friedlich, als hätte er nie einen Alptraum gehabt. "Schlaf ruhig, mein Engel..." Luca küsste die Stirn des Jungen und streichelte ihn wieder. Und tatsächlich fand der Junge die restliche Nacht seinen Frieden in Lucas Armen und an seiner Brust, in der er das ruhige, liebende Herz schlagen hören musste...
 

An diesem Morgen erwachte Luca mit grausamen Rückenschmerzen und sein Schädel tat weh. Er fror und seine Gelenke schmerzten ziemlich, ebenso seine Haut... Das Licht stach in seine Augen und sein Hals fühlte sich wund und rau an. Er nieste. Nun musste er sich eingestehen, dass er sich erkältet hatte. Der Zeitpunkt konnte schlechter nicht sein. Luca seufzte und sah besorgt zu seinem zierlichen Elfenfreund. "Ich bin alles für Dich, nur keine Hilfe. Armer Junge Du... Ich bin ein Idiot..."

"Ist er wach?"

Luca zuckte zusammen und schlug rasch die Augen nieder. "Orpheu... Du?" flüsterte er. Seine Stimme hörte sich grausam an, sehr heiser. "Nein, er ist immer noch nicht zu Bewusstsein gekommen..."

Er fühlte sich aus irgendeinem unerfindlichen Grund ertappt, dabei gab es nichts, was ihm hätte peinlich sein müssen, denn er hielt den Jungen nur im Arm. Er hatte nicht einmal etwas unmoralisches Gedacht. Solche Gedanken lagen ihm ohnehin im Augenblick fern, denn er fühlte sich schlicht elend.

"Luca, Du kannst nicht weiter," sagte Orpheu besorgt. "Du bist..."

Luca erhob sich und lud sich den Jungen wieder auf die Arme. "Es ist alles in Ordnung, Orpheu."

Er ging an Orpheu vorbei und schloss sich den anderen an, die liefen...
 

Am Ende des Tages wusste Luca nicht einmal mehr wie es ihm gelungen war sich mit den schmerzen zu erheben und den Tag hindurch zu laufen, mit der Last des Elfen in seinen Armen. Das einzige, was ihn aufrecht hielt, war das friedvolle Gesicht des Jungen, der schlief und scheinbar im Moment all sein Vertrauen auf ihn, Luca, setzte und ihm sein Leben und sein weiteres Schicksal anvertraute.

Luca schlief während der ersten Rast augenblicklich ein und Orpheu brauchte mehrere Anläufe, ihn aufzuwecken. Wortlos erhob sich der junge Magier, den Elfen fest an sich gepresst... Für einen Moment glaubte Luca, das Bewusstsein zu verlieren, einfach nur ohnmächtig umzufallen, denn seine Kopfschmerzen erreichten einen nie gekannten Höhepunkt, füllten für einige Sekunden sein gesamtes Bewusstsein und nahmen ihm den Gleichgewichtssinn. Er wankte... Eine massive Welle Übelkeit überschwemmte seinen Verstand und ihm wurde schwarz vor Augen... Dann sah er Lichtflecken hinter seinen Lidern... Das Schwindelgefühl ebbte nun langsam ab, auch die Kopfschmerzen sanken auf ein erträgliches Maß herab, wenigstens so weit, dass er nicht mehr Gefahr lief, die Besinnung zu verlieren. "Luca..." Orpheus Hand ruhte auf der Schulter des Magiers.

Lucas Lippen zitterten, er wollte etwas sagen, konnte es aber nicht. Dazu fehlte ihm die Kraft. Wortlos ging er weiter, langsam, schritt um Schritt... Er suchte seinen Geist abschweifen zu lassen, in der festen Hoffnung, auf diese Weise den Rest des Tages durchzustehen. Aber das einzige, was passierte, er schaltete seinen Verstand Stück um Stück ab und brach am Ende des Tages, als sie endlich die Eisenberge verließen und in die Blutberge kamen, zusammen. Er erinnerte sich weder an den Weg, noch wie er vom Zwischenlager in die Höhle kam, in der er mitten in der Nacht erwachte, noch wie er unter all die Decken kam.

Die Nachtwache schaute kurz zu ihm, erkannte ihn und sah wieder fort. Luca schloss die Augen, denn das flackernde Licht der Nachtfeuer rannte in seien Augen und der blackende Qualm stach in seinen Hals. In seinem Arm bewegte sich etwas... Luca wusste, wer es war. Der Elf. Dennoch hob er mühsam die Lider und sah ihn an. Der Junge schlief und lag fest an ihn gekuschelt da. Einer seiner Arme lag über Lucas Brust und sein Kopf ruhte an seiner Schulter. Der Magier zog eine Hand unter der Decke hervor und begann den Kopf des Jungen zu streicheln. Seine Haut schmerzte immer noch und genauso auch seine Gelenke und seine Knochen. Dennoch kuschelte er sich näher an den Jungen, der scheinbar die Hitze von Lucas fiebrigen Körper mochte. Luca fror zwar erbärmlich, aber seine Haut war heiß und trocken, angenehm für den Jungen. "Du musst doch Hunger und Durst haben," flüsterte er. Luca richtete sich auf. Der Junge rutschte von seiner Brust herab und in seinen Schoss. Eben erst bemerkte der Magier, dass er nicht viel mehr als sein Hemd trug und auch der Junge nur eine Hose anhatte... "Orpheu," murmelte Luca. Er hatte sich um ihn gekümmert. Seit sich die beiden kannten, war der schwarze Elf immer für Luca da gewesen und hatte sich für ihn eingesetzt und eine besondere, sanfte, feinfühlige Art von Freundschaft, die wenigstens Orpheu hegte und pflegte, aufgebaut. Luca kam sich schäbig dabei vor, denn er gab selten etwas an Gefühlen und Freundschaft zurück. Er wollte Orpheu zeigen, dass er ihn sehr mochte... Aber das verschob er auf einen anderen Zeitpunkt. Vorsichtig angelte er nach seinem Mantel und seiner Tasche. Sicher befand sich darin noch ein wenig Nahrung und ein bisschen Wasser. Er grub all seine Sachen durch, bis hin zu seinem Wasserschlauch, den er noch bei sich hatte, und fand dennoch nicht viel. Ein wenig Dörrfleisch und getrockneten Fisch. Der Magier saß da und sah deprimiert auf das wenige da herab. "Na ja," murmelte er müde. "Morgen werden wir in Valvermont sein, bei Justin. Dort bekommst Du richtiges Essen und heißen Tee."

Er schob sich etwas von dem Trockenfisch in den Mund und musste sich beherrschen, sich nicht zu übergeben. Ihm ging allein der Gedanke, Nahrung zu sic zu nehmen, ab. Dennoch, wie sollte der Junge nur auf anderem Wege etwas zu essen bekommen? Luca nahm den Jungen hoch, zog ihn an seine Brust und setzte ihn auf seinen Schoß. Er kaute den Fisch, der irgendwie an stinkendes Leder erinnerte, so gut durch, dass davon nur recht unverdaulicher Brei überblieb und öffnete die Lippen des Jungen, legte seine über die des Elfen und drückte ihm den Fisch mit der Zunge in den Mund. Luca zog sich sofort zurück und setzte den Wasserschlauch an die Lippen des Jungen... Der junge Elf trank fast augenblicklich. Luca lächelte zärtlich...

"Schluck schön, mein Engel."
 

In der Nach erwachte Luca noch etliche Male. Der Geschmack des Fisches hatte sich in seinem Mund zu etwas abstoßend ekelhaften gesteigert, so schlimm, dass Luca übel wurde und er sich schließlich heftig übergab. An sich hatte er nichts mehr im Magen gehabt, würgte nur Galle hervor... Ihm wurde dabei schwindelig, und sein Kopfschmerz steigerte sich zu der Art von Agonie, die niemand lange in der Lage war zu ertragen. Luca stützte seinen Kopf in die Hände und sein Haar fiel ihm ins Gesicht, über die Schultern und den schmalen Oberköper... Kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn und durchweichte sein Hemd... Dennoch fror er und die Schwäche ließ ihn zittern. Er war am Ende seiner Kräfte, das wusste er auch. Schließlich hatte er es einfach nur übertrieben. Er war krank und reizte seine Kräfte aufs Äußerste aus. Luca ahnte, dass er morgen nicht mehr laufen konnte, schon gar nicht mit dem Jungen in den Armen. Aber was war sei Zustand im Vergleich zu dem des Jungen? Der Elf schien für ich ebenfalls all seine Stärke ausgereizt zu haben, weniger seine körperliche, als seine seelische. Luca spülte sich den Mund aus und legte sich wieder zu dem Elfen, über ihn... Der Elf kuschelte sich an Luca, schlang seine Arme um ihn... Luca, so schlecht es ihm ging, umarmte den Jungen fest und sah ihn an... Er sah so friedvoll aus, gar nicht mehr aufgewühlt... Dieser Elf, sein wunderschönes Gesicht, der fein geschwungene Mund und die porzelanene Perfektion diese Jungen, diese Symmetrie und der Reiz, den dieser wundervolle, noch so wahnsinnig junge Mann auf ihn ausübte, verzauberten Luca. Er spürte, wie sich nun doch sein Verlangen nach dem Elfen regte...Sein Schoß drängte sich in eindeutig lustvollem Rhythmus gegen den des Elfen und er streichelte Wangen und Haar des Jungen. Der Knabe reagierte unbewusst mit einem leisen stöhnen... erst jetzt realisierte Luca, dass der Knabe ebenfalls auf ihn regierte...

Erschrocken hielt Luca inne und musterte das Engelsgesicht des Elfen.

"Nein, nein, das willst Du sicher nicht... ich bin keine Frau..." Der Elf wirkte fast ein wenig enttäuscht, als Luca sich nicht mehr auf ihm bewegte... Luca legte sich auf seine Brust und schloss die Augen. Sein körperlicher Zustand holte ihn schlagartig wieder ein. Er verfiel in einen unruhigen Schlaf, einen Schlaf, der näher am Wachzustand lag.
 

Am folgenden Morgen erwachte er und fühlte sich noch schlechter. Sein Fieber hatte eine neue Höhe erreicht und er konnte kaum aufstehen. Nun hustete und nieste er ständig. Und mehr als alles betete er darum, dass der junge Elf sich nicht angesteckt hatte. Orpheu half Luca sich anzuziehen und setzte den Magier auf sein Pferd. Er beachtete gar nicht den schwachen Protest Lucas. Orpheu entfernte sich etwas von Luca und der Magier nickte fast augenblicklich ein, mit beiden Händen abgestützt auf das Sattelhorn. Luca erwachte erst, als Orpheu auch den Elfen auf sein Pferd hob und Luca sagte, er solle den Jungen gut festhalten. Zuletzt schwang sich der schwarze Söldnerführer hinter Luca auf den Rücken des Tieres.

"Was..." flüsterte Luca.

"Sei einfach ruhig, Luca," sagte Orpheu und streichelte über Schultern und Arme des jungen Magiers.

"Vielen Dank..." Lucas Worte waren ein Hauch. Wenige Sekunden später war er wieder eingeschlafen...

Angst und Hoffnung

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Verzweifeltes Hoffen

Luca arbeitete im Lazarett bis zur absoluten Erschöpfung. Ihm war wohl bewusst, dass es nicht nur Aycolén gab, der ihn brauchte, sondern unzählige andere Verwundete, Misshandelte und Geschändete, ebenso wie Kranke, die aus dem Labyrinth stammten, Seuchenopfer und einfach nur Verletzte... Luca verband sie, redete mit ihnen, munterte sie auf mit seinen Geschichten, die er sich ausdachte, seinen Träumen, mit denen er andere anzustecken vermochte, wusch die Männer, Frauen und Kinder, fütterte sie und heilte sie, so es in seiner Macht stand. Er wusste anschließend nicht mehr, wie lang er wach war und mit wem er wann gesprochen hatte. Jeder Begriff von Zeit hatte sich verkehrt in etwas irreales und ungreifbares. Sein Fieber war höher denn je und seine Erkältung präsenter als vorher. Dennoch wusste er, dass es ihm vergleichsweise gut ging gegen jeden der anderen hier. Irgendwann ließ er sich auf dem Boden nieder, neben dem Bett seines geliebten Freundes und nahm die Hand des schlafenden Elfen in seine. Zuvor schlief Ayco unruhig, wie eigentlich immer... Dann beruhigte er sich ein wenig. Aber das war für den jungen Magier nichts neues mehr. Lächelnd sah er über den Rand der Pritsche, legte den einen Arm unter sein Kinn und schaute verträumt zu Aycolén. Wieder und wieder bewunderte Luca Aycoléns schönes Gesicht, das silberweiße Haar und die unschuldige Reinheit des Elfen. Er streckte seine Hand nach der Wange des Elfen aus und begann ihn zu streicheln. "Morgen werde ich dich richtig baden müssen," flüsterte Luca. Behutsam strich er Ayco eine Haarsträhne aus dem Auge. "Eigentlich bist du gesund, Körperlich wenigstens... Aber deine Seele. Du willst nicht aufwachen. Du willst mich nicht sehen und vor dem fliehen, was dir andere antaten. Deine Angst spüre ich selbst jetzt, ohne dass du mich wirklich siehst." Traurig sah Luca zu Boden. "Wach auf, Aycolén. Wach auf. Du könntest es... Bitte. Gib nicht auf. Stirb nicht, mein Liebster..." Lucas Augen füllten sich mit Tränen. "Ich verlange viel, dazu gehört aller Mut, aber du wirst nicht allein sein, Ayco. Ich bin da und will bei dir sein, deine Stütze und deine Stärke werden. Du kannst Dich auf mich verlassen. Immer..."

Luca spürte die Tränen, die über seine Wangen liefen und wie unangenehm die Feuchtigkeit sich auf seiner fiebrigen Haut anfühlte. Seine Augen brannten und seine Haut ebenfalls...

"Auch wenn Du mich nie lieben wirst, bin ich doch der Freund, der immer bei Dir ist, wenn Du ihn brauchen solltest. Wenn Du mich brauchst..." Luca sah ihn wieder an. Es schien für einen winzigen Moment, als habe der Elf Lucas Hand leicht gedrückt. "Ich bin Deine Augen und Ohren, Dein Mund und Deine Hände, Deine Beine und Deine Kraft... Das Schutzschild, was immer vor dir sein wird, um Dich zu beschützen. Dir kann nichts geschehen, wenn Du nur anfängst, mir zu vertrauen..." Luca legte sein Kinn wieder auf seinen Arm und schwieg. Seinen leisen Worte schienen erst nach und nach zu verklingen, fast als hingen sie nun greifbar, stofflich im Raum. Luca streichelte wieder Aycos Wangen... solange, bis der junge Magier einschlief. Seine Hand glitt von Aycos Wange herab und fiel in das weiche Silberhaar des Elfen, während die andere fast krampfhaft um Aycos Finger schloss und ihn mit aller Macht festzuhalten versuchte.
 

Nichts sehen, nichts fühlen, nichts hören...Nichts wissen... Stille, Leere, Finsternis...

Er fühlte nichts. Nicht Wärme oder Kälte, nicht Angst oder Vertrauen, keine Freude, kein Leid. Die Schwärze war wie Blindheit, die Stille wie Taubheit, die Bewegungslosigkeit wie Lähmung, das Bewusstsein taube Bewusstlosigkeit.

Ein kaum wahrnehmbarer Hauch von Angst überfiel ihn. Alles drang langsam an ihn heran, ganz langsam, quälend, wie durch zähe Nebel, die seinen Geist hemmten, ihn festhielten.

Dann plötzlich fiel die Taubheit ab und tausende Eindrücke seiner Gefühle und Gedanken brachen über ihn herein. Er krümmte sich unter grauenhaften Qualen, in Agonie und Pein zusammen, versuchte es, konnte aber nicht. Sein Körper blieb reglos, steif, taub... Der Sturm an Erinnerungen und Eindrücken wollte nicht abebben, wollte nicht aufhören. Angst, Schmerz, Einsamkeit, Verwirrung, Unruhe, Ekel, Abscheu, Leid, Verrat, Sehnsucht, Lust, Sanftmut, Zärtlichkeit, Verlangen, Scheue, Kälte, Wärme, Hitze, Qual... All das trieb ihn an den Rand des Wahnsinns, der Verzweiflung und der Panik...

Seine Fingerspitzen... Kribbelten sie? Zuckten sie nicht eben erst? Gefühl kehrte in seine Finger zurück... Mein, schlagartig in seinen gesamten Körper... Seine Muskeln schmerzten so grauenhaft, dass er schreiben wollte, aber seine Stimme blieb weg... Er schrie aus Leibeskräften, aber Niemand hörte ihn...Er riss die Augen Auf, sah aber nur Blindheit... Dann zeriss die ewige Nacht und er stand in gleißendem Licht...

"Luca... LUCA!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!"
 

Der unartikulierte Schrei ließ Luca hochfahren, entsetzt. Er war sofort hellwach... Und mit ihm jeder andere, der in dem großen, überfüllten Raum schlief.

Einige beschwerten sich, andere fragte besorgt, was geschehen sei... die meisten aber drehten sich kommentarlos um und legten sich wieder hin.

Luca starrte den jungen Elfen an, der kerzengerade im Bett saß und ihn aus riesigen, leuchtend grünen Katzenaugen anstarrte... Silberne Haarsträhnen hingen in seinen Augen. Sein wundervoller Mund, die vollen Lippen klafften ein winziges Stück auseinander. Seine Haut war so blass, hatte die Farbe von Alabaster. Schweiß perlte darauf... Seine Hand umschloss Lucas so fest, dass diesem vor Schmerz die Tränen in die Augen schossen. Dann erst sah er sich scheu um... Sein Blick tastete über alle Personen... Und blieb schließlich an Luca hängen, an seinem Gesicht, seinen Augen, die den Jungen glücklich und sanft beobachteten. "Du bist wach," flüsterte Luca. Er strahlte vor Glück.

Ayco starrte ihn voller Entsetzen an, panische Angst spiegelte sich in seinen Augen... er riss seine Hand los und rutschte so weit weg, dass er fast vom Bettrand stürzte. Luca sprang unwillkürlich auf und umfing ihn, zog ihn auf das Bett zurück.

"Tu Dir nicht weh..."

Ayco versteifte sich in Lucas Armen und schien wie leblos, steif... bevor er ohnmächtig wieder erschlaffte.

"Aycolén..." Luca starrte ihn aus großen Augen an. "Ayco..." Er wollte nicht weinen. Dennoch schossen ihm Tränen der Verzweiflung in die Augen. Er wollte Ayco nicht erschrecken, sondern beschützen... Erschrecken? Er hatte in dem Jungen solche Panik ausgelöst, dass der Junge sein Bewusstsein verlor.

"Was ist mit ihm...?"

Luca zuckte zusammen und sah über die Schulter, direkt in die dunkelblauen Augen Justins.

Der Elf erwartete keine Antwort. Wortlos strich er Lucas Tränen aus den Augen leckte sie sich von den Fingern... Luca senkte still den Blick, niedergeschlagen...

"Gib ihm Zeit, Luca." Er lächelte und strich Luca durch die langen schwarzen Haare.

Luca schloss nun die Augen.

"Komm mit mir, mein schwarzer Engel..."

"Justin..." flüsterte Luca. Als er den Blick hob, noch immer den jungen, bewusstlosen Elfen im Arm, verlor er sich fast in Justins riesigen Mandelaugen. Willenlos schon fast erhob er sich und ließ sich von Justin umarmen. "Komm mit mir, zu mir, in mein großes, leeres Bett..."

Justin erstickte jeden Widerspruch mit einem Kuss. Luca aber öffnete seine Lippen nicht, um Justins Zunge Einlass zu gewähren...

"Luca... Du..." Der Magier senkte den Blick und schüttelte den Kopf.

"Justin, Ayco braucht jemanden, der ständig bei ihm ist und sich um ihn bemüht, der für ihn da ist..."

Wortlos stieß Justin Luca von sich und schlug ihm mit der flachen Hand zweimal ins Gesicht... "Merkst Du nicht, dass er Angst vor dir hat? Er hasst Dich, Luca-Seraphin! Er fürchtet und hasst Dich!!!"

Justin packte ihn am Arm und wollte ihn mit sich zerren...

"Ich bin der einzige Heilkundige überhaupt hier, und ich bin ständig da!" rief Luca aufgebracht. "Nicht nur Ayco braucht mich. Auch Thorn und Torben, Mara und Jerrick. Alle hier brauchen jemanden, der fast ständig bei ihnen ist..."

"Du bist selbst krank, Luca!" schrie Justin ihn an. Seine eben noch so sanften, liebevollen Augen waren angefüllt mit Abscheu und Hass. "Luca! Du gehörst nirgendwo anders hin als in mein Bett, zu meinem Spaß, meinem Zeitvertreib und meiner Befriedigung."

Luca erschrak, sah ihn aus großen Augen an, senkte dann den Kopf, ging n Justin vorbei, zur Türe, nahm die große Kupferkanne auf, mit der er Frischwasser aus der Küche holen konnte und sah Justin dann wieder an. Seine Augen waren immer noch weit von dem Schrecken über die Worte seines Freundes.

"Bin ich wirklich nicht mehr als dein Spielzeug? Eine männliche Kurtisane?" Justin starrte Luca lange Zeit wortlos an. Luca sah sogar, dass ihm seine Worte leid taten, doch dann änderte sich etwas in der Art, wie Justin Luca betrachtete. Es schien fast, als sei die Lust zu Jagen in ihm erwacht. Wortlos senkte Luca den Kopf und verließ den Raum. Mit einem leisen Aufschrei setzte Justin ihm nach...

Zorn

Tambrens Flügel knisterten leise unter dem Stützgebälk der Decke, als er sich streckte und nach unten blickte. 35 Männer und Frauen lagen dort unten in dem Saal, unter ihnen, unter einer unsicheren Decke, die nur von dicken Balken getragen wurde... Er sah Justin nach... Die gelben Drachenaugen verengten sich. Ihm war klar, was kommen musste. Traurig schloss er die Augen. "Armer Luca..." Goldy sah ihren Bruder an und nickte. "Weißt du nun, warum ich es nicht mehr ertragen habe, seine Vertraute zu sein? Ich teile immerhin meine Gedanken und mein Wissen mit ihm..."

"Verdammt!" zischte der kleine, blaue Drache. "Glaubst Du etwa, dass weiß ich nicht?!"

Sie zuckte zusammen ob des Gefühlsausbruches ihres Bruders.

"Was..."

"Bitte, Goldy, sei einfach still! Du weißt genau, dass ich es kaum ertragen kann und dennoch bin ich nicht so feige wie Du und bleibe bei ihm..."

Sie nickte beschämt. "Ich weiß... Du liebst Luca. Und er liebt Dich. Deshalb seid ihr unzertrennlich."

Tambren sah sie einige Sekunden lang an... Dann zuckte er zusammen. Gleichzeitig polterte draußen der Kupfereimer die Stufen hinab.

Goldy erschrak ebenfalls. "Sieh mal!"

Tambren hob ein Lid und sah sie an. "Was?!"

"Der Elf." Sie deutete nach unten. Aycolén lag da, wach, blass, apathisch... Zugleich richtete sich sein Blick zu der Wand, der Türe, aus der Luca verschwand. Starrte er ins Leere...?

"Scheinbar realisiert er, dass Luca in den letzten Tagen bei ihm gewesen war... und jetzt Hilfe bräuchte..."

Tambren verzog sein kleines Drachgesicht zu einer absoluten Fratze. "Goldy, halt einfach die Klappe!!!" Er schloss zornig die Augen und drehte sich ab. "Wenn er wüsste, was Luca für ihn empfindet... Er realisiert noch gar nichts, Goldy, ich glaube, dass ihm nicht bewusst ist was Luca ist und dass er ihm nichts tun möchte, sondern ihn beschützen will... Also wird es ihm auch völlig gleichgültig sein, was Justin gerade mit Luca macht, ob er ihn nun da draußen auf dem Flur Vergewaltig oder nicht..."

Goldy schluckte hart, antwortete aber nicht mehr, sondern schloss nun auch die Augen und rollte sich zusammen.
 

Lucas Finger klammerten sich um das steinerne Treppengeländer. Sein Körper fühlte sich an, als habe er einen Krieg allein durchgestanden. Aus mehreren kleinen, feinen Bisswunden rannen feine Blutfäden über seinen Hals und seine Brust, seine Handgelenke und über das Geländer... auf der Innenseite seines Oberschenkels das Bein herab... Justin hatte seinen Durst an ihm gestillt, seine Gier, seine Lust. Der Vampir war nicht bereit seine Beute wieder aus seinen Klauen zu lassen, als er Luca auf den Stufen eingeholt hatte. Im Gegenteil. Er zwang den Magier in die Enge, drängte ihn in die defensive und nahm ihn mit Gewalt... Lucas Tränen konnten Justin nicht davon abhalten. Es erregte Justin sogar noch mehr, Luca so hilflos und verzweifelt zu sehen...

Luca starrte in die Tiefe unter sich, neigte sich weiter nach vorne... Für einen Moment spürte er den Wunsch loszulassen, einfach aufzugeben. Aycoléns Reaktion hatte etwas in ihm zerstört, seinem Hoffen und seinen Wünschen sehr nachhaltig einen Schlag versetzt... Dann Justins Worte, Ayco könne ihn hassen, verabscheuen... Was Justin gerade getan hatte zählte für Luca nur bedingt. Er war es gewohnt, dem Vampir Blut zu geben, ebenso mit ihm zu schlafen, oder, wenn Luca es nicht wollte, vergewaltigt zu werden... aber die Erkenntnis, dass er Justin nicht mehr bedeutete als eine Hure, tat weh. Er hing sehr an Justin, liebte seinen alten Freund auf seine Art und Weise, und irgendwie wusste er, dass unter all der triebhaften Lust Justins viel Zuneigung, eigentlich eine wahre Liebe verborgen lag. Aber das zu sagen, Es Luca zu zeigen, dazu war Justin nicht in der Lage...

Der Wunsch zu sterben blieb tief in Lucas Herzen, aber zugleich erwuchs auch die Hoffnung, Ayco doch noch aus seiner verschlossenen, panischen Finsternis zu retten, ihn langsam aus dem Nichts und der ewigen einsamen Nacht, die nur Qual für ihn war, ins Licht zurückzuführen.

"Du brauchst mich," murmelte Luca leise. "Und ich brauche Dich, Ayco. Denn Du bist mein Licht."
 

Luca zog sich still an und wischte sich das Blut an seinen schwarzen Hosen ab. Mit beiden Händen strich er sich die Haare glatt und neigte sich etwas nach vorne, damit sein Gesicht und sein Hals halb unter dem schwarzen Wasserfall verborgen lagen. Es war ihm unangenehm, dass ihn jemand in diesem Zustand sehen konnte. Er war Verzweifelt und die Tränenspuren auf seinen Wangen würden ihn mit ziemlicher Sicherheit verraten. Dennoch ging Luca die Treppen hinab und sammelte den Kupfereimer auf. Er sah über die Schulter zurück, hinauf, dort hin, wo er eben noch gestanden hatte... Der Vorsprung.... das Geländer war schon lange Jahre nicht mehr zuverlässig, der Stein gesprungen, da er schon lang unter zuviel Spannung stand und zuviel Belastung abzutragen hatte... Stützen trugen an dieser Stelle ein gläsernes Dach, eisernes, verrostetes Tragwerk, was den Stein noch stärker angriff... Selbst ungewollt hätte er dort den Tod finden können. Justin hatte ihn immer gewarnt, das Geländer zu belasten. Eine Etage weiter unten ging das Geländer von Stein in Holz über... auch das war marode, aber neuer und stabiler... Von oben fiel ein Schatten herab. Luca wusste sofort, wer es war. Justin... Er nahm den Eimer auf und drehte sich ganz zu seinem Freund um, sah hinauf, ruhig, erwartungsvoll. "Komm Justin," flüsterte er. Gib dir einen Ruck, komm zu mir, vergib mir... Bitte..."

Justin stützte sich auf das kaputte Geländer, sah zu Luca hinab, beobachtete ihn... Das wenige Mondlicht, was durch die verfilzten Äste über der Glaskuppel hereinfiel, gab dem Elfen etwas etherisches...er lächelte. Über seinen Schultern lag ein grüner Samtmantel. Rote Locken fluteten über die schmalen Schultern... "Oh bitte, mein schöner Freund, bitte," wisperte Luca.

Steinstaub rieselte aus der 5. Etage zu Luca herab... Er musste seine Hände mit unglaublicher Gewalt um das Geländer krampfen. Dann stieß er sich ab und trat zurück in die Schatten, aus denen er kam. Lange noch starrte Luca an diesen nun leeren Ort, schließlich senkte er den Blick und drehte sich um, ging langsam, schwerfällig in die Küche... So einsam wie er es nun war, hatte er sich selbst während seiner Lehrzeit im Orden nicht gefühlt... Alles um ihn herum verstieß ihn willentlich. Die einzigen die sich nach ihm sehnten waren seine beiden Kinder, aber diese waren die einzigen Beiden, die er nicht zu erreichen vermochte...

Unsicher

Ayco lag in seinem Bett, die Augen geschlossen, aber er schlief nicht. Das sah Luca schon an der unnatürlich verkrampften Haltung des Elfen. Sein gesamter Körper war angespannt. Wortlos füllte Luca jedem der Patienten einen Becher mit Wasser auf, unterhielt sich mit einigen von ihnen und legte jedem der Kranken einen frischen Apfel hin.

Äpfel... Frisches Obst überhaupt war eine Seltenheit im Labyrinth, aber mehr noch als das verbot Justin normal die Vergeudung des wichtigen, raren Obstes... Aber diese Leute hatten eine Aufmunterung dringend notwendig, eine kleine Zuwendung, Ein Lächeln, eine Geschichte, Aufmerksamkeit und Träume, Hoffnungen und manchmal eine kleine, süße Aufmerksamkeit. Luca setzte sich schließlich zu Ayco und legte ihm ebenfalls einen Apfel auf das Bett, neben seine Hand. "Hier, mein Freund," sagte er leise. Er verharrte kurz mit der Hand, nah an der des Elfen. "Iss ruhig, es wird dir gut tun."

Der Elf zuckte zurück, rollte sich unter seinen Decken noch fester ein und petzte die Augen zusammen. Gerade noch hatte Luca seine Hände nach Aycos Kopf ausgestreckt, um ihm über die Silberhaare zu streicheln, ließ es nun aber und zog seine Finger zurück. "Ich werde dir nichts tun," flüsterte er und setzte sich auf den Fußboden. "Ich bin hier, direkt neben dir. Wenn Du etwas brauchst, meine Hilfe willst, wecke mich."

Aycolén würde nichts dergleichen tun, das wusste Luca auch so. Der Elf misstraute ihm zutiefst... Luca sah ihn noch eine Weile still an, rollte sich dann neben Ayco auf dem Fußboden zusammen und zog sich seine dünne Decke über den Körper... Er schlief beinah sofort ein. Er bekam nicht einmal mehr mit, wie Goldy und Tambren aus dem Dachgebälk herbesanken und sich zu ihm kuschelten.
 

Ruhe kehrte ein, die letzten paar Gespräche verstummten nach und nach. Ayco hörte die Gespräche der anderen und zugleich waren ihre Worte ohne Bedeutung für ihn. Die einzigen Worte, die er definiert und klar wahrnahm, waren die des schwarzhaarigen Mannes... Der, der nun vor seinem Bett auf dem Boden lag und schlief, dessen ruhigen Atemzügen er lauschte...

Der, der es gewagt hatte ihn davon abzuhalten, endlich Frieden zu finden, endlich in den ruhigen, finsteren Armen des Todes einzuschlafen und bei seiner Familie, seiner Mutter und Schwester zu erwachen...

Sein Herz war voller Zorn auf den Fremden, aber auch voller Angst. Wie konnte er es wagen, für Ayco zu entscheiden? Wieso erhob sich der Magier über Leben und Tot? Er wollte nicht gerettet werden!!! Und dann dieses intensive Nähe, die Vertrautheit... Sie ängstigte Ayco. Alle Nähe verwirrte ihn, machte ihm Angst.

Er wollte niemandem vertrauen, konnte es nicht... Er wollte sich nicht einmal zu dem Magier umsehen... Dennoch tat er es. Langsam, ganz langsam löste er sich, seine verkrampfte Haltung, und wendete sich um. Der Mann lag auf dem blanken Boden, nur mit einer Decke ausgestattet, die ihn nicht wärmen konnte. Er hatte sich in seinem pechschwarzen Haar verstrickt. Einige der Strähnen hingen ihm im Gesicht, in die Augen... Seine Haut war fast wächsern weiß und transparent... Zugleich entdeckte Ayco die leichten roten Spuren auf Lucas Wangen. Tränen, erkannte der junge Mann. Aber warum? An sich konnte es ihm auch egal sein... Und dennoch. Dieser mädchenhafte, zerbrechliche Mann... Ayco hasste es, das zugeben zu müssen, aber der Magier hatte etwas besonderes an sich, etwas dass ihn neugierig machte, viel offener als es Ayco lieb war... etwas trauriges, hilfloses.

In Lucas Armen lagen zwei winzige, geschuppte Drachen und schliefen... Er hielt sie wie Kinder...

Langsam erinnerte sich Ayco daran, Luca, ja, Luca war sein Name, schon gesehen zu haben. Hier, und auch damals weinte der Magier. Eine bizarre Vorstellung... und doch, dieser Mann hatte nichts kaltes und hartes, nichts berechnendes und böses an sich... Im Gegenteil. Er schien eher sehr gefühlvoll und empfindsam zu sein, sehr sanft, angreifbar und sensibel... vielleicht seine Stärke, vielleicht aber auch seine größte Schwäche. Luca seufzte tief in seinen Träumen und schüttelte hilflos den Kopf, flüsterte immer wieder: "Bitte Justin, nicht, hör auf..."

Tränen rannen wieder über seine Wangen... "Justin.... Nein... nicht!"

Soviel Qual in der Stimme, in seinem Gesicht... Er litt...

"Ayco..."

Erschrocken sah der Elf ihn an. Wovon träumte der Magier nur? Der Mann mit den schwarzen Haaren war ihm unheimlich...

Aber zugleich konnte Ayco ihn nicht völlig aus seinem Bewusstsein streichen, ihn wegignorieren... Er zog sich die Decke bis zum Hals, krümmte sich zusammen und schloss ärgerlich die Augen. Sicher war Luca auch nur ein Verräter! Er konnte niemandem trauen! Niemals! Er wollte auch nie wieder jemanden an sich heranlassen. Ihm hatte man zu sehr weh getan. Freunde... Alle Freunde warn Verräter! Freundschaft? Dieses Wort hatte einen eigenartigen Klag für Ayco. Genaugenommen war es wie ein Fremdwort, dass keinen Sinn in sich barg. Mehr noch ein Wort, dass einst einen hatte, heute aber nur hohl und leer klang, weil Ayco auch einfach vergessen hatte, was es bedeutete... Nur ein milder Nachhall war da, ein Hauch aus einer längst vergessenen Vergangenheit.

Aycos Haut tat weh, seine Fingernägel, die Nagelbetten, alles... Das allein erinnerte ihn an Freundschaft. Wenn er sich versuchte zu erinnern, spürte er nichts als den Schmerz der Folter, die er ertragen hatte, bis sich seine Erinnerungen in nebliger, rotschwarzer, klebriger Finsternis verloren, die durch nichts außer absoluter Pein bestimmt wurden.

Ayco rollte sich noch enger zusammen, wie eine kleine Kugel und umfasste seine langen Beine mit den Armen... Er würde dem Magier niemals vertrauen! NIE!!!
 

Leise Stimmen weckten Luca aus seinem ohnehin leichten Schlaf... Er schrak auf und sah sich gähnend um. Ihm tat der Rücken weh, die Hüftknochen und die Haut... Der Boden war ungleich härter als sein weiches Bett, der Krankensaal lauter, stickiger und trotz seiner gewaltigen Größe beengter als das kleine Zimmer, was er hier bei Justin sein eigen nannte.

Obwohl er vor Stunden jeden einzelnen Mann und jede Frau gewaschen hatte, roch es unangenehm... Luca rieb sich die Augen und spürte, dass sie entzündet waren. Vermutlich vom Weinen. Das Licht der Petroleumlampen und Kerzen tat weh in den Augen und machte die Luft zu etwas greifbar dickem.

Er stand auf und sah sich um. Galan und Mervile unterhielten sich leise, sahen aber zu Luca als dieser aufstand.

"Waren wir zu laut?" fragte Galan, ein Junge, der für die Schreinerin Mara arbeitete und sich vor zwei Nächten sein Stemmeisen in den Unterschenkel getrieben hatte. Luca schüttelte lächelnd den Kopf und trat zu den beiden Labyrinthbewohnern.

Mervile, ein etwa 70 jähriger Menschenmann setzte sich ganz auf. Er war Teil des Lazaretts. Wie Luca sorgte er hier für die Kranken. Seine geschickten Finger hatten schon seit 30 Jahren keine Schlösser mehr geöffnet. Justin holte ihn damals direkt aus dem Gefängnis in sein Haus. Mervile berührte an diesem Tag zum ersten Mal eine Mann, sein ihn seiner Brust schlagendes Herz... Das faszinierte den Dieb damals so sehr, dass er nicht wieder auf die Straße zurück wollte, sondern bei Justin blieb, im Lazarett. Nicht nur das faszinierte ihn... auch Justin. Der rothaarige Elfenvampir war etwas besonderes, etwas, dass es nie zuvor gegeben haben konnte. Ein Geschöpf, dass töten sollte, aber Heilung und Linderung brachte.

Für ihn war Justin ein Heiliger und Luca, den er nun auch schon lang kannte, Justins Gefährte, sein Geliebter... Er nahm an, dass die Männer glücklich miteinander waren. Für ihn gehörten diese Beiden einfach zusammen. So war es seit nahezu 20 Jahren und daran würde sich für ihn nie etwas ändern.

"Luca, mein Junge, setz' Dich zu uns."

Der Magier lächelte dankbar. "Ich will die Fenster öffnen. Die Luft ist unerträglich. Davon wird niemand gesund, sondern nur noch kranker. Und die Alpträume werden für einige schlimmer." Er deutete mit dem Kopf zu Aycolén hinüber.

"Was war denn vorhin mit dir und Justin?" fragte Galan leise.

Luca sah ihn lange Zeit still an und lächelte schließlich. "Nichts schlimmes. Er ist verärgert, weil ich ihn zurückgewiesen habe."

"Das ist aber auch nicht nett von Dir, Luca, Du bist undankbar, wenn Du Dir überlegst, was Justin schon alles für Dich getan hat."

Luca schluckte hart. Einerseits hatte Mervile recht, andererseits aber wusste er auch, dass es falsch war aus missverstandener Dankbarkeit Justin zu jeder zeit zu Diensten zu sein, denn es war nicht ehrlich, keine wahre Liebe, sondern nur eine Pflicht.

Wortlos ging er an den beiden Männern vorüber und zu den hohen, schmalen Spitzbogenfenstern. Er öffnete eines nach dem anderen. Öffnete die Läden weit und lehnte sich bei dem letzten hinaus. Gierig sog er die kühlere süßliche Luft ein und stellte traurig fest, dass man nirgends, im gesamten Labyrinth frische Luft atmen konnte... traurig schüttelte er den Kopf und umfing seine Schultern mit seinen langen, schmalen Armen. Sein schwarzes Haar fiel ihm in die Augen um seine schmale, hochgewachsene Gestalt... Tränen rannen ihm wieder über die Wangen. Er hasste es, wenn er weinte. Es war seine Schwäche. Schwach... das war er. Einsam und schwach, undankbar und abweisend, kalt und... widerlich!

"Luca?" Justins Stimme klang so weich und sanft in seinem Ohr... Sein warmer Atem streifte seine Haut, bewegte sein haar... Ein Vampir, der Atmete, ein Verfluchter, dessen Fluch fast nicht mehr existierte...

Luca kannte den Wortlaut des Fluches und den Grund, weshalb Justin fast mehr Lebte, als untot war...

- Alles Leben, was Du zu geben vermagst, wird sich in Tod wandeln, alles, was Deine Hände zu Heilen vermochten, wird erkranken und vergehen. Du wirst gefangen sein, nicht lebend, nicht tot, fern von allem, an dass sich Dein Glaube klammert, fern von allem, dem Du dienst.

Dein Reich wird die ewige Lichtlosigkeit sein, zu jeder Stunde, jedem Sonnenlauf, dort wo die Vergessenen und Verdammten leben. Du wirst unter ihnen gebunden sein, unfähig länger fort zu sein, als nur einen Tag.

Erst wenn Du vollkommen und selbstlos, wahrhaftig zu lieben im Stande bist, ungeachtet dessen, wie viel Leid und Schmerz diese Liebe mit sich bringt, erst wenn sich diese Liebe erfüllt, wird sich dein Schicksal wenden. -

Justin, der Barde, der Priester, der in seinem Dasein als Heiler aufging, nur für andere lebte, war verflucht und gebunden an das Labyrinth, die Finsternis, das Blut... und dann trat Luca in Justins Leben, als kleiner Junge von acht, neun Jahren, und Justin verliebte sich in ihn, war halb wahnsinnig vor Sehnsucht nach dem Knaben und eroberte seinen Körper womit sich der Fluch wendete... Ja, Luca war grausam zu Justin, und er hasste sich dafür, empfand er doch so viel für Justin... Aber eben keine Liebe.

Wortlos drehte er sich zu Justin um und umarmte ihn fest. Der Vampir wiegte ihn in seinen Armen. "Es tut mir so leid, Luca, alles was ich sagte war... eine Lüge. Du weißt, dass Du mir alles bedeutest und dass ich Dich liebe, und dass ich mir nur wünsche, dass Du immer bei mir bleibst. Ich will Dich nie mehr loslassen..."

Luca legte ihm die Fingerspitzen über die Lippen "Scht," sagte er leise. "Ich weiß doch. Ich weiß."

Er schmiegte sich an seinen etwas kleineren Freund, kuschelte sich an ihn... Vor noch nicht langer Zeit hätte er sich einfach nur still treiben lassen, seine Augen geschlossen und sich Justins Händen und Lippen hingegeben. Während er den Vampir umarmte, sah er über dessen Schulter den still daliegenden Elfen, Ayco, den Mann, den er liebte. Sein Herz brannte, schmerzte, ob dieser Situation. Ein Mann, den er verehrte, den er als engsten Freund und Vertrauten sah und der ihn über alles auf dieser verfluchten Welt liebte und ein Mann, den er liebte, über den er nichts wusste, und der dennoch sein Schicksal sein sollte, denn Luca war kein Mensch, sondern ein Seraph. Ein solches Geschöpf, dass nur einmal in seinem ganzen Leben zu lieben in der Lage war.

"Oh Justin, mein lieber Justin, warum bist nicht du der Mann, den ich liebe," flüsterte Luca. "Dann wären wir beide erlöst und glücklich. So füge ich Dir nur Leid zu. Und das will ich nicht. Du bedeutest mir doch soviel."

Justin sagte gar nichts, hielt Luca einfach nur fest. Aber Luca spürte, dass Justin weinte.

Still nahm er Justin auf die Arme und trug ihn in sein Zimmer. Dort bettete er Justin in seidene Decken, und öffnete die Fenster für ihn weit, zündete eine Schale mit duftenden Kräutern an und setzte sich zu Justin.

"Luca..."

Der Magier lächelte ihn liebevoll an, neigte sich über seinen Freund und küsste ihn unendlich zärtlich. "Ich bleibe bei Dir, bis Du eingeschlafen bist," sagte er leise und streichelte Justin durch die dichten Kupferlocken. "Und ich werde der erste sein, den Du morgen früh siehst."

Justin schloss die Augen und schmiegte seine Wange in Lucas Hand. Sofort schlief der Elf ein.
 

Luca vergrub sein Gesicht in den Händen und begann verzweifelt zu weinen. Selbst der Krieg war einfacher für ihn zu ertragen gewesen. Er kam sich schmutziger und verlorener vor als je zuvor. Er saß hier, neben Justin, heuchelte ihm eine Liebe vor, die er nicht empfand und dachte bei jeder einzelnen Berührung an Aycolén, der ihm nun noch unerreichbarer erschien als vorher. Er konnte s nicht weitermachen. Er musste sich entscheiden... Und so, wie Justin dalag, wie ein träumender Knabe, dessen wundervolle, nachtblaue Augen bis in sein Herz zu schauen vermochten, hätte sich Luca am liebsten sofort für ihn entschieden, um wenigstens ihn glücklich zu machen, aber wie glücklich wäre Justin darüber, wenn er erfahren würde, dass Luca immer nur an Aycolén dachte? Wenn sie miteinander schliefen, plötzlich Luca nicht Justins Name über die Lippen kam, sondern Aycos? Es würde Justin mehr verletzen, als eine Trennung es jetzt täte. Justin war stolz und Luca würde ihm das nicht antun wollen. Nie. Dazu war ihm Justin zu wichtig. Luca strich Justin ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und küsste seine Wange. "Träume süß, mein schöner Prinz," flüsterte er und stand auf. Er wischte sich die Tränen aus den Augen und verließ den Raum.

Märchen und Träume

Als er wieder in den Lazarettssaal kam, hatte er sich erholt, sein Gesicht war wieder frisch und seine Erscheinung aufgeräumt und sauber, wie gewohnt. Nur seine roten Augen verrieten seine Tränen... aber niemand war mehr wach. So ging Luca nochmals besorgt durch die Reihen, um sich zu vergewissern, dass es jedem der Situation entsprechend gut ging.

Schließlich löschte er die Lampen und Kerzen bis auf eine einzige, die er mit sich nahm, zu seinem Schlafplatz. Nun setzte er sich mit untergeschlagenen Beinen auf den Boden und schlug eine dünne Holzmappe auf, die bei seinen Sachen lag. Er suchte einige Sekunden lang nach seiner Zeichenkohle und fand die Brösel dessen in seiner Tasche. Seufzend nahm er sich das längste Stück Kohle, was kaum mehr so lang war wie sein kleiner Finger und begann das aufzureißen, was er vor sich sah...

"Ich weiß, dass Du wach bist, Aycolén," sagte er leise. Eigentlich war das nur eine vage Annahme. Aber das leise Rascheln der Decken bestätigte seine Vermutung.

"Was hast Du gegen mich?" fragte Luca leise. "Ich habe Dich vorhin wahnsinnig erschreckt. Das tut mir furchtbar leid."

Luca ließ Ayco Zeit zu antworten... Aber es sollte keine Antwort kommen. Schweigen und das regelmäßige Atmen der anderen, leises Schnarchen war zu hören. "Du redest nicht..." sagte Luca leise, mit der bösen Vorahnung, dass Ayco gar nichts sagen würde... und das daraus resultierte, was er erlebt hatte.

"Dann werde ich reden," sagte Luca lese. Er wollte auch nicht, dass ein anderer wegen ihm erwachte, aber Ayco sollte ihn verstehen. "Es ist vielleicht Dumm, aber ich fürchte, ich brauche jemand, der mir einfach nur zuhört."

Luca senkte den Kopf noch weiter. Er würde sicher viel Unsinn reden, so verstört und unsicher, wie er war... aber er musste reden. Er musste sagen, was ihn belastete.

"Es ist mir eigentlich sehr peinlich, Dir all das zu erzählen, aber es ist innerhalb der letzten Tage so viel passiert, seit ich wieder bei Justin im Labyrinth bin..."

Luca hörte, wie sich Ayco hinter ihm auf der Pritsche umdrehte und ihm den Rücken zuwendete.

"Verzeih," flüsterte er. "Ich will Dich nicht mit meinen Sorgen belästigen." Er legte den Skizzenblock hin und starrte vor sich hin, an einen imaginären Punkt im nichts. Plötzlich lächelte er leicht. "Lass mich Dir ein Märchen erzählen, Aycolén, eintrauriges Märchen, aber vielleicht gefällt es Dir ja."

Was bin ich?! Dachte Ayco verärgert. Ein Kind, dass Märchen brauchte?! Er beschloss, einfach nicht zuzuhören!

Dennoch gelang es ihm nicht, sich der Stimme des Magiers zu entziehen. Als Luca begann , weigerte sich Ayco noch, dann aber ergab er sich in die zugegeben faszinierende Erzählweise und die melancholisch tragische Liebesgeschichte, die Luca erzählte. Eigentlich war Ayco müde, wahnsinnig müde sogar und erschöpft... dennoch konnte er einfach nicht aufhören, Luca zuzuhören, denn er erzählte in Bildern, so farbig, dass Aycos Phantasie sich verselbstständigte. Er hatte die Augen geschlossen und lauschte nur einfach. Ihm kam einmal kurz die Frage in den Sinn, weshalb Luca sich so um ihn kümmerte, verschwand aber bald wieder, denn die Erzählung fesselte ihn einfach. Was, fragte er sich anschließend, war daran so faszinierend? Es war die Erzählung um einen jungen Priester, der in einer Sturmnacht in ein Herrenhaus kam, um sich zu schützen... Er erlebte die Geburtstagsfeier eines alten Adeligen, einen rauschenden Ball, der in einem traurigen Mord endete, in einem Mord, der Sinnlos erschien, denn jeder schien den Alten zu lieben... Und dennoch brachte ihn jemand auf äußerst perfide Weise um... der Priester versuchte den Mord zu klären und stieß dabei auf eine traurige Liebesgeschichte zwischen zwei der Kinder des Alten und ein ungeborenes Kind, was der Beweis der Liebe unter den Geschwistern war... und schließlich endete alles in einem Doppelselbstmord und einem Fluch, der den jungen Priester zu einem Untoten machte...Die junge Frau des alten Mannes verfluchte den Priester... Nicht dafür dass ihre Stiefkinder sich umbrachten und mit ihnen das ungeborene Leben im Leib eines Mädchens starb, sondern weil ihr Mann, den sie geliebt hatte, nicht von dem Priester gerettet werden konnte... Dieser Fluch... der Wortlaut blieb Ayco im Gedächtnis... Wörtlich...

- Alles Leben, was Du zu geben vermagst, wird sich in Tod wandeln, alles, was Deine Hände zu Heilen vermochten, wird erkranken und vergehen. Du wirst gefangen sein, nicht lebend, nicht tot, fern von allem, an dass sich Dein Glaube klammert, fern von allem, dem Du dienst.

Dein Reich wird die ewige Lichtlosigkeit sein, zu jeder Stunde, jedem Sonnenlauf, dort wo die Vergessenen und Verdammten leben. Du wirst unter ihnen gebunden sein, unfähig länger fort zu sein, als nur einen Tag.

Erst wenn Du vollkommen und selbstlos, wahrhaftig zu lieben im Stande bist, ungeachtet dessen, wie viel Leid und Schmerz diese Liebe mit sich bringt, erst wenn sich diese Liebe erfüllt, wird sich dein Schicksal wenden. -

Er wusste nicht, wer ihm am meisten leid tat in dieser Erzählung. Der Alte Mann, das unglückselige Paar, dass ihren Vater ermordete, um frei zu sein, das ungeborene Kind, oder der junge Priester, der an nichts die Schuld trug und dennoch verantwortlich war.

Über seinen Grübeleien schlief er wieder ein und träumte zum ersten mal die Geschichte nach... Der Priester... er sah zu Anfang aus wie Luca... doch dann wurde er zu dem rothaarigen Elfen in seinen Träumen...
 

"Luca, glaubst Du es war klug ihm Justins Geschichte wie ein Märchen zu erzählen?"

Luca streichelte Tambrens Kopf und sah ihn lange schweigend an.

"Was geht denn nur in deinem Kopf vor sich?" fragte der kleine blaue Drache nachdenklich.

"Ich musst über Justin reden, mein Kleiner," sagte Luca leise und lächelte. "Er soll verstehen, warum mir Justin so viel bedeutet, was wir füreinander sind, und dass Justin mehr ist, als nur ein einfacher Freund... Dass er etwas besonderes ist, ein Geschöpf, das zu Gefühlen im Stande ist, die sehr viel mehr sind als meine..."

"Das ist Unsinn," unterbrach ihn Tambren barsch. "Seit ich dich kenne, Luca, weiß ich, wie sehr du von deinen Gefühlen abhängig bist, und wie stark und tief deine Gefühle sind. Du empfindest anders als die meisten anderen, gerade weil du einsam bist und weil du sensibler und empfindsamer bist als jeder andere Mann, den ich kenne."

Luca sagte gar nichts dazu. Er fühlte nichts bei den Worten.

"Tam hat recht," meinte Goldy. "Ich habe selten jemand erlebt, dem alles so nah geht. Jeder andere ist ignoranter..."

Luca seufzte und sah sich um, zu seinem Elfischen Freund. "Er schläft," sagte Luca mit einem sonderbar entspannten Lächeln auf den Lippen. Behutsam streichelte er Ayco über die Haare und malte mit seinem Zeigefinger das perfekte Profil des Elfen nach. Eigentlich hatte er angenommen, dass Ayco hochschrecken würde, oder sich unbewusst Lucas Fingern entzog, aber das Gegenteil war der Fall. Ayco schien sich danach zu sehnen. Er schmiegte sich richtiggehend in Lucas Hand und reckte seinen Kopf nach Lucas Fingern...

"Mein Armer Engel," flüsterte Luca. "Im Schlaf vertraust Du mir, im Wachen fürchtest Du mich..." Luca setzte sich ganz zu Ayco und legte dessen Kopf in seinen Schoß. Hätte er das bei Justin gemacht... Der Elf hätte sofort die Situation genutzt, Luca entkleidet, sein Glied gestreichelt und zwischen seinen Lippen genommen, um ihn zu lieben...

Aber Ayco lag einfach nur ruhig in seinem Schoß und schlief. Die Ruhe und das Wissen, dass Ayco wegen ihm so entspannt war, machten Luca glücklich.

"Es kommt mir so vor, als wäre er schon immer Teil meines Lebens gewesen, ihr zwei. Es ist, als würde ich ihn schon ewig lieben, ihn besser kennen als mich selbst. Ich träume manchmal davon..."

"Wovon?" fragte Goldy, die zu Luca auf das Bett gehüpft war und nun neben ihm saß, beobachtete, wie der Magier den Kopf des schlafenden Jungen streichelte...

"Davon, dass wir uns schon kannten, als wir jünger waren... Dass wir ein Paar waren... bevor ich Justins Geliebter wurde... Ich träume davon, dass wir eine allerletzte, gemeinsame Nacht hatten, unvorstellbar schön..." Er schüttelte den Kopf. "In diesen Träumen bin ich fast noch ein Kind... 12, 13 Jahre alt, nun nahezu 14... Aber das ist unmöglich. Damals war ich im Orden, und die wenigen Male, die ich ausgebrochen bin, war ich hier. Das letzte Mal, das war die Nacht, in der Justin mich zum ersten Mal liebte. Danach kam ich nicht mehr aus dem Orden und Justin konnte nur noch zu mir, in den Nächten..."

"Er..." Goldy verstummte. Sie beobachtete Ayco lange Zeit schweigend. "Scheinbar träumt er gerade, was Du erzähltest... Du hast einen großen Einfluss auf ihn, aber nur in seinem Unterbewusstsein. Ist er wach, wird er dich von sich stoßen. Erträgst Du das?"

"Solang ich seine Schmerzen lindern und seine Wunden Heilen kann, ja. Ich will ihn eines Tages glücklich machen, sehen wie er unbeschwert lacht... Auch wenn ich nicht der bin, der seine Liebe ist..."

"Luca, er könnte Dein Untergang und Tot sein..."

Entscheidung

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Eiseskälte und glühende Hitze

Justin war wieder eingeschlafen und Luca nutzte die Chance. Er stand auf, nahm seien Sachen und wusch sich. Selten vorher hatte er sich so schmutzig gefühlt, so sehr daran geglaubt, dass sein Körper durch ihn selbst entweiht war. Und er schwor sich, dass dieses Mal, das letzte Mal gewesen sein sollte. So schön es war, so sicher unterstrich es seinen Entschluss sich von Justin zu trennen.

Luca bemerkte erst, als er sich anzog, dass seien Haut rot und wund war von der Bürste, mit der er seinen Körper bearbeitet hatte. Der raue Stoff seines Hemdes auf seiner Haut tat weh und die Lederhose Scheuerte furchtbar. Luca wünschte sich im Moment sogar sein hässliches Akoluthen-Gewandt zurück, dass zwar einheitlich grau war, aber wenigstens weit und aus glatter Seide. Heute war das einzige, was er sich leisten konnte billigerer Leinenstoff und das, was er für seine Wanderungen brauchte. Vielleicht reagierte er auch einfach nur über, weil er immer noch nieste, hustete und Fieber hatte. Als er zurück in den Saal kam, redeten schon verschiedene Patienten durcheinander und waren scheinbar sehr versessen auf etwas zu Essen.

Luca sah sich dennoch zuerst nach Ayco um. Der Junge lag still da und starrte die Decke an.

Luca ging zu ihm hinüber. Ein Unterfangen was sich als recht schwierig erwies. Luca wurde von etlichen Männern angehalten, die ihn mit Fragen löcherten... Geduldig beantwortete Luca alle Fragen und sah sich die Verletzungen einiger an, behandelte sie... Bis er endlich Ayco erreichte, war eine Stunde vorüber.

"Aycolén..." flüsterte Luca. "Wie geht es dir?"

Der Junge drehte ihm wortlos den Rücken zu. Hätte er Augen im Hinterkopf gehabt, wäre ihm Lucas trauriges Gesicht aufgefallen, aber das interessierte ihn nicht. Ihn interessierte gar nichts. Mehr noch schien er wütend zu sein, dass Luca ihn am Leben halten wollte.

Aber zugleich war Ayco auch verletzt weil Luca sein Wort nicht gehalten hatte und neben ihm lag, als er erwachte. Zugegebener Massen hatte Ayco zuerst nach unten geschaut, um sich zu vergewissern, dass sein Geschichtenerzähler noch da war. Diese Geschichte hatte Ayco schönere Träume geschenkt, hoffnungsvollere als sonst, und dann wagte sich Luca so dreist wieder hierher, nachdem er sein Wort gebrochen hatte?

Luca streichelte Ayco sanft über die Haare. Blitzartig erstarrte Ayco unter der Berührung, versteifte sich. Obgleich die Berührung liebevoll und voller Wärme war, hätte eine Ohrfeige Ayco nicht mehr erschrecken oder verletzen können.

Plötzlich war Lucas Hand fort und Ayco sah, wie Luca den Becher mit Wasser anhob und hineinsah... Dann den Apfel nahm.

"Bitte, iss und trink," sagte er leise. "Du wirst mir verhungern... Du bist so schon dünn, aber jetzt..." Plötzlich lächelte Luca. "So einen dünnen Mann will kein Mädchen haben," flüsterte Luca.

Warum sagt er das?! Fragte sich Ayco ärgerlich. Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht ein Mädchen zu suchen... Jemand wie er verdiente das nicht.

"Willst du nicht mal irgendwann eine Frau haben, Kinder und ein glücklicheres Leben? Sicher und behütet, als Künstler...?"

Nun erschrak Ayco wirklich. Woher wusste Luca, dass er Künstler war? Dann fiel ihm wieder ein, dass er schon einmal im Labyrinth gewesen war und sie sich dort begegneten. Justin hatte ihn gerade erst aus den Klauen des Stadtprinzen Mesalla befreit, der ihn nach der größten Pleite in seinem ganzen Diebesdasein gefangen hatte... Dieser Auftrag ein Gemälde Mesallas zu fälschen und es auszutauschen... was für eine dumme Idee das doch war! Mesalla machte sich durch solche fingierten Aufträge die halbe Stadt zu Marionetten, die er manipulieren und umbringen konnte, wie er wollte... Mesalla... Mesalla! Ich hasse Dich! Dachte Ayco. Immerhin war dieser dafür verantwortlich, dass er in Kriegsgefangenschaft geriet, gefoltert wurde und... seinen besten Freund verlor.

"Was möchtest Du essen?" fragte Lucas Stimme in Aycos Bewusstsein hinein. Um ein Haar hätte Ayco gesagt: Gemüsesuppe... Doch dann schwieg er und zog sich die Decke noch weiter über den Kopf.

Luca grinste. "Wenn Du mit mir nicht reden willst, dann vielleicht mit der da."

Ayco spürte, dass sich Lucas Gewicht auf der Kannte der Pritsche verlagerte, er irgendetwas tat... dann hörte er ein leises Zetern und sah überrascht auf, als zwei schlanke, lange Hände etwas niedliches, rot geschupptes vor seine Nase auf das Kissen setzten.

Goldy hörte sofort auf, hektisch mit den Flügelchen zu schlagen und sah dann Ayco ins Gesicht. "Oh... der ist ja richtig niedlich."

Das breite Drachenmaul verzog sich zu einem lieben Lächeln und die goldenen Äuglein schimmerten vor Glück. Winzige Händchen streichelten Aycos Wangen...

Der Junge fuhr zusammen, flüchtete aber nicht. Irgendwie mochte er das Drachenmädchen sofort. Sie war ihm sympathisch und vertraut... Als habe sie schon einen Teil seines Lebens ausgemacht, bevor sie zu ihm gekommen war... Als wäre sie sein...

"Ayco ist Dein Name? Ich bin Goldy..."

Was für ein scheußlicher Name, dachte Ayco. Wer kam denn auf so was? Irgendwann, beschloss er, würde er ihr einen schöneren Namen geben... tat er das wirklich? Er wollte doch sterben...

Langsam wurde ihm klar, dass die eigentliche Macht Lucas nicht die Zauberei war, sondern sein Talent, andere abzulenken und ihnen Mut zu geben. Das allein war der Grund, warum er ihm Goldy in die Arme setzte. Einerseits machte es Ayco wahnsinnig wütend, dass jemand die Dreistigkeit besaß so über ihn zu verfügen und sein Gemüt zu manipulieren, andererseits war es ein eigenartiges, schönes Gefühl zu spüren, dass man einem anderen etwas bedeutete... aber dieses Gefühl hielt Ayco tief in sich verborgen und verschloss es vor Luca. Er wollte im Moment eigentlich nur... Was eigentlich? Sterben?

Ayco drehte sich von Goldy weg und sah sich plötzlich Luca gegenüber, der an seiner Seite saß und ihn mit diesen großen, sanften, grünen Augen, die von dichten schwarzen Wimpern überschattet wurden, betrachtete. Für einen winzigen Moment wünschte sich Ayco, dass Luca immer so über ihn wachen würde, er wünschte sich Luca zum Freund, zu jemand, dem er vertrauen konnte, dem er alles sagen konnte, mit dem er seinen Schmerz teilen konnte... Dann verschwand der Wunsch und verkehrte sich in eisige Ablehnung.

Er starrte zur Decke hinauf, zu dem Gebälk, dass über ihm thronte, fünf, sechs Meter über ihm in morschem Holz und Stein endete... Innerhalb der ersten Stunde schon hatte er die miserable instabile Architektur des Saales erfasst, der Dachstuhl, der schon einsturzgefährdet war, und nur noch von eisernen Trägern davon abgehalten wurde, dass die Schindeln und das Gebälk einsanken und herabstürzten... Allein der Gedanke, dass es eigentlich hier eine Zwischendecke zu geben hätte, machte Ayco ein wenig Angst. Wie morsch und baufällig musste ein Haus sein, wenn es diesen Zustand erreicht hatte?

Scheinbar folgte Luca Aycos Blicken und interpretierte sie richtig.

"Das Gebälk, schlimm nicht? Die morschen Steine und der Mörtel, der herabrieselt. Ich habe auch immer Angst, dass das Gebälk irgendwann diese Last nicht mehr zu tragen in der Lage ist. Und Mara versichert mir sturer Gelassenheit, dass ein Erdbeben das Haus nicht zum Einsturz bringen wird. Ich bete darum, dass sie recht hat." Luca lächelte. Ayco sah es nicht, aber er spürte seinen Blick, den sanften, liebevollen Blick und das Lächeln auf seinen Lippen. Der Elf ignorierte es.

"Weißt du, ich war das erste Mal als Kind hier, als Neunjähriger. Danach immer wieder. Justin wurde zu meinem einzigen und besten freund, der einzige, der mir zuhörte, der mich zum Lachen oder weinen brachte. Ich habe ihn unheimlich geliebt, damals." Luca senkte den Kopf. "Er lehrte mich zu zeichnen, wollte aus mir einen berühmten Maler machen..." Er verstummte. Ayco konnte den Impuls ihn anzusehen, gerade noch unterdrücken. Irgendwie gelang es Luca schon wieder, Ayco zu fesseln...

"Alles scheiterte daran, dass meine kleine Schwester unserem Vater davon erzählte, dass ich zaubern könne... Und das konnte ein Mann wie mein Vater nicht zulassen. Er bestand darauf, dass ich die Familie verließ und..." Luca verstummte endgültig. Plötzlich lächelte er wieder. "Was erzähle ich für trübsinnigen Unfug. Ich will, dass du lächelst. Eigentlich sollte ich nun anfangen, dir lustige Geschichten zu erzählen."

Er stand auf. "Aber das muss bis nach dem Frühstück warten. Ich brauche jetzt eine Weile, bis ich wieder bei Dir bin, aber ich komme wieder." Aycos Blick zuckte kurz zu Luca, und als er bemerkte, dass dieser ihn immer noch ansah sofort wieder zur Decke. "Ich bringe dir was gutes zu essen mit und Tee... Ich hoffe, dass Du Suppe magst." Luca streichelte behutsam durch Aycos Haare. Der Elf zuckte zusammen, wendete sich ab du drehte Luca den Rücken zu.

Er spürte Lucas Nähe und dass es augenblicklich kälter wurde, als der junge Magier sich abwandte und ging. Ayco versuchte verzweifelt den Impuls, Luca nachzublicken zu unterdrücken, aber diesmal konnte er es nicht mehr. Er wandte den Kopf um und sah Luca hinterher... So sehr er sich gewünscht hatte, dass Luca ihn seinem Schicksal überließ, so sehr wünschte sich Ayco auch, dass Luca nun bei ihm blieb. Wenn Luca nicht da war, fühlte er sich eigenartig einsam und verlassen...

Als er den Gedanken verinnerlichte, realisierte, erschrak er über sich selbst. Er wollte niemanden um sich haben!!! Niemanden! Auch Luca nicht, schon gar nicht diesen aufdringlichen Kerl! Was also wünschte sich in ihm den Magier mit solch tiefer Inbrunst herbei?
 

Ayco rollte sich zusammen, sah so aus, als schliefe er, aber er beobachtete Luca, der gerade zusammen mit ein paar anderen Helfern aus der Küche gekommen war, Brot und dampfende Suppenschalen aus Holz auf Tabletts. Justin folgte ihnen...

Der Magier wies die Männer an, einzelne Leute zu füttern, teilte Suppe an die aus, die selbst essen konnten und nahm sich die Zeit, anderen die Suppe direkt in den Mund zu geben. Was Ayco auffiel, dass Luca es den anderen untersagte, die Seuchenkranken zu behandeln... Was machte den Magier so sicher, gegen die Ansteckung gefeit zu sein? Dennoch schien Luca davor keine Angst zu haben. Er ging mit der selben Geduld dabei vor, die er auch bei Ayco bewies... Aber diese Leute hatten Lepra, Cholera...

Ayco begann sich auszumalen, welche Gründe Luca dafür haben konnte. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass diesem Mann sein Leben zuviel wurde und er auf diese Art nach dem Tot suchte. Vielleicht aber versuchte er so irgendetwas zu büßen, vielleicht tat er es auch aus reiner Überzeugung, oder weil es Justin von ihm verlangte...

"Wie geht es dir denn, Ayco?"

Der Elf zuckte zusammen und sah Justin in die Augen. Der Vampir lächelte lieb und streichelte durch Aycos Haare. "Mein Kleiner, wie ist es dir ergangen, seit Du zuletzt hier, bei mir warst?" Ayco sah ihn lange stumm an und wendete sich dann ab. Er sah keine Veranlassung, mit Justin zu reden, und er wollte es auch nicht. Zudem roch er ganz deutlich Luca an ihm... Nun wusste er, wo Luca gewesen war, als er erwachte... Bei Justin, in seinem Bett, eng umschlungen mit Justin, in wilder Leidenschaft...

Ihm wurde bei der Vorstellung fast schlecht! Dass die beiden Männer ein Paar waren hatte er sich schon gedacht, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, wie Luca Justin umarmte und dieser ihn wiegte und hielt...

"Was hast Du, Ayco? Bist Du mir böse?"

Und wie, dachte Ayco... Wie, um Himmelswillen, kam er auf diesen Gedanken? Warum sollte er wütend auf Justin sein?

Dennoch, er war wütend, verletzt und kam sich verraten vor. Er war noch lange nicht so weit, zu sagen, dass Luca ihm gehörte, aber der Wunsch dazu entstand in dieser Sekunde.

Sanftes Verlangen

Luca kam ein paar Minuten später, die Justin dazu genutzt hatte Ayco zu entkleiden, und ihn waschen zu wollen. Aber der Junge wehrte sich heftig dagegen...

"Justin, was machst Du denn nur?" fragte Luca und schon den Vampir zur Seite. "Du bist Priester und gehst mit solch einer Gewalt vor, dass Du ihm eher wehtust als ihm zu helfen."

Justin sah ihn wütend an. "Ach...?!" machte er. "Wirklich?! Ich denke, dann kann ich dir dein kleines Spielzeug gerne überlassen! Aber dann treibt es nicht zu wild miteinander..."

"Justin," murmelte Luca leise. "Bitte nicht..."

Justin schien nicht zu hören, was Luca sagte, denn er sprach ungerührt weiter.

"Ayco, er ist gut darin einen anderen Mann wahnsinnig zu machen vor Lust nach ihm, nur lass ihn ja nicht nah an dein Herz heran, denn er nimmt es und bricht es Dir, trampelt darauf herum."

Luca sagte nichts mehr. Er wendete den Blick ab und schloss die Augen. Was sollte er auch sagen? Schließlich hatte Justin sogar recht.

Der Vampir drehte sich herum und ging, als er keine Reaktion Lucas erhielt.

Wortlos legte Luca Ayco die Decke über die Schultern und schüttelte, wenn Ayco schon mal saß, die Kissen auf. "Lehne Dich zurück, Aycolén."

Der Junge ließ sich nach hinten fallen, wobei ihm die Decke herabglitt.. Unbeabsichtigt. Lucaerstarrte, als er den nackten Leib des Jungen sah, die Schönheit seines Körpers und die Haut, die so weiß war sie seine eigene, nur dort, wo seine Haut makellos war, unangetastet, trug Ayco Körper unzählige Narben von schnitten... von Peitschenhieben, Einstiche von Nadeln, Brandwunden... All das hatte Luca in den Wochen, die sie gewandert waren, nicht einmal bemerkt. "Was hat man Dir nur angetan," flüsterte er tonlos. Ayco blieb schreckensstarr liegen und sah hinauf, zur Decke. Wortlos begann Luca Aycos primäre Verwundungen zu reinigen, behandelte sie mit Kräutern... dann wusch er Ayco ganz... Der junge Mann hatte geglaubt, ertragen zu können, dass ihn jemand so sah, ihn berührte. Und Lucas Hände auf seinem Körper waren behutsam, sanft. Er wusch Ayco so zärtlich, als wäre er ein Kind... oder sein Geliebter... streichelte ihn fast mit dem nassen Tuch... Ayco entspannte sich sogar ein wenig, für einen kurzen Moment, bis er spürte, dass in seinen Lenden eine leichte Spannung auftrat, ein angenehmes, ungewohntes Gefühl, schön sogar... dann wurde Ayco schlagartig bewusst, dass er es genoss, Lucas Hände zu spüren, erregt war, und sich ihm so intim präsentierte, mit all den Narben und den Fehlern, die seine Gestalt hatte, wie er es zuvor bei keinem anderen gewagt hatte. Mit einem erstickten Schrei zog sich Ayco die Decke über den Kopf und rollte sich zusammen. Heiße Tränen der Scham und des Ekels rannen über seine Wangen. Er hasste sich dafür, insbesondere, dass er auf einen Mann reagierte, dass es ihm gefiel, wenn Luca ihn streichelte und sein Verlangen eindeutig war...

Luca neigte sich über ihn. "Ayco, ich hole Dir frische Kleider und dann iss etwas. Bitte..."

Die Reaktion war eindeutig. Ayco kugelte sich noch weiter zusammen und war nun nichts weiter als ein Ball mit langem Silberhaar...
 

Als Luca zurückkam, lag Ayco immer noch so da. Er war wach, das spürte Luca einfach. Aber mehr als das, Ayco weigerte sich dagegen, dass Luca ihm die Decke nahm.

Er hoffte, dass Luca ging, dass er ihn so weit vor den kopf gestoßen hatte, den Magier zu vertreiben, doch das Gegenteil war der Fall. Luca setzte sich neben ihn auf den Rand der Pritsche. "Hör mal, Aycolén, ich bin nicht so einfach zu verekeln, schon gar nicht von jemand, der mir nah steht, den ich wirklich mag. Ich sorge mich um dich, mein schöner Freund, und du sollst gesund werden. Ich will dich glücklich und gesund sehen. Das ist mein Ziel." Er lächelte und streichelte über Aycos Kopf (dort, wo er ihn vermutete). "Und was Justin sagte... Justin ist eifersüchtig auf jeden einzelnen hier, mit dem ich mehr Zeit verbringe als mit ich. Und mit dir verbringe ich am meisten Zeit. Also will er Dir und mir wehtun, um sein eigenes Leid zu verdrängen. Ich verstehe ihn, aber mehr als dass kann ich nicht bei ihm sein, wenn es hier wirkliche Arbeit gibt..." Was sagte Luca da eigentlich? Er schalt sich selbst einen Narren, dass er Ayco im Glauben ließ, Justin und er seien immer noch ein Paar. Ayco rollte sich noch enger zusammen... Luca zog die Hand zurück.

Warum machst Du das nun? Fragte sich Ayco. Warum sagst Du das? Um mir weh zu tun? Und warum nimmst Du nun deine Hand weg? Bleib wenigstens bei mir... Oh Gott, warum denke ich wieder so?! Er begann wieder zu weinen. Unsicher und verängstigt fühlte er sich...

Luca blieb sitzen. Zuerst still... dann, nach einer Weile begann er sich Geschichten auszudenken, erzählte eine Abenteuergeschichte für Ayco... auch wenn sich bald viele andere um ihn sammelten und ihm zuhörten, fragen stellten und sich von ihm verzaubern ließen. Den Tag, den Abend und die Nacht saß Luca bei Ayco und erzählte wunderschöne Märchen... Fabelhafter und phantastischer als alles, was Ayco je in seinem Leben gehört hatte, farbiger und zugleich düster Romantisch... Keine einzige Erzählung ging gut aus, sondern traurig, melancholisch, aber jede war spannend und unheimlich. Er blieb zwar unter der Decke, hörte aber Luca zu... In den Erzählungen ging es zumeist um unheimliche Rätsel, Morde, Mysterien, und zumeist wirkten die Hauptpersonen so etherisch und ungreifbar wie Engel, aber zugleich kämpften diese Personen so sehr mit ihren eigenen Gefühlen und Gedanken, dass sie menschlich und warm und greifbar gestalteten... Und irgendwie konnte sich Ayco nicht der Fantasien erwehren, dass er einer der Hautpersonen immer Lucas Gesicht gab, und der anderen ganz unbewusst sein eigenes. Schließlich dämmerte er weg und träumte weiter, was Luca ihm erzählte. Er wurde in Welten entführt, die Luftschlösser bauten, Gebilde aus Kristall und Licht, nebelig waren und sich in jedem Nebel ein neuer Spuk befand... Luca hatte von schwarz gefiederten Engeln erzählt... von Seraphin... Wesen, wie auch Ayco eines war... Woher wusste er von ihnen... So dicht, wie er von ihnen sprach, kannte er Seraphs... In seinen Träumen gab Ayco Luca schwarze Flügel, schimmerndes, nachtschwarzes Gefieder, schwarze Haut und das etherische Aussehen eines Engels, noch filigraner und feiner, als der Magier so schon war... und in seinen Träumen war er der Geliebte dieses Engels, erlebte mit ihm zusammen diese bitter süße Liebesgeschichte, die ihn zuvor fast zum weinen gebracht hatte, und die mit dem Tod des einen enden sollte... aber das tat sie in Aycos Träumen nicht. Sie starben nicht, sie lebten weiter, glücklich, weil Ayco ihm in seinen Träumen gezeigt hatte, dass auch er ein Seraph war, ein unsterbliches Geschöpf und er ihm gestanden hatte, ihn zu lieben... Etwas, was er im wachen Zustand nie über die Lippen brächte. Aber das war ein Traum, nicht die Wirklichkeit und nur er war ein Seraph und Luca ein sterblicher und sehr aufdringlicher Menschenmann... der zudem noch der Geliebte eines anderen Mannes war...

Ayco gab sich dennoch voller Sehnsucht seinen Träumen hin und kuschelte sich in Lucas Schoss...

Wahnsinn und Leidenschaft

Luca bettete Aycos Kopf in seinem Schoß, nachdem der Junge eingeschlafen war und er ihm endlich die frischen Kleider hatte anziehen können. Luca spürte, wie sehr ich Ayco nach einem anderen sehnte, jemand, der ihn beschützte und bei ihm war. So müde er war, so sehr beschloss er, wach zu bleiben, damit Ayco, dämmerte er hoch, er nicht allein sein musste.

Dennoch gelang ihm das nicht. Wenig später war Luca auch eingeschlafen und sank langsam nach vorne...

Er schreckte wieder hoch und überlegte, ob er sich nicht vielleicht doch lieber wieder auf seinen Platz vor Aycos Bett legen sollte... Aber als er Anstalten machte, Aycos Kopf auf das Kissen zu betten, wurde der Junge nervös. Luca sah ihn lange zeit an, streichelte ihn zärtlich und legte sich dann zu ihm, nahm ihn in die Arme und spürte, wie fest sich Ayco an ihn drängte... Wie auf ihrer Wanderschaft. Ayco wollte Lucas Nähe... Lächelnd deckte er den Jungen zu und kuschelte sich an ihn, halb über ihn... Einige Sekunden später war er eingeschlafen...

Mervile beobachtete ihn misstrauisch und stand dann auf, um den Saal zu verlassen.
 

Luca erwachte weil er den Blick eines anderen im Nacken spürte... Lang geschlafen hatte er sicher nicht, denn er fühlte sich keinen deut erholter als vorher. Er richtete sich ein Stück weit auf und spürte, dass sich Ayco mit aller Gewalt an ihn klammerte, an seine Brust schmiegte, seine Hände in Lucas Hemd krallte, dass der Stoff leise knackte. Ayco stöhnte leise auf und Luca spürte leichte Erregung, die sich gegen sein Becken drängte. Wovon Ayco wohl träumte? Ein schönes Mädchen, was ihn verführte...? Er lächelte...

"Luca..." Justins Stimme passte zu dem Gefühl in Lucas Nacken. "Komm mit mir. Bitte komm einfach nur mit mir..."

Der Magier sah auf, rollte ein stück zur Seite, worauf hin Ayco die Bewegung mitmachte und auf Luca zu liegen kam. In seinem Traum bewegte sich Ayco auf Luca... Seufzte leicht und rieb seinen Schoß noch intensiver an Luca...

"Wärest Du eine Frau, würde ich dich eine Schlampe nennen," sagte Justin leise und schlug Luca mit der flachen Hand ins Gesicht. "Du gehörst mir! Nur mir, und nur ich darf dich so haben..."

"Er träumt!" flüsterte Luca. "Er denkt, ich bin ein Mädchen! Nicht jeder ist wie du und ich... nicht jeder ist homosexuell, nur weil er in meinem Arm liegt heißt das nicht automatisch, dass er mich will..."

"Das ist eindeutig, Luca. Er muss spüren, dass Du ein Mann bist!"

Luca schüttelt sachte den Kopf. "Bitte, bitte wecke ihn nicht auf. Lass ihm seine Ruhe."

"Und du? Ich will dich heute nacht in meinem Bett haben, mit dir schlafen...!"

Luca sah ihn traurig an, befreite sich nun doch ganz vorsichtig von Ayco und streichelte dem Jungen den Kopf. Der Elf seufzte und klammerte sich an Lucas Hemd fest, so dass dieser nicht aufstehen konnte.

"Justin, bitte, lass mich bei ihm bleiben. Bitte. Er braucht mich, siehst Du das denn nicht?"

"Bilde dir nichts ein, Luca," sagte Justin abfällig. "Er braucht irgendwen, aber sicher nicht Dich. Du bist völlig unwichtig, einfach nur ein Ersatz. Außerdem bist du schwach und krank, damit keine Hilfe für ihn. Ist es nicht eher so, dass Du ihn brauchst?" Er lächelte böse, als Luca daraufhin nur den Blick senkte und nach unten sah.

"Du bekommst deine Chance. Aber ich verbiete dir, ihn je wiederzusehen, wenn du ihn im Lauf des morgigen Tages nicht dazu bekommst, zu essen und ihn zu baden. Ich werde in deiner Nähe sein, mein lieber... Und dann wirst du solang mein Bett nicht mehr verlassen, bis du fortgehst... Und ich schwöre Dir, ich werde dich an mein Bett binden und nehmen, immer und immer wieder... Dir den Verstand rauben, mit meiner Lust..."

Luca schauderte. "Versteh doch, dass ich dich nicht liebe, Justin, bitte... Ich bin nicht dein Spielzeug." Der Magier senkte den Blick noch weiter. "Und ich will nicht, dass Du dir meinen Körper immer wieder Nimmst. Du tust mir weh, du verletzt mich damit, schürst den Abstand, den ich von dir haben möchte. Ich will doch nur deine Freundschaft! Bitte, sei einfach der liebevolle Freund, den ich so sehr mag, den ich von ganzem Herzen als Freund liebe... Sei der, der mich glücklich machte, der alles für mich war, zu dem ich aufsah... nicht das Monstrum, dass mich immer wieder schlägt und vergewaltigt."

"Und dann?" fragte Justin milde. "Liebst du mich dann mehr? Bist du dann williger? Würdest du dann eher an meiner Seite leben wollen, als mein Gefährte, mein Gemahl?"

Luca sah ihn lange Zeit still an. "Reicht dir meine Freundschaft und mein Respekt, und meine zärtliche Zuneigung und mein Vertrauen in dich?"

Justin schüttelte nur still den Kopf.

"Dann wirst du mich weiterhin vergewaltigen und von dir forttreiben," sagte Luca leise, niedergeschlagen. "Aber eines sage ich dir. Ich werde mich dir nie wieder hingeben, nicht wie heute Früh. Weil alles, was ich dann täte, mehr geheuchelt du gelogen wäre, als deine Liebe zu mir. Und du bedeutest mir zuviel. Deshalb werde ich dir nie wieder meinen Körper anbieten..." Justin schlug Luca mit solcher Gewalt, dass dieser vom Bett stürzte und auf dem Boden aufschlug. Ayco erwachte davon und ziemlich jeder andere auch. Luca sah zu Justin auf, wischte sich Blut von den Lippen... Mit einem Satz war der Vampir über ihm und schlug ihm ein weiteres Mal die flache Hand ins Gesicht und Lucas Lippe platzte ganz auf. Sein Hinterkopf schlug auf den Boden und betäubte den jungen Mann für einige Sekunden vollständig.

"Du denkst ich heuchele meine Liebe zu dir...?!"

Luca seufzte benommen und hustete Blut. Justin riss ihn auf die Füße und hielt ihn fest. Der Magier konnte im ersten Moment nicht aus eigener Kraft stehen. Dann verlor er allen Halt, als Justin wie wahnsinnig wieder und wieder auf ihn einschlug... Luca wehrte sich nicht. Es war so sinnlos... Er wollte sich nicht gegen seinen besten Freund wehren wollte nicht... Dunkelheit kroch aus den tiefen seines Geistes hervor, klebrige Nebelfinger der Ohnmacht. Die Schmerzen spürte Luca nicht, dazu war sein Bewusstsein zu weit weggetreten.

Von sehr weit her drang ein heiserer, unartikulierter Aufschrei zu ihm, den er im ersten Moment nicht einzuordnen vermochte... Matt hob er die bleischweren Lider und sah zu Justin...

Hinter ihm war Ayco vom Bett aufgefahren... Woher nahm der Junge diese Kraft? Der Körper war ausgelaugt und schwach, dachte Luca mit einer Mischung aus kaltem Schrecken und tiefer Bewunderung... Bis er begriff, dass Ayco wegen ihm Aufgesprungen war...

"Oh Gott nein," flüsterte Luca.

Er sah, wie geschmeidig Ayco sich bewegte, wie sein Körper nach vorne schnellte und sich gegen Justin warf...

Der Vampir taumelte und Luca entglitt seinen Händen, stürzte schwer zu Boden... Er spürte ein leises Knacken, als eine seiner Rippen brach... Der Schmerz war fast unerträglich und raubte Luca fast das letzte bisschen klaren Verstandes, brachte ihn für Sekunden um den Atem, so dass es ihm schwarz vor Augen wurde.

Dann sprang Ayco Justin wieder an und schlug mit Fäusten auf ihn ein, verzweifelt, vor Zorn weinend... Luca starrte das bizarre Bild an von seinem unbequemen Platz auf dem Boden..., und obgleich alles nur Bruchteile von Sekunden in Anspruch nahm, schein es alles endlos langsam zu gehen... Er konnte Aycos Gefühle so deutlich spüren, wie er seine eigenen wahrnahm.

Diese Ungerechtigkeit, zu der sich Justin hinreißen ließ konnte Ayco nicht durchgehen lassen. Er weigerte sich, mit anzusehen, wie Luca, wehrlos wie er zu sein schien, zusammengeschlagen wurde. Es ging ihm nicht um Luca, einzig die Tatsache, dass er es als ungerecht erachtete, zählte für ihn.

Der Vampir schien überrascht, denn er reagierte erst sehr spät und machte Anstalten Ayco wie ein lästiges Insekt von sich zu schleudern...

"Justin, nicht!!!" Luca erkannte wage die Stimme von Torben. "Nicht, du bringst beide damit um...!"

Justinverharrte entsetzt, reglos, als erwache er aus einem Traum.... ließ die Finger von Ayco gleiten und starrte Luca an, der unter ihm auf dem Boden lag.

Torben zerrte Ayco unsanft von Justin herab und drückte den Jungen zurück in die Kissen... "Es ist alles gut Junge. Luca wird nichts mehr geschehen..."

Ayco fauchte wie eine Katze, wehrte sich gegen den Griff Torbens, schlug und trat nach ihm, aber gegen den drei mal so schweren Halbzwerg kam er nicht an... Schließlich erschlaffte alle Gegenwehr und seine Augen verloren ihren Glanz und wurden zu stumpfen, leblosen Glaskugeln.

Luca wusste, dass Torben etwas in Ayco zerbrochen hatte, eine hauchdünne Glaswand, die ihn von seinen Erlebnissen trennten und nun über ihn hereinbrachen.

"Nein," keuchte er und fuhr auf. "Toben, lass ihn sofort los!"

Er blieb in grotesker Pose auf den Knien sitzen, starrte an Justin vorbei zu Aycolén, um den er sich weit mehr sorgte als um sich selbst..., das lange, offene Haar fiel weit um ihn herum und floss wie schwarzes Blut über die Steinfliesen. Einige Strähnen hielt der Vampir in den Händen, ließ sie dann aber durch die Finger zu Boden gleiten, entsetzt und bleich... "Luca..., Liebster... Das war nicht ich, oder...?" keuchte Justin.

Langsam setzte sich Luca hin, unsicher, er wusste, dass alle Bemühungen der Letzten Tage um Ayco umsonst gewesen waren... Dann blickte er zu Justin auf und lächelte müde. "Ich bin dir nicht böse, mein alter Freund. Aber mir selbst..."

Justin starrte Luca einige Sekunden lang entsetzt an, dann stürmte er aus dem Saal. Luca sah ihm hinterher... Dann erst wurde ihm heiß und schwindelig und alles drehte sich um ihn... Ein bizarres Kaleidoskop aus Eindrücken und Gesichtern und Hitze und schlechter Luft... Das einzige, an dass er sich klar erinnern konnte, war das Echo großen Entsetzens und tiefen Schmerzes in den leeren Augen des jungen Elfen, der auf seinem Bett saß, die Decke bis zum Kinn hoch gezogen und am ganzen Leibe zitterte...

Zaghafte Freundschaft

Eisiges Wasser weckte Luca. Jemand kippte ihm Wasser ins Gesicht, kühlte seine Haut, seine aufgeschlagenen Lippen... "Torben..." murmelte Luca.

"Halt die Klappe, Magier," lächelte der Halbzwerg freundlich und wusch ihm behutsam das Gesicht. Luca sah ihn dankbar an, spürte aber, wie sein Gesicht langsam anschwoll. "Lass gut sein," sagte Luca leise. Torben zog sich zurück und stand dann auf, reichte Luca seine Hand. "Komm auf die Füße, Kleiner..."

Luca musste grinsen, "Kleiner..." Torben reichte Luca gerade bis zur Brust. Dennoch nahm er freiwillig Torbens Hand an und ließ sich von ihm auf die Füße ziehen. Torben war einer der ehemaligen Mitglieder von Orpheus Söldnerheer und ein wohlmeinender Mann

Luca mochte den kompakten, rotbärtigen Mann sehr. Als Luca wieder stand, blickte er zu Ayco. Doch der Junge hatte sich von ihm Abgewendet und starrte die Decke an. Luca spürte einen stechenden Schmerz in seinem Herzen. "Ayco..." sagte er nur sehr leise.
 

Die Aufregung ebbte erst einige Stunden später ab und Luca musste viele Männer beruhigen. Dennoch schliefen alle wieder ein. Alle, außer Ayco und Luca. Der Magier saß wieder neben dem jungen Mann. Er hoffte, das wieder gutmachen zu können, was er eben bei ihm angerichtet hatte. "Schlaf ruhig, Ayco. Justin wird nicht wieder auftauchen heute Nacht. Und dir würde er nie etwas antun, mein Freund. Mach dir also keine Sorgen."

Der Junge reagierte erst gar nicht, doch dann bemerkte Luca, dass er nicht völlig abwesend war, denn er drehte sich ab, schloss die Augen und tat so, als schliefe er... Luca war erleichtert. Lächelnd führ er sich über die Augen und flüsterte: "Vielen Dank. Das war wahnsinnig mutig von Dir... Auch wenn nicht ich der Grund dazu war, sondern eher das Prinzip dahinter..."

Luca nahm ihn an der Schulter und drehte ihn behutsam auf den Rücken. Der Junge sah ihn aus riesigen, grün schimmernden Augen an. Tränenverschleierte Augen, umgeben von silbernen Wimpern, in denen die Tränen wie Diamanten glitzerten, die das Licht der Kerzen reflektierten... Seine Lippen klafften auf. Heißer Atem streifte Lucas Gesicht... Er war nah daran etwas zu sagen, Luca zu sagen, wie leid ihm alles tat... Dann legte Luca ihm seine Fingerspitzen zärtlich über die Lippen und schüttelte den Kopf. "Sag nichts," flüsterte er. "Bitte... Schlafe einfach ruhig ein und vergiss alles. Ich werde auch morgen früh bei dir sein und über dich wachen." Luca strich ihm Tränen aus den Augen und trocknete Aycos Wangen. So sanft strichen seine Finger über Aycos weiche Haut... Der Junge drehte diesmal den Kopf nicht weg sondern starrte Luca in die Augen. Sehnsüchtig und traurig sah er ihn an...

Einige Sekunden lang blickte Ayco ihn noch still an, aus diesen riesigen mandelförmigen, verträumten Katzenaugen... Luca glaubte, etwas sehr liebevolles in diesen Augen zu erkennen... Dann aber drehte ihm der Junge wieder den Rücken zu und zog sich die Decke über den Kopf. Luca lächelte. Nun wusste er, dass Ayco etwas an ihm lag.

Luca setzte sich auf den Boden, verschränkte neben Ayco seine Arme auf der Pritsche und legte seinen Kopf darauf. Verträumt sah er Ayco an und begann leise zu singen, ein sehr, sehr altes Wiegenlied, eine Weise, die all seine Gefühle ausdrückte...
 

Ayco lauschte Lucas Stimme, seiner klaren, leisen Stimme. Er hörte die sanften Töne, seine Worte... und er sah sich ausgeliefert, dem schönen Gesang. Warum musste er zu einem Magier werden? Er hatte alles, was ein Barde brauchte. Stimme, Ausstrahlung, Fantasie und unheimlich viel Talent. Ayco spürte, dass er unter dieser Stimme schmolz. So klar und so rein, der schönste Bariton, den er je gehört hatte. Luca verzauberte ihn innerhalb kürzester Zeit. Träumerisch lauschte er dem Magier, genoss seine Stimme, die ihn einschlafen ließ. Trotz all dessen, was er gesehen hatte, verfolgte Lucas Stimme ihn in seine Träume und wischte die Alpträume fort, und dafür war ihm Ayco dankbar Er konnte sich an etwas festhalten, dass ihn nicht in die Verzweiflung drängte, ihn davor bewahrte wieder abzudriften, wie kurz zuvor...
 

Luca wartete, bis Aycos Schlaf tief und scheinbar traumlos war und nahm dann sehr vorsichtig die Schüssel mit der kalten Suppe vom Morgen auf und zerkleinerte das Gemüse darin, bis es zu nicht mehr als einem unansehnlichen, grauen Brei wurde. Er schloss die Augen und erwärmte den Inhalt der Schüssel mit einem kleinen Zaubertrick und gab schließlich etwas Wasser hinzu, um alles flüssiger zu machen. Behutsam bettete er Aycos Kopf in seinem Schoß und setzte sich die Suppenschüssel auf den Oberschenkel seines rechten Beins. Ayco reckte sich unbewusst und drehte sich ein wenig um, so dass Luca Schwierigkeiten hatte, ihm den Löffel an die Lippen zu setzen. Er strichelte sanft Aycos Haar... "Mein Engel," flüsterte er und lächelte, soweit sein zugeschwollenes Gesicht zuließ. Luca fühlte sich zwar fürchterlich und hässlicher denn je, aber dass Ayco alles gut durchgestanden hatte, gab Luca Hoffnung.

Der Junge reagierte mit leisem Schurren auf Lucas streichelnde Hände und er schmiegte sich tiefer in Lucas warmen Schoß.

Der Magier registrierte, dass Ayco sich sehr praktisch für ihn hingekuschelt hatte. Lächelnd murmelte er: "Brav so, mein kleiner Ayco." Er setzte ihm vorsichtig den Löffel mit warmer Suppe an die Lippen und träufelte Ayco Schlückchenweise die Suppe ein. Fast befürchtete er, dass Ayco nichts annehmen würde, aber, solang sein Bewusstsein keine Gewalt über seinen Körper besaß, tat sein Körper instinktiv das, was für ihn gut war.

Ayco musst wahnsinnigen Hunger und Durst haben. Schließlich hatte Luca ihn zuletzt auf dem Weg gefüttert. Immer wieder musst der Magier aufpassen, damit sich Ayco nicht verschluckte, aber, obgleich es auf diesem Wege fast drei Stunden dauerte, gelang es Luca, seinem Freund genügend Nahrung zu geben, dass dieser nicht verhungerte. Dann fischte er nach dem Wasser und erwärmte auch das ein wenig, nahm Ayco in seine Arme, sodass sein Hinterkopf auf Lucas Schulter ruhte und Luca ihm ganz vorsichtig und schluckweise Wasser geben konnte. Um eine Sache betete Luca allerdings. Dass Ayco irgendwie die feste Nahrung bei sich behielt. Er hatte zulange nichts mehr gegessen.

Außerdem wäre Ayco vermutlich wütend auf ihn, wüsste er, was Luca tat. Aber der Magier konnte Ayco einfach nicht sterben lassen. Wenn Ayco nicht mehr die Kraft zum Leben hatte, musste Luca diese Kraft für sie beide aufbringen können, und er hatte sich geschworen, seinen schönen, über alles geliebten Freund nicht mehr loszulassen. Er wollte einfach die zweite Chance, die das Leben Ayco schenkte für den Jungen festhalten und aufbewahren, bis dieser bereit dazu war, gleich ob Luca dann noch ein Teil seines Lebens war, oder nicht.

Luca setzte den leeren Wasserbecher ab und sah lächelnd, wie Ayco sich die Lippen nach mehr leckte. "Oh mein Engel," murmelte Luca. "Trink noch etwas... aber mehr nicht mehr für Heute. Ich kann Deinen Körper nur langsam wieder daran gewöhnen. Ich will nicht, dass Du davon krank wirst."

Luca ließ ihn wieder in die Kissen gleiten und füllte den Becher nach. "Morgen bekommst Du Milch mit Honig, etwas, was Dich kräftigt... und Obst. Hauptsache es geht Dir gut, mein Engel. Ich will dass Du lebst, ich will, dass Dein Körper von selbst leben will. Du sollst wieder Leben wollen, Freude daran haben... Du hast Doch noch alles vor Dir."

Luca streichelte Ayco wieder und küsste ihn sanft auf die Stirn.

Vertrauensvoll schnurrte der Junge.

"Du bist zauberhaft, wenn Du schläfst, mein Engel. Dann bist du wie verwandelt." Er streichelte Aycos Haare aus der Stirn. "Du bist schön wie ein Engel..."

Müde setzte sich Luca bequemer hin und gähnte hinter vorgehaltener Hand. Dann führ er sich mit den Fingern durch das Haar und strich sich die offnen Strähnen nach hinten. Auf dem rechten Auge konnte er wenig sehn, merkte er. Es schwoll immer weiter zu und sein Unterkiefer tat weh, von seiner gebrochenen Rippe ganz zu schweigen, aber dennoch interessierte ihn das nur marginal. Er betrachtete Ayco sehr sehr lange... und dämmerte dann weg.
 

Ayco erwachte von einem Gewicht, dass auf seiner Brust lag und ihm die Freiheit nahm zu atmen. Gleichzeitig merkte er, wie viel durst er hatte. Einerseits wollte er ja sterben, aber zu verdursten war einfach nur ein erbärmlicher Tot. Und wirklich schwach fühlte er sich nicht. Nicht so sehr wenigstens. Nur dass ihn der Durst fast in den Wahnsinn trieb.

Ayco sah an sich herab... Luca lag halb über ihm, den Kopf auf seine Brust gebettet, beide Arme um Aycos Taille geschlungen, das Gesicht halb verborgen unter dem schwarzen Haar...

Als wäre das nicht schon schlimm genug, bemerkte Ayco, dass er seine Arme um Lucas Nacken geschlungen hatte und ihn festhielt... Erschrockne wollte er ihn loslassen, beide Hände zurückziehen, als habe er sich verbrannt. Unwillkürlich sah er sich um und stellte fest, dass es noch dunkel war und niemand außer ihm wachte...

Er blickte wieder nach unten. Der Wunsch Luca von sich zu verscheuchen war eben noch so groß gewesen... und nun, wenn er den friedlich schlafenden Mann betrachtete, der kein Wort sagte, so still und sanft war, konnte er es nicht mehr über sich bringen. Nicht mal seine Hände aus seinem Nacken zu nehmen.. An sich fühlte sich sogar das weiche, seidig glatte Haar unter seinen Händen wunderbar an, und es war ebenso lang wie sein eigenes, silbernes. Unbewusst, während er noch immer Luca beobachtete, begann er mit den Haarsträhnen des jungen Mannes zu spielen. Warum bemühte sich der Magier nur so um ihn, warum ließ er ihm nicht einfach seine Ruhe und ließ ihn sterben, wie er es wollte? Was lang Luca nur an einem Geschöpf, das so missraten und niederträchtig war...?

Einerseits empfand Ayco ihn als unerträglich aufdringlich, andererseits ruhte in diese Führsorge soviel Vertrauen in ihn... Warum nur gab ihm Luca diese Chance?

Er betrachtete den schlafenden Mann auf seinem Bauch mit leichtem Misstrauen. Dann lächelte er leicht. Auch Luca konnte es nicht verhindern, dass Ayco seinem Schicksal zu sterben folgte. Er würde auch weiterhin Nahrung und Wasser verweigern und bald einfach nur tot sein. Still schweigend entschuldigte sich Ayco bei Luca, und überlegte sich dann gleichzeitig, was er da tat... Er wollte nichts mit diesem Mann zu tun haben! Wollte nicht, dass Luca bis zu ihm hindurchdrang, hasste ihn, seine Aufdringlichkeit, seine Nähe, seine Wärme... den Duft seiner Haare und seiner Haut, seine Gegenwart... Verdammt! Tränen schossen in seine Augen. Er wollte ignorieren, was Luca war, wollte ihn verletzen, mit aller Gewalt sogar, und konnte es nicht, denn er fühlte sich zu Luca hingezogen, mochte seine Stimme und seine Wärme, den Duft seiner Haare... Eigentlich kannte er Luca kaum, hatte ihn nur gelegentlich kurz gesehen, bis auf die Tage hier... aber darüber hinaus hatte er das Gefühl Luca auf eine Art zu kennen, die wirklich intensiv war, richtig zu kennen, jede seiner Schwächen und Stärken... Aber das erschien ihm irreal, alles wie ein Traumbild. Seit einigen Tagen, dank Lucas Geschichten, konnte Ayco ohnedies nicht mehr zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden. Vielleicht kannte er Luca ja wirklich schon länger, vielleicht war der Gedanke, sterben zu wollen falsch, vielleicht war all das hier auch nur ein Fiebertraum, der wie Glas in seinen Händen zerbrechen würde, wenn er irgendwo in seiner Zelle erwachte, vielleicht war es auch nur ein Halluzinogen... Ayco spürte wie ihn diese Überlegungen immer weiter an den Rand des Wahnsinns trieben. Er war zu geschwächt und sein Körper kollabierte nach und nach... Dann sah er wieder den Schlafenden Magier in seinem Arm an und er wusste was Realität war. Luca war Realität. Das Labyrinth, Justin, der ihn vor wenigen Stunden zusammen geschlagen hatte, aus brüllender Eifersucht, war Realität... All das war die Wirklichkeit und er lag auf einer schmalen Pritsche, in weiche Decken gehüllt, den Kopf in weiche Federkissen gebettet, einen wunderschönen Mann in seinen Armen, der aus reiner Erschöpfung auf seine Brust gesunken und eingeschlafen war. Er lächelte kurz, traurig. Für einen Moment wünschte er sich, Luca früher kennen gelernt zu haben... wirklich Kennen und mögen gelernt zu haben, jeden einzelnen Persönlichkeitszug des geduldigen, jungen Mannes... Er war sich sicher, dass er ihn von Herzen gerne gehabt hätte, weil ihm das, was ihm oft so gegen den Strich ging, diese beharrliche Ruhe, auch Eindruck machte...

Zaghaft löste er die Hände von Luca und streichelte in einigem Abstand zu dem Körper des Magiers hinweg über dessen Haare, ohne ihn zu berühren. Dann lies er die Hand sinken und schloss die Augen. Warum sollte er sich darüber sorgen, dass Luca in seinem Arm lag? Er würde die Augen schließen und einfach so tun, als wäre er zwischendurch nicht erwacht...
 

Luca schreckte am frühen Morgen hoch, geweckt von den furchtbaren Rückenschmerzen, die er dank seiner unbequemen Position nun hatte. Zudem spürte er, wie schmerzempfindlich seine Seite nun war. Bevor Ayco erwachte befreite sich Luca vorsichtig aus den Armen des Jungen und legte sich still vor Aycos Pritsche auf den Boden, auch wenn er nicht mehr schlafen konnte, so hatte er doch alle Zeit, Ayco zu beobachten, und der Unwille des Jungen etwas zu essen oder zu trinken machte ihm furchtbare Angst. Er hielt Aycos ausgezehrte, schmale Hand.

"Bitte gib nicht auf," flüsterte er. "Bitte bleib bei mir, gib mir eine Chance."

Von Lucas Berührung erwachte auch Ayco und entriss ihm fast automatisch seine Hand. Er drehte sich von ihm Weg. Luca lächelte traurig. "Ich werde trotzdem da sein, Aycolén. Und ich verspreche Dir, immer dazusein, wann immer du mich brauchst."

Warum sagte er das? Was wollte er? Das konnte er nicht ernst meinen. Er würde sich nie die Zeit nehmen für ein solch unbedeutendes Geschöpf...

"Du bist wichtig für mich," hörte er Lucas Stimme nah an seinem Ohr, als habe er Aycos Gedanken gelesen. "Du bist der einzige Grund, weshalb ich noch hier bin," sagte der Magier sehr leise. "Wärest Du nicht, würde ich das alles hier nicht ertragen können."

Überrascht weiteten sich Aycos Augen. Im letzten Moment konnte er sich beherrschen und drehte sich nicht zu Luca um. Wieso sagte er das nun wieder? War das eine Strategie? Oder brauchte Luca Ayco tatsächlich?...

"Du gibst mir alle Kraft, mit der ich das alles hier überstehe, Ayco. Ohne dich..." Luca verstummte plötzlich und Ayco spürte, wie der Magier seinen Kopf auf die Pritsche legte, auf seinen Arm. "Vorgestern, nachdem Justin... mit mir geschlafen... mich vergewaltigt hatte, wollte ich nur noch sterben. Nur als ich oben auf der Galerie stand und hinabsah... Du brauchst mich..."

Ich? Dachte Ayco... Wirklich? Vielleicht hat er recht, wisperte eine leise Stimme in Ayco. Aber er verdrängte dieses leise Flüstern in sich. Wenn er sich das Leben nehmen wollte, warum hatte er es nicht getan? Fehlte ihm dazu der Mut? Grund genug hatte er. Ein solches Leben wie das, was er mit Justin führte, konnte jedem den Lebensmut nehmen, insbesondere wenn man geschlagen und vergewaltigt wurde und sich einfach nicht wehrte... Was hatte Justin wohl gegen Luca in der Hand? Oder fühlte sich Luca für irgendetwas schuldig, so dass er sich nicht wehrte? Mochte er es, beherrscht zu werden?

"Du hast mir den Mut gegeben, nicht zu sterben, denn das wäre zu billig und einfach. Außerdem hätte ich damit Justin wirklich weh getan. Er ist mein Freund, und du..." Lucas Stimme wurde immer Leiser. Schließlich verstummte er völlig. Das schweigen zwischen ihnen begann unangenehm zu werden. Aber Ayco wollte, trotz aller Fragen, die ihm nun auch der Seele brannten, nichts sagen.

"Hör mir nicht zu. Ich bin müde und rede damit Unsinn."

Ayco sah sich zu Luca um. Seien Stimme war wieder leiser, irgendwie Atemlos...

Lucas Augen waren geschlossen und sein Gesicht Aschfahl.

Eingeschlafen, dachte Ayco spöttisch... doch dann fiel ihm auf, dass auf Lucas Stirn kalter Schweiß perlte. Der leicht rasselnde, unruhige Atem sagte Ayco, dass er Luca wach war...

Die Augenlider des Magiers hoben sich schwerfällig. "Es ist alles..." Mitten im Satz brach er ab und sank zur Seite, Bewusstlos...

Duell

Obgleich Ayco selbst am Ende seiner Kräfte war, fuhr er auf und griff nach Luca, fasste seine Hände und griff um seine Schultern... Entsetzt sah Ayco ihn an, nah am Rande der Panik. Niemand schien es bemerkt zu haben. Viele schliefen noch, und die wenigen, die wach waren, schienen alle ans Bett gefesselt zu sein... Zur Hölle...!

Luca war nicht schwer, aber so schlaff wie er in Aycos Armen lag würde er dem Jungen bald zu schwer werden. Behutsam lies er den Magier zu Boden gleiten und stand unsicher auf... Alles begann sich um den Jungen zu drehen, irgendetwas rauschte wie Meeresbrandung und sein Herz begann im gleichen Moment zu Rasen, in dem in seinem Schädel dumpfer, pochender Schmerz erwachte und sich in einem Herzschlag zu wilder Raserei steigerte...

Ihm wurde schwarz vor Augen... Grelle Lichtblitze zuckten hinter seinen Lidern... Hinter seinen Lidern? Ayco war sich 100 prozentig sicher, die Augen weit offen zu haben... ihm war schwindelig. Für Sekunden fehlte ihm jede Orientierung. Dann sank der Schwächeanfall auf ein Minimum herab... Das Rauschen in seinen Ohren war sein eigenes Blut erkannte er nun. Durch das ständige Liegen war ihm gar nicht bewusst geworden, wie schwach sein Körper tatsächlich war.

Unsicher ging er auf die Knie und strich Luca vorsichtig das haar aus dem Gesicht und erschrak ein weiteres mal. Lucas Wangen waren angeschwollen, das eine Auge blau und geschwollen, seine Lippe aufgeplatzt...

Wie heftig musst Justin ihn geschlagen haben. Behutsam streichelte Ayco über Lucas Gesicht. Im Grunde sollte es ihn nicht berühren, ihm Gleichgültig sein, aber Luca war ihm nicht gleichgültig. Ganz und gar nicht. Zumal Ayco genau wusste, dass Justin den Magier zusammengeschlagen hatte, weil er sich um ihn kümmerte, weil Luca mehr Zeit bei Ayco verbrachte... Aber wieso hatte er die Besinnung verloren...? Ayco wusste es plötzlich. Als er Justin am vergangenen Abend ansprang und gegen ihn kämpfte, stürzte der Vampir und begrub Luca unter sich... dabei hatte Ayco mehr am Rande bemerkt, dass Luca kurz vor Schmerz das Gesicht verzog. Schließlich waren Ayco und der Vampir beide auf ihm zu liegen gekommen... Aber solch feine Knochen, dass er zwei solch leichte Männer nicht aushielt konnte er nicht haben. Darin war sich Ayco sicher...Behutsam tatstete er durch Lucas grobes Leinenhemd... Seine linke Seite war geschwollen, in Höhe der Rippen...

Im Augenblick überwog Aycos klarer, logischer Verstand über seine Selbstvorwürfe und Selbstzweifel.

Er hatte nicht so viel Zeit mit seiner Mutter und Schwester verbracht, um nicht doch sehr viel über Heilkunde und Kräuterwissen für sich zu verinnerlichen... Mit flinken Fingern löste er die Schnürung von Lucas Hemd bis zum unteren Saum und streifte es ihm von den Schultern.

Die Haut des Magiers fühlte sich außergewöhnlich kühl und glatt an, fast wie Porzellan, zugleich aber auch feucht, verschwitzt. Dann sah er ein Hämatom, dass über Lucas gesamte linke Seite ging... Seine Rippen oder auch Rippe, waren gebrochen...

Er tastete fachkundig sicher Lucas Flanke ab, wobei der junge Mann die Luft zwischen den Zähnen einsog und sich nervös, wohl unter Schmerzen abwendete. Dennoch erlangte er das Bewusstsein nicht wieder.

Die dritte Rippe von unten war gebrochen und mehrere andere angebrochen. Seltsam... Luca musste Glasknochen haben... Aber wieso begab er sich dann in solche Gefahr im Krieg an vorderster Front zu kämpfen? Luca musste genauso wahnsinnig sein, wie... er selbst. Genau die selbe Todessehnsucht...

Justin würde ihn sicher mit seinen gewalttätigen Schlägen Luca umbringen... Nur, warum wehrte sich Luca nie?

Egal, es war nicht seine Sache, sich darüber Gedanken zu machen... und dennoch ging ihm nicht aus dem Kopf wie traurig und sanft Luca zu Justin aufsah, während dieser auf ihn einschlug. Es widerstrebte Ayco, zuzugeben, dass Luca solche Gewalt angetan wurde, er verstand es nicht. Der Grund dessen blieb ihm verborgen. Einerseits verabscheute er Lucas Schwäche dahingehend, hasste ihn fast dafür, andererseits bewunderte er Lucas Gleichmut und seine Beharrlichkeit. Er nahm alles hin, und dennoch blieb er freundlich und gutmütig...

Behutsam strich Ayco über Lucas Wangen... Er hatte keine Kräuter und kein Verbandsmaterial. Nachdenklich sah er sich um... Niemand nahm Notiz von ihm oder dem bewusstlosen Luca... Er überlegte kurz... dann tastete er an seiner eigenen Brust entlang. Sein Oberkörper war bandagiert... Mit flinken Fingern löste er die Schnüren an seinem Hemd und zog es über den Kopf, um dann die Knoten der Leinen Binden zu öffnen.

"Lass ruhig, Junge..." Justins ruhige stimme klang sehr nah. Ayco hatte ihn nicht kommen hören und nun saß der Vampir hinter ihm auf der Pritsche...?! Er fuhr zusammen, sah ihn aus weiten Augen an und konnte einen Schauer nicht verhindern.

"Du hast Angst vor mir?"

Aycos Lippen klafften auf. Ja, er hatte Angst, große Angst, aber nicht um sich sondern um Luca...

"Ich kümmere mich um ihn." Justin erhob sich. Ayco sah zu Boden. In ihm stritten zwei Stimmen. Eine flüsterte ihm zu, dass Justin Luca quälen, verstümmeln, versehentlich töten konnte, und das passierte, wenn er nichts dagegen tat, die andere, gleichgültige wisperte, dass er schweigen sollte, nichts tun, denn es ging ihn nichts an, und Luca wäre er dann los... Er wollte doch sterben, also, was machte es dann, wenn auch Luca unter Justins Willkür litt oder im schlimmsten Falle sein Leben verlor...Justin stand breitbeinig über Luca, hoch aufgeschossen, zart, zauberhaft schön, sie der blutigste Sonnenuntergang überhaupt, den Blick der tiefen, dunklen, wissenden Augen auf seinen Geliebten gerichtet... Er bemerkte gar nicht, dass er auf Lucas Haaren stand, die wie ein schwarzes Meer über den Boden fluteten. Dafür allein stieg in Ayco schon eisige Wut auf. Wie ging er mit Luca um?! Wenn Luca sein Gefährte wäre, würde er ihn sich nicht so herablassend und wie etwas selbstverständliches behandeln... Der Magier war kein Gegenstand, sondern ein lebendes, fühlendes... Wesen...

Aycos Zorn ebbte ab... Er war ein fühlendes Wesen, jemand, der darunter litt, was Justin tat, aber offenbar auch unter Aycos Reaktionen...

Verdammt! Was ging ihn Luca an?!!!!

Justin ging auf die Knie und nahm Luca in seinen Arm, strich ihm Haarsträhnen aus dem Gesicht und fuhr mit seinen Fingerspitzen über Lucas Brust zu der Stelle, an der seine Rippen gebrochen waren...

Diese Berührung ließ Luca leise aufstöhnen...

"Ich nehme dich mit und heile dich, mein Schöner... Ich will Deinen Anblick wieder genießen, wenn Du vor mir stehst, wenn Du für mich singst und tanzt und dich von mir lieben lässt..." Er wollte gerade aufstehen, als Ein leichter Ruck durch seinen und Lucas Köper ging... Justin sah fragend zu Ayco. Der Junge Elf kauerte auf dem Boden, in einer absolut verqueren Haltung, fast wie ein verängstigtes Kind, die Beine mit einem Arm umschlungen, den Kopf nach vorne geneigt und den Blick zornig, trotzig, zu Justin hinauf gerichtet. Der Vampir sah die Augen des Elfen kaum unter dem silbernen Pony... aber dennoch spürte er die Entschlossenheit darin. Aycos Hand hielt Lucas fest. Es war nicht einmal ein sonderlich fester Griff, und Justin hätte ihn mit Leichtigkeit sprengen können, aber diese Augen... Der Vampir starrte ihn an. Ayco wusste, dass er sich nun offen auf ein Duell gegen Justin einließ, bei dem der Preis Luca war. In den dunkelblauen Augen regte sich im ersten Moment nichts. Nur Verachtung... Der Ausdruck bei Ayco bleib ebenfalls unverändert. Er wollte Luca nicht hergeben, nicht jetzt, wo er Justin ausgeliefert war, bewusstlos und schwach. Unverwandt starrte er den Vampir an, bis dessen Blick nicht mehr Verachtung, sondern deutliche Niederlage zeigten...

"Ich werde dennoch gewinnen," sagte er schließlich und legte Luca vor Ayco nieder. "Er gehört nur mir, Ayco. Sein Körper, seine Seele, sein Leben."

Er stieg über Ayco und Luca hinweg und verließ den Saal...

Aycos Hand hatte sich so fest um Lucas verkrampft, dass er seien Finger nicht mehr aus eigener Kraft zu lösen vermochte... Jetzt, wo die Anspannung von ihm abfiel, begann Ayco hilflos zu schluchzen... Was um Himmels Willen hatte er getan? Welche Dummheit...? Und das für einen Mann, der ihm nichts bedeutete und den er nicht kannte, den er nicht einmal wirklich mochte...!

"Theatralisch, der gute Justin," murmelte Torben, der alles wohl beobachtet hatte... "Eben durch und durch ein Barde..."

Ayco fuhr mit einem leisen Aufschrei hoch und flüchtete auf sein Bett, unter die Decken...
 

Luca erwachte und fand einen völlig verstörten Ayco vor, der an ihm vorbei ins Nichts starrte, und alles um sich herum ignorierte an diesem Tag. Der innere Dialog der zwei Stimmen in seinem Herzen verstörten ihn immer mehr und trennten ihn eine ganze Weile von der Außenwelt. Er bekam nichts mit, was um ihn herum geschah... gar nichts. Die Grenzen zwischen wachen und schlafen, Tag und Nacht, Bewusstsein und Alpträumen verwischte immer mehr... Er registrierte am Rande Luca, der kam und ging, mit ihm redete, ohne dass seine Stimme sein Bewusstsein erreichte, der ihn wusch und verband, sich um ihn sorgte, bei ihm war... Ayco bemerkte gar nicht, dass es ihm körperlich anstatt schlechter sogar jeden Tag etwas besser ging. Er wusste nicht, dass Luca ihn jede nacht mit Milch und Tee, Suppen und Obstbreien fütterte... Aber manchmal spürte er ein leichtes ziehen, etwas, dass ihn befreien wollte. Und immer hatte es eine zarte, zerbrechliche Gestalt, die die Farbe der geronnenen Nacht besaß, eingehüllt in ein Meer von Federn... Schwarzes Blau-grün schimmerte in dem dichten, gewaltigen Gefieder... Und die liebevollsten, sanftesten, Augen, die er je gesehen hatte, betrachteten ihn... und immer wenn ihn dieser Engel, der ihm unterdessen mehr bedeutete, als je ein Geschöpf zuvor, berühren wollte, schoben sich nebelhafte Gestalten zwischen sie und drängten ihn ab...

Weißer Dämon, schwarzer Engel

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Zwiespalt

"Und nun, Luca, wohin willst Du mit einem Jungen, der nicht leben will?" Luca hob Ayco hoch, auf seine Arme und sah dann zu Justin,

"Vor 20 Jahren hast Du mir angeboten, hier, bei Dir zu leben, Justin. Wenn Du mich noch in deiner Nähe ertragen kannst, werde ich auch weiterhin bei Dir bleiben." Luca senkte den Blick. "Du bist der einzige Freund und dein Haus die einzige Heimat, die ich habe. Wenn du nur endlich akzeptieren würdest, dass ich deine Freundschaft und deine Nähe brauche, viel mehr als einen Liebhaber..." Luca ging gemessenen Schrittes zu Justin hinüber, den geschwächten Aycolén in seinen Armen. Der Junge zitterte, ob vor Schwäche oder Angst, konnte Luca beim besten Willen nicht sagen. "Ich bin bei dir," flüsterte der Magier, darauf hoffend, dass Aycos Gehör fein genug war, denn seine Stimme ging fast in dem Rauschen dieser gewaltigen Schwingen unter. Unmerklich klammerte sich Ayco an seinen Freund. Obgleich ihm diese Gestalt etwas besonders verlieh, mehr Würde, mehr Grazie...und er auch einfach stärker und schneller war, glaubte Ayco nicht daran, dass Luca in der Lage war jemanden zu beschützen. Er konnte sich selbst schon nicht schützen, wie also wollte er der Beschützer eines anderen sein?

Luca Kniete vor Justin nieder, setzte Ayco auf seinem Oberschenkel ab und reichte dem Vampir die eine, freie Hand, aber er achtete darauf, dass der silberhaarige Elf vor den Blicken Justins geschützt blieb, verborgen hinter seinen Schwingen. Justin setzte sich auf und sah Luca an. "Was soll das?" fragte er leise.

Luca reichte ihm auch weiterhin die Hand. "Ich will Dich nicht verlieren, Justin."

Nachdenklich sah der rothaarige Elf ihn an, seine schlanken, langen Finger, die sich ihm entgegenstreckten. Seine Augen hoben sich und begegneten Lucas. "Du weißt, dass hier Dein Heim ist, Luca, gleich was zwischen uns ist." Er schüttelte traurig den Kopf. "Ich liebe dich, du Narr. Das letzte, was ich tun könnte, wäre dich meines Hauses zu verweisen." Tränen stiegen in seine Augen. "Bis heute war es immer für mich, als würdest Du zu mir nach Hause kommen, wenn Du da warst." Er lächelte. "Davon angesehen, wo willst Du sonst hin? Du hast weder Familie noch Freunde hier."

Luca nickte mit traurigem Blick. "Ja."

Justin ergriff nun endlich Lucas Hand und strich mit den Fingerspitzen der anderen über die Wange des Magiers.

"Du bist meine Familie, Luca und ich die deine."

Ayco sah auf. Luca hatte keine Familie? Dabei konnte der Magier doch erst Mitte zwanzig sein... So jung und allein... Aber wenn er es richtig deutete, hatte Justin Luca aufgenommen, als dieser noch ein Kind war, in kleiner Junge... Traurig senkte Ayco den Blick... Eine Gemeinsamkeit, die sie verband.

Justin setzte sich vor Luca auf, sah ihm lang in die Augen und zog ihn dann zu sich. Der sanft, liebevolle Kuss, den er Luca gab, ließ Aycos Seele gefrieren und sein Gemüt kochen. Wie konnte Luca, nachdem ihm Justin Gewalt angetan hatte, so viel Zärtlichkeit von Justin zulassen? Aus den Augenwinkeln beobachtete er Luca und Justin... Der Magier erwiderte den Kuss nicht. Seine Lippen blieben verschlossen... Dann fühlte er, wie Lucas Arm sich enger um seine Taille schlang und ihn enger an seinen Körper zog... Noch vor 3 Wochen wäre das nicht möglich gewesen, aber irgendetwas in Ayco hatte sich verändert. Er mochte die Gegenwart Lucas, seine hilflosen Bemühungen, ihn am Leben zu erhalten, seine ungeteilte Aufmerksamkeit, seine schönen Märchen, seine Stimme, die ihn in seine Träume führte, sie für ihn schöner machte... Er liebte Lucas Nähe, sogar den Moment vor einigen Tagen, als er erwachte und Lucas Kopf so vertraut auf seiner Brust ruhte... unmerklich schmiegte er sich nun auch gegen Luca und spürte, wie schnell sich die kühle Haut des Magiers erwärmte, wo die beiden Männer sich berührten... Erschrocken realisierte Ayco, dass seine Haut leicht brannte und von leichter Erregung kribbelte, wo er ihn berührte. Trotz seiner Schwäche war der Elf aufgewühlt und nervös... Lucas Hand löste sich von Justins und er umarmte Ayco nun mit beiden Armen. "Ich lasse ihn nicht hier. Mein Zimmer ist groß genug. Da kann er sich erholen. Das große Bett ist besser für ihn, und ich habe da ein Diwan, auf dem ich schlafen kann." Er lächelte Ayco an. "Viel schöner als der Steinboden..."

Justin stand auf. "Gestatte mir, nach Euch zu sehn, jeden Tag. Luca... Oder willst Du..."

Verwirrt bemerkte Ayco Justins Bewusstseinsumschwung. Wirkliche Sorge schwang in der Stimme des Vampirs.

Luca schüttelte lächelnd den Kopf. "Ich glaube Ayco wird mich bald so überhaben, dass er um jeden Besuch dankbar ist, der nicht groß und dürr und schwarzhaarig ist..." Er blinzelte Ayco zu.

Ärgerlich wendete der Junge den Kopf ab. Warum sagte Luca solch einen Unsinn? Diese Worte taten weh... Unerklärlich, aber es schmerzte, sich vorzustellen, dass er Luca überdrüssig wurde, und er glaubte, dass dieser Zustand nicht eintreten würde. Nicht wirklich. Der Magier, seine ganze ruhige, sanfte Art, hatte etwas außergewöhnliches, für ihn reizvolles und irgendeine leise Stimme in Ayco drängte ihn dazu, egal wie, diese Persönlichkeit auszuloten... Immer noch war der Wunsch da, nicht wirklich leben zu wollen, und noch immer ärgerte ihn der Gedanke, dass Luca ihm die Entscheidung abgenommen hatte, aber Aycos Entschluss wackelte unterdes stark und er wusste, dass niemand außer Luca diesen Entschluss sterben zu wollen umstoßen konnte. Dieses Wissen war so fest in ich, dass es ihn schon ängstigte. All die neuen Gefühle, Eindrücke, Gedanken... In der Zeit, die er nicht bei sich war, in diesen drei Wochen, hatte sich sein tiefstes Inneres umentschieden.... nein, eine bestehende Entscheidung nur gefestigt. All das lag an diesem Mann, wie er sich selbst abfällig nannte, der dünne Magier...

Wortlos schloss er die Augen und kuschelte seine Stirn an Lucas Schulter. Seine flachen Atemzüge beruhigten sich langsam und er sog tief Lucas Duft ein... Das Aroma, was sein Körper verströmte brannte sich in dieser Nacht für immer in Aycos Gedächtnis. Kein anderer Mann duftete so, wie Luca. Auch wenn er immer noch Justin an ihm wahrnahm, den scharfen Geruch des Spermas und des Schweißes... So verschwand all das unter dem schweren, süßen Duft seiner Haut, der irgendwo zwischen Rosen und Weihrauch lag...

Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte Ayco, wie Lucas Körper Duften musste, wenn er mit jemandem schlief und wirklich Lust empfand, einen Orgasmus erlebte... hastig verdrängte er den Gedanken wieder. Wie kam er plötzlich auf solche Ideen? Er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss und seine Wangen zu glühen begannen...

Luca nahm Ayco wieder auf den Arm und verließ mit Ayco den Saal...

Ein leichtes zucken ging durch Lucas gestalt, als die zwei kleinen Drachen aus dem Gebälk herabstießen und sich rechts und links auf seinen Schultern niederließen...

Ayco sollte nun allein mit Luca in einem Zimmer bleiben? Ihm wurde klar, dass er sich vor dem Gedanken fürchtete. Im ersten Moment machte er die Tatsache, dass der Magier homosexuell war dafür verantwortlich, die Angst, dass Luca ihm das selbe antun konnte, wie Justin es bei dem Magier tat... aber gleichzeitig wusste er, dass Luca ihm nie etwas antun konnte. Dazu war der Magier zu sanft.

Aber wovor fürchtete sich Ayco dann so sehr? Dass sich Luca in ihn verlieben konnte? Eine Stimme in dem Elfen sagte ihm, dass Luca ihn bereits liebte. Was also sonst?

Aycos Blick irrte unsicher umher. Dennoch registrierte er kaum welche Strecke Luca zu seinem Zimmer, was eineinhalb Etagen unter dem Saal, aber in einem anderen Flügel des Hauses lag, nahm. Er klammerte sich an Luca, so fest er konnte...

Schleichende Erkenntnis

"Ayco... Aycolén..." Lucas sanfte Stimme riss den Jungen wieder in die Gegenwart.

Unsicher, ängstlich, aus unerträglich großen, verschreckten Kinderaugen sah er zu Luca auf. Seine Lippen zitterten leicht. Mitten im Schritt verharrte Luca und sah ihn mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen an. "Du hast Angst vor mir..." stellte er leise fest.

Ayco sah wortlos weg und schwieg...

"Soll ich dich zurückbringen?" flüsterte Luca.

Nun sah Ayco ihn leicht erschrocken und verletzt an.

"Das ist ein klares Nein," grinste Goldy und blinzelte unschuldig zu Ayco. "So lang du nichts sagst werde ich Luca sagen, was du nicht über die Lippen bekommst."

Betroffen, ärgerlich, senkte Ayco den Blick und errötete wieder.

Luca lächelte leicht. "Goldy... du bist aufdringlich. Bringe Aycolén nicht in Verlegenheit. Bitte..."

"Oh Chef! Du bist gemein zu mir!" Sie schnaubte. "Ich bin ein Telepath!"

Nun zuckte Ayco wirklich zusammen. Was er über Telepathie wusste, machte ihn, der so schon unsicher und zwischen seinen Gefühlen hin und her gerissen war, nur nervöser.

"Ich wollte nur wissen, ob du etwas dagegen hast, wenn ich dich bade. Du hast ein Bad dringend notwendig..." Er lächelte. "Ich allerdings auch."

Aycos Wangen verdunkelten sich noch um eine Spur tiefer ins rote Spektrum. Seine Lider senkten sich... Es war ihm peinlich... und dennoch wünschte er sich, Luca dabei bei sich zu haben... Er war ohnehin zu schwach, sich selbst zu waschen... Himmel, was tat er?! Er suchte offensichtlich nach einer Möglichkeit zu entschuldigen, dass er bei Luca sein wollte?! Dass er Lucas Nähe wollte und seine Hände, die ihn sanft berührten... Die Tatsache, dass er die Vergewaltigung mit angesehen hatte, schien in ihm etwas berührt zu haben, hatte seine Ansichten über Luca geändert und in einigen Punkten bestärkt. Er sah den Magier in einem anderen Licht. Sein Misstrauen machte dem tiefen Wunsch, ihm vertrauen zu können, platz. Langsam hob er wieder den Blick und erkante, dass Luca ihn betrachtete, versonnen, verträumt, wie jemand ein geliebtes, schlafende Kind betrachtete...

"Darf ich dich in das Bad entführen?"

Ayco nickte nicht. Er senkte und hob lediglich die Lider. Das allein rechte Luca als Bestätigung.
 

Staunend sah sich Ayco in dem "Baderaum" um. Erwartet hatte er ein kleines rechteckiges oder quadratisches Räumchen, was verputzt war und in dem die Wände schimmelten, einer jener Räume, die kaum Platzt für den Waschzuber aus Holz oder Kupfer boten, mit einem Bänkchen aus Holz... aber das...

Der Raum war quadratisch, riesig, ein Gewölbe im Gewölbe, im Zentrum ein eingelassenes, ovales Becken, von dessen Rand Stufen in das warme Wasser führten, , mit einer hüfthohen, umlaufenden, gemauerten Sitzbank. Zwei Nymphen aus Messing gossen Wasser in das Becken... Innen war alles mit Mosaiken ausgelegt, die ei Mäandermuster bildeten, in dem Unterseeische Märchenfiguren abgebildet waren. Schiefer bedeckte den Boden... Die schieferplatten fühlten sich warm an, als wäre der Boden darunter beheizt... Über dem Becken spannte sich ein perfekter Dombaldachin, gelagert auf vier schwarzen Marmor-Säulen... Das Deckemotiv waren schwarze Engel in goldenen Wolken... zwei hohe, in Stein gefasste Buntglasfenster veredelten das Bild zu einem Stein gewordenen Märchen...

Luca setzte Ayco auf dem Fußboden ab und kniete sich vor ihm nieder, lächelnd. Sanft streichelte er über Aycos Wange und er wartete, bis der Elf ihn wieder ansah.

"Wunderschön, nicht?"

Aus großen, verträumten Augen sah er den Magier an. Dann, ganz zaghaft, nickte er.

Luca lächelte ihn warm und liebevoll an. Scheinbar freute er sich über jede einzelne Reaktion Aycos. "Ich bin gerne hier..." flüsterte er. "Hier kann ich träumen. Aber seit ich dich kenne, träume ich ausschließlich von Dir." Seine Stimme war ein Wispern... Ayco errötete noch tiefer. Dann wurde ihm bewusst, dass Luca nicht in der allgemeinen Handelssprache redete, sondern die melodische Sprache der Seraphs nutzte...

"Du verstehst mich..." hauchte Luca und streichelte Ayco unendlich sanft über die Wange. "Du bist wie ich..." in seinen Augen schimmerte Erkennen, sanfte Freundschaft... mehr noch, Liebe und tiefe Freude.

Ayco schwieg weiterhin, entzog sich aber, obgleich es ihm schwer fiel, Lucas Hand.

"Ich wollte Dir nicht zu nahe treten," sagte Luca leise.

Er stand auf und ging um Ayco herum. Der Elf folgte ihm mit Blicken, unsicher... Was hatte Luca nur vor?

Der Magier kniete hinter ihm nieder und nahm einen Kamm. Mit langsamen, behutsamen Strichen kämmte er Aycos Haare. Es dauerte fast eine Stunde, das silberne Haar zu striegeln, alle Knoten aus den sanften Wellen zu entwirren... Ayco wusste, die Geduld würde er nicht aufbringen, aber Luca... bei ihm störte es Ayco nicht. Im Gegenteil er genoss das Kämmen, die leichten Berührungen das sanfte nachstreichen über die entwirrten Haarsträhnen...die schimmernde, schwarze Haut Lucas sah aus wie geronnene Finsternis in seinem Silberhaar...

Danach legte Luca den Kamm weg und begann Aycos Kleider aufzuschnüren. Wieder seine geduldigen, leichten Berührungen, die ihn manchmal leise kitzelten... Luca flocht irgendwann einen losen Zopf aus den Haaren des Elfen und legte sie ihm über die Schulter, damit er ihm nun die Kleider ausziehen konnte. Allein dabei war er zärtlich, so zärtlich, dass Ayco die Augen schloss und sich gegen ihn lehnte, es genoss...

Ein leises ziehen in seinem Schoß ließ ihn hochschrecken. Alarmiert sah der junge Elf nach unten und bemerkte, dass sein Glied steif war... Obgleich Luca ihn nicht einmal annähernd dort berührt hatte, reagierte er auf Luca... Nein, das konnte nicht sein, er reagierte nie auf einen Mann!!! Nicht auf... und doch, sein Körper wollte mehr davon. Seine Wangen verfärbten sich flammend rot und er suchte seine Erregung hinter seinen Händen zu verbergen. Luca schien es nicht bemerkt zu haben, oder er ignorierte es... Denn er hob Ayco auf seine Arme und trug ihn in das warme Wasser. Dort lies er sich auf den Stufen nieder und setzte den Elfen vor sich, zwischen seine Schenkel ab. Sofort neigte sich Ayco nach vorne und umklammerte mit beiden Armen seine Beine. Er zitterte leicht... vor Erregung. So etwas hatte er nie zuvor gespürt... er war... sein Körper war noch jungfräulich. Warum erregte ihn diese Perversion um ihn herum so? Warum erregte Luca ihn? Ein Zucken ließ ihn herumfahren. Luca saß vorne übergebeugt da, den Kopf auf Aycos Schulter. Stumme Tränen rannen über seine Wangen, und Ayco sah etwas, dass seine Erinnerung ebenfalls nie wieder verlassen sollte. Die Federn sein Schwingen fielen stück um stück aus. Fielen um Luca herum ins Wasser und auf den Schiefer... Ein schütteln der Schwinge tat das selbe wie der Herbstwind bei Bäumen... die Skelette seiner Flügel streckten sich qualvoll hinauf, um sich dann mit unglaublicher Gewalt in Lucas Rücken zurückzuziehen. Blut rann über seinen Rücken, seine Schultern, zugleich verfärbte sich seine Haut wieder weiß und seine Knochen zogen sich zusammen. Welche grauenhaften Schmerzen musste Luca dabei ertragen? Ayco sah ihn aus schreckensweiten Augen an... Dann sank er zitternd nach vorne, in die Arme des Elfen, der ihn fast automatisch auffing...

Ausgeliefert

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Verspieltes Vertrauen

Natürlich blieb es bei dem Vorhaben, sich von Ayco fern zu halten, und irgendwie wusste Luca das auch vom ersten Moment an. Der Magier saß die ganze Zeit neben dem schlafenden Elfenjungen und beobachtete seinen ruhigen Schlaf, die gleichmäßigen Atemzüge des schönen Jungen, der gerade auf dem Grad zum Mann stand. Er streichelte Aycos Haar und verfluchte sich innerlich dafür, ihn berührt zu haben, ihn soweit gebracht zu haben, unter seinen Händen zu kommen. Der Stolz des Jungen und vor allem auch die Abscheu vor ihm kam Luca immer schmerzhafter zu Bewusstsein. "Wenn Dir auch nur für einen Moment bewusst wäre, wie sehr ich dich liebe," flüsterte Luca. "Ich glaube, du würdest mich mehr hassen und verabscheuen, als irgendein anderer." Dennoch neigte er sich zu dem Jungen, streichelte seine Haare aus der Stirn und küsste sie sanft. "Darum bleibe ich immer nur in Deiner Nähe, im Hintergrund, um dich zu beschützen. Auch wenn es mir das Herz brechen wird." Luca streichelte ihm weiterhin über den Kopf und beobachtete das friedfertige Knabengesicht unter dem langen Pony. Er wusste, dass er sich selbst gerade krampfhaft zu belügen versuchte. Er liebte Aycolén viel zu sehr. Es würde nicht dabei bleiben, dass er ihn aus einem stillen Winkel seines Herzen heraus liebte und schwieg, zusah, wie sich der Junge entweder ruinierte, oder nach einer Frau suchte und sie ehelichte... Irgendwann würde er ihm sagen, dass er den Elfen liebte, irgendwann...

Sicher würde er ihn verschrecken und das wenige Vertrauen, was Ayco zu ihm hatte, konnte darunter zerbrechen wie Glas. Der Gedanke schnürte Luca fast die Luft ab, wenn er genauer darüber nachdachte. Er konnte und wollte aber auch nicht schweigen. Unehrlichkeit lag ihm nicht... außerdem kam es Luca wie Verrat vor, wenn er Ayco nichts sagte, denn letztlich würde er immer, wenn er den Jungen in die Arme nahm, ihn hielt, mit ihm in den Armen einschlief, daran denken, wie sich die heiße Haut des Elfen unter Lucas Fingern angefühlt hatte, wie sie vor Erregung duftete und wie schön sich Aycoléns Glied in seinen Händen angefühlt hatte. Er würde sich immer wünschen in seiner Nähe zu sein, immer an seiner Seite... von ihm akzeptiert, gewollt und geliebt zu werden.

Milder Schrecken durchführ Luca, als ihm bewusst wurde, dass er bereits jetzt Ayco schon vollkommen verfallen war und sicher nicht körperlich. Viel eher dem stacheligen, abweisenden Wesen des Jungen, dass im Schlaf so sanft und zerbrechlich war und sich so sehr an ihm klammerte wie ein Ertrinkender. Das allein zwang Luca schon dazu, immer für Ayco da sein zu wollen. Er sehnte sich so sehr danach, dass der Junge ihn brauchte, eines Tages auch wenn er wach war, nicht nur in seinen Träumen.

Luca stand auf und ging nun doch zur Türe, spähte hinaus in das ewige Halbdunkel des Flures und überlegte einen Moment. Tee und Suppe brauchte er für Ayco, oder irgendetwas anderes, was der Junge leicht schlucken konnte, ohne dass er sich dafür anstrengen musste...

Er sah noch mal kurz über die Schulter und gab den beiden kleinen Drachen einen Wink, bei Aycolén zu bleiben. "Ich bin gleich wieder da."
 

Luca hatte mit allem gerechnet, nicht aber, dass der Junge erwachen könnte, bevor er wieder oben war. Doch als Luca wieder in sein Zimmer zurück kam, saß Aycolén wach und aufrecht im Bett, starrte aus angstvoll weiten Augen in die Schatten und zuckte zusammen, als Luca die Türe öffnete. Goldy saß auf dem Kopfkissen und sah den Elfen voll Sorge an, blinzelte nervös. Tambren hingegen flatterte zu Luca und setzte zur Landung auf dessen Schulter an. "Bloß nicht," murmelte der Magier und machte eine Kopfbewegung zu dem Tablett in seinen Händen. Der kleine, blaue Drache versuchte verzweifelt seine Flugrichtung zu ändern. Ein dummes und ungeschicktes Manöver, was unsanft an der zuschlagenden Zimmertüre endete.

Luca verzog im gleichen Moment, in dem Tambren mit dem Kopf voran gegen die Tür schlug, das Gesicht. Er stellte das Tablett rasch ab und kümmerte sich um seinen kleinen Freund, der leicht benommen zu Boden trudelte und unsanft auf seinen dicken Hinterteil aufsetzte. "Mein armer Kleiner," flüsterte Luca besorgt und pflückte den Drachen vom Boden auf, küsste sein Köpfchen und drückte ihn sachte an sich. Krampfhaft versuchte er die stechenden Schmerzen in seiner Stirn zu ignorieren, die sich ständig steigern wollten. Er sah Tambren an und kraulte ihn. "Was machst Du Dummerchen denn?" fragte er leise.

"Da war etwas im Zimmer, Luca," murmelte Tambren undeutlich, immer noch halb benommen. "Etwas schemenhaftes, Geisterartiges... es war..." Luca legte ihm behutsam den Zeigefinger unter das Kinn und kraulte ihn langsam. "Scht, erzähl mir das gleich, wenn du dich ein wenig erholt hast, sag mir nur, ob diese Erscheinung noch da ist."

Der kleine Drache schüttelte leicht den Kopf und sah Luca an. "Es hat keinem von Euch etwas getan?" fragte Luca leise. Tambren schüttelte den Kopf, woraufhin es ihm und Luca sofort schwindelig wurde. Der Magier öffnete die Schnürung seines Hemdes und setzte den Drachen hinein. "Beruhige Dich, mein Schätzchen und lass mich deinen Kopf etwas kühlen..."

Luca konnte Aycos Blick im Rücken fühlen, drehte sich aber erst wieder um, nachdem er in die Waschschüssel neben der Türe wasser gefüllt und Tambrens Stirn mit einigen Wassertropfen beträufelt hatte. Aus dem Saum seines Hemdes riss er einen Fetzen Stoff und feuchtete ihn an, und legte ihn dem Drachen auf die flache Stirn. "Gut so, mein Schätzchen?" Tambren sah ihn aus großen goldenen Augen an und nickte verträumt. Luca spürte eine Welle vertrauter, liebevoller Gefühle, die Tambren ihm entgegen brachte. Zärtlich kraulte er den Drachen hinter den Ohren. "Schlaf am besten, mein Kleiner," murmelte der Magier zärtlich. "Dann wird es Dir bald besser gehen." Er ließ Tambren weiter in sein Hemd rutschen und nahm nun das Tablett wieder vom Boden auf, trug es zum Bett und setzte sich auf den Bettrand und stellte es auf dem Boden ab. Die Augen des Elfen folgte ihm und sahen ihn nun direkt an. Der Blick aus diesen gewaltigen, erschrockenen Augen, die eindeutig noch die eines Kindes waren, bohrte sich in den seinen und traf tief in seinem Herzen auf, zerrte all seine Gefühle, seine nackte Seele, an den Tag. Dennoch wagte Luca es nicht, den Blick zu wenden, er wollte es auch gar nicht. Dieser Moment besaß eine ganz eigene Magie, die stärker als jedes Wort war. Voller Liebe sah er Ayco nun an. Ja, er wollte, dass der Junge seinen Gefühle hervorzerrte, wollte sehen, ob und wie er auf Lucas Liebe reagierte...

Aycos Blick war eine Mischung aus Angst, Schrecken, Neugier, Ärger und verletztem Stolz. Auf unerklärliche Weise fühlte sich Luca ertappt... "Sag mir, was war das, was euch hier heimsuchte? Ein Geist...?"

Luca sah die Ohrfeige kommen, regte sich aber keine Sekunde. Ihm erschien in dem Moment alles wie in Zeitlupe zu geschehen. Er schloss nicht mal die Augen, sondern sah Ayco nur auf die gleiche liebevolle, traurige Art an, wie zuvor. Er wusste, warum der Junge ihn schlug, und es war ihm bewusst, dass Ayco im Recht war. Nur wie hatte er es erfahren? Schlief Ayco doch nicht, als er ihn befriedigte? Hatte Goldy etwas verraten? Oder hatte es etwas mit dem Geist zu tun? Ayco jedenfalls drehte sich wütend von Luca ab und schloss die Augen. Er vergrub sich unter den Decken und Luca spürte den Drang des Jungen, sich vor ihm zu verbregen. "Vergib mir bitte..."
 

Einerseits hatte es Ayco durchaus beeindruckt, wie zärtlich Luca mit seinem Vertrauten umging, wie liebevoll das Verhältnis zwischen dem Magier und dem kleinen blauen Pseudodrachen war, andererseits war es für ihn ein Schock zu erfahren, was Luca getan hatte, während er im Bad eingeschlafen war... Er konnte sich nicht vorstellen, dass sein Körper je so intensiv auf Lucas Hände reagierte... nein, nie. Er würde doch nicht auf einen anderen Mann reagieren...!!! Schon gar nicht auf diesen penetranten Magier... Aber er wusste auch, dass er sich sehr wohl Gefühl hatte, als Luca ihn badete und massierte... Aber das war etwas anderes. Das war... Er fühlte sich schon fast schmutzig. In seiner Fantasie hatte Luca ihn vergewaltigt! Ganz genau so wie Justin. Die beiden Kerle passten zueinander. Der eine war so pervers wie der andere!

Andererseits spürte Aycolén bereits, wie angenehm Lucas Aufmerksamkeit für ihn war, wie sehr er es mochte, dass Luca nur für ihn da war, und er konnte sich aus dieser Situation heraus kaum vorstellen, dass der sanfte Mann, der sich viel mehr wünschte ein Künstler, denn ein Magier zu sein, ihn vergewaltigte. Außerdem musste er, gegen seinen Willen zugeben, dass er schon auf Luca reagierte, noch während er wach war, und jede nacht, die er bei ihm saß, ruhiger schlief und träumte, süße Träume hatte, solche, in denen auch Luca war. Den Magier konnte er sich schon gar nicht mehr aus seinen träumen wegdenken. Luca...

Warum stand er ihm mit so stark gespaltenen Gefühlen gegenüber? Warum konnte er nicht einfach Hass empfinden? Warum war da dieses winzige bisschen Zuneigung in seinem Herzen, dass unseliger Weise mit jedem Tag stärker wurde und es ihm unmöglicher machte, Luca von sich zu weisen...?

Was hatte sie gesagt? Ich solle mich erinnern? Grübelte Ayco nach. Woran? Ich solle ihn nicht verurteilen, sondern auf meine Gefühle hören?

Ayco krümmte sich weiter zusammen und presste die Lider fester zusammen. In dem Moment hasste er Luca wirklich... Lea, warum kann ich nicht endlich bei dir sein?!

Isolation

Hilflos saß Luca neben Ayco und sah ihn an. Der Schlag tat zwar nicht wirklich weh, wie die wenigsten Ohrfeigen, aber irgendwo, tief im Verborgenen brach etwas in Luca. Er wusste nur zu gut, dass auch er in Ayco irreparablen Schaden angerichtet hatte, aber allein der Gedanke daran brachte ihn nah an den Rand völliger Verzweiflung, denn dieser Junge würde ihn hassen und verabscheuen und eher verdammen, als ihn je wieder an sich heran zu lassen...

Woher aber wusste er es?...

Unsicher setzte sich der Magier vor das Bett auf den Fußboden und stützte seine Ellenbogen schwer auf seine Knie. Das Gesicht vergrub er in Händen. Er wollte nicht dass Ayco oder die zwei Drachen etwas von seinen Gefühlen mitbekamen, von seinen Ängsten und dem Schmerz. Tränen sickerten durch seine Finger und fielen zwischen seinen Beinen auf den kalten Steinboden. Er bemerkte es nicht einmal. Sein Verstand hatte andere Wege betreten.

Ein Geist, dachte Luca... Sie alle haben einen Geist gesehen. Die beiden Drachen waren verschreckt, Aycolén nur wütend. Hat er überhaupt den Geist gesehen?

Luca sah nun doch hoch, zu dem Jungen, der sich völlig zusammengerollt und die Decke über den Kopf gezogen hatte. Luca hörte nichts von ihm. Er wusste aber, dass Ayco nicht schlief. Angespannt belauerte der Junge ihn, ängstlich, dass Luca ihm noch mal etwas vergleichbares antun könnte. Luca musste sich nicht auf das Bewusstsein des Jungen konzentrieren, um das zu wissen. Er spürte es einfach.

Und er wusste, dass alles, was er erreicht hatte verloren war. Aycoléns schwaches Vertrauen, diese zaghafte, kleine Flamme, war erstickt, und der Elf würde ihm, wenn überhaupt noch, nur mit eisiger Kälte und Misstrauen begegnen. Hass, Verachtung.

Was sollte Luca sagen? Dass es ihm leid tut und er es nicht tun wollte? Nein, sicher nicht. Sein Körper wollte nur zu gerne mit Aycolén schlafen, ihn befriedigen, sehen, wie der Junge Mann auf ihn reagierte, seine Pulsierende Lust in seinen Händen spüren...

Aber da war mehr. Viel mehr. Luca wusste, dass er Ayco liebte, wirklich liebte, ihn nicht nur begehrte. Für dieses zerbrechliche Geschöpf würde er alles tun, solang es ihm nur gut ging... gut...? Er verschuldete ja den Zustand in dem sich Ayco befand.

Lucas Selbsthass blühte auf, in dem Moment mehr denn je. Er wünschte sich nun nur noch für Ayco dazusein und ihm zu dienen, gleich was geschah. Insgeheim schwor er sich, Ayco immer als stiller Begleiter zur Seite zu stehen, um wenigstens ein wenig davon gut zu machen, was er getan hatte. Er würde es nie ganz schaffen. Nicht wirklich. Aber er wollte es wenigstens versuchen.

Wenigstens ließen ihn die beiden Drachen in ruhe. Tambren schlief friedfertig in seinem Hemd und Goldy, sie saß bei Ayco. Luca senkte wieder den Blick und starrte zu Boden. Wenn das alles Stimmte, und er war sich sicher, dass Goldy und Tambren einen Geist gesehen hatten, was wollte dieses Geschöpf von Aycolén? Wollte es ihm schaden oder helfen?

"Goldy, meine Kleine, was habt ihr gesehen? Bitte, lass mich zugriff auf Dein Wissen, dein Gedächtnis, nehmen..."

Sie krabbelte über die Decken des Elfen zu Luca und sah traurig über den Rand zu Luca. "Er denkt, du hast ihn vergewaltigt," sagte sie leise, zusammenhangslos.

Luca antwortete im ersten Moment nicht darauf. Er senkte nur noch weiter den Blick, ernst, traurig. In ihm tobte der Schmerz. Etwas zeriss seien Seele, zerrte seien Gefühle ans Licht und zerstörte ihn Stück um Stück. "Ja, Goldy. Vielleicht liegt das näher an der Wahrheit als alles sonst. Vielleicht habe ich wirklich etwas vergleichbares getan..."

"Aber du hast doch nur mit dem weiter gemacht, was ihm gefiel...!" Tränen rannen über ihre roten Schuppenwangen...

"Lass gut sein, suche nicht einer Entschuldigung," murmelte er. "Ich habe alles zerstört..."

Sie sah ihn plötzlich grimmig an. "Das ist wieder typisch! Du akzeptierst einfach alles, nimmst alles hin, ohne vielleicht darüber nachzudenken, dass du nie einen anderen vergewaltigen würdest! Du könntest das gar nicht. Jemand, der schon so oft, über Jahrzehnte hin vergewaltigt wurde wie Du würde es nie selbst tun!!!"

Luca sah sie nur still an. Er wollte etwas sagen, wollte sich irgendwie rechtfertigen für etwas, was keiner Rechtfertigung bedurfte... Doch alter Wunden, von Goldy angesprochen platzten langsam wieder auf. Wortlos senkte er nur den Kopf und begann seine Vergangenheit erneut, mühsam einzumauern, in der Hoffnung, sie würde nie wieder aufreißen.

Tambren regte sich leicht in Lucas Hemd... Aber er erwachte nicht. Luca umklammerte den kleinen blau geschuppten Drachen und kuschelte sich an ihn.

Damals gab es keinen Tambren, der für ihn da war, keine Goldy, die ihn immer wieder ermahnte, sich nicht aufzugeben.

Luca schloss die Augen und senkte den Kopf ganz, legte ihn auf die Knie und begann still zu weinen.

"Denkst Du daran, dass sie Dich vergewaltigt haben...?" fragte Goldy leise, mitleidig. "Wenn dann tut wes mir leid, das ich davon angefangen habe."

Luca sah nach einigen Sekunden auf, lächelte unter Tränen und streichelte dem roten Drachen über den Kopf. "Mein kleines Mädchen," murmelte er. "Ich bin im Moment völlig unwichtig. Er ist mir wichtig, Goldy, niemand anderes. Nur dieser schöne, zerbrechliche Junge..."

Langsam, schwerfällig erhob sich Luca. Goldy sah ihm nachdenklich nach. So erschöpft und hoffnungslos kannte sie Luca gar nicht. Er schien kaum die Kraft zu haben, sich bis zu dem etwas entfernt stehenden Diwan zu schleppen, die Kerzen zu löschen... Dann brach er daneben weinend zusammen...

Ayco

Aycos Bewusstsein, seine Erinnerungen trugen ihn diesmal nicht annähernd so weit fort wie sonst, denn irgendetwas, vielleicht sein Misstrauen und seine Angst, verhinderten, dass er abdriftete. Er konnte nicht anders, als Luca zu beobachten, ihm zuzuhören. Was zu Anfang Gefühle wie Zorn und Verachtung waren begann ganz gegen seinen Willen zu schwanken und änderte sich... Er musste zugeben, dass er Luca gar nicht verachtete. Er mochte ihn, mehr noch, er wollte ihn sogar trösten.

Er hatte alles mitangehört. Das einzige, was er nicht begriff war, was Goldy sagte. Sie sprach von Vergewaltigungen und auch davon, dass es mehr waren, mehr Kerle, nicht nur Justin.

Allein der Gedanke machte Ayco wütend und mehr noch fühlte er irgendwo tief in sich ein nagendes, bohrendes Gefühl, was er nicht identifizieren konnte, aber es war unangenehm, und nahe der Wut, die er empfand, aber trotzdem ganz anders. Ayco richtete sich lautlos auf und sah zu Luca hinüber, der im Dunklen, neben seinem freigewähltem Lager saß und immer noch weinte. Was hatte er gesagt, das einzige, was ihm wichtig sei, wäre er, Aycolén?

Der junge Elf begriff noch lange nicht die Tragweite von Lucas Worten, aber irgendwie tat es gut, das zu hören, zu wissen, dass sich doch jemand um ihn sorgte, auch wenn der Wunsch zu sterben immer noch tief in ihm keimte... Aber scheinbar gelang es diesem enervierend beharrlichen Magier dennoch immer mehr Ayco so nachhaltig zu beeindrucken und seine Wut zu mildern, dass er langsam Zugang zum Herzen des Elfen fand. Mehr noch, dass er Aycolén langsam in die Wirklichkeit zerrte, aber zugleich auch dafür sorgte, dass er dabei nicht allein war, sondern eine Stütze, einen Halt fand.

Aycolén scheute sich immer noch vor seinen Gefühlen für Luca, nun sogar bedingt mehr als zuvor. Aber er fühlte auch für ihn eine fremde Zuneigung.

Gerade im Moment wuchs der Drang in Ayco, Luca zu streicheln, seinen Kopf zu streicheln, ihn zu streicheln und ihn zu trösten, ihm zu sagen, dass er nicht allein war...

Dennoch sank er wieder in seine Kissen zurück, aber er konnte seinen Blick nicht mehr von dem weinenden jungen Mann nehmen. Irgendetwas berührte Luca in Aycos Seele, brachte sein Herz zum schmelzen.

Lang starrte er Luca an, beobachtete den Magier, der so lange weinte, bis er endlich einschlief... Er saß noch immer neben dem Bett, auf dem Fußboden, zusammengesunken, den Kopf auf den Polstern, und in seiner Armbeuge gebettet und die knie an den Leib gezogen, den kleinen, blauen Drachen in seinen Armen, fast wie ein kleiner Junge, der sich versucht an etwas zu klammern.

Er dachte nicht mehr daran, dass ihn dieser Junge vor einigen Stunden gestreichelt und berührt hatte, ihn gegen seinen Willen (?) zum Höhepunkt seiner Lust gebracht hatte, sondern nur daran, wer ihn schon alles berührt und gegen seinen Willen genommen hatte, und es versetzte ihm einen tiefen Stich. Dieses Gefühl konnte er nicht verstehen, nicht identifizieren, aber es war tiefe Eifersucht. Und zugleich der Wunsch, für Luca dazusein, wenigstens der erste Hauch eines Wunsches...

"Luca," murmelte er. Dann schloss er die Augen und dämmerte weg.
 

Am folgenden Morgen erwachte der Magier mit furchtbaren Rückenschmerzen, brennenden Augen und pochenden Schmerzen hinter seiner Stirn.

Allein das schummrige Licht in seinem Zimmer brachte ihm solche Pein, dass er fast durchdrehen wollte. Auch Tambren war noch nicht wieder bei Bewusstsein. Der kleine Drache schlief tief und fest in seinem Hemd. Luca kraulte dem kleinen Kerlchen den Kopf. Tambren regte sich kurz, unwillig und rollte sich in eine andere Position. Dann erhob er sich und wankte auf Ayco zu. Der Junge lag so friedvoll da, zum ersten mal nicht von Alpträumen geplagt... Luca ließ sich vor ihm auf die Knie sinken und beobachtete ihn aus zusammengekniffenen Augen. Es gelang dem Magier einfach nicht, die Augen richtig zu öffnen. Sein Schädel tat ihm dafür einfach nur zu sehr weh. Er hatte sich im Lauf der Nacht von seinen Decken befreit. Nun lag Ayco nur in sein Hemd gehüllt da, so blass und verloren in all dem weißen Seidenstoff und so irreal wie das Mondlicht selbst. Natürlich war es schwül und heiß hier und es roch beständig nach Verwesung. Aber dennoch... Er lag da wie eine lebende Einladung. Luca setzte sich still neben ihn auf den Boden und beobachtete Ayco. Er schien wirklich ruhig zu träumen. Jetzt sogar entspannt. Für Luca war es das Schönste, zu sehen, dass sich der Junge dennoch entspannte, gleich, was er gestern im Bad getan hatte. Scheinbar schien er wirklich nur im Wachzustand erbost zu sein, aber nun, im Schlaf...? Luca setzte sich auf und deckte Ayco zu, streichelte ihm einige Haarsträhnen aus den Augen und beobachtete das traumhaft schöne, ebenmäßige Gesicht des jungen Mannes. Dennoch war Luca darauf gefasst, dass Ayco erwachte und ihm schreiend die Hand zur Seite schlug, sich in seine Alpträume flüchtete oder einfach nur zu einer gefühllosen Hülle wurde. Aber nichts dergleichen geschah. Ruhig schlief der Junge weiter. Luca erhob sich nach ziemlich langer Zeit wieder und ging langsam zur Türe. "Goldy, ich gehe runter, in die Küche. Gorg wird schon etwas für uns haben. Außerdem will ich mit Justin reden. Ich muss ihm danken, dass er mich nicht rausgeworfen hat. Das zumindest bin ich meinem alten Freund schuldig."

Goldy, die neben Ayco auf seinem Kissen lag, zusammengerollt, hob kurz den Kopf und sah ihn zweifelnd an. "Glaubst Du wirklich, dass das eine gute Idee ist, sich mit Justin einzulassen? Der alte Vampir wird doch sonst was mit dir machen... zum Beispiel seinen Spaß mit dir haben... Langt es dir nicht endlich mal?"

Luca sah eine Weile still zu ihr. Dann senkte er den Blick. "Glaubst Du etwa mir macht es Spaß, vergewaltigt zu werden? Es geht mir nur um Justin. Ich sehe in ihm immer noch den Mann, der ohne eine Frage zu stellen bei mir war, mich beschützt hat und mich aufnahm, ohne mich zu kennen, der für mich zu meiner Familie wurde. Ich liebe ihn nicht, wenigstens nicht als Mann..." Er verstummte. Nach einigen Sekunden flüsterte er: "Aber er ist mein Freund, der Freund, zu dem ich immer zurückkommen dürfte, egal welche Fehler ich gemacht habe."

"Deshalb lässt Du ihm einfach Deinen Körper als Spielzeug seiner Gelüste?" fragte Goldy ärgerlich. "Flüchtest Du dich immer wieder in seien Arme, nur weil du sonst niemand andere hast?"

Luca schlug die Lider herab. "Wenn du meinst, dass ich mich prostituiere, dass ich meinen Körper für etwas Wärme und Freundschaft verkaufe..." Er wollte sagen, dass Goldy sich darin irrte, aber es war nicht so. Luca wurde mehr und mehr bewusst, dass der Drache recht hatte. Er war nichts anderes als eine männliche Kurtisane.

Diese Erkenntnis tat zwar weh, aber sie berührte ihn nicht mehr wirklich. Gestern Nacht hatte er alles verloren, was ihm etwas bedeutete... Nun konnte Luca nur noch darauf hoffen, dass Ayco in ihm irgendwann etwas wie einen Freund sehen würde, oder wenigstens jemand, den er nicht verachtete. Lucas einziges Ziel war und blieb, Ayco glücklich zu machen, und wenn er das nur aus der Ferne konnte, würde er auch das tun. Er wollte nur eins, einmal Ayco lächeln sehen.

Wortlos drehte er sich wieder um und ging.
 

"Ayco..."

Der Junge drehte sich um und schlang seine Arm um den Leib. Warum kam Lea immer zu ihm, wollte ihn aber nie mit sich nehmen? Wollte sie ihn nicht mehr an ihrer Seite? Sie war doch seine Zwillingsschwester. Weshalb nahm sie ihn nicht endlich mit sich in das Reich der Toten? Dort konnte er endlich mit ihr und seiner Mutter, die ihm so sehr fehlte, zusammen sein. Aber scheinbar hatte Lea sich ausgerechnet diesen penetranten, enervierenden, dummen Magier auserkoren, der ihn dazu zwang zu leben.

Lea saß neben ihm auf dem Bett, immer noch in dem niedlichen Kinderkörper gefangen, der ihr Grab wurde.

"Ayco, was fällt Dir eigentlich ein?!"

Sie klang beleidigt... Oh meine kleine Lea, du fehlst mir so... sei doch nicht böse...

"Ich bin böse, dass Du mich nicht anschaust, kleiner Bruder!!!"

Nun fuhr Ayco aus den Kissen, zornig. "Nur weil Du fünf Minuten vor mir auf die Welt gekommen bist!!!!" Er starrte sie an. "Wie lang willst Du mir das noch vorhalten?! Außerdem bin ich jetzt der größere!" Ihm war gar nicht aufgefallen dass diesmal die Kommunikation nicht wortlos stattfand, sondern sehr wohl laut und verbal.

Goldy, die bis eben dösend auf seinem Kissen lag, schrak hoch und starrte Lea und Ayco an.

Das Geistermädchen saß lächelnd und mit herabbaumelnden Beinen auf der Bettkante und stritt sich mit Ayco darüber, wer älter war...?! Goldy zweifelte schlicht an ihrem Verstand. Das konnte einfach nicht die Wirklichkeit sein. Sie schüttelte sich, petzte die Bernsteinaugen zusammen und schaute wieder hin.

Währendessen hatte sich Lea vorgebeugt und schaute sie interessiert aus grünen Katzenaugen an. "Niedlich..."

"Wie...?" keuchte Goldy. Ein, auf menschliches Alter umgerechnet, etwa 8 jähriges Mädchen mit silbernen langen, gewellten Haaren lächelte sie freundlich an.

"Ja, niedlich. Ich wusste nicht, dass es so was kleines, süßes, schuppiges gibt. Ich habe Dich zwar schon öfters gesehen, aber ich wusste nicht, dass Du auch reden kannst und..."

"Ich bin nicht niedlich!!!!"

Lea kniff lachend die Augen zusammen. "Oh doch, und wie!"

Goldy lächelte unterdes auch und konnte sich einfach nicht des Charmes dieser kleinen Elfe entziehen.

Ayco nahm Goldy in seine Arme und hielt sie in seinen Armen. ,Sie gehört deinem Freund,' entgegnete er bissig. Er wollte sich wieder darauf festlegen, schweigend zu antworten...

"Er ist nicht mein Freund, Ayco, er ist... ach, egal, du Idiot machst alles falsch, du tust dir weh und mir und ihm!" Sie glitt langsam von der Bettkante. "Erinnere Dich endlich wer dieser Mann ist, wie wichtig er für Dich ist und dass Du ihn brauchst." In ihren Augen schimmerten Tränen. "Erinnere Dich endlich wieder!"

Ayco sah sie ärgerlich an. ,Hast Du nicht mitbekommen was er getan hat?! Er hält mich von Dir fern...'

"Das tut er, weil er Dich mag," zischte Goldy.

"Und er hat nichts getan, was Du nicht selbst ausgelöst hast," sagte Lea leise. Sie drehte sich um. Du fühlst Dich doch wohl in seiner Nähe. Du willst ihm vertrauen, gerade weil er alles für Dich tut, und du bist furchtbar eifersüchtig auf jeden anderen, der Luca auch nur falsch ansieht und um den er sich kümmert, und du hasst Justin, der ihn vor Deinen Augen genommen hat..."

,Sei still!' Ayco schloss die Augen und schüttelte sich! ,Du spinnst ja!!! Halt den Mund...!'

Er ließ sich auf die Seite Fallen und zog die Decke über den Kopf.

"Du Schweigsamer, Deine Schwester ist weg, nur zu Deiner Information." Goldy krabbelte zu ihm unter die Decke. "Sag mal, was ist mit dir los, Ayco? Wovon redet Lea?"

Er wollte sich umdrehen, ließ es aber und murmelte: "Ich weiß es nicht. Mehr sagt sie mir nie, und ich kann mich doch wirklich an nichts mehr erinnern."

Goldy sah ihn groß an. "Und warum versuchst Du es nicht herauszufinden?"

Er antwortete darauf erst gar nicht. Aber plötzlich wurde ihm bewusst, dass Goldy wahrnahm, was er dachte.

"Du liest meine Gedanken..."

"Klar," antwortete sie trocken. "Ich bin ein Pseudo-Drache. Unsere Art ist psyonisch aktiv. Wir sind natürliche Empathen, Telepathen und Telekineten."

Ayco schloss die Augen und rollte sich weiter zusammen. Es erschreckte ihn zutiefst, dass Goldy seine Gefühle und Gedanken lesen konnte. Die erste und einzige Reaktion war es, sich vor ihr völlig zu verschließen. Denn, wenn sie schon die ganze Zeit wusste, was in ihm vor sich ging, wenn sie seinen stillen, inneren Kampf mitverfolgte, würde Luca alles wissen. Und das wäre schrecklich für Ayco.

Goldy beobachtete ihn noch einige Sekunden lang nachdenklich. Dann krabbelte sie umständlich unter der Decke hervor. "Du bist seltsam," murmelte sie. "Eine Ansammlung von Wut, Abscheu und Hass, aber tief darunter begraben der Wunsch, geliebt zu werden. Und wenn einer da ist der Dich wirklich liebt, so offen und ehrlich er kann, dann stößt Du ihn von Dir." Sie hob die Decke an und starrte Ayco ins Gesicht... Der Junge blickte in große, goldene Augen, die ihn sehr liebevoll und freundlich ansahen, so offen und wahrhaftig. Liebe... Was konnte schon ein so kleines, niedliches Geschöpf von Liebe wissen? Drachen konnten nicht lieben, wie also wollte sie wissen, was das Gefühl bedeutet?

Er schloss wieder die Augen und rollte sich zu einer Kugel zusammen...

"Ich frage mich nur, was schon wieder so lang dauert... Luca ist schon wieder viel zu lange weg..." murmelte Goldy. "Ich glaube, ich gehe ihn suchen..."

Ayco schon die Decke von seinem Gesicht und sah zu ihr. Irgendwie machten ihm ihre Worte Angst.

Justins Wahn und Aycos Mut

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Stärke

Ein Kaleidoskop aus surrealen Bildern und Farben gerann nach und nach zu einem neuen Alptraum.

Sprechende Drachen zerbissen den Traum von Leas Tot und riefen Gedanken und Gefühle wach, die Ayco ängstigten, die ihm vorgaben auf einem Meer von Blut zu treiben, einsam und verlassen... Und dennoch spürte er in seiner Angst, dass jemand nach ihm rief, ihn suchte, ihn brauchte. Aus dem Blutmeer erhob sich die blasse, blutige Schönheit Justins, dessen flammende Locken wie der rote Sonnenaufgang waren. Sadistisches Gelächter erfüllte ihn... quälte und peinigte Aycos feine Sinne.

Das Rauschen gewaltiger Flügel, milde, warme Schwärze, weiche Federn... Und dann fühlte Ayco sich umarmt, umfangen von der tiefsten Schwärze, die ihm je begegnet war. Und dennoch war in all der Finsternis alle Liebe, alle Seele vertreten, die er sein ganzes Leben lang gesucht hatte...

Dennoch erwachte er mit lautem Aufschrei...

"Scht, ruhig." Luca drückte Ayco behutsam in die Kissen und deckte ihn behutsam wieder zu. Er lächelte sanft. "Ich bin bei Dir, Aycolén. Ich bin da. Ich lasse Dich nie allein." Ayco senkte die Lider, den Blick. Im Moment fühlte er sich schäbig, nervös, ängstlich, aber auch sehr wohl, den er wusste, dass er in Lucas Bett lag, und so lang Luca hier, bei ihm war, würde der Magier auch nur ihm gehören. Es tat zu weh, dass Justin ihn besessen hatte... Justin, er war nicht gut, er war ein Monster, der ihm nahm, was Ayco fast so sehr brauchte wie die Luft zum Atmen. Dieses Wissen machte Ayco wahnsinnige Angst. Angst vor seinen Gefühlen, Angst aber auch vor Justin, der ihm immer wieder Luca wegnahm. Es war mehr als nur ungerecht, wenigstens empfand Ayco es als absolut grausam, und es störte sich mit seinem übersteigerten Gerechtigkeitssinn... Außerdem war er wahnsinnig eifersüchtig. Er hatte alles vergessen, Was Luca ihm in seinen Augen angetan hatte. Das einzige, was für ihn noch zählte, war ein Luca, der nur für ihn da war. Ausschließlich für ihn!

"Du hast mich gerettet," sagte Luca leise. "Danke."

Er lächelte Ayco so lieb und sanft an, dass der Elf ihn nur noch ansehen konnte, ihn gar nicht mehr aus den Augen zu lassen im Stande war.

Luca hatte immer noch die zerrissenen Kleider an und sah ziemlich zerschlagen aus, aber er war da...

"Willst Du nicht endlich etwas essen? Du bist so dünn geworden."

Ayco betrachtete Luca, der neben ihm auf der Bettkante saß. Im Moment sah er wieder wie dünn Luca eigentlich war. Unterernährt und knochig. Vermutlich wog der junge Magier keine 70 Kilo mehr, eher 60... Und er wirkte so zerbrechlich wie eine junge Elfenfrau. Je länger Ayco den fast nackten jungen Mann betrachtete, desto weniger menschlich erschien ihm Luca. Für einen normalen Menschen war Luca zu groß und zu zerbrechlich, sein Gesicht zu ruhig und klar... und die Augen zu weise und alt. Und jetzt, wo Ayco Luca zum ersten mal direkt betrachtete, direkten Augenkontakt zu ihm hatte, fiel ihm erst auf wie schön Luca war, wie warm und liebevoll der Blick des Magiers und wie gefühlvoll sein Lächeln waren. Die schmalen, langen Fingen des Magiers zupften sie Decke zurecht str4eichelten aus der Bewegung heraus über Aycos Wange... Im ersten Moment wollte der Elf zurückzucken, machte es aber nicht. Es tat gut, von ihm berührt zu erden, sehr gut. Ein Gefühl von absoluter Wärme durchflutete Ayco und es gelang ihm gerade noch so, sich nicht in seine Hand zu schmiegen.

Luca wollte gerade aufstehen, als Ayco nach seiner Hand tastete und ihn festhielt. Der Griff schien schwach und leicht, entkräftet, aber dennoch hatte es etwas erschreckend ängstliches, panisches.

"Ich gehe nicht weg." Er blinzelte Ayco zu. "Ich bleibe ja hier." Er machte eine Kopfbewegung nach unten. "Hier stehen Tee und Obst und ein wenig Brot für Dich."

Ayco sah ihn nur verwirrt an. "Du bist so schwach geworden. Und außerdem bist Du mir sehr wichtig. Ich möchte, dass Du lebst, dass Du glücklich wirst."

Er neigte sich zu Seite und zog sich dabei die Überreste seines Hemdes über seinen entblößten Schoß. Neben dem Bett goss er etwas kalten Tee in einen Tonbecher und nahm ihn auf. Als er sich aufrichtete sah ihn Ayco groß an.

"Schau mal, mein kleiner Trick." Luca begann sich auf den Becher zu konzentrieren und murmelte ein paar Worte. Goldenes Licht schimmerte zwischen seinen Finger, umhüllte den Becher und dann stieg dampf auf und das Aroma des Früchtetees stieg Ayco in die Nase. Erst jetzt fiel ihm auf wie viel Durst er hatte, und dass sein Magen knurrte... Sehr deutlich knurrte... Peinlich berührt sah Ayco zu boden und errötete.

Lächelnd betrachtete ihn Luca und reichte ihm den Becher. Mit zitternden Hände tastete Ayco danach. Halten aber konnte der Elf nichts. Selbst der Becher erschien ihm derweil wie Blei.

Luca stellet den Becher ab, richtete Ayco behutsam auf, legte ihm ein Kissen in den Rücken und lehnte ihn behutsam gegen die Wand. Der Elf hatte Angst, das spürte er, aber mehr als das genoss Ayco auch Lucas Nähe, den warmen Körper, der ihm so nah war, dass sie sich kurz berührten. Und dann, als sich Luca wieder aufrichtete, berührten seine Lippen leicht die Ohrspitze des Elfen. "Gut so?" flüsterte Luca.

Ayco saß wie elektrisiert da. Ein unglaublicher Schauer durchfuhr ihn, erfüllte ihn mit einem nie gekannten Gefühl von Verlangen... Sein Herz raste, seine Haut wurde wärmer und eine Welle sanfter Erregung durchfuhr ihn. Lucas Lippen waren so weich und warm. Solch volle und schöne Lippen... und Lucas heißer Atem, der ihn streichelte, seine Ohrspitze kitzelte...

Unsicher, mit flammend roten Wangen saß Ayco da und schaute ins Leere. Er nickte schwach, ohne Lucas Worte richtig verstanden zu haben. Luca entfernte sich von ihm und die Kälte schlug wieder über Ayco zusammen. Auch wenn der Elf es nie zugeben würde, aber er wollte Luca so nah spüren, wollte, dass der Magier immer so dicht als möglich bei ihm war... Luca nahm den Tee wieder auf und sah zu Ayco. "Möchtest Du?"

Ayco wollte den kopf schütteln, doch aller falscher Stolz war hier fehl am Platz. Er hatte furchtbaren Durst. Also nickte er schwach.

Er spürte wie ihm Luca den Becher an die Lippen setzte und als die ersten Tropfen Tees seine Lippen benetzten, erwachte sein Durst brüllender und grausamer denn je. Gierig trank der Elf. Voller Sehnsucht und Genuss, fast wie ein obszöner Akt unaussprechlicher Leidenschaft empfand er dieses Verlangen nach etwas Flüssigem. Dennoch aber konnte er nicht anders. Er stöhnte enttäuscht, als der Becher leer war. Lucas Lächeln freute ihn irgendwie auch. Sofort füllte der Magier nach und erwärmte wieder den Tee. Ayco griff nach Lucas Händen und zog sie mit dem Becher an seine Lippen und trank wieder... Immer wieder und wieder füllte Luca nach, bis die Kanne leer war. Er fühlte sich danach besser, erfrischter, und irgendwie fast satt, ohne etwas zu essen.

"Ich gehe dir gleich noch mal Wasser und Tee holen, aber jetzt iss erst."

Ayco sah ihm eine Weile in die Augen. Luca legte irgendwann den Kopf schräg und lächelte wieder auf diese herzlich sanfte Art und Weise, die Ayco einfach nur als absolut arglos und lieb erschien. Offenbar lag Luca viel an ihm, viel mehr als er geglaubt hatte. Vielleicht nur aus diesem Grund begann er zu essen...

Ihm viel aber auch auf, dass Luca nur ihm immer wieder kleine stücke Obst oder Brot mit Rahm und Käse in den Mund schob.

Ayco empfand das als ungerecht, zumal Luca selbst so dünn war, dass er eher einem lebenden Skelett glich...

Zwischendurch konnte Ayco immer wieder einen Blick auf Lucas Körper erhaschen, und es ängstigte ihn zutiefst, dass ein erwachsener Mann von solcher Körperlänge nicht mehr wiegen konnte als ein Mädchen, eine Halbwüchsige. Und selbst wenn in seinen Adern Elfenblut floss, selbst wenn er kein reiner Mensch war, so sah er doch absolut unterernährt aus...

Ayco wurde einfach nicht bewusst, dass auch er unterernährt war. Und er konnte, ebenso wenig wie Luca, viel essen. An sich war der junge Elf schon lange satt. Irgendwann hob er die Hand und schüttelte den Kopf. Luca sah ich an und nickte. "Für den Anfang hast Du schon gut gegessen," lächelte er.

Ayco war ganz einfach nur schlecht. Aber das wollte er Luca nicht zeigen, in dessen Augen so unheimlich viel Freude darüber schimmerte. Scheinbar konnte man den jungen Magier sehr einfach glücklich machen. Eine einfache und freundliche Seele, dachte Ayco bei sich. Und im gleichen Moment wusste er, dass das nur zum teil zutraf. Einfach war auch Luca ganz sicher nicht. Ein Mann, der die Magie studierte, der ein fertiger Söldner war, konnte in seinem Gemüt nicht einfach sein. Ayco hatte eine recht ausgefeilte Palette an Erfahrungen mit Persönlichkeiten aller Art vorzuweisen, die er im Lauf seiner 150 Jahre Lebens gemacht hatte, und als eine sehr einfache Persönlichkeit konnte er eigentlich nur sehr dumme Leute benennen, und Luca war alles, nur sicher nicht dumm. Wenn Ayco ihn ansah, ihn studierte, wie er oft die Leute, die er zu malen hatte, studierte, seine Mimik, Lucas Art ihn zu betrachten, sich zu bewegen, sein gesamtes Verhalten, so kam er zu dem Schluss, dass Luca ein sehr verschlossener, zurückgezogner Mann war, mit einer sehr komplexen Persönlichkeit, die absolut schwierig war... Offenbar aber war er sehr zugänglich und stellte seine eigenen Bedürfnisse hinten an.

Ayco musste feststellen, dass ihm Luca immer sympathischer wurde, und dass er ihn auch nicht vergessen hatte, als sie sich vor etwa einem Jahr bei Justin zum ersten mal begegneten.

Er erinnerte sich sogar zu gut daran, an Lucas Tränen. Zuvor schon war ihm der Magier ein Begriff, als Nekromant, als Söldner... und er hatte ihn auch öfter auf dem Schlachtfeld von Fern gesehen. Ein stolzer Mann, ein zäher Kämpfer. Körperlich vielleicht recht schwach, aber an Magie reich und mit einem unglaublichen Potential. Er hatte Luca von Fern bewundert, aber auch gefürchtet, bis ihm der Magier hier begegnet war, ihn im ersten Moment nicht sah, sondern nur von seinem Platz unter Justins Fensterbrett aufgesprungen war und dem Elfen weinend um den Hals gefallen war. Er, der große, gefährliche Nekromant, weinte um ein paar tote Kinder, um tote Personen, die er nicht kannte, und so intensiv, als wären sie alle seine Freunde gewesen, als hätte er jeden einzelnen vom ersten Moment seiner Kindheit gekannt. Er erfuhr aus den Worten Lucas, dass sein Auftrag war Vigilanten zu jagen, die Dörfer nach dem Krieg immer noch plünderten, schleiften, die Frauen vergewaltigten und alles töteten, was sich bewegte. Luca kannte niemanden von ihnen, aber er weinte für sie, für ihre verlorenen Träume. Das hatte sich sehr nachhaltig in Aycos Bewusstsein gebrannt, für immer.

Nun, wo er begann über Luca nachzudenken, kam ihm diese Szene wieder in Erinnerung.

"Aycolén?"

Luca hatte sich zu dem Elfen geneigt und blickte ihm in die Augen. Der Magier war nur wenig von ihm entfernt, so nah, dass Ayco Lucas Atem fühlen konnte. Sorge sprach aus seinem Blick. Erst jetzt fiel dem Elfen auf, dass er Luca die ganze Zeit über aus großen Augen angestarrt hatte.

Er senkte den Blick, schlug die Lider herab und errötete. Ihm war es unangenehm, dass Luca ihm so nah war. Nicht weil er es als unangenehm empfand, sondern weil es ihm gefiel. Er wusste zu genau, dass Luca im Moment nur ihm allein gehörte und er sehnte sich danach, dass Luca ihm immer gehörte. Das ängstigte ihn, mehr als alles andere, dieses Gefühl, dieses ganze fremde, was er für Luca fühlte... Alle Sympathie, das Vertrauen... Er wollte nie wieder einem anderen Vertrauen schenken... Nie!

Sein bester Freund hatte ihn in die Situation gebracht, in der ihn wohl Luca gefunden hatte. Verrat... Allein der Gedanke ließ ihn den Mut verlieren je wieder einem anderen zu vertrauen. Es war sein Freund und Partner in dem Krieg, der ihn an den Feind verriet, der ihn in dieses Gefangenenlager brachte und ihn foltern ließ.

Luca rückte näher zu ihm und schlang seine Arme um die Schultern des Elfen, zog ihn schweigend an sich, an seine Brust und streichelte ihm über die Haare.

Ayco versuchte Luca von sich zu stoßen, befreite sich aus seinem Arm, mit einem leisen Aufschrei... woraufhin Luca seine Arme sinken ließ. Ayco hatte für einen Moment solch große Angst, dass sein Herz raste. Luca war für ihn in einem Moment sein alter Freund, alle Peiniger zusammen und der Mann, der ihn vergewaltigte...

Dann erst merkte er, dass er weinte, schon eine ganze Zeit lang, und Luca ihn nur zu trösten versucht hatte. Aus flehenden Augen betrachtete der junge Elf den Magier und senkte dann den Kopf, als er sah, dass Luca neben ihm saß, ihn aus traurigen, großen Augen betrachtete und hilflos seine Hände im Schoß verschränkt hielt.

Ayco senkte den Kopf und starrte lange auf die weißen Bettücher, die über seinen Beinen lagen. Immer noch spürte er den Blick des jungen Mannes auf sich, die sanften, lieben Augen... Ayco wagte es erst nach einer Weile, wieder aufzusehen. Luca lächelte ihn sanft an, streckte seine Finger nach Aycos Wangen aus, zögerte aber, ihn zu berühren.

"Darf ich?" fragte er scheu.

Ayco zögerte auch, doch dann nickte er, zaghaft. Luca berührte ihn nur mit den Fingerspitzen und strich ihm die Tränen von den Wangen. Ayco schmiegte seinen Kopf nun endgültig in Lucas Hand. Der Magier war da, wollte ihm helfen, wollte für ihn da sein... Und Ayco brauchte ihn, mehr denn je. Warum um alles in der Welt, sollte er sich nicht seinen Gefühlen und Hoffnungen hingeben. Er ließ sich in Lucas Arme sinken und kuschelte sich an seine Brust. Der schmale, warme Körper tat ihm gut. Er hielt sich mit aller Kraft an Luca fest und weinte, zum ersten Mal, zum ersten mal richtig, und der Schmerz aus den Tiefen seines Herzens stiegen hoch und es gelang ihm zum ersten Mal seit seiner Gefangenschaft, sich durch seine Tränen von allen Ängsten und Sorgen zu befreien... und als seine Tränen endlich trockneten, war er nicht allein, sondern lag in den Armen seines Freundes, der ihn einfach nur hielt und ihm alle Wärme und Nähe gewährte, die er sich ersehnte.

Traumwelten

Ayco schlief tief und friedlich, in Lucas Schoß gekuschelt. Mit beiden Armen umschlang er die schmale Taille des Magiers, weit entfernt von allen Ängsten und Sorgen, aber sich immer noch dessen bewusst, dass auf diese Weise nur er Luca für sich hatte. Ein gutes, beruhigendes Gefühl. Luca war ihm, nur ihm...

Nachdem Ayco eingeschlafen war, begann Luca ihm sanft, bewusst vorsichtig, den Kopf zu kraulen und spielte mit den langen, silbernen Strähnen Haares, die ihm in die Stirn hingen... Dieser Elf war das reinste und schönste Geschöpf, was Luca je begegnet war. Und niemals hatte ihn eine andere Seele so sehr berührt, so tief getroffen... Alles änderte sich in Lucas unstetem Leben, angefangen mit seiner Abscheu vor dieser Stadt, bis hin zu der Tatsache, dass er es nie lang an einem Ort aushielt...

Ayco brachte ihn dazu diese Stadt zu lieben, denn solch ein Geschöpf, Ayco, rein wie eine weiße Lilie, ward aus ihr hervorgebracht, aus diesem gewaltig Moloch aus Gefühlskälte und Ignoranz. Luca würde immer Valvermont mit dem zauberhaften Elfen verbinden. Ayco war es, der in Luca die Liebe weckte, der ihn mit seiner kristallenen, klingenden Seele verzauberte, bannte... Der Elf wünschte sich nur noch, immer für Ayco da zu sein. In dieser Nacht beteuerte Luca es seinem schlafenden Freund immer und immer wieder. Auch wenn Ayco es nicht direkt wahrnahm, so drangen doch diese Worte in seine Träume ein... und der Elf begann sich noch enger an Luca zu schmiegen, suchte seine Nähe, seine Wärme und seinen Schutz...

Luca schwor sich, für ihn sesshaft zu werden, in Valvermont zu bleiben und auf ihn zu achten, ihn immer zu beschützen. Luca zog ihn fest in seine Arme... "Ich will immer da sein, immer, solang ich lebe. Ich brauche Dich, aber mehr als das brauchst Du im Moment mich. Ich bleibe bei Dir, solang Du mich in Deiner Nähe willst, und wenn du mich nicht mehr willst, wache ich im Stillen..." Luca lächelte und wiegte den Elfen.

Der Elf räkelte sich leicht und schlang seine Arme erneut um Luca... Dann schmiegte er seinen Kopf an die Schulter seines Freundes. "Luca..." murmelte Ayco schlaftrunken, schien für einen Moment hoch zu dämmern, sank dann aber wieder in seinen erholsam tiefen Schlaf zurück. Er träumte... träumte von dem Magier... und es waren glückliche Träume...

Das Herz des Magiers setz in dem Moment für einen Augenblick aus, nur um 100 mal heftiger weiterzuhämmern. Hatte Ayco eben gesprochen...? seinen Namen geflüstert...? irrte sich Luca auch nicht? Wie betäubt saß Luca da. Nur langsam, nach und nach sickerte die Bedeutung dieses einzelne Wort, Lucas Namen aus Aycos Mund, in sein Bewusstsein...

Dann realisierte er, dass der Junge langsam Vertrauen zu ihm gewann... und Zuneigung für ihn entwickelte. Glücksgefühle explodierten in seinem Herzen und erfüllte in Sekunden seinen gesamten Körper, wischten alle Sorgen und Ängste weg...

Allein dieses eine Wort, dass ihm über seine Lippen kam, diese sanfte, helle, klare Stimme, die an eine Kristall Harfe erinnerte, änderte alles, für immer!

Und auch wenn er das noch nicht zu erkennen und zu überblicken in der Lage war, so spürte er es mit seinen weit offenen Sinnen... Und sein Herz entbrannte erneut, noch heller und stärker in dieser tiefen Liebe zu Ayco...

"Ayco..." Behutsam strichen Lucas Fingerspitzen über die trockenen Lippen des Elfen. "Ayco, mein liebster Ayco..."
 

Für ziemlich lange Zeit blieb Luca noch wach im Bett sitzen und beobachtete Aycolén, der in seinen Armen lag und schlief.

Ayco schien sich mit jedem Moment mehr zu entspannen und ruhiger in Lucas Armen zu werden. Dem Magier gefiel es, Ayco zuzusehen und zugleich beruhigte ihn das Bild, sodass er nach und nach selbst einschlief...
 

Nebelfinger streckten sich nach Lucas Bewusstsein aus, tasteten nach seiner Seele, seinem Herzen...... umsponnen ihn, begannen ihn überall zu berühren, glitten unter seine Kleider, seine Roben und erkundeten die glatte, weiche, weiße Haut, mit seinem Körper und seinem Haar spielten. Luca hatte das Gefühl, dass der Nebel stofflich wurde, zu unzähligen Händen, die ihn berührten, streichelten, ihm die Kleider vom Leib rissen und in ihn eindrangen...

Luca schrie vor Angst und Schmerzen...

In dem Moment erwachte der Stern zwischen seinen Brauen zu neuem Leben. Blaue Elmsfeuer fuhren die Linien des Pentagramms nach und entzündeten es. Lucas Augen füllten sich mit unsäglicher Wut. Seine Lippen formten Worte, ohne dass er sprach, seine Hände zeichneten unaussprechliche, uralte Symboliken in die Luft, längst vergessene, begrabene Zauber...

Etwas berührte den Stern auf seiner Stirn und zugleich drang etwas brutal in ihn ein...

Ein stummer Schrei löste sich von Lucas Lippen. Er erinnerte sich nur zu gut an den Tag, als sie alle bei ihm waren... der Tag seiner Initiation. Aber warum träumte er davon? Das lag unendlich viele Jahre zurück. Als sich Luca aber darüber bewusst wurde, lösten sich die Hände wieder in Nebel auf und faserten auseinander...

Luca sah sich aufmerksam um. Auch wenn er den Alptraum abgeschüttelt zu haben schien, so war er dennoch nicht vorbei.

Aus der Finsternis um ihn erwachten blaue Feuer zu leben, die aus dem Nichts zu kommen schienen, verzerrten die Schatten, gaben den Ordenshöfen den Anschein endlose, gigantische Hallen zu sein, endlos, ein Labyrinth...

Dann flackerte etwas, der künstlich angelegte, runde See im Zentrum des inneren Tempels, der inneren Hallen, flammte in blauem Feuer auf und die Vertiefungen des in den Stein gemeißelten, gewaltigen Pentagramms, was den See einschloss, füllten sich mit schimmerndem, blauem Wasser... An jedem der spitzen des Pentagramms lag in den Boden eingelassen ein Opferstein für jedes der fünf Elemente.

Wasser... es schimmerte in sanftem Licht, immer wenn wie aus dem Nichts ein Tropfen in die winzige Vertiefung fiel und einen hellen, silbrigen Laut ergab, als klirren Kristalle gegeneinander, wenn der Wind sie bewegte... Feuer... Eine winzige Feuerquelle erwachte. Die Flammen konnten keine Nahrung bekommen, und dennoch loderten sie mit jeder Sekunde heller und höher.

Der Wind... eine winzige Windhose tote stationär an einem einzigen Punkt und brachte den Duft von Feldern, Wäldern, Meeren und Bergen mit sich.

Die Erde... in dieser Vertiefung lag ein einfach erscheinender Stein, der im Rechten Licht alle schätze seines Elementes in sich trug und dennoch nicht übersättigt und tot war...

Gold und Kupfer, Eisen und Diamant, Silber... und in seinem Inneren pochte etwas, im Rhythmus eines Herzens... Die Seele des ältesten Drachens dieser Welt...

Das letzte Element, das fünfte Element war es, was Luca am meisten ängstigte, obgleich es der Schutzpatron des Ordens war... Die Leere. Das unfassliche, ungreifbare nichts besaß die finsterste Magie... Es war alles, der Anfang und das Ende. Luca kannte die Legende zu gut. Alles kam aus dem Nichts, und alles würde dort hin zurückkehren.

Luca stand reglos auf einer der Terrassen und sah herab... Das Schauspiel faszinierte ihn, beeindruckte ihn, machte ihm aber auch Angst. Reglos wartete er darauf, was noch kommen mochte. Seine Konzentration öffnete etwas in seinem Geist. Er fühlte das kalte Feuer, dass dort brannte, erkannte die Macht darin... tief in sich antwortete auf den klaren, eisigen Klang ein Echo, ein Pendant, das im gleichen klang zu schwingen begann und eine Türe in seinem Geist aufstieß, weit aufstieß. Für einen Moment vergaß er alles um sich, trat aus seinem Körper heraus und befreite sich von allem, was man ihm so mühsam im Orden gelehrt hatte... E war so einfach... so leicht, so...

Die Türe in seinem Geist, die sich gerade eben geöffnet hatte, wurde grob wieder zugeschlagen!

Luca fuhr zusammen. Seine Augen waren geweitet und sein Herz raste. Er wusste, was er in dem Moment verloren hatte... Das Wissen, das Geheimnis um den Blauen Stern, für einen winzigen Moment hielt er alles Wissen über den Orden in seinen Händen, für einen Herzschlag...

Keuchend wischte er sich den Schweiß von der Stirn und bemerkte mit schrecken, dass er selbst einen leichten Stromschlag bekam, als er das Pentagramm auf seiner Stirn berührte. Es musste noch immer Blitze und Funken schlagen. Er fror plötzlich und fühlte sich beobachtet...

Langsam sah er sich um, ruhig, sicher seine alten Kameraden zu sehen, mit denen er gelernt und gelitten hatte, unter denen er aber auch zu leiden hatte.

Und so war es. Alle 291 Adepten und Akoluthen, Pilgerer und Meister waren um ihn versammelt, auf den unterschiedlichsten Terrassen, und alle blickten ihn an.

Luca störte sich nicht mehr daran. Ruhig begegnete er den Gesichtern, die e so verabscheute, so gut kannte...

Dann fühlte er die Präsenz Ihads, seines Großmeisters... Ein gehörnter Schatten, imposant und gewaltig...
 

Penetrantes Klopfen riss ihn aus seinen Träumen. Luca sah auf und unsäglicher Schmerz explodierte in seinem Rücken. Luca wurde gerade erst wieder bewusst, dass er die ganze Nacht hindurch gesessen hatte, gegen die Wand gelehnt zwar, aber nichts desto trotz schien sich jeder Muskel in seinem Rücken gegen ihn verschworen zu haben... Und so dünn wie Luca war, so sehnig und muskulös war er auch... Im Augenblick hasste er es einfach nur. Sein Blick glitt zu dem friedlich schlafenden Jungen in seinem Schoß. Lächelnd strich er über Aycos Haar.

"Ja," sagte er leise. Er ging fast davon aus, dass es Justin war, und der Vampir würde ihn hören.

Tatsächlich kam der Elf einen Moment später zögernd herein. "Du hast nicht vor mir abgeschlossen?" Er blieb neben der Türe stehen, den Knauf noch immer in der Hand.

Luca legte den Finger über die Lippen und deutete auf Ayco. Die dunklen Augen des Vampirs folgten der Bewegung. Schmerz schlich sich in den Blick. Luca konnte sehen, dass Justin sich verraten fühlte.

"Setz Dich zu mir," murmelte der Magier. "Und erzähl mir, was Dir auf der Seele liegt."

Justin zögerte lange, bevor er sich dem lieben, offenen Lächeln Lucas hingab.

"Komm schon..."

Justin setzte sich neben Luca nieder und sah auf Ayco herab.

"Er ist halsstarrig und aufbrausend, wenn er wach ist, und wie ein Kätzchen, wenn er schläft."

"Er hat nur Angst, Justin," sagte Luca leise und streichelte Aycos Haar aus der Stirn. "Wie anschmiegsam und lieb er doch ist..." liebevoll fuhr er das Profil des Elfen nach.

"Er verletzt Dich, und doch liebst Du ihn..."

Luca sah ihn aus den Augenwinkeln an und nickte. "Ja, ich liebe ihn. Das ist der Mann, an den ich mein Herz verloren habe... Mir geht es darin nicht anders als Dir. Du leidest durch deine Liebe zu mir viel mehr als ich es je kann... Und dafür möchte ich Dich um Entschuldigung bitten, denn egal was Du von mir glaubst, ich liebe dich als meinen besten Freund. Ich will Dich nicht verletzen... Nie."

Justin starrte den Jungen an, dann hob er den Blick. Die alte Wut erwachte erneut in ihm. Er wollte seine Wut an Luca auslassen, aber er tat es nicht. Noch immer gab es Hoffnung in Justins Herz. Die tiefe Hoffnung, ja beinah schon Sicherheit, dass Luca unglücklich würde, Ayco ihn abwiese und Luca schließlich wieder zurück in seine Arme käme. Dann würde er den Magier nie wieder weglassen, und wenn er Luca einsperren und an sein Bett ketten müsste...!

Er lächelte nur matt. "Ich bin immer da, egal was Du tust. Du bist immer ein Teil von mir. Und deshalb komm zu mir zurück, wenn er Dich zu sehr quält..."

Luca neigte sich zu Justin und gab ihm einen sanften Kuss auf den Mund.

Auch wenn Justin es noch nicht begriff, aber er es war Lucas Abschiedskuss. Ein sehr sanfter, süßer Kuss, der noch immer so unschuldig wirkte wie der Kuss, den Justin als ersten von Luca bekam, als dieser ein kleiner Junge war, ein neun Jahre altes Kind.

Justin wollte den Kuss erwidern, leidenschaftlich, aber Luca strich mit seinen Fingern über die Wange des Vampirs. "Bitte nicht," flüsterte der Magier und zeichnete Justins Lippen mit den Fingerspitzen nach. Er lächelte auf eigentümliche, entschlossene Weise. Er wusste, dass er nie wieder im Stande sein würde bei einem anderen zu sein als Aycolén. Auch wenn er dem Elfen nie begreiflich machen konnte, was er fühlte, und welche tiefe Bedeutung hinter der Liebe eines Seraphs stand. Aber das war gleich... Luca wäre immer da für ihn...

Erkenntnis

Ayco erwachte vor Luca. Er hatte gut geschlafen, tief und fest, so ruhig wie selten zuvor. Warum wusste er nicht. Nun räkelte er sich und streckte seine müden Glieder. Weit kam er mit seinen Armen nicht. Er endete mit seinen Armen an Lucas Brust, der immer noch hinter ihm saß und ihn in seinem Schoß hielt. Erschrocken fuhr Ayco auf und sah zu Luca. Im ersten Moment glaubte er, Luca hätte sich nicht zurückhalten können und ihn wieder berührt... Er wollte sich schon gerade an das andere Ende des Bettes flüchten und nahm sich wütend, verletzt vor, nie wieder in Lucas Nähe zu kommen. Er hatte sich in ihm getäuscht. Luca war genauso ein Monster, wie die Männer, die es mit ihm trieben. Schlimmer noch, wahrscheinlich gefiel es ihm sogar und er mochte dieses widerliche, brutale Spiel... Wie konnten überhaupt zwei Männer...

Müde blinzelte Luca, gähnte hinter vorgehaltener Hand und setzte sich ächzend gerade hin. Sein Nacken tat höllisch weh, von seinem Rücken ganz zu schweigen. Dennoch lächelte er Ayco, der mitten in der Bewegung verharrte, zu.

"Guten Morgen." Er lächelte unschuldig und so lieb, dass Ayco sich überlegte, ob er nicht falsch lag mit seiner Vermutung.

Dann erst bemerkte er, dass er angezogen war... Luca konnte ihn nicht gestreichelt haben, sonst hätte er ejakuliert und...

Ayco fühlte sich schlecht. Bedrückt setzte er sich auf seine Fersen und zog sich die Decke enger über... Er hatte Luca fast automatisch beschuldigt und in ihm den Schuldigen gesehen, den Vergewaltiger, das Monstrum. Doch jetzt? Er sah Luca ins Gesicht. Der Magier wirkte nun nicht mehr nur unschuldig. Er war es.

Luca streckte ihm eine Hand entgegen. "Willst Du mit mir kommen, etwas zu Essen zu holen? Oder fühlst Du Dich noch zu schwach?"

Ayco sah ihn groß an, legte den Kopf schräg und richtete sich etwas auf. Es dauerte eine Weile, bevor er Lucas Hand ergriff und sich von dem Magier nach wieder näher ziehen ließ.

"Also...?" fragte Luca lächelnd und berührte vorsichtig Ayco Wange, um ihm eine der wundervollen, silbrigen, gewellten Haarsträhnen aus dem Gesicht zu streichen. Ayco machte fast automatisch eine Fluchtbewegung zurück. Erschrocken ließ Luca die Hand sinken und senkte den Kopf.

Ayco wollte sich sofort entschuldigen, denn er hatte gar nichts dagegen, das Luca ihn berührte, doch es war zu spät dafür.

Ayco fiel es immer noch schwer, sich einzugestehen, dass er Luca eigentlich sehr mochte, und seine Nähe ihm Vertrauen und Sicherheit gab.

In einer fließenden Bewegung stand Luca auf und drehte sich von Ayco weg. Der Junge folgte jeder Bewegung, die der Magier machte und errötete, als Luca das, was noch von seinem Hemd übrig war, auszog und zu Boden warf.

Für einen kurzen Moment sah er Lucas Körper, seinen nackten, muskulösen Po, und die endlos langen, schlanken, schönen Beine... Der junge Magier hatte einen makellosen Körper. Keine Narbe verunzierte ihn, keine Hautunreinheit oder ein Leberfleck... Nichts. Er schien auch vollkommen Haarlos zu sein. Ayco konnte nicht anders, als an sich selbst herabzusehen. Gab es Menschen, die so waren wie er, denen jede Körperbehaarung fehlte, bis auf das Haupthaar und die Brauen?

Luca hatte sich Hemd und Hosen genommen und drehte sich nun zu Ayco um. Noch immer war der Magier nackt... Ayco senkte sofort den Blick... Sicher hatte er ihn schon nackt gesehen, einmal, als sie zusammen gebadet hatten... Aber da war er nicht so nervös gewesen. Er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss und ihm wurde warm, heiß.

Unter gesenkten Lidern beobachtete er Luca...

Die Hitze in seinem Kopf ergriff seinen Körper. Er seufzte leicht und zog die Decke noch enger um sich.

In seinem Kopf hallte noch immer die zynisch gemeinte Frage, die er sich selbst gestellt hatte nach. Wie kann ein Mann einen Mann lieben...?

Die Antwort war so einfach... Aber er konnte und wollte es nicht akzeptieren.
 

Luca zog sich an und setzte sich wieder zu Ayco. "Ich gehe in die Küche und hole Dir Tee und etwas zu essen."

Er erhob sich und ging langsam zur Türe. "Willst Du mit mir kommen?"

Ayco sah unsicher auf und senkte dann noch unsicherer den Kopf, mied den Blick Lucas und suchte viel mehr einen an sich völlig uninteressanten Punkt im Nichts, links neben ihm, im Bettzeug...

Luca lächelte und nickte. "Bin gleich wieder bei Dir. Und danach wird gebadet, mein Schöner!"

Ayco erstarrte bei seinen Worten. Baden? Schöner... er sollte schön sein?

Erst das zuschlagen der Türe riss ihn zurück...
 

"Na, kleiner Bruder?" Lea saß plötzlich neben Ayco.

Ihr erscheinen weckte auch die beiden Drachen. Goldy seufzte und grinste dann, als Tam leicht verkatert aufsah und sofort zusammenfuhr. "Der Geist!!!!"

Lea drehte sich zu ihm um, sah ihn lieb an und neigte sich dann über Tam.

Der kleine Drache zog sich zitternd zurück. Er blinzelte unsicher...

Lea lächelte, neigte sich noch dichter über ihn, und sagte dann: "Buh!"

Mit einem lauten Aufschrei fuhr Tam herum und türmte, wenigstens bis zur Wasserkaraffe neben der Türe auf dem Waschtisch.

Goldy lachte, so lang und heftig, dass sie vom Bett rollte... Ayco hob sie vom Boden hoch und legte sie wieder neben sich hin. Das Drachenmädchen wollte sich gerade bedanken, als sie von einem Schluckauf unterbrochen wurde. "Dank...hicks... da...hicks..hicks..."

Nun lachte Tam über seine Schwester und verspottete sie. "Du bist ja sooooo dumm!"

Lea beobachtete die beiden Drachen lächelnd. "Keine Erziehung und dennoch so lieb."

Ayco lächelte. Er löste sich immer mehr. Alle Angst wich aus ihm und er lachte nun auch. Allein der kleine Drache mit dem Schluckauf war schon zu lustig. Die Vorstellung... Wunderschön!

"Es tut gut zu sehn, dass Du langsam wieder zu Dir kommst, Ayco. Auch, dass Du Dich so wohl fühlst. Die beiden kleinen Kerlchen hier tun Dir gut, und auch wenn es Dir nicht gefällt, Luca ebenfalls."

Ayco wurde wieder etwas bedrückter, ruhiger. "Unsinn," murmelte er. Ihm wurde gerade wieder bewusst, dass er immer noch ziemlich rot war und spürte einen unangenehmen Druck zwischen seinen Beinen.

Entsetzt erkannte er, dass er körperlich auf Luca reagierte, dass ihn dieser nackte Mann erregte... Aber er war doch nicht abartig, pervers!!!

"Du hast auch schon früher mit Männern geschlafen," antwortete Lea ungerührt.

"Nie!!!" er fuhr wütend auf. Wie konnte sie ihm etwas so ungeheuerliches unterstellen?! Er war noch völlig unberührt! Nie hatte er mit jemand anderem geschlafen, oder gar selbst Hand an sich gelegt! Nie!

"Oh doch." Lea setzte sich etwas gerader hin. Du erinnerst Dich an so viel nicht mehr. Das ist grauenhaft. Besonders weil Du das wichtigste überhaupt in Deinem Leben vergessen hast, das was Du Dir geschworen hast, um jeden Preis beschützen zu wollen, vor allem und jedem." Sie lächelte. Ayco starrte fassungslos zu ihr. Wovon redete sie nur?! Es gab gar nichts, an das er sich erinnerte, schon gar nicht dergestalt! Wollte sie sich über ihn lustig machen?! Warum ein solch perverser, unfairer Scherz?! Das war auch Luca gegenüber gemein!

"Ich scherze nicht, Ayco, es ist mir bitter ernst. Aber das musst Du erst für Dich herausfinden."

Bevor Ayco irgendwie darauf reagieren konnte, war sie bereits verschwunden...

Und einen Moment später schwang die Tür auf und Luca trat ein.

Seraph

Ayco konnte nicht ganz vergessen, was Lea gesagt hatte. Ihm spukten ihre Worte beständig durch den Kopf. Etwas vergessen, etwas, was ihm so viel bedeutete? Er hatte aber wirklich nie vorher mit Männern geschlafen...! Wenn er sich daran orientierte, so konnte sie nur lügen.

Er ließ sich widerstandslos füttern und nahm auch brav den Tee, den Luca ihm geduldig einflößte.

Erst als Luca ihn ins Bad brachte, unterbrach Ayco seine Grübeleien. Nun hatte es keinen Sinn mehr sich dagegen zu wehren. Luca trug ihn gerade die Stufen herab, direkt in den Baderaum. Er ließ es zwangsweise geschehen.

Luca schloss die Türe mit dem Fuß hinter sich, setzte Ayco wieder auf das Holzbänkchen und kniete dann vor ihm nieder.

Der Elf schaute stur über Lucas Schulter hinweg, zu dem dampfenden Becken... Er erinnerte sich wieder, was Luca zuletzt mit ihm hier gemacht hatte und schauderte, aber zugleich erinnerte er sich auch an das starke ziehen seiner Lenden, als Luca sich vor ihm entkleidete.

Ihm machte das Bad mit Luca furchtbare Angst.

Luca ergriff Aycos Hände und hielt sie in seinen. "Ayco... Aycolén?"

Er sah in die Augen des Magiers. Solch sanfte, liebe Augen... Ayco merkte bereits, dass er sich dem Zauber des jungen Mannes nicht mehr erwehren konnte. Gleich ob er Angst hatte, oder nicht, aber er wollte dass Luca bei ihm war, wollte in diese warmen, grünen Augen blicken.

Luca nahm einen Kamm und begann die einzelnen Strähnen von Aycos Haaren auszukämmen. Langsam und geduldig, Strähne für Strähne... Schließlich wanden sich alle silbernen Haare um Aycos Körper, flossen wie Mondlicht über den Boden...

Luca kniete sich wieder vor den Elfen und sah ihn lange Zeit bewundernd und verträumt an. "Silber, geschmolzen in der eisigen nacht, herabgeflossen aus der Nacht, gefangen im Spiegelbild eines Sees... Immer wenn ich Dich ansehe, glaube ich einen Engel zu sehen, der aus der Nacht herabkam, der im Mondlicht badet, so etherisch ist, dass er zu Luft zerfasert, wenn ich nur versuche, meine Finger nach Dir auszustrecken. Du bist für keinen einfachen Menschen oder Elfen geschaffen. Du bist etwas besonderes und wunderschön, ungreifbar, irreal, ein Traum, der erlischt, wenn man ihn das Jetzt zerrt, in die Wirklichkeit, der unangetastet bleiben muss, behütet, beschützt..."

Luca sah ihn an und Ayco erwiderte den Blick. Etwas darin war nun weich, offen, berührt... Und Luca begriff, dass Ayco ihn verstanden hatte... Er wirkte nicht wirklich überrascht...

Nach und nach erkannte auch Ayco, dass Luca nicht in der Handelssprache gesprochen hatte, sondern in Seraphin... Seiner Sprache!

"Luca..." flüsterte Ayco erschrocken.

Der Magier schluckte. Er hörte seinen Namen, der Ayco über die Lippen kam, bewusst, nicht im Traum!

"Du... verstehst mich, wenn ich in Seraphin zu Dir spreche," murmelte der Magier. "Aber nur wir Seraphs, unser Volk spricht noch diese Sprache! Es gibt fast keine Seraphs mehr... Wir halten uns verborgen... Wir... Wer hat Dich das gelehrt?!" Er kniete Vor Ayco, fast flehentlich starrte er den Elfen an.

Dann zog er sich das Hemd über den Kopf und ließ es neben sich auf den Boden fallen.

Etwas geschah, das spürte Ayco... Luca umklammerte seinen Oberkörper, krallte seine Nägel in seinen Rücken... Dann zuckte er zusammen und krümmte sich nach vorne, keuchte... Sein Gesicht, es war eine Maske, ein stummer Schrei, seine Augen fest geschlossen... dann platzte die weiße Haut längs an Lucas Rücken auf und rechts und links brachen Knochen hervor, lang, spitz... Sie wuchsen aus ihm heraus! Blut rann über seinen Rücken nach vorne zu seiner Brust, seinem Bauch und färbte seine Haut rot... dann schwarz... Seine gesamte Haut wurde schwarz! Und seine Gelenke streckten sich, wurden feiner noch, schlanker und zerbrechlicher... Seine Flügelknochen stießen gegen die Decke und dichte, schwarze Federn wuchsen heraus...

Erst danach entspannte er sich wieder. Als er den Blick hob, fand er einen entsetzten, erstarrten Ayco vor sich. Enttäuscht und traurig stand er auf und trat zurück. "Ich wollte Dir keine Angst machen. Bitte... ich bin Dein Freund. Ich..."

Ayco betrachtete Luca nun doch mit wachsender Neugier und Bewunderung. Langsam erhob er sich und kam auf Luca zu, blieb dicht vor ihm stehen... Gott, wie klein er sich doch fühlte, jetzt... Luca war riesig groß, weit über 2 Meter, feingliedriger als jeder Elf, zarter und schöner als ein Celestial, und sein Gefieder glänzte. Gewaltig erschienen die Schwingen, mindestens zwei mal so groß wie er selbst nun war. Sein schwarzes Haar flutete wie ein Wasserfall weit hin über den Boden und dieses reine, wunderschöne Gesicht!!! Er war ein Engel, ein Celestial, unsäglich schön... genau wie seine Seele...

Er streckte seine Finger nach Lucas Gefieder aus, strich behutsam hindurch und senkte den Blick.

Er spannte sich nicht an, blieb völlig ruhig und gelassen, als plötzlich sein Hemd über den Schultern zerrissen wurde und gewaltige, schwarz gefiederte Flüge sein Silberhaar teilten. Auch sein Leib streckte sich und seine weiße Haut verfärbte sich in Schwarz und er wuchs... Aber all das sah so anmutig und träumerisch schön aus, so leicht...

Er war immer noch ein wenig kleiner als Luca, aber so unsäglich schön... Luca spürte einen tiefen Stich in seinem Herzen. Allein dieser Moment, in dem ihm Ayco sein Geheimnis offenbarte, zeigte ihm, dass der Junge ihm endgültig sein Vertrauen schenkte.

Und Luca verliebte sich in dem Augenblick noch tiefer in Ayco... Sehr viel tiefer, und völlig neu.
 

Lucas ganzer Körper zitterte als er Ayco gegenüberstand. "Du bist schon so lang in meinen Träumen, genau so... Du erfüllst mein Bewusstsein seit meiner Kindheit, du mein Traum, meine Liebe, mein Wunsch und meine Hoffnung," flüsterte Luca. Tränen schimmerten in seinen Augen.

Ayco wollte sich sofort bei den Worten distanzieren, aber er erinnerte sich an Träume, schöne Träume, die er weit vor seiner Kriegsgefangenschaft hatte, Träume, die ihn seit seiner Jugend begleiteten, ihn wärmten und ihm Mut machten, ihn damals immer wieder zurückholten, wenn er sich das Leben nehmen wollte.

Er erinnerte sich an die Augen, die leuchtenden Smaragdaugen in all der Schwärze.

"Du bist ein wahrer Engel," flüsterte Luca.

Erinnerungsnebel

Lange Zeit verharrten sie reglos voreinander, fasziniert von dem jeweils anderen. Keiner der beiden bemerkte, dass sich ihre Finger ineinander verschränkt hatte und sie sich immer näher kamen. Ayco spürte zwar Lucas Wärme und seinen Atem, spürte, wie ihn die Nähe des Magiers elektrisierte, aber zugleich empfand er weder Scheu, noch Angst, noch Scham.

Sein Blick versank in dem Lucas. Ihm wurde gar nicht bewusst, dass er sich Luca immer weiter entgegenreckte. Etwas zog ihn magisch an, verzauberte ihn, weckte den Wunsch in Ayco, dass Luca ihn küsste... Unsicher, fiebrig, reckte Ayco seinen Kopf Luca entgegen. Er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass der Magier die Quelle dieser Gefühle und Wünsche war... Der junge Elf versuchte die ganze Zeit seine Gefühle zu kontrollieren, sich wieder in den Griff zu bekommen, aber er konnte nicht. Lucas Zauber war viel zu stark. Nur war es keine Magie sondern nur das tiefe Gefühl, ihn zu kennen, diese traurigen, sanften Augen, das liebevolle Lächeln, die schmale Gestalt und das schwarze Gefieder... Vage erinnerte Ayco sich an den süßen, unschuldigen Geschmack seiner Lippen und wie es sich anfühlte, seine Haut zu berühren, zu streicheln... und sie mit heißen Küssen zu übersähen...

"Luca... du hast mich verzaubert." Hauchte er, im Taumel seiner Gefühle. "Brich deinen Bann über mich, bitte..."

Luca zog ihn sanft in seine Arme und nahm ihn wie ein Kind, umschlang seine zarte Gestalt. "Ich habe nicht gezaubert, Ayco." Er drückte ihn etwas von sich und lächelte ihn sanft an.

Der Bann brach! Aber es fühlte sich an, als verlöre Ayco einen wirklich wichtigen Bruchteil seiner Erinnerung, die offenbar wieder erwachte.

Ayco seufzte enttäuscht und erstarrte. Luca hielt ihn tatsächlich in seinen Armen und wiegte ihn wie ein Kind... Aber er wollte nicht, dass ihm jemand so nah kam!

"Weg!" keuchte er und stieß Luca von sich.

Der Magier zog sich still zurück und nickte nur stumm.

Ayco wendete sich ab und rieb sich die Oberarme. Nun fror er. Er wollte Luca einerseits nicht so nah an sich heranlassen, zum anderen aber wünschte er sich, dass Luca nicht aufgab und nach und nach seine Seele erkundete, sein Herz eroberte... Er wollte Luca vertrauen und bei ihm sein, denn er fühlte sich unsäglich wohl bei ihm. Und er ließ ihm alle Freiheiten. Es gab nichts, was Luca ihm verbot. Hier dürfte er sein, wie er wollte.

Aber er war zu stolz, um sich zu entschuldigen... reglos blieb er stehen und wartete ab, was geschah. Vielleicht war Luca endlich seine Launen leid, vielleicht verließ er ihn ja, darin würde sich dann nur wieder beweisen, dass er doch niemals jemand anderem Vertrauen konnte...

"Aycolén..." Luca stand direkt hinter ihm. "Bitte, vergib mir die Vertraulichkeit. Aber ich werde Dir nie etwas tun. Auch wenn es mich umbringt. Ich werde nie Hand an Dich legen. Das habe ich mir geschworen. Nichts gegen Deinen Willen."

Ayco wollte ihn ansehen, während Luca das sagte, aber auch das untersagte ihm sein Stolz, oder eher seine Sturheit...

Luca ging um den Jungen herum und sah ihm in die Augen. "Nie etwas gegen Deinen Wille, mein Schöner," sagte er nochmals eindringlich.

Ayco erwiderte den Blick trotzig... und wieder versank er in diesen grünen, offenen Augen. Erschrocken darüber, aber auch fasziniert, betrachtete er Luca. Sein Blick wurde weich und sanft, wie der des Magiers...

"Ayco," flüsterte Luca. "Woran erinnerst Du Dich?"

Der junge Elf senkte den Blick. Diesmal, spürte er, dass der Zauber nicht verflog.

"Was ist mit Deinen Flügeln...?" brachte er stockend hervor. Er wagte nicht, Luca anzusehen. Eigentlich ging es ihn ja nichts an... Es war Lucas Sache. Vielleicht erfragte er Dinge, über die der Magier schweigen wollte...

Luca grinste. "Das grausame, düstere Geheimnis verrate ich Dir, wenn du endlich ins Wasser verschwindest, damit ich Dich baden kann."

Ayco sah nun doch auf, überrascht. Er blickte in lachende, freundliche Augen.

Wortlos verwandelte er sich zurück und sah nun an dem wesentlich größeren Luca hinauf.

Der Magier begann Ayco die Reste des Hemdes vom Körper zu pflücken und drückte ihn dann wieder zurück auf die Holzbank. Mit einem leisen Aufschrei und etwas zu heftig, setzte Ayco sich wieder hin.

Luca kniete vor ihm nieder. "Vergib mir... ich wollte Dir nicht weh tun."

Ayco sah ihn wieder trotzig an. Er beobachtete, wie Luca vor ihm auf die Knie ging und Aycos Hosen aufschnürte.

Was bildete sich dieser Magier nur ein?! Wie kam er darauf, ihn so zu berühren?!

Wütend schlug er Lucas Hände weg.

Der Magier reagierte mit völligem Gleichmut. "Ich kann Dich auch mit den Hosen ins Wasser werfen," sagte er grinsend und nahm ihn in einer Schwungvollen Bewegung hoch. Ayco schrie wieder auf und klammerte sich an Luca, der tatsächlich die ersten zwei Stufen ins Wasser stieg, ihn aber nicht fallen ließ, sondern im Gegenteil, den zerbrechlichen Körper eher noch an sich drückte. Die Arme des Elfen schlangen sich sehr fest um Lucas Nacken...

"Glaubst Du etwa wirklich, ich ließe Dich fallen, mein Schöner...?" fragte er leise. "Nie, Ayco. Ich würde Dich nie loslassen. Er setzte sich auf die oberste Stufe und nahm Ayco auf seinen Schoß. Dichte, schwarze Flügel schlossen sich um Ayco, beschützend, liebevoll und warm.

"Zieh Dich aus, dann kannst Du ins Wasser."

Röte und Hitze stieg in Aycos Wangen. Er konnte sich doch nicht vor Lucas Augen entkleiden...? Die Art, wie Luca ihn ansah, machte Ayco bewusst, dass Luca keine Widerrede dulden würde. Aber sicher gab es irgendeine Möglichkeit, mit der sich der Magier erweichen ließ, dessen war sich Ayco sicher.

"Komm schon. Ich habe Dir ja versprochen, dir nichts zu tun, und ich wollte Dir davon erzählen." Er bewegte seine Flügel leicht.

Ayco gab auf. Er entledigte sich seiner Hosen und ließ sie fallen, natürlich ins Wasser. Seine Wangen hatten die Farbe reifer Tomaten angenommen. Es war ihm furchtbar peinlich. Sonst genierte er sich schon sehr, aber diesmal war es schrecklich für ihn. Allein die Vorstellung, dass Luca seinen nackten Körper sah, all die Narben und Verletzungen... Er hasste seine Gestalt, deshalb empfand er es auch als Grausam, dass Luca ihn beständig "Mein Schöner" nannte. Er war hässlich, hässlich wie die Nacht!!!

Verwirrt stellte er fest, dass ihn Luca brav in das warme Wasser sinken ließ. Nun saß der Elf zwischen den Beinen des Magiers, mitten im Wasser auf einer der oberen Stufen des Beckens. Er spürte die kleinen Mosaik-Platten unter seinen schmalen Gesäß und dass sie teilweise rau, und andere völlig glatt poliert waren. Auch die Messingumfassung der Stufen spürte er und umklammerte sie mit seinen Fingern. Sein Kopf fiel nach vorne und er versteckte sich unter seinem langen, zerzausten Pony. Luca fischte nach einer Glasphiole mit flüssiger Seife und verteilte es in Aycos Haaren.

Während er Ayco das Haar wusch, begann er zu erzählen... Wie immer fast märchenhaft, aber auch sehr düster. Ayco löste sich nach und nach bei Lucas Erzählungen immer mehr.

"Ein Fluch also..." flüsterte Ayco.

Luca nickte. "Ja. Ich kann mich nicht elegant und schmerzfrei verändern. Die Verwandlung in meinen natürlichen Körper bereitet mir immer starke Schmerzen." Er lächelte abwesend. "Es ist länger her, dass das geschah. Und es war zu recht. Ich darf einfach keine Leben nehmen. Meine Aufgabe ist es zu Schützen, gleichgültig, wie schwer es mir fällt, gleichgültig wen."

Ayco drehte sich nun doch zu Luca herum. "Schützen..." wiederholte er nachdenklich, sah Luca lange an und senkte dann den Blick. Beiläufig fiel ihm auf, dass Luca im Wasser, hinter ihm saß, und immer noch seine Hosen anhatte.

Er schien es völlig aus seinem Gedächtnis verbannt zu haben. Der junge Magier schien Schwächen zu haben, zum Beispiel die, dass er, wenn er erzählte, die Welt um sich herum vergaß. Ayco lächelte in sich hinein. Diese Schwäche gefiel ihm sehr gut an Luca. Es zeigte ihm, dass der junge Mann nicht perfekt war, aber diese Schwäche sich sehr charmant äußerte... Teilweise in völliger Vergesslichkeit, wie ein alter Mann, der zuviel anderes im Kopf zu behalten hat, um sich alles nebensächlichere zu merken und in anderen Momenten wieder so jung, naiv, so unbewusst verführerisch, dass es nicht der selbe Mann sein konnte...

Für einen Moment verharrten Aycos Gedanken an dieser Definition Lucas und er hörte nur mit halbem Ohr zu. Er beobachtete Luca, der versonnen Aycos Haar wusch, halb angezogen im Wasser hockte und vermutlich völlig vergessen hatte, dass er derzeit ein Seraphin war.

"... ich habe mich unterdessen an die Scherzen gewöhnt. Es ist zwar furchtbar, aber ich liebe es zu fliegen. Erst wenn ich ein Seraph bin, fühle ich mich frei. Ein Trugschluss, aber letztlich ist es das, was mich aufrecht erhält, alles durchstehen lässt. Wenn ich mich in die Luft schwingen kann, fern von all dem Schmerz und Hass am Boden bin, von all dem Bösen, erst dann bin ich glücklich." Er lächelte und wusch Aycos Haar aus. "Das Gefühl des kalten Windes in den Federn, hoch über der Stadt, über den Wipfeln der Bäume, immer höher zu steigen, an Felsen hinaufzufliegen... Sich tragen lassen, alle Gefühle hinausschreien, mit den Vögeln um die Wette fliegen, so schnell, dass Du nicht mehr weißt, ob die Tränen in Deinen Augen von dem schneidend kalten Wind kommen, oder dem Schmerz in Deinem Herzen... Diese Einsamkeit dort ist so vollkommen, so tief und dennoch milde, gegenüber der Einsamkeit unter den Menschen. Es ist selbstgewählt, nicht aufgezwungen..." Seine Augen schimmerten leicht. Alle Gefühle, jedes einzelne davon, konnte Ayco aus Lucas großen, sanften Augen herauslesen. Offenheit... Luca war so offen. Das Gegenteil Aycos, stellte der Elf fest. Er war wie ein offenes Buch, in dem Ayco nach belieben lesen konnte. Da gab es nichts, was der Magier zu verheimlichen hatte.

Der Elf bewunderte Luca dafür. Es faszinierte ihn, wie man so ehrlich und frei sagen konnte, was man fühlte. Etwas, was Ayco gelernt hatte, immer zu verbergen, seine Gefühle.

Wieder stellte er fest, dass Luca ihn in seinen Bann zog. Aber der Schrecken darüber war nur noch mild, und Ayco wunderte sich langsam auch nicht mehr darüber. Obgleich sie beide noch nicht lang wach waren hatte sich viel ereignet und es wurde viel gesagt, teilweise ohne dass einer von ihnen sprach, und es hatte sich allein vom Prinzip her alles geändert. Die Veränderung konnte Ayco nicht in Worte fassen, aber er spürte sie, deutlich. Und zugleich hatte er sich unbewusst gegenüber Luca geöffnet.

Nie vorher gab es jemand in Aycos Leben der sich so verhielt... Normal hätte der junge Mann angenommen, es sei eine ganz billige Masche, ihn einzuwickeln, aber Luca war tatsächlich so offen... Luca war ein Träumer, jemand, den kein Rückschlag wahrnahm, weil er viel zu weit oben in seiner eigenen Welt lebte, völlig unberührt von der Wirklichkeit, fern allen Bösen.

Auch nur eine Schutzreaktion, dachte Ayco bei sich, aber eine sehr schöne, die einfach zu ihm passte... Der eine verschloss sich, der andere ging aus sich heraus, um hoch hinaus zu fliegen, zu einer eigenen Welt.

Gleich wie, Luca hatte Ayco endgültig verzaubert.

Wenn Träume Flügel kriegen

Luca hatte die Welt um sich vergessen. Er merkte, wie sich Ayco ihm gegenüber immer weiter öffnete. Allein das ließ ihn nur noch Ayco sehn. Der Elf wurde zum Zentrum seines Bewusstseins, dem Licht, was Luca aus seiner eigen gewählten Isolation leitete. Es gefiel ihm, Ayco aus dieser Welt zu entführen und ihn in die Wolken mitzunehmen, die seine Träume beherbergten.

Manchmal bemerkte der Magier, dass Aycos Gedanken abdrifteten, doch dann gelang es ihm die Phantasie des jungen Mannes wieder so mitzureißen, dass er Ayco auf die höchsten Höhen der Träume mit sich nahm. Der Junge, der zwischen seinen Beinen saß, wurde wieder zu dem Engel, diesem wunderschönen, zerbrechlichen Geschöpf, dessen Silberhaar wie Mondlicht über die Nachtschwarze Haut floss. Und mit jedem Wort, jeder neuen Geschichte, jedem neuen Gedicht, breitete er weiter seine Flügel aus. Funkelnd sprühte das Wasser, als er seine gewaltigen, weichen Schwingen bewegte, um hoch hinauf zu steigen. Nebel bildete sich und dann stob Ayco dem Himmel entgegen...

Luca hatte Schwierigkeiten das Bild aus seinen Erzählungen herauszuhalten, denn es manifestierte sich immer weiter, zeitgleich mit der Erkenntnis, dass es das einzig stimmige Bild für einen solch zauberhaften Freigeist wie Aycolén war. Nur nahm der Junge in seinen Visionen die Gestalt des Elfen an, mit marmorner, schimmernd weißer Haut und silberweißem Gefieder. Ein wahrer Engel, stolz, unbeugsam, wild und schön. Luca bekam bei diesen stillen Überlegungen zum ersten Mal einen Eindruck davon, weshalb der Junge sterben wollte nach all dem, was man ihm angetan hatte. Der Gedanke schnürte ihm die Kehle zu...

Keuchend unterbrach er sich in seinen Erzählungen und spürte Die Blicke Aycos verrieten Verwirrung, einen offene Frage.

"Bitte, kannst Du mir vergeben...?" flüsterte der Magier leise.

Ayco sah ihn aus riesigen Mandelaugen an.

"Wofür?" fragte er, mit so viel Naivität und Unwissenheit in seiner Stimme.

Hatte er denn schon alles schlimme vergessen, was ihm Luca angetan hatte? Konnte ein Man wie Ayco so schnell vergeben?

Luca senkte still den Blick. "All das, was ich Dir schon angetan habe... Dabei wollte ich nur helfen, Dich nur am leben halten, um zu sehen, dass Du glücklich wirst."

"Für mich gibt es kein Glück," murmelte Ayco ernst und setzte sich etwas auf den Stufen auf.

"Doch!" rief Luca entsetzt. "Sicher wirst Du wieder glücklich sein können!"

"Was versprichst Du Dir davon, Magier?! Was ist Dein Preis dafür?! So etwas ist nicht zu bezahlen, und nicht zu machen, ohne dass es falsch klingt!"

Lucas Augen füllten sich mit Tränen. Ohne dass er es wollte, begann er zu weinen. Er bemerkte es auch gar nicht wirklich. Lange zeit sah er wortlos zu Ayco. Preis? Warum glaubte der Junge, er habe einen Preis? Dass Glück nicht käuflich war, wusste Luca zu gut. Jemand, der sein ganzes Leben hindurch so unglücklich war, wie Luca, fand nur selten Frieden. Aber er wollte wenigstens den Versuch machen dürfen, Ayco abzulenken, ihm ein wenig Hoffnung und Freundschaft zu schenken, ihm die Warme und das Vertrauen zu geben, dass ihm noch fehlte.

"Was ist der Preis für mein Leben...?" fragte der Junge. In seine Stimme schlich sich ein kleines, leichtes Zittern, was er nicht kontrollieren konnte. Teils war es Wut, teils aber auch der Gedanke, Luca ein weiteres Mal weinen zu sehen. Der Magier zeigte ihm seine Schwäche. Er schien immer so offen und ehrlich zu sein. "Ist es mein Körper?!" zischte er herausfordernd, aber es klang nicht mehr echt. Diese Provokation war ein letztes Aufbegehren gegen die sanfte Geduld Lucas, die vielleicht nu ein Trick war... Aber daran glaubte Ayco selbst schon nicht mehr.

"Ich kann Dich nicht zwingen, und ich will es auch nicht. Schon gar nicht zu Deinem eigenen Glück. Aber..." Er sah Ayco ernst in die Augen. "... dann möchte ich wenigstens für einen winzigen Moment Dein Lächeln sehen, eines ohne Ängste, Sorgen und Misstrauen. Das wird mir bis zum Ende meines Lebens reichen, Ayco. Das ist die einzige Bezahlung, um die ich bitte." Wortlos setzte er hinzu: ,Solltest Du mich dann nicht mehr brauchen, finde ich wenigstens in diesem Moment meinen Frieden.'

Ayco starrte ihn verblüfft an. "Lächeln..." echote er. "Was für ein Spiel treibst Du?!"

"Gar keins," entgegnete Luca nur still. "Ich versuche nur der zu sein, an den Du Dich lehnen kannst, wenn Dir die Kraft fehlt aus eigenem Antrieb zu stehen und zu gehen."

Diesmal antwortete Ayco nicht sofort. Es dauerte lang, bis er murmelte: "Warum?"

Luca hob vorsichtig die Hand und strich über Aycos Wange. Der Elf erstarrte kurz, ließ es aber über sich ergehen... und dann merkte er, dass er die langen, dünnen, warmen, sanften Finger mochte. Unbewusst kuschelte er seine Wange in Lucas Handfläche und schloss die Augen. Es lag so viel Liebe und Wärme in dieser Berührung.

"Weil ich Dich in mein Herz geschlossen habe..." Luca zögerte leicht, schluckte dann aber hinunter, was er sagen wollte. Diese Worte hätten vielleicht dieses zarte Pflänzchen, diesen Keimling von Vertrauen sofort wieder zerstört... und dennoch wollten ihm die Worte nicht aus dem kopf gehen... diese vier kleinen Worte...

,Weil ich Dich liebe...'

Liebe und Bewunderung

Ayco versank in den Worten, begann darüber nachzudenken, während Luca seinen Leib wusch.

,Weil ich Dich in mein Herz geschlossen habe...' Wie konnte er ihn mögen? Luca kannte Ayco nicht! Er wusste nicht, dass Ayco sich selbst als minderwertig betrachtete.

Wie konnte der Magier behaupten Sympathie für ihn zu empfinden?

Aber Ayco spürte, dass Luca es ernst meinte, mehr noch, dass er dem Magier die gleichen Gefühle entgegen brachte.

Mögen... nein, das Gefühl war ganz anders, viel tiefer und wilder, unbekannt, und zugleich so vertraut, als würde er sich an die Schatten eines vorangegangenen Lebens erinnern.

Paradox, dachte der Elf. Wie konnte man sich so sehr mögen, ohne den anderen zu kennen?

Aber er kannte Luca doch... eine dünne, leise Stimme flüsterte immer wieder, dass sie sich kannten, sehr gut kannten... Ebenso, dass Ayco nie wieder einem anderen begegnen würde, der es ehrlicher und besser mit ihm meinte. Aber der Junge begriff diese Stimme nicht, diese ganzen Zusammenhänge!

Er war ein Dieb, ein Junge, der auf der Straße gelebt hatte und der von Glück und Pech in gleichen Massen bedacht wurde. Ein Betteljunge, der von einem gütigen Mann als Lehrling aufgenommen wurde, als jemand, der mit den wertvollsten Steinen der Welt arbeiten durfte, und ihnen ihren unvergleichlichen Glanz und Ruhm brachte...

Ayco erinnerte sich seiner Zeit als Lehrling in der Werkstatt eines Edelsteinschleifers und dass ihm sein Meister auch zeigte, wie man die Steine zu Schmuck verarbeitete... Er erinnerte sich auch noch daran, wie glücklich sein alter Meister war, als seine Frau ihm einen Sohn gebar und der Junge ebenfalls zu einem Goldschmied wurde... Ayco mochte den Jungen auch sehr. Er übernahm das Geschäft... oder richtiger die Geschäfte und machte aus ihnen ein berühmtes Handelshaus hier, in Valvermont. Ayco malte auch oft für den jungen Herren, den er eigentlich schon fast einen Freund nannte... nur sie alle waren Menschen, Ayco aber ein Elf. Er alterte nur langsam, und während 2, 3 Jahrzehnte vergingen, wurde aus einem Knaben ein Junge, ein etwa fünfzehnjähriger junger Mann... Die Familie Veraldis gab ihm ein Atelier in der Stadt und kaufte gerne, was Ayco ihnen fertigte. Der Junge musste sich keine Sorgen machen, zu dieser Zeit... Doch dann, wie auch immer es geschehen war, ging das glorreiche Handelshaus unter, und mit ihnen Aycolén. Zum betteln allerdings war der Junge zu stolz und ging wieder seinem Diebeshandwerk nach, fälschte Steine, Bilder und ganze Schmuckstücke... und das führte ihn über zwanzig Jahre hin in den Untergang... Bis in dieses Gefangenenlager, wo ihn Luca fand...

Nun hatte er nichts mehr... allenfalls diesen aufdringlichen jungen Mann...

Ayco merkte nun, dass er immer noch Luca anstarrte.

Über Lucas Wangen liefen immer noch Tränen. Bislang schien er nicht zu wissen, dass er weinte. Wie schnell man ihn doch dazu bringen konnte. Er war offensichtlich ziemlich weich, weicher in seiner Art als jeder andere Magier des Sterns... oder schwächer?

Vielleicht fiel es ihm nicht so schwer, seine Gefühle zu zeigen...

Dann merkte Ayco, dass Luca ihm behutsam über die Wangen strich. Seine Fingerspitzen waren feucht. Langsam realisierte der Elf, dass auch er weinte.

"Wer hat dich nur so tief verletzt?" fragte Luca leise, ohne Hoffnung darauf eine Antwort zu erhalten.

Allein die Frage traf Ayco so genau in sein Herz, dass er leicht zusammenzuckte. Aber er schlug Lucas Hände nicht weg, sondern schaute ihn aus großen, verwunderten Augen an. Warum fragte ihn der Magier das? Es ging ihn gar nichts an.

Dennoch wuchs das Bedürfnis, Luca davon zu erzählen, wie er auch irgendwann nicht mehr schweigen konnte. Aufdringlich hin oder her, aber etwas in Ayco wollte Luca einfach vertrauen, etwas in ihm war sich Felsenfest sicher, dass der junge Mann ihm nur Gutes tun wollte.

"Freunde..." murmelte Ayco und schloss die Augen. Lange Zeit sagte er nichts mehr. Luca betrachtete Ayco währenddessen. Er reagierte nur leicht mit mildem Schrecken. Sicher, verraten hatte man ihn auch schon, aber nicht so.

Wortlos schlang er beide Arme um Ayco und zog ihn an sich, schloss seine Flügel um den Jungen und wiegte ihn sanft.

Zuerst erschrak der Elf, zuckte kurz zurück, ergab sich dann aber in Lucas Arme. Zitternd zuerst, voller tiefer, beißender Angst, die sich in seine Seele gefressen hatte, doch die Wärme, die von Luca ausging, seine Freundschaft und Zuneigung, sein wunderschöner, schlanker Leib, all das verzauberte Ayco aufs Neue und der Elf schmiegte sich noch enger an den Magier. Er verkroch sich in seinen Armen, unter den Schwingen...

Er wollte in dem Moment nichts anderes auf der Welt, als dass dieser Moment ewig anhielt. Denn hier war er sicher. Sicherer als in den Armen seiner Mutter.
 

Luca streichelte Ayco lange Zeit über das nasse Haar und kraulte seinen Nacken... Der junge Elf begann zu schnurren, ein Geräusch, was Luca einzig von Katzen her kannte. Es war ein wundervolles Gefühl. Lucas Herz hämmerte vor Freude, dass er Angst hatte, Ayco, der an seiner Brust lehnte, könne seine Aufregung und sein Glück hören und fühlen. Aber der Junge kuschelte sich immer enger an Luca und hielt sich an dem schwarzen Engel fest.

Natürlich bemerkte Ayco Lucas rasendes Herz, aber es war im Moment viel zu schön sich der Illusion einer so zärtlichen und verständnisvollen Freundschaft hinzugeben, als den Moment mit Fragen zu zerstören.

Plötzlich elektrisierte ihn das Gefühl von Lucas Lippen an seinem Ohr, die sanft von wahrer Freundschaft sprachen, von Liebe und Zuneigung. Ayco hörte kaum, was Luca da sagte. Allein die warmen, weichen, vollen Lippen des Magiers, die während er sprach, Aycos Ohrmuschel berührten, seine Ohrspitze und sein Ohrläppchen, machten den Elfen für jede Berührung Lucas empfänglich... Plötzlich spürte er, wie erregend und schön es war, Lucas Finger zu spüren, die ihn kraulten, wie sehr ihm doch das Gefühl durch Mark und Bein ging... Aycos Atem stockte etwas, und sein Herzrhythmus beschleunigte sich zusehends. Ihm war warm... und diese Wärme steigerte sich zu Hitze, die brennend ihren Weg durch seine Adern bahnte, nur um sich in seinem Herzen, und in seinem Schoß zu sammeln. Luca... er duftete so verlockend, so süß, verführerisch. Ayco spürte, wie allein die Nähe Lucas erregte... Seine Lenden füllten sich mit Hitze, und ein angenehmes, nach mehr verlangendes Gefühl erwachte pochend zwischen seinen Beinen. Er spürte wie sein Glied wuchs und hart wurde... Und noch immer flüsterte Luca ihm all diese lieben Worte zu, noch immer berührten seine wundervollen Lippen Aycos Ohr... Ayco seufzte und musste sich zusammennehmen, dass er nicht leicht stöhnte... Seine Wangen waren flammend rot, das konnte der Elf spüren, aber im Augenblick dieses Zaubers wollte Ayco nicht, dass Luca aufhörte... Es war ihm egal, dass er sonst vor Scham eher im Boden versunken wäre, und auch, dass Luca es sehen könnte... im Moment war er gebannt und genoss das Gefühl. Wäre dieser Zauber vorbei würde er Luca von sich stoßen und weglaufen, ihm alle Schuld geben, ihn dafür hassen, dass er in der Lage war, Aycos innerste Wünsche zu erfüllen und zu befriedigen, ihn einen Vergewaltiger nennen und ihn verabscheuen. Aber im Moment liebte er Luca, er wusste, dass diese Gefühle tiefes Vertrauen und Liebe waren. Und er wollte so in den Armen seines Freundes liegen, denn Luca schien immer wie im Traum zu erkennen, was Ayco gerade am meisten auf der Welt brauchte.
 

Ayco wurde auf einer beständigen Welle der Lust getragen, unmerklich, nie bis zum Höhepunkt, aber beständig weiter... Er lag lang in Lucas Armen, zwei, drei Stunden, bis Luca lächelnd vorschlug, dass sie ja heute die ersten Versuche machen könnten, gemeinsam durch den Park vor Justins Lazarett zu gehen, damit Ayco wenigstens etwas mehr frische Luft bekam...

Der Elf sah enttäuscht auf und ihm wurde langsam bewusst, dass er sich ganz offensichtlich von Luca hatte verführen lassen, ohne dass etwas passierte...

Sein Glied war hart und heiß und verlangte danach, dass dem Abhilfe geschaffen werden musste... Für einen winzigen Moment wünschte er sich Lucas Hände, die seinen Nacken kraulten tief in seinem Schoß, oder diese weichen, vollen Lippen... Aber der Gedanke allein ließ seine Wangen aufleuchten wie überreife Tomaten.

Ganz im Gegensatz zu dem, was er noch zuvor geahnt hatte, ließ ihn der Zauber nicht ganz los. Ayco allerdings befreite sich dennoch aus Lucas Armen und drehte sich eilig von ihm weg, damit der junge Mann davon nichts sah...

Er neigte sich vor und verschränkte beide arme über seinem Schoß... stand dann aber auf, bevor Luca auf den Gedanken kam, den Körper des Elfen fertig zu waschen.

Eilig begann er sich zu reinigen und achtete so wenig wie möglich darauf, seine Haut unbeschädigt zu lassen.

Er schrubbte an sich herum, dass seine Haut aufzureißen drohte...

Dabei ging ihm wieder und wieder durch den Kopf, dass Luca höchstens 25 sein konnte, er aber schon 150 Jahre lebte, er also viel älter war... Er ließ den Denkfehler, dass ein Elf nicht so alterte wie ein Mensch, außer acht. An sich, und das wusste Ayco nur zu genau, war er der adäquat jüngere Mann. Er war vergleichbar mit einem etwa 17jährigen Jungen, während Luca scheinbar Anfang oder Mitte 20 war...

"Hör auf, bitte, Du tust Dir nur weh...!"

Ayco fuhr zusammen und ließ die Bürste ins Wasser fallen, mit der er sich so malträtierte.

Luca stand hinter ihm, eine Hand auf Aycos Schulter, die andere auf dem Unterarm des Jungen. Ayco spürte von hinten etwas, dass im Wasser seine Hüfte berührte...

Als er sich halb zu Luca umdrehte, sah er, dass der Magier sich endlich aus seinen Hosen gequält hatte... Nackt stand er vor Ayco...

Der Junge bemerkte erstaunt, wie beeindruckend groß Lucas Glied war, aber dennoch, wie der ganze Mann, schlank.

Fast freute es ihn, dass Justin daran keinen Spaß mehr haben sollte...

Er sah wie gebannt in das für ihn und Luca etwas über Hüfthohe Wasser, beobachtete, wie Lucas schwarzes Haar bei jeder leichten Bewegung im wasser getrieben wurde und in das silbrige Elfenhaar floss...

Sie hatten gleichlange Haare. Aber das nahm Ayco erst jetzt richtig wahr. Ihrer beider Haar Floss hinab bis zu ihren Kniekehlen, sogar bei beiden ein Stück darüber hinaus. Auch hatten sie beide grüne Augen. Ayco wusste, dass seine so ungefähr wie die Lucas sein mussten, aber er erinnerte sich nur noch vage daran. Seit bald 100 Jahren hatte er jeden Spiegel gemieden, der ihm vor Augen führte, welch ein Monster er war... Vielleicht bewunderte und verehrte er deshalb auch Luca so sehr. Sie waren beide Seraphin, sich in vielem so ähnlich, aber dennoch völlig unterschiedlich. Ayco sah sich als Monstrum, als Dämon ohne das Recht leben zu dürfen, entstellt und hässlich, innen wie außen... Und Luca, ohne es zu wollen machte Ayco seinen Freund zu etwas unerreichbarem, etwas unvergleichlich schönem, näher einem Celestial, einem Engel, als einem Seraph... Dabei übersah er alle Fehler, Makel und Schwächen, die Luca zu eigen waren.

Er hatte Luca schon längst auf einen Podest erhoben, den er unbewusst vergötterte.

Und Luca wurde gerade eben zum Inbegriff aller Schönheit für den Elfen.
 

Luca stand selbst fasziniert und gebannt vor Ayco und träumte mit offenen Augen von dessen irrealer Schönheit...

Allein dieses makellose, zarte, androgyne Gesicht und die riesenhaften, verträumten Mandelaugen, die wie Jade waren, verzauberten ihn. Die weichen, vollen, rosigen Lippen, die so süß zu sein schienen, so weich, zum Kuss einluden...

Sein Gesicht war immer noch jungenhaft, noch lang nicht erwachsen, und verführerisch. Das Silberhaar wellte sich bereits wieder leicht, und im Augenblick sah er unter seinem wilden Pony hervor, wie ein kleiner Junge, der die Welt der Träume entdeckt...

Lucas Blick streiften über Aycos Gestalt. Einen schöneren Körper kannte er nicht. Ausgewogen, schlank, muskulös, rein, perfekt... allein die schlanken, langen Beine Aycos faszinierten ihn, und die schmalen Hände, die anmuteten, als sei der Junge ein Künstler... Luca bewunderte Das schimmern von Aycos Haut, wenn Licht sich darauf brach, das silbrige seines Haares schien auch seinen Körper zu ergreifen... Wenn er atmete, konnte Luca Aycos schlanken Hals bewundern, den er nur zu gerne küssen wollte... Wenn er seine Hände um Aycos Taille legen würde, so wettete Luca, würde er fast seine Finger schließen können.

Nichts auf der Welt war so wunderschön und perfekt wie Aycolén...

Die Narben... Aycos Leib war bedeckt davon, übersah Luca völlig., In allem fand der Magier das schönste überhaupt. In seinen Augen gab es nichts hässliches, nirgends. Und Aycos Narben waren seine Vergangenheit. Er wollte ihnen den Schmerz nehmen... Ayco glücklich machen, ihn zum lachen bringen... Seine Seele befreien und ihr alles zu Füssen zu legen, Ayco dienen, bis in den Tod. Er sah sich in der Position, Ayco immer zu beschützen und zu dienen, immer! Solang er lebte.
 

Der junge Magier hatte sich selbst aufgegeben um für seinen Freund dazusein. Er streichelte Ayco über die Wangen und strich ihm die Haare aus den Augen.

"Komm mit mir, mein Schöner," lächelte er. "Lass mich Dir das Labyrinth so zeigen, wie ich es als Junge kennerlernte..."

Ayco nickte langsam. "Ja."

Minnesang

Zuerst war Ayco etwas unsicher Luca hinaus zu folgen, aber Luca ließ nicht locker, und Ayco fiel es immer schwerer dem Charme des jungen Mannes zu wiederstehen, mit dem er den Elfen zu überzeugen wusste. Luca hatte Ayco einige seiner Kleider gegeben, eine weiche, schwarze Lederhose, ein dunkelrotes Seidenhemd und ein schwarzes Wams. Fast eine Stunde kämmte er an dem Silberhaar und flocht es , band schwarze und rote Seidenbänder hinein und schmückte ihn so gut er konnte.

Ayco kam sich dabei ziemlich vor. Nie hatte sich jemand die Mühe gemacht, ihn so zu schmücken wie man ein Mädchen zur Hochzeit bereit machte. Dennoch gefiel ihm einfach die Zuwendung und Aufmerksamkeit, die ihm Luca gab. Das hatte ihm gefehlt, all die Jahre hindurch. Er war so glücklich wie schon seit seiner Kindheit nicht mehr.

Luca kniete lächelnd vor Ayco, in wesentlich einfacheren Sachen, als denen, die er dem Elfen anzog. "Du bist so strahlend schön wie der Himmel selbst. Ein Traum...Eben ein wahrer Engel." Ayco errötete und senkte den Blick. "Willst Du Dich mal anschauen, mein Schöner?"

Nun starrte ihn der junge Elf aus riesigen, entsetzten Augen an.

"Nein... nein, bitte nicht!" stieß er hervor.

Luca nahm die Hände des Jungen in seine und lächelte lieb. "Schon gut, mach Dir keine Gedanken. Ich zwinge Dich nicht dazu. Auch wenn Du zauberhafter als jedes Mädchen bist..."

"Warum sagst Du so was? Ich bin nicht schön. Im Gegenteil!"

Luca legte den Kopf schräg und beobachtete die riesigen, grünen Augen, die so voller Abscheu und Panik waren.

"Darf ich Dich fragen, warum Du vor Deinem Spiegelbild solch eine Angst hast?" flüsterte er.

Ayco senkte den Kopf und schwieg. In seinem Kopf jagten die Gedanken. Sollte er Luca davon erzählen? Aber es war etwas ganz persönliches, ein Geheimnis, was niemand anderen außer ihn, Lea und seine Mutter etwas anging...

Er spürte Lucas Finger, die sanfte sein Haar aus der Stirn strichen. "Entschuldige, ich frage nicht weiter."

Ayco sah ihn dankbar an und Luca antwortete mit einem lieben Lächeln. Zuerst hatte der Junge Angst, dass Luca verärgert sein könnte, aber allein dieses Lächeln sagte ihm, dass er es nicht war. Der Magier stand auf und streckte Ayco seine Hände entgegen. "Komm, Ayco, komm mit mir."
 

Draußen erwartete Ayco ein verwilderter, dunkler mysteriöser Garten, ein Park der Verwesung, des Alters und der Erinnerungen an andere, prachtvolle Zeiten.

Säulen, die einst ein Portal flankierten, einen Balkon trugen, lagen nun im Moos, zerstört, gebrochen von der Zeit, verrottend, Monumente der Vergangenheit... Der Kopf eines Atlanten ruhte im Schmutz. Die Wurzeln eines Baumes, der auch schon seit Jahrhunderten tot war, hatte sich diesen Schädel auserkoren und ihn mit schwarzen, dünnen Fäden umwoben.

Nachtschattengewächse wuchsen hier, spärlich und dünn... Die Stufen der Freitreppen lagen voll mit Unrat und Geröll... und der Brunnen vor der Villa, die Elfenstatue in dessen Zentrum, waren umwoben von Dornenranken, die vor einer Ewigkeit versteinert waren...

Ayco sah sich zum ersten mal hier um, staunend, wach und offen.

Luca erzählte in Bildern von seinen Erinnerungen, als er ein Kind war, von seinen Träumen und Ängsten... offenbar verband Luca mit jedem Winkel des Gartens eine Geschichte...

Ayco lauschte ihm gebannt.

Es gefiel ihm, wie Luca dabei auflebte, wie sehr seine riesigen Augen zu denen eines kleinen Jungen wurden... Aber er merkte auch, dass Luca ein ruhiges, in sich gekehrtes Kind war... Es schien ihm, als wisse er das schon lange. Luca konnte niemand sein, der Scherze machte, herumalberte, nicht als Kind. Dazu war er z erwachsen und zu abgeklärt... Dafür hatte man ihm die Kindheit zu früh genommen...

Woher wusste Ayco das alles nur? Er konnte sich diese Gewissheit nicht erklären.

"... der Garten meines Vaters war sicherlich prächtiger und blühend, aber hier konnte ich endlich auch in diesem Garten spielen... Und das habe ich auch sehr oft getan." Er lächelte. "Hier hat mir Justin gezeigt, wie man richtig zeichnet." Er deutete auf den Schädel unter dem Baum. Ihn habe ich oft gezeichnet... Er ist schön, wenn man sich die Spuren der Verwesung wegdenkt..." Luca lächelte, als Ayco näher heran ging und sich den verwitterten, bärtigen Kopf betrachtete... "Ich habe ihm vermutlich 100 Geschissausdrücke gegeben, mir vorgestellt, wie er Lebt und wer er war, was er war... Er wurde zum stillen Freund, der sich meine Sorgen und Ängste anhörte, zum Vertrauten und meiner Familie... Ich habe oft über ihn geschrieben, über seine toten Augen gedichtet und ihnen versucht Leben zu geben... und er hat uns zugehört, wenn Justin mich singen ließ für sich und mir zeigte, wie ich die Panflöte zu spielen habe..." Ayco kam zu ihm zurück... "Und die Elfe im Brunnen beobachtete meinen Tanz." Luca setzte sich auf den Säulenstumpf und rutschte zur Seite, damit er Ayco nicht ungebührlich nahe kam. Aber der Elf blieb stehen und schaute sich um...

Das passte zu Luca. Steinfiguren als Freunde zu bezeichnen... Aber dass er so viel künstlerisches Talent besaß... Singen konnte er, wie kein zweiter. Seine Stimme schwang immer noch in Aycos Herz nach, die Melodie des Liedes, was er für Ayco sang... dieses wunderschöne Wiegenlied.

Aber musizieren, zeichnen, tanzen...?

Luca zog eine Panflöte unter seinem Hemd hervor... Ayco hatte gar nicht bemerkt, dass der Magier sie bei sich trug... Aus großen Augen sah Luca zu Ayco, lächelte immer noch. "Setz Dich zu mir, dann spiele ich für Dich."

Der Elf zögerte kurz. Etwas kribbelte in seinem Nacken. Sie wurden beobachtet... Ayco ahnte, von wem. Justin.

Aber als er hochsah, schloss sich gerade nur noch ein Fenster... Justins Fenster.

Nun erst setzte er sich vor Luca in das Moos und schaute zu Luca hinauf.

Der Magier begann eine unheimlich schöne, traurig schwermütige Weise zu spielen, eine Ballade, voller süßer Trauer...

Die Töne schwebten dicht, wie die Farben eines Bildes in der Luft, Farben, die nur darauf warteten, von Ayco vermalt zu werden, zu etwas wunderschönem...

Träumerisch ließ sich Ayco zurücksinken und sah in die Luft, in den Himmel aus verfilzten Ästen, die kein Licht hindurchließen...

Der modrig süße Duft verwandelte sich in den Duft von Lilien und die feucht warme Luft füllte sich an mit Musik und Gesang. In seinem Herzen entstand ein Bild, das Bild eines Paares, zweier Seraphin, die sich liebten. Sie standen da, in inniger Umarmung und voller Zärtlichkeit küssten sie sich. Ihre Leiber waren halb verborgen unter ihren Schwingen und die Luft duftete nach ihren heißen Körpern. Jung, wie sie waren, noch Kinder fast, hielten sie sich aneinander fest. Sie flüsterten miteinander, lachten leise und schmiegten sich jeder an den Körper des anderen. Winzige, sanft Küsse verteilte der jüngere der Beiden auf Wangen und Lippen seines älteren Freundes, die dieser immer wieder sanft und ruhiger erwiderte... Er nahm schließlich den kleinen, schwarzhaarigen Jungen fest in den Arm und küsste ihn unendlich sanft und leidenschaftlich. Er weinte dabei...

Seraphin können nie glücklich miteinander werden... das ist ihr Fluch, wisperte eine leise, boshafte Stimme in Aycos Schädel...

Warum wurden wir getrennt...? Warum...?! Warum!!!!!

"Warum...!" schrie er plötzlich... und wusste nicht mehr genau, weshalb er eben diese Frage gestellt hatte.

Luca ließ die Panflöte fallen und sprang von seinem Sitzplatz zu Ayco herab.

"Was ist passiert?" Er nahm Ayco in seine Arme und sah ihn sorgenvoll an.

Der Elf erstarrte in seinen Armen, gefror, aber dann schaute Luca in die Augen... und für einen Moment gerannen die schmalen Gesichtszüge des Magiers zu den Kindlichen, etwas runderen des Jungen, den er kurz gesehen hatte, der von dem älteren Seraph betrauert wurde und so zärtlich geküsst zugleich.

Ayco begann wortlos zu weinen und wusste nicht mal wirklich warum. Luca setzte sich nun neben ihn, schlang beide Arme um ihn und wiegte ihn sanft. "Ich bin da, immer. Halte Dich an mir fest, klammere Dich an meine Seele. Ich habe Kraft für uns beide."
 

Ayco erwiderte die Umarmung nicht, wenigstens nicht sofort, aber nach einer Zeit wurde es dem jungen Mann zuviel. Er wollte Lucas Nähe, denn er brauchte einen Freund, auch wenn er immer noch Angst hatte, dem Magier zu trauen. Er drückte ihn dennoch kurz von sich und sah ihn aus roten, verweinten Augen an. Luca wirkte selbst so niedergeschlagen und traurig, dass Ayco erschrak. Offenbar wusste der junge Mann, was in der Seele Aycos vor sich ging.

"Warum?" flüsterte Ayco tonlos. "Warum tust Du das?"

"Was?" fragte Luca leise. "Dich zu trösten...?" Er setzte sich nun richtig hin und lehnte sich gegen den Säulenstumpf. "Weil ich Deine Ängste und Deine Furcht lindern will, und weil ich Dich beschützen möchte." Er lächelte sanft. "Du darfst nicht allein sein mit deiner Angst. Du brauchst einen anderen, der immer an Deiner Seite ist und Dich auffängt, sonst verbitterst Du und schließt Dich noch weiter ab..." Ayco sah ihn schon wieder so trotzig und ärgerlich an. "Ich weiß, dass Du mir nicht traust. Aber der einzige Beweis meiner Treue zu Dir wird die Zeit selbst sein. Mehr kann ich Dir nicht als Garantie sagen. Ich werde immer da sein, wenn Du mich brauchst, immer..."

Er hatte sich aufgerichtet und dem Elfen eine Hand hingestreckt. "Nimmst du mein Angebot an?"

Ayco zögerte lang. Schließlich nickte er.

Was, wenn er mich verrät? Wenn ich all meine Gefühle an ihn hänge und er stirbt?... Dann bin ich so einsam wie zuvor... Warum habe ich nur eingewilligt? Unsicher sah Ayco zu Luca, der ihm zulächelte. An sich ging der Elf sogar davon aus, dass Luca ihn nie verraten würde, aber allein der Gedanke, dass der Magier weggehen könnte, zeriss Aycos Seele schon, ganz zu schweigen von der Option, dass Luca sterben könnte. Ayco rutschte dennoch wieder zu Luca hinüber. Er wagte es allerdings nicht mehr, Luca noch anzusehen.
 

"Verzeih mir, ich wollte Dich mit meinem Spiel nicht traurig machen."

Ayco schüttelte nur den Kopf. "Sing bitte, oder spiel..." Seine Stimme war nur ein Wispern, ein Windhauch. Er bat Luca um so etwas? Verwirrt blickte er nun doch zu dem schwarzhaarigen Magier auf. Er verfiel wieder vollständig dem Zauber dieser leuchtenden Smaragdaugen und diesem sanften Lächeln.

"Was soll ich für Dich tun? Singen, tanzen, spielen, dichten?" Seine Stimme klang wie Samt... Verführerisch, weich, unheimlich schön. Aycos Augen hingen an Luca. "Sing..." bat er leise, verschämt. Ihm stieg das Blut in die Wangen, das fühlte er, und sein Herz begann zu rasen.

Luca lächelte sanft, nickte dann und begann leise zu singen... Es war nicht das Wiegenlied, was der Elf zuerst von Luca gehört hatte, vor einigen Tagen, im Lazarett. Es war ein Liebeslied in ihrer beider Heimatsprache, und ungleich schöner und trauriger.

Ayco aber fand sich in allen Beschreibungen Lucas wieder, spürte, dass er dieses Lied ihm anpasste. So sanft... Lucas Stimme wurde nach und nach voller, lauter, tragend, sodass man ihn weithin hören konnte. Ayco schauderte unter dieser Stimme, aber der Schauer war sanft und schön, wohlig... Und, so sehr er sich dagegen wehrte, er empfand tiefe Freude, von Luca so besungen zu werden. Er spürte, dass er im Mittelpunkt stand, vielleicht nur für einen einzigen Mann, aber allein seine Aufmerksamkeit bedeutete ihm etwas...

Ganz am Rande seines Bewusstseins nahm er Lea wahr, die auf dem Brunnenrand hockte und ebenfalls lauschte, glücklich, fast versonnen, verträumt... Neben ihr hockten die beiden Drachen, flankierten das zierliche, zauberhafte Mädchen. Einige der Tiere des Labyrinthes kamen herbei, und mit ihnen die Männer, Frauen und Kinder. Die Fenster öffneten sich und unzählige Augenpaare beobachteten sie, lauschten ihm... Sie schwiegen, aber Ayco spürte ihre Gedanken, ihre Gefühle, und die ergriffene Zuneigung zu dem, der ihnen am nächsten stand. Luca trieb sie in ihren Träumen zu ihrer Liebe, verzauberte sie mit Melodien die von Gefühlen sprachen, sie umschrieben und ihnen folgten...

Allein das, dieser so endlos friedvolle Moment, brannte sich in Ayco ein und ließ ihn von diesem Moment auch später hin immer wieder zehren.

Er spürte im Moment, wie sehr er Luca mochte, und wie sehr er ihn verehrte, vergötterte, und er wusste ganz sicher, dass es kein Leben mehr ohne seine Nähe geben würde.

Ayco war wenigstens in diesem verzauberten Moment bereit, sich selbst dies einzugestehen, dieses Gefühl zu akzeptieren...

Die sanften Klänge einer Laute mischten sich unter Lucas Gesang. Ayco folgte den Tönen und gewahrte Justin, der auf der Freitreppe saß und spielte, selbst verzaubert und getragen von der Musik... Luca lächelte ihm dankbar zu... Der Elf erwiderte das Lächeln sanft und fiel dann mit in den Gesang ein... Nur sang er alles auf Elfisch... Die zwei Stimmen begannen sich zu vermischen, tanzten umeinander, ein voller, starker Tenor, Justin, der Barde war, und Lucas ruhigere, sanftere Stimme, die tiefer war, aber ebenso stark und tragend und ausdauernd...

Luca umschrieb und verehrte ihn mit seinen Worten, sang nur von ihm, seiner Seele, seinem Herzen und seinem Bewusstsein... Der Magier legte all seine Gefühle hinein, so sehr, dass Ayco spürte, was diese Ballade war.

Eine Liebeserklärung an ihn.

Justin sang den eigentlichen Text... aber auch in seiner Stimme fand sich alle Liebe und Zärtlichkeit wieder.

Ayco hatte das Gefühl sich zu verwandeln, zu einem Engel zu werden, seine Schwingen auszubreiten und zu fliegen, allein getragen von all dem, was die beiden Männer... was Luca in ihm auslöste. Er war es, der Ayco seine Liebe gestand... Nur er...

Veraldis!

Aycos Herz raste, auch noch lange, nachdem Lucas Stimme verklungen war...

Er wusste nicht mehr, was er dachte oder fühlte. Nur dass ihn diese Liebeserklärung zutiefst getroffen, ihn berührt hatte... Selten war ihm ein anderer so nah gekommen wie Luca, und nie vorher hatte es ein anderer geschafft, all diese widerstrebenden, widersprüchlichen Gefühle in ihm auszulösen. Der Magier hatte in Ayco eine ganz neue Seite zum Klingen gebracht und nach und nach gewann diese Seite die Oberhand.

Er spürte, dass er Luca mochte, wie sehr er es genoss im Zentrum der Aufmerksamkeit des Magiers zu stehen und wie faszinierend er den jungen Mann, allein schon wegen seines Talentes und seiner Ausstrahlung, die Ayco einfach verführte... Aber mehr als das wegen seines so freundlichen und hilfsbereiten Wesens.

Ayco wusste einfach, dass er von Luca nie etwas schlimmes zu erfahren hatte. Dazu war der Magier zu gutherzig... ja, gutmütig und weise, so, dachte Ayco bei sich, würde er Luca umschreiben. Als sehr friedvollen, ruhigen Mann...

Egal was man ihm bisher angetan hatte, und dabei dachte er an Justin, Luca vergab alles, immer. Vermutlich konnte man ihn vergewaltigen und umbringen, und er würde seinem Peiniger vergeben können.

Ayco sah auf und schaute in Lucas lächelnde Augen. "So still mein Freund?" fragte der Magier leise. "Wovon träumst Du?"

Um ein Haar wäre Ayco herausgerutscht: Von Dir... Aber er hatte sich noch genug unter Kontrolle, das nicht laut auszusprechen.

So, wie Luca ihn ansah, wusste er es dennoch.

Aycos Wangen färbten sich wieder rot und er sah betroffen zur Seite.

"Luca," rief Justin. "Tanz für mich!"

Der Magier setzte sich auf und schaute über die Schulter zurück zu der Freitreppe.

"Spiel und sing für mich, alter Freund, dann gerne." Er grinste und blinzelte Justin zu. "Zeig mir, dass Du immer noch ein Barde bist. Der bedeutendste Barde, der je sein Lied spielte!"

Die Leute im Labyrinth lachten und jubelten Justin zu. Luca stand auf und deutete zu Justin hin eine Verbeugung an. "Noe Leandre, spielt für mich..."

Justin erwiderte das Lächeln, aber seien Wangen färbten sich rot.

Noe, so hatte ihn lang niemand mehr genannt... nur Luca manchmal, in besonders zärtlichen, liebevollen Momenten, oft bevor sie miteinander schliefen, und Luca ihn sehnsüchtig erwartete, seine Umarmungen brauchte, seine Wärme und seine Nähe...

Nun war alles anders, auch wenn der Magier ihn bei seinem Geburtsnamen nannte...

"Luca..." murmelte Justin. "Mein geliebter Luca..."

Er begann die Seiten zu zupfen, genauso sanft wie das Liebeslied zuvor, nur schwerer noch, dicht und erotisch...

"Tanz, Luca, tanze nur für mich... Zeige mir, wie begehrenswert dein Körper ist, wie erotisch du tanzen kannst..."

Luca machte vor ihm noch eine Verbeugung und lächelte. "Du kannst es nicht lassen, oder? Mich mit Tanz und Musik zu verführen?"

"Wie oft haben wir das gemacht, mein Schöner?" fragte Justin, und summte dann die Melodie, die er spielte, mit.

"Oft. Deine Seele ist die eines Künstlers und Träumers..." Luca verstummte. Er wollte Justin nicht noch mehr reizen...

Sein Blick glitt zu Ayco und alle Angst wich zärtlicher Zuneigung zu dem jungen Elfen.

Betroffen, oder verletzt hatte Ayco den Kopf abgewendet und starrte zur Seite. Weshalb...? Luca wusste es nur zu gut. Die Vertraulichkeiten zwischen ihm und Justin, dass Luca sich nicht abgewöhnen konnte, trotz allem seine zärtlichen Scherze mit dem Vampir zu treiben...

Vergib mir. Ich liebe nur Dich, dachte Luca. Justin ist ein Freund, aber nicht der, den ich liebe...

Fast als hätte er es gehört, blickte Ayco nun doch auf und beobachtete Luca nun. Goldy flatterte zu ihm hinüber und setzte sich in seinen Arm, kuschelte sich an und schaute Luca auch erwartungsvoll an.

Der junge Magier lächelte nun, entspannte sich und konzentrierte seinen Geist auf die Melodie der Ballade.

Ayco erstarrte, als er sah, wie sich Luca völlig der Musik hingab, so dass sich sein Körper völlig synchron bewegte... so leicht, so elegant und fließend. Lucas Kontrolle war faszinierend, aber allein die weichen Bewegungen, Drehungen, das durchaus sehr erotische betonen seines Körpers, nur durch den Tanz.

Zum ersten Mal wurde Ayco die Ausstrahlung seines Freundes Bewusst. Zuvor hatte er es nur unbewusst wahrgenommen, nun aber spürte er ihn körperlich, wie eine sanfte Berührung. Er konnte gar nicht anders, als Luca anzustarren, solang er tanzte. Wie beweglich und biegsam doch der schlanke Leib war und wie endlos lang doch die schlanken Beine erschienen...

Jede Bewegung schien zu passen, langsam und leidenschaftlich.

Die feuchte, heiße Luft lud sich auf mit reiner Erotik, duftete danach, nach Lucas Haut, seinem Haar, seinem Schoß... Lucas Körper drückte tiefstes Verlangen aus...

Als sich Luca gegen eine der Säulen lehnte, daran hinab glitt, sich währenddessen von seinen Zuschauern abwandte und die Lider schloss, den Kopf senkte und sich mit beiden Händen über die Schultern strich, die Brust, bis tief in seinen Schoß, war es um Aycos Beherrschung geschehen. Er spürte schmerzhaft die Enge seiner Hosen...

Luca sah so wunderschön dabei aus, so Mädchenhaft und unschuldig und verführerisch und lustvoll, dass er jeden anderen allein mit seinem Anblick wahnsinnig machte...

Die Melodie endete und Luca saß da, tänzerisch zusammengekauert, an die Säule gelehnt, den Kopf abgewendet...

Stille empfing ihn... bis auf das schnelle, erregte Atmen der Leute konnte man nur den entfernten Lärm der eigentlichen Stadt hören...

Dann stand Luca grinsend, allerdings außer Atem, auf und setzte sich zu Ayco, wieder völlig Herr seines Bewusstseins und seines Leibes.

Ayco starrte ihn aus großen Augen an. Er ignorierte, dass die anderen plötzlich riefen, Luca solle mehr zeigen, weitertanzen, am besten ohne Kleidung... Für ihn war es fast unverständlich, dass Luca im einen Moment der Inbegriff des Verlangens war und im nächsten so Aufgeräumt und Fröhlich wie ein Kind.

Der Magier... war er überhaupt ein richtiger Magier?... Ayco wusste es nicht genau, aber er war sich sicher, nie einen geschmeidigeren und geschickteren Mann gesehen zu haben. Luca machte langsam den Eindruck, viel eher ein Barde zu sein, ein Minnesänger und Tänzer, ein Mann, der zum Vergnügen Anderer tanzte und sang, für sie dichtete und malte...

Im Moment erschien es Ayco als unmöglich, sich Luca in staubigen, alten Bibliotheken vorzustellen, still lernend aus uralten Schriften und der Welt so entrückt, verschlossen, nur lebend in den Formeln, die er las und schrieb. Ihn vor der Welt zu verbergen... Ayco dachte einen Moment darüber nach. Einerseits missfiel ihm der Gedanke, andererseits aber wäre Luca dann geschützt vor Männern wie Justin... Ein Aspekt, der eines gewissen Reizes nicht entbehrte... Und insgeheim, auch wenn Ayco es nicht wirklich wahrhaben wollte, so wünschte er sich doch, dass Luca so nur für ihn tanzte. Ihn störten die Worte der ganzen Zuschauer. Er kannte die wenigsten von ihnen, aber er verachtete sie, verabscheute sie für ihre Primitivität. Letztlich wussten sie nicht zu würdigen, was Luca ihnen von sich gezeigt hatte, welche Geheimnisse er ihnen in seinem Tanz offenbarte, Dinge, die Ayco sah, fühlte, begriff... Das einzige wonach sie verlangten, war seine nackte Haut, den kurzen Reiz des Verlangens... Kurzweil und Details, die Luca nicht bereit war zu zeigen.

Der Magier lächelte, sich wieder im Griff. "Verschwindet schon. Ich bin nicht Eure Kurtisane, die sich für euch entkleidet und bereit für euch ist."

Er neigte sich zu Ayco und flüsterte lächelnd: "Komm mit mir, lass uns verschwinden. Ich mag ihre Blicke nicht... schon gar nicht, wenn sie Dich auch so betrachten wie Freiwild. Das wäre dir nicht angemessen."

Überrascht sah Ayco seinen Freund an, der ihn erwartungsvoll betrachtete. "Weg von hier?"

Luca nickt. Nicht für lang, mein Schöner, aber ich möchte, dass Du freier Atmen kannst, das Du wieder das Licht sehen kannst, und die Stadt, die Du Deine Heimat nennst."

Im ersten Moment spürte Ayco Schrecken. Woher wusste Luca so viel über ihn? Was sollte das? Es reichte doch, wenn er hier draußen saß...! Diese Idee ängstigte und erschreckte ihn. Was hatte Luca nur vor mit ihm?

Dem Jungen kam gar nicht der Gedanke, dass Luca nichts anderes wollte, als ihm ein wenig friedvolle Zeit zu verschaffen, in der Ayco weitgehend sein eigener Herr war, ohne dass ihn Justin eifersüchtig anstarrte...

Der Magier lächelte ihn plötzlich so lieb an, wie ein junger Hund, mit den gleichen treuen, liebevollen Augen, so dass der Elf eine sachte Erschütterung in seinem Herzen fühlte. So überzeugend wie dieses Lächeln, der Blick, konnten all seine Worte nicht sein. Ayco spürte, wie er weiche Knie bekam. Seine Ängste verschwanden in den Hintergrund. Immer noch lauerten sie, warnten ihn argwöhnisch, aber sie traten zurück, dorthin, woher sie kamen, in die Schatten seines Bewusstseins. Seufzend legte er seine Hand in Lucas.

Der junge Magier hauchte einen angedeuteten Handkuss über den Handrücken des Elfen und zog ihn dann auf die Füße, während er ich noch selbst erhob. Ayco gelang es gerade noch, sein erregiertes Glied unter seinen weiten Kleidern zu verbergen.

Wohl oder übel musste er zugeben, dass Lucas Charme ihn mehr und mehr verzauberte und in seinen Bann schlug, und allein das Wissen, dass ihm allein alle Aufmerksamkeit des Magiers gehörte, machte ihn... nervös, aufgeregt, glücklich. Im Moment war ihm gleich, wohin Luca ihn entführte, völlig. Auch wenn sie nie wieder hier her zurückkehrten wäre es gut.
 

Lea beobachtete ihn vom Brunnenrand aus, lächelnd, glücklich und verträumt. Dann, kurz bevor sie sich auflöste, neigte sie ich zu Goldy und Tam hinüber. "Ein wunderschönes Paar, nicht? Als wären sie füreinander geschaffen worden. Sie dürfen sich nie wieder trennen. Das würde meinen kleinen Bruder umbringen, wenn Luca ihn allein ließe. Er vertraut ihm, völlig. Und, auch wenn Ayco es nicht begreift und wahr haben will, er liebt Luca. Sie können nur zueinander finden..."

Goldy hob die schuppigen brauen. "Sicher? Du solltest am besten wissen, dass Seraphin nicht glücklich werden dürfen, dass ihr Schicksal der allumfassende Wahnsinn ist, der im Freitod endet."

"Sie durchbrechen diese 9.000 Jahre alte Grenze, siehst Du das nicht?" fragte Lea leise, sanft. "Sie sind unsere Hoffnung, ein neues Schicksal."

Goldy lächelte in sich hinein. Es wäre zu schön, dieses Geistermädchen als Prophetin zu sehen, ihren Worten zu vertrauen... "Luca und glücklich? Das ist ein langer Weg, murmelte Tam abwesend.

Goldy nickte nur.

"Vertraut mir..." lachte Lea und sprang vom Brunnenrand, um lachend von dannen zu tanzen, ins Nichts, woher sie kam...
 

Lucas Hände hielten Aycos auch noch umschlossen, nachdem er teleportierte... Der Junge Elf reagierte mit leichtem Schrecken, aber ganz im Gegenteil zu dem, was er erwartete, nachdem Luca seinen kurzen, Ayco durchaus bekannten Zauber formulierte, war da nur eine leichte Unsicherheit, eine Benommenheit, die seinen Geist ergriff und ihn einen Moment später desorientiert zurückließ. Ayco vernahm ein leises Zischen von nachströmender Luft an den Ort, an dem sie soeben noch gestanden hatten, dann einen leichten Druck von zuviel Luft an dem Ort, an dem sie auftauchten... Aber mehr als eine milde Desorientierung war da nicht... Er blinzelte verwirrt und schützte seine hellen, durch die Wochen in dem ewig schummrigen Licht empfindlichen Augen vor der starken Sonne. Auch Luca schloss für einen Weile die Augen und umfasste in dem Moment Aycos Hände fester, um wenigstens ein wenig Halt zu finden. Ayco durchfuhr ein Schauer... Unsicher öffnete er die Augen und sah das schöne, friedvolle Gedicht des Magier vor sich, so nah, so zerbrechlich... Seine Haut schimmerte wie Elfenbein, so blass, irreal, und das schwarze, offene Haar schien in der sonne zu glänzen, seidig, ein perfekter, allzu harter Kontrast zu dem Weiß seiner Haut, und dennoch perfekt, wie aus Porzellan. Aycos Hände umfassten nun auch Lucas. Die Haut des Magiers war so warm und weich und glatt...

Dann öffneten sich feine Schlitze unter dichten mädchenhaft langen, schwarzen Wimpern. Smaragdenes Grün schimmerte dort, lebhaft und hell... Dann sah ihn Luca an. Ayco durchfuhr dieser Blick bis in sein tiefstes Inneres... Etwas war geschehen. Etwas wichtiges, gravierendes... Ayco spürte unheimliche Nervosität, Unsicherheit und Aufregung, so dicht bei Luca, sein herz raste und seine Hände wurden feucht. In seinem Mund befand sich kein bisschen Feuchtigkeit und zugleich wünschte er sich, Luca immer so in Erinnerung zu behalten, so, wie in dem Augenblick, in dem er für sich selbst zum ersten Mal klar spürte, dass er sich in Luca verliebt hatte.
 

Das Tageslicht brannte in Lucas Augen. Er konnte es für einige Sekunden nicht anders ertragen als mit geschlossenen Lidern... Er spürte, wie er ins Wanken geriet... und in dem Moment schlossen sich Aycos Hände um die seinen... Ein unsäglich wohliger Schauer rann über Lucas Rücken. Er genoss es mit geschlossenen Augen, wie auch den Blick Aycos, den er auf sich spürte. Scheinbar war da mehr als reines Vertrauen. Er spürte die Bewunderung und zugleich Aycos aufkeimende Zuneigung...

Er wusste genau, was er sehen würde, öffnete er die Lider...

Langsam sah er auf, blickte in dieses perfekte, wunderschöne Gesicht, betrachtete die ätherischen Züge seines Freundes und versuchte zugleich den Blick der großen, mandelförmigen Katzenaugen zu deuten, die ihn auf so unheimlich sanfte Art betrachteten. Luca war für einen winzigen Moment versucht, sich der Illusion hinzugeben, Ayco könne seine Liebe erwidern, wollte dem Drang nachgeben, sich über ihn zu neigen und ihn zu küssen, näherte sich ihm langsam, sanft... wobei er den Elfen keinen Moment aus den Augen ließ, um seine Reaktionen zu erkennen, zu erklären, weshalb er sich nicht wehrte... Weshalb in Luca das Gefühl wuchs, dass Ayco ihn mochte, mehr als das... Nein, das war dem jungen Mann völlig unmöglich zu erklären.

Er spürte aber auch, dass er sich einer unsichtbaren Grenze nährte, die er besser nicht überschritt. Tat er es, würde es kein Zurück mehr geben. Er würde Ayco in seine Arme nehmen und küssen, vielleicht sogar hier und jetzt lieben...

Ayco... Ayco. "Ayco," flüsterte er, bereits so nah, dass er den heißen Atem Aycos auf seinen Lippen fühlte, den rasenden Herzschlag des Jungen, seine Angst, aber auch die Erwartung, die Hoffnung und die Erregung...
 

Ayco reagierte nicht, er floh nicht, näherte sich ihm nicht, verharrte nur völlig reglos und zitternd... Lucas Atem streifte ihn, so heiß und süß. Er war paralysiert, verzaubert von seinem schönen gegenüber, aber auch gelähmt vor Angst. Wollte ihn der Magier küssen...? Aber... das konnte er nicht! Ich bin doch ein Mann, dachte Ayco entsetzt. Ihm entging dabei völlig, dass Luca seinem eigenen Geschlecht zugetan war und gegengeschlechtlicher Liebe nichts abgewinnen konnte... Die Aufregung und seine Angst blockierte seinen sonst klaren Verstand.

Der Wunsch, dass Luca ihn wirklich küsste allerdings wuchs zugleich mit seiner Angst ins unermessliche.

Doch Luca hatte sich genug unter Kontrolle, es nicht zu tun. Er lächelte und lehnte dann seine Stirn gegen Aycos, behutsam.

Enttäuscht seufzte Ayco und war zugleich froh darüber, dass Luca es nicht getan hatte Das allein bewies Ayco, dass sich der Magier nur wegen ihm so hart im Griff behielt, nur um seiner Freundschaft Willen.

Luca lächelte. Wann tat er das nicht? Egal was Ayco ihm antat, der Magier verlor nie sein Lächeln. War es falsch?, was empfand er nur, wenn Ayco ihm so sehr das Leben zur Hölle machte? Wie konnte er da noch lächeln?

Ayco begriff nicht, dass Lucas Lächeln ein Teil seiner Art war, die ewig hoffnungsvolle, sanfte Art, die einfach nicht bereit war, aufzugeben. Seine Persönlichkeit allein entsprach nicht der Aycos, der depressiv sein konnte, bis zur völligen Selbstzerstörung.

Luca würde nicht einmal einen Gedanken an Selbstmord verschwenden. Wenn er sich wirklich quälen wollte, so wählte er den Weg des Lebens, der härter, steiniger war, aber auch immer noch den Funken von Hoffnung in sich trug, dass alles sich zum Besseren wendete. Allein dafür bewunderte und liebte Ayco Luca.

Ohne es zu merken, hatte Luca beide Hände über Aycos Wangen gelegt und streichelte sie sanft, immer noch Stirn an Stirn.

Der Junge sah ihm in die Augen. Was er fand war zärtliche, unwahrscheinlich tiefe Liebe und einen Funken in den Augen, der ihm so vertraut schien, als habe er ihn sein ganzes Leben schon gekannt.

"Wo... wo sind wir?" flüsterte der Junge heiser.

Luca löste sich von ihm und sah sich um, beide Hände auf Aycos Schultern. "Das ist der schönste und zugleich grauenhafteste Ort... nein, nicht ganz. Es gab einen Platz, der schlimmer war, aber der übte keinen Zauber auf mich aus..."

Ayco folgte zögernd Lucas Blick und erstarrte.

Sie standen in einem Ruinengarten, in einem Labyrinth von Unkraut, Blumen, Moos und Gräsern, niedrigen Büschen und Bäumen, die seit Jahrzehnten nicht nachgeschnitten worden waren und dennoch in voller Pracht blühten. Unter all dem lagen Steine, mächtige Quader aus gelbem Sandstein, Säulenstücke und Ornamentiken der Fenster, Säulenköpfe und prachtvolle Statuen verborgen. Efeu und wilder Wein hatten das, was einst eine wundervolle Villa war, umsponnen und verwunschen, wie ein Märchenschloss.

Wie durch ein Wunder war den farbigen Glasfenstern nichts geschehen, bis darauf, dass man nicht mehr hindurchsehen konnte. Auch die Türen schienen unversehrt. Gewaltige, doppelflügelige Holztüren mit Beschlägen aus gehämmertem und geprägtem Messing... Oxidiert zwar, was im Lauf der Jahrzehnte normal war, besonders wenn sich niemand um die Reinigung kümmerte und das Metall den Jahreszeiten schutzlos ausgesetzt war, aber zugleich in seiner Verwesung prächtig, verzaubert von vergangenem Glanz.

Zierliche, gedrehte Säulen, die in filigranen Blumenmustern endeten, die Galerie, die Treppe, flankten und den Balkon trugen, waren ebenso unversehrt, aber überwuchert von Heckenrosen. Die schwierig verschachtelten Bauteile des Hauses schienen aus unterschiedlichen Epochen... und an den Ecken in den oberen Etagen standen Statuen von wunderschönen Frauen und Männern mit Flügeln, die außer Tüchern, die nichts verbargen, nur Körbe von Blumen trugen... Ayco konnte sich nicht des Gedankens erwehren, dass auch Luca eine dieser zauberhaften, perfekten Statuen war, gemeißelt, nicht geboren...Ganz oben sah er in der Mansarde ovale Fenster, denen das Glas fehlte, vergittert, kunstvoll, wunderschön. Dennoch schauderte er bei dem Anblick. Unheimlich, aber er spürte Böses in der Sekunde, Hass, Schmerz und tief sitzende Angst, wie eine Erinnerung... Es war zugleich auch Nervenkitzel, und der Wunsch, dort hinauf zu kommen erwachte in ihm. Dort war etwas, dass wichtig für ihn war, etwas ganz besonderes, etwas, von dem sein Leben abhing...

Für einen kurzen Moment sah er den Schatten einer zierlichen Gestalt hinter einem der Fenster, schmächtig, zerbrechlich. Riesige, grüne Augen sahen zu ihm herab, und dann streckte sich ihm eine schmale Kinderhand entgegen...

Ayco erschrak zutiefst... Er löste sich von Luca und huschte die Stufen zum Eingang hinauf.

"Was ist?" fragte der Magier alarmiert.

"Da ist jemand... Komm!"

Luca sah nach oben, fand aber nichts außergewöhnliches. "Ayco, was hast Du gesehen...?"

Der Junge deutete hinauf. "Da ist ein kleiner Junge eingesperrt!" Er machte sich bereits an der Türe zu schaffen... Das alte, verquollene Holz ließ sich nicht aufdrücken... es klemmte...!

Aufgeregt, in der Hoffnung das Kind zu befreien ging Ayco über die Galerie halb um das Haus herum, in der Hoffnung irgendwie einen Eingang zu finden. Luca folgte ihm still. Er wusste, dass da niemand war. Gleich was Ayco glaubte zu sehen, es war nicht da, ganz sicher nicht...

"Schnell! Der Junge braucht uns...!" trieb Ayco Luca an.

Der Magier blieb kurz stehen, "Da ist nichts, Ayco. Ganz sicher..."

"Doch, ein kleiner, schmaler Junge, ich habe ihn deutlich gesehen. Schwarzes Haar umrahmte sein blasses Gesicht..." Plötzlich erstarrte Ayco und blickte Luca an.

"Ja..." murmelte der Magier. "Aber dieser Junge lebt seit 21 Jahren nicht mehr hier, länger sogar schon..."

Für einen kurzen Moment wusste Ayco das Geheimnis... hielt die Lösung in Händen, doch dann entglitt sie ihm. Enttäuscht sah er zu Boden. "Aber ich habe ein Kind gesehen."

Luca lächelte. Lass mich Dir das Haus zeigen. Etwas zauberhaftes, schönes..."

Ayco nickte und legte völlig unbewusst seine Hand in die Lucas.
 

Lea saß auf der hohen, maroden Steinmauer, die den verwilderten Park umgab, wieder die zwei Drachen um sich. "Ayco erinnert sich nicht. Da ist etwas, dass sich erinnern will, aber er kann es nicht." Ihre Beine baumelten herab. Tam saß neben ihr.

"Luca erinnert sich langsam wieder..."

Sie hob die Schultern... "Der Ort ist nicht gut, für beide nicht... Schlechtes haftet hieran, Brutalität und Kälte, Hass... Und Angst."

Goldy schob die Hecke, die die Mauer zur anderen Seite, zur Straße hin, überwucherte, etwas zur Seite und las, was auf dem Torbogen zur Einfahrt stand. Dann sah sie zu den beiden Männern und nickte...
 

Luca führte Ayco am Haus entlang zu einer schmalen Bresche in der Außenmauer.

"Hier können wir hinein," murmelte er und huschte hindurch.

Ayco folgte ihm. Er war dankbar darum, dass er schmal war, ein Mann mit mehr gewicht wäre hier unmöglich hindurch geschlüpft.

Auf der anderen Seite erwartete ihn etwas Äußergewöhnliches.

Der Innenbereich des Hauses existierte im klassischen Sinne nicht mehr. Das Erdgeschoss, die erste und zweite Etage hatten keine Zwischendecken mehr und er konnte durch Löcher im Dachboden bis hinauf durch das eingesunkene Dach sehen. Auch fehlten alle Zwischenwände und die Mauer zum Innenhof und damit zum Atrium und dem Wasserbecken und dem einstigen Rosengarten... Den Garten gab es noch immer, aber er hatte sich schon lange bis hier hinein, ins Haus ausgedehnt.

Der Boden war verschmutzt, zerkratzt und voller Unrat und Dreck, verkrustet über die Jahre... aber er sah immer noch die gebrannten Tonkacheln und das wundervolle, prächtige Mosaik der Eingangshalle... Die Fresken in den Wänden... Teppiche, oder das was einst solche waren, moderte vor sich hin, Gemälde an den Wänden schimmelten, vergammelten... Ratten huschten hier innen herum, Asseln und anderes Ungetier.

Links von ihnen wand sich frei schwebend eine Treppe ins Nichts...

Dann gewahrte Ayco den zierlichen Brunnen aus Sandstein, inmitten des Zimmers und die Rosen umher... Luca war einige Schritte vor ihm, huschte die zwei Stufen zu dem Brunnen hinauf und blieb reglos stehen, sah hinein. Warmer Wind wehte herein und bewegte sein Haar, wirbelte Rosenblätter auf und Staub, der in der Sonne glitzerte und wieder herabsank, in der Luft tanzte und erneut hochgewirbelt wurde.

Ayco holte zu Luca auf und stellte sich neben ihn, sah ihn an...

Versonnen, entrückt, stand er da, im Wind, gebadet von goldener Sonne, die ungehindert hinein fiel, inmitten eines Wirbels aus Blättern und Staub.

Seine Hände ruhten auf dem Brunnenrand und in seine Züge war eine solche bittere Süße eingekehrt, dass es Ayco schmerzte ihn zu betrachten. Luca lebte in Erinnerungen, das fühlte der Elf einfach... Er folgte Lucas Blick. In dem zugesinterten Brunnenbecken schwamm ein letzter Rest brackigen Wassers, vermutlich vom Regen der letzten Monate... Rosenblätter schwammen darin... Es war nichts besonderes... nicht wirklich... eher abstoßend.. dann sah Ayco, wie dass Wasser leichte Wellen schlug und das Spiegelbild des jungen Magiers zerbarst, nur um sich nach einigen Sekunden wieder zu vereinen und zur Ruhe zu finden...

Wieder zerbrach das Bild... und wieder... Es brauchte eine Weile, bevor Ayco begriff, dass es Lucas Tränen waren, die sich in dem Becken sammelten...

Ayco wagte nicht, Luca anzusprechen, nicht ihn zu berühren, und doc hob sich sein Arm, streckte sich seine Hand nach Lucas Wange, um seine Tränen zu trocknen. Er ertrug nicht den traurigen Blick des jungen Mannes... dass Luca weinte, allein das versetzte ihm einen tiefen Stich.

Er fing Eine der Tränen auf... sie war do warm wie Lucas Haut und zugleich so heiß von seinem Schmerz.

"Komm, lass uns nach dem Kind sehen," bat Ayco, nur um Luca auf andere Gedanken zu bringen. Auch er wusste unterdessen, dass es kein Kind gab... Aber ihm fiel nichts anderes mehr ein. Dieser Situation stand er hilflos gegenüber.

Luca straffte sich und wischte sich die Tränen aus den Augen. Dann lächelte er wieder. Ein sehr trauriges Lächeln. "Der Junge ist frei, Ayco. Glaube mir..."

Nun ging Ayco um den Brunnen herum und legte seine Hand auf Lucas Unterarm. Er zögerte ganz kurz...

Nein, dachte er . Sonst würdest Du nicht solches Leid empfinden...
 

Leas Geistergestalt stand nah am Becken im Atrium. Sie beobachtete ihren Bruder und Luca. "Er weiß es. Immerhin hat er realisiert, dass Luca das Kind von damals war, der Junge, der eingesperrt hier lebte." Sie lächelte versonnen und tanzte mit dem Wind, genoss das warme Licht, dass durch ihre Gestalt hindurchflutete und ihr die Illusion gab, von Innen gewärmt zu werden. "ich habe Hoffnung..." Sie lachte plötzlich vergnügt. "Und Luca besitzt genug davon, um auch Ayco Lebensmut zu geben."
 

Ayco war nicht von Lucas Seite gewichen. Er ging neben dem Magier, hinaus in den offenen Innenhof...Das Wasserbecken war, wie der Brunnen, verschmutzt, sodass man den Boden nicht mehr erkennen konnte. Aber dennoch kam ihm all das so vertraut vor... so bekannt!

Luca setzte sich mit untergeschlagenen Beinen an den Beckenrand und sah sich um. Er summte eine traurige Weise, eine unbewusste Melodie... Die Ratten näherten sich ihnen, umringten nach und nach die beiden Männer...

Ayco gewahrte es erst, als ihm der erste der kleinen, pelzigen Zeitgenossen über den nackten Fuß huschte und sich quiekend darüber mokierte, dass der Elf ihm eine solche Behinderung in den Weg stellte. Vermutlich kostete ihn dieses Erlebnis einen Teil seiner Lebenszeit, wenigstens vermutete Ayco das, so wie dich das kleine, braune Tier aufregte. Luca lächelte und kraulte dem Nager das Nackenfell, als sei es das Normalste der Welt, und das Tier beruhigte sich sofort.

Luca empfand weder Angst noch Ekel vor den Tieren, und das spürten sie. Einige von ihnen krabbelten auf seinen Schoß, in seine weiten Ärmel, sein Hemd oder hoch, auf seine Schulter... Luca schien Tierlieb zu sein. Ayco kniete nieder und nahm sich einen der kleine Nager aus Lucas Schoß, kraulte ihm das Köpfchen und den Kiefer... Aus klugen kleinen Knopfaugen betrachtete die Ratte den Jungen. Aber offenbar schien sie gar nicht in Erwägung zu ziehen, dass Ayco böse Absichten hegen könnte. Sie entspannte sich im Gegenteil eher und begann seine Finger anzulecken.

Nun kamen auch immer mehr der Ratten und auch kleine Mäuschen und Vögel zu Ayco und Luca. Die beiden Männer sahen sich an, Sekunden lang, schweigend... Auf Lucas Zügen lag Zufriedenheit und ein Lächeln, dass irgendwo zwischen Glückseligkeit, Trauer und Dankbarkeit lag...

Aber auch der Elf fühlte sich wohl, fast schon glücklich, denn hier, jetzt, war es friedvoll und schön.

Sein Blick schweifte von dem Lucas ab und huschte in alle Ecken... und blieb an einem steinernen Sturz hängen. Eisiger Schrecken fuhr ihm in die Knochen. Obgleich Wind und Regen die Schrift auswuschen, und die Witterung an sich und die zeit ihr übriges taten, konnte er sehr wohl lesen, was dort stand... gleichzeitig erkannte er alles wieder, das Haus, die ganzen, winzigen Details... Das war das Haus seines Lehrherren, genaugenommen das seines Sohnes, und der Name des Mannes war...

VERALDIS...

Luca

Luca ein Veraldis? Ayco konnte es nicht glauben! Das neugeborene Kind, der schwarz geflügelte Junge mit diesem zarten, dünnen Flaum auf dem Kopf und diesen riesigen, schmerzvollen Augen, den er damals in seinen Armen hielt und beruhigte, das war der Mann, der neben ihm auf dem Beckenrand saß und mit kleinen Ratten spielte...

Unmöglich! Ayco erinnerte sich wage daran, dass Luca verkauft wurde, als er noch ein Kind war. Verkauft...? Ja, an einen Magier-Orden...

Aycos Augen weiteten sich. Sein Blick glitt zu Lucas Pentagramm, was man ihm zwischen die Brauen Tätowiert hatte. Der Stern... Der Blaue Stern auf seiner Stirn...

Luca, Lysander, das war das Kind von damals, der Junge, der hier, vor etwas mehr als 30 Jahren in Aycos Armen lag, nachdem es sich direkt nach seiner Geburt gar nicht zu beruhigen schien, und ständig weinte, der Junge, der sich, als Ayco ihn aus seiner Wiege nahm, beruhigte und friedvoll einschlief...?

Unsicher strich Ayco sich das Haar zurück und schaute in das Brackwasser. Er konnte sich kaum noch konzentrieren. Wenn er Luca ansah, spürte er, wie die Vergangenheit wieder lebendig wurde, wieder erblühte!

Unzählige Erinnerungen kamen zurück, brannten ihm und loderten hell auf... Er erinnerte sich an kleine Ding, Bruchstücke eines großen ganzen... Daran, dass Luca damals von Anfang an flog, dass er still war, nicht verschlossen, aber in sich gekehrt, dass er nichts aß, wenn Ayco nicht in seiner Nähe war, nur wenig schlief... und dass der kleine Junge sehr verwundbar war. Nach und nach kroch das Wissen in ihm hoch, das Wissen über eine gemeinsame Vergangenheit, eine gemeinsame Jugend... Ein Elf, gerade 120 Jahre jung kaum 15 Jahre im Alter der Menschen, und ein Kind, dass vor seinen Augen zu einem Knaben reifte, einem schweigenden Wunder, in Aycos Augen...

Er erinnerte sich an Lucas Vater, an seine wunderschöne Mutter, an das Glück der Beiden, als ihnen der kleine Junge geboren wurde und an die entsetzliche Nacht, in der Lucas Muter ermordet wurde und ihre Verräterin und Mörderin von Veraldis, Lucas Vater geehelicht wurde. Damals wollte man Ayco von Luca trennen... Niemand da, der sie beschützte, diese enge Verbindung und Freundschaft. Veraldis floh dem heimischen Hof und ließ Luca zurück in der Obhut einer monströsen Frau, deren bestreben es war, die Freunde zu entzweien. Ayco verlor in diesen drei Jahren jedweden Respekt vor Veraldis und er versagte ihm die Freundschaft schließlich ganz, die sie während ihrer Lehrjahre bei dem alten Herrn Veraldis zusammenschweißte. Nun gab es für Ayco nur noch einen Freund, nur noch einen einzigen. Einen zierlichen, zerbrechlichen Knaben mit schwarzem Haar und diesen großen, traurigen, hungrigen Augen, die nur zu lächeln scheinen, wenn Ayco bei ihm war und mit ihm spielte, oder ihn zu Unfug anstiftete.

Damals wäre es Ayco nie in den Sinn gekommen, dass jemand sie je voneinander trennen konnte, und doch geschah genau das. Lucas Geist wurde versiegelt, alle Erinnerung an Ayco, ihre gemeinsame Zeit, und das letzte, große Abenteuer, was sie miteinander erlebten. Ayco erinnerte sich daran... Luca ertrug das Haus und die Kälte, die ihm seine Stiefmutter entgegenbrachte, das eingesperrt sein und den Zwang in den menschlichen Körper nicht mehr. Schon eine weile bat er Ayco immer und immer wieder, mit ihm fortzulaufen... bis ihm der junge Elf diesen Wunsch erfüllte. Eine Woche hatte man ihnen geschenkt, ein einzelner, ihnen verbundener Leibwächter und Freund von Veraldis, der ihnen dadurch half, in dem er ihnen Zeit gab. Diese eine Woche war für Ayco anstrengend und voller Angst, aber auch unsäglich schön und glücklich. Er lernte Luca besser kennen als je zuvor, begriff das Kind immer besser und erkannte in ihm einen wachen, offenen, viel zu erwachsenen Geist, eine Seele, die keine Kindheit hatte, still war und gebunden in den Körper eines Kleinkindes...

Bevor sie gefangen und zurückgeschleift wurden sagte Luca Ayco etwas, ein paar Worte, die er krampfhaft in sich verschloss, nun aber so fern und ungreifbar waren.

Dennoch war ihre gemeinsame Zeit nicht beendet, das wusste Ayco. Luca würde ihn wiedererkennen, immer, gleich was man ihm antat. Er kam für lange Zeit immer nur in den Nächten, mit Hilfe ihres gemeinsamen Freundes, des Leibwächters in Lucas Dachkammer, beobachtete den Jungen, der mit jedem Tag mehr abmagerte und kranker wurde.

Aramil.. so hieß der schwarzhaarige Elf, der ihm immer die Hintertüre offen ließ... Aramil, er war gutherzig... wirklich gutherzig.

Irgendwann erwachte Luca in der Nacht, aus seinen Alpträumen und sah in das ihm einst so vertraute Gesicht, geliebte Gesicht. Er erschrak nicht, erkannte ihn aber auch nicht wirklich. Ayco musste nun ganz von vorne anfangen... am Anfang... einen neunen Anfang... Aber es lohnte sich, dachte Ayco. Es hatte sich wirklich gelohnt. Im Geheimen entstand etwas neues, festeres, tieferes und sanfteres, als alles vorher. Ihre Freundschaft war voller Zuneigung und Vertrauen und zaghafter Liebe.

Ayco erinnerte sich sehr wohl an seine Gefühle und diesen tiefen Schmerz, die Eifersucht, wenn ein anderer Luca etwas antat... Ihn berührte...

Von Aramil erfuhr er von den unzähligen Besuchen im Palast, wenn Veraldis mit Prinz Mesalla Geschäfte abwickelte, oder genauer mit dessen Adjutanten, dann nahm er immer Luca mit sich. Seltsam, da Luca sonst eingesperrt blieb, sogar einen privaten Lehrer bekam, damit er nie seine Mansarde verließ. Er hörte von dem Verhalten Lucas, der Angst, die der Junge vor dem schwarzen Halbelfen-Prinz hatte. Und nach einem fürchterlichen Streit erfuhr Ayco Lucas Geheimnis. Mesalla hatte den gerade mal siebenjährigen Jungen vergewaltigt, immer wieder. Ayco ahnte, dass Lucas Körper als Mesallas Bezahlung für den so besonderen Stand der Familie Veraldis, die keinen Adelstitel trug und dennoch im Rang über den meisten hohen Adelshäusern angesiedelt wurde, gehandelt wurde.

Ayco und Aramil nahmen sich damals vor, nie wieder zuzulassen, dass Luca etwas geschah... Und dann... wurde Luca an diesen Magierorden verkauft...

Ayco vergrub sein Gesicht in Händen und begann zu weinen. Warum hatte er Luca nicht erkannt? Warum nicht das ihm so vertraute, geduldige Wesen? Er hatte sich doch kaum verändert. Körperlich schon, sehr. Bis auf das wundervolle, lange Haar und die Augen, ähnelte er nur noch marginal dem Knaben. Er war ungleich schöner... Ein Engel...

Ayco spürte heißen Schmerz in sich, Sehnsucht und das tiefe Verlangen, Luca bedingungslos zu vertrauen und zu lieben... Diese Hitze begann die Adern des Jungen zu fluten, seine Seele zu entflammen und trieb ihn rasend schnell auf Luca zu... Zugleich erwachte eine Frage in Aycolén. Warum brachte Luca ihn hier her?

Es gab sicher nur eine Antwort darauf, aber vielleicht die Falsche...

Hatte der Magier ihn wiedererkannt und wollte nur, dass sich Ayco an ihn erinnerte? Oder erkannte auch er Ayco nicht und wollte ihm tatsächlich nur den für ihn nun friedvollsten Ort zeigen... Ihm etwas aus seiner Vergangenheit offenbaren?

Er spürte plötzlich Lucas Hände auf seinen Schultern, wie ihn der noch so junge Magier in die Arme schloss und wortlos tröstete. "Luca..."

Luca-Seraphin Veraldis... Dieser Junge war nicht böse... Ayco wusste, dass er ihm vertraute, wollte sich in Lucas Arme ergeben, sich an ihn klammern und ihn nie wieder verlassen. Als Luca ihm über das Haar strich und ihn noch enger an sich drückte, erinnerte sich Ayco an die Worte eines dreijährigen Lucas... Und er glaubte ihnen zum ersten mal wirklich, erkannte erschrocken, wie ernst sie damals schon gemeint waren... diese drei kleinen Worte...

,Ich liebe Dich.'
 

Wie in Ayco erwachte auch in Luca die Erinnerung, bruchstückweise und schmerzhaft... Verbissen drängte er alle Erinnerungen zurück. Er wollte sich nicht der Flut an Trauer und Verzweiflung hingeben, die er empfand, wenn ihm Ayco so fern war wie damals, als man ihm seine einzige Liebe nahm. Er konnte es nicht, denn es war nicht mehr seine Zeit der Schwäche. Ayco war damals der Starke, der für sie beide lachte und hoffte, träumte und lebte, der, der ihm die Kraft gab, alles zu ertragen und einen Tag nach dem anderen durchzustehen. Etwas, was er gerne tat, wenn Ayco nur jede Nacht bei ihm war, in seiner Nähe, Luca in seinen Armen liegen konnte und der Elf seine stummen Tränen trocknete.

Heute musste er alle Kraft für sie beide haben. Denn nun war er der ältere, der, der Ayco auffangen, Kraft für sie beide haben musste...

Luca fiel es schon fast unnatürlich leicht, wenn er die zerbrechliche Schönheit des Knaben in seinem Arm betrachtete, diese kristallene Seele... Luca streichelte den zauberhaften jungen Mann, drückte ihn an sich, barg ihn in der Wärme seines Körpers und...

Bevor er es verhindern konnte, brachen seine Schwingen aus seinem Körper und umfingen Ayco, bargen den wunderschönen Elfen, schmiegten sich sanft um seine zarte, reine, traumhaft schöne Gestalt, die Luca in all den Jahren war entfallen war, aber zu der er sich immer hingezogen fühlte.

Das einzige, was ihm immer in Erinnerung blieb waren die Augen. Die riesenhaften liebevollen, schimmernd grünen Katzenaugen, die voll zärtlicher Liebe blickten... Jede Nacht träumte er davon seit über 20 Jahren, ständig... Alles, was ihm von seiner großen Liebe blieb, die Erinnerung an diese Augen, die er auf allen Ebenen, in verschiedenen Welten gesucht hatte und endlich fand...

Zärtlich streichelte er Aycos Haar, sog den Duft des geschmolzenen Silbers ein und vergrub seine Finger hinein... Lucas Herz schmerzte, brannte vor zärtlicher Liebe und dem tiefen Wunsch, immer bei dem Elfen zu bleiben und ihn nie mehr allein zu lassen...

Aber er konnte sich zu gut denken, dass das, was Ayco gerade fühlte, durchmachte, tausendfach schmerzvoller war als das bisschen Leid in ihm. ,Beruhige Dich,' flüsterte Lucas Herz. ,Ich werde dich nie wieder allein lassen. Nie, schon weil ich ohne Dich nicht mehr leben will... und viel wichtiger, weil ich dich nie wieder zum weinen bringen möchte. Ich will Dich glücklich machen... Dein Lächeln sehn. Nichts weiter.'

Er neigte sich über Ayco und schließlich gab er einem seiner tiefsten Wünsche nach, der Sehnsucht Ayco zu küssen.

Es war nur ein sanfter, liebevoller Kuss in Aycos dichtes Haar, etwas, was den Jungen sicher verunsicherte, ihn abschreckte. Aber es geschah das Gegenteil. Ayco klammerte sich wie ein Ertrinkender an Luca und schmiegte sich noch enger an den schmalen Körper des Magiers. Das zerrissene Hemd Lucas tränkte sich mit heißen Tränen, Tränen, die so lange stumm geweint wurden, oder nie, Schmerz, der seinen Weg erst jetzt aus Ayco herausbahnte und alle Jahre der Einsamkeit und der Isolation anklagte. Luca küsste seinen geliebte Freund erneut und umklammerte ihn noch mehr.

"Ich bin da, immer. Immer... ich lasse Dich nie mehr allein, Ayco. Nie. Wir bleiben immer zusammen. Und ich werde dich beschützen, begleiten und dich stärken. Ich lege dir alle Kraft und Freundschaft zu Füßen und meine gesamte liebe für Dich..."

Der Magier biss sich auf die Lippen und senkte den Kopf. Er rechnete damit, dass Ayco ihn nun von sich stieß, aber er tat es nicht. Im Gegenteil schien er eher sogar den stummen, unausgesprochenen Worten gelauscht zu haben... krallte sich noch enger an Luca... dann vernahm der Magier diese stille Stimme in sich, Aycos Stimme, die fast verzweifelt flehte: ,Sag es, sprich es aus, lass mich länger im Ungewissen...'

Diesem Flehen konnte Luca nicht länger stand halten. Und auch wenn er wusste, das es ein Fehler war, konnte er die Worte nicht mehr zurückhalten. Heiser, aus dem Drängen heraus, aber auch aus all der Zärtlichkeit, die er für den Elfen empfand, flüsterte er die selben Worte wie schon vor 28 Jahren. "Ich liebe Dich."
 

Wie konnte Luca so etwas sagen? Liebe...? Ein Geschöpf wie ihn konnte niemand lieben!!!! Auch Luca nicht! Er hatte ihn alleingelassen. Er war das Monster. Und dann sagte ihm der Magier, er könne ihn lieben...

Einerseits zitterte er vor Angst vor den Worten, andererseits entspannte er sich dabei, denn er hatte endgültige Gewissheit über Lucas Gefühle. Damals hielt er es für das Gerede eines Kindes, was solche Worte aufschnappte und nachplapperte... aber damals, woher sollte Luca dies Worte je gehört haben? Niemals war ein Kind so gefühlskalt aufgezogen worden Liebe, wenn Luca sie nicht selbst spürte, konnte gar nicht wissen, was Liebe war!!! Erst jetzt erkannte er, dass Luca ihn auch damals schon geliebt hatte genauso zärtlich und intensiv und vertrauensvoll, wie auch jetzt. Er fühlte tiefe Scham, beschämt... und er verkroch sich in Lucas Armen und seinem Gefieder...

"Wieso nur..." flüsterte er. "Erkläre mir, warum..."
 

Lea verharrte am Brunnen, an der Stelle, wo auch zuvor schon Luca gestanden hatte, und sah hinaus. Das Mädchen lächelte still in sich hinein. Sie freute sich für Ayco. Allein, dass er sich wieder an ihre gemeinsame Vergangenheit erinnerte, war ein großer Fortschritt, würde er sich nur auch daran erinnern, was danach geschah... was sie einst füreinander waren...

Sie sah zu Luca hinüber und lächelte. Es gab niemand anderen, der so gut zu Ayco passte, aber auch Ayco war vollkommen einmalig für Luca. Diese Beiden dürften sich nie wieder trennen. Niemals. Allein wie Ayco sich an Luca klammerte, wie sehr er sich danach sehnte, dass Luca all seine Gefühle in Worte fasste, in zärtliche Berührungen und Küsse kleidete...

"Ein schönes Paar," murmelte Tam und setzte sich neben ihr auf den Brunnenrand. Goldy flatterte kurz mit ihren Flügeln, um sich auf dem schmalen Rand zu fangen, nicht abzustürzen.

Um ein Haar hätte sie Tam getroffen, der ihr gerade noch auswich und dabei den Halt verlor. Mit einem Spitzen Aufschreiplumpste der leicht übergewichtige blaue Drache in das Brackwasser. Auch er schlug mit den Flügeln, aber das rettete ihn nicht mehr vor einem unfreiwilligen Bad. Unbewusst, aus dem Reflex heraus, streckte Lea ihre Hand nach ihm aus, um ihn aufzufangen, aber der kleinen Drache glitt durch ihre Unstofflichkeit hindurch. Erst eben bemerkte sie es und sah ihn traurig, aber auch stolz an. "Entschuldige Tammy," sagte sie leise. "Es tut mir..." Tam wollte eigentlich wie üblich die ganze Sache aufbauschen, überspitzen und alle außer sich selbst für sein Bad verantwortlich machen, aber er konnte es nicht. Die riesigen Kinderaugen, dieses zarten liebe Gesicht und das Gute Herz Leas rührten ihn an. Er nahm seine Forderpfötchen, die winzigen, dünnen Händchen und legte sie über die Lippen. "Scht, Lea," flüsterte er. "Nicht, Liebes. Es gibt nichts, was du zu entschuldigen hättest." Lea sah ihn eine Weile nur zögernd an.

"Ich bin untot, ein Geist. Ich bin Aycos ewiger Nemesis," flüsterte sie. Nichts von ihrer unbeschwerten Freude schien übrig zu sein. Zum ersten Mal sahen die beiden Drachen, dass Lea kein Kind mehr war. Äußerlich zwar, aber dieser schmerzvolle Blick erinnerte alle beide an Ayco.

Sie waren Zwillinge, das wurde beiden Drachen nur zu deutlich bewusst. So ähnlich, so leidvoll.

Ihr Blick glitt hinaus. Still beobachtete sie wie Ayco sich mit jedem Moment enger in Lucas Arme schmiegte und immer verzweifelter weinte.

Es tat weh, Ayco so zu sehn. Nicht wegen Luca. Im Gegenteil. Oft schon lag Ayco in Lucas Armen oder umgekehrt. Das freute sie eher, denn sie mochte den zerbrechlichen, schwarzhaarigen Mann wahnsinnig gern. Wenn sie noch leben würde, wenn Ayco nicht bereits sein Herz für sich in Anspruch genommen hätte, würde sie ebenfalls um Luca werben. Luca war keine Gefahr, weder für sie, noch für Ayco. Oft sogar überlegte sie, ob sie sich ihm auch zeigen sollte. Was ihr Angst machte war die Befürchtung, dass Ayco Luca irgendwann einmal zu oft von sich stoßen würde. Was würde mit Ayco passieren, wenn Luca sich von ihm abwendete?

"Das wird er nicht tun," sagte Tam leise und schüttelte das schmierige Wasser von seinen Schuppen. "Er ist treuer als ein Hund. Ayco kann ihm antun, was er will. Luca wird an seiner Seite bleiben und ihn immer wieder auffangen..."

Hatte sie es laut ausgesprochen? Lea schluckte hart, bis ihr wieder zu Bewusstsein kam, dass die beiden Drachen ihre Gedanken lassen.

"Ayco will sich in Luca sicher sein, er möchte wissen was Luca wirklich fühlt. Ayco hat Angst enttäuscht zu werden." Lea senkte den Blick. "Warum kann er nicht einfach auf Luca vertrauen? Er ist ein so geduldiger und treurer Mann. Wie soll er meinem Bruder beweisen, dass seine Liebe..."

"Das wird er schon," sagte Tam fröhlich. "Ich vertraue auf Luca. Hab' auch ein wenig vertrauen..."

Lächelnd blinzelte er Lea zu. "Luca wird Aycos Eis brechen."

Luca saß immer noch auf dem Beckenrand, seine Arme um Ayco geschlungen und den Jungen im Schutz seiner Flügel verborgen.

"Du willst, dass ich Dir erkläre, weshalb ich Dich Liebe..." murmelte Luca. In seiner Stimme war weder eine Frage, noch Verwunderung, Schrecken oder Spott. Er wiederholte die Worte, um sich seine Gefühle bildlich zu machen, sodass er sie erklären konnte. Er lächelte verhalten. "Ein solches Gefühl ist fast unmöglich zu erklären," murmelte er nachdenklich. "Ich weiß nicht, ob Du je etwas vergleichbares gefühlt hast, aber für mich ist es vor allem anderen der Wunsch dich zu beschützen, an Deiner Seite zu sein, und dir all meine Kraft zu geben, wenn Du sie nur willst. Ich will Deine Nähe, wünsche mir Dein Lachen und Deine Wärme, Deine Freundschaft und Dein Vertrauen. Viel kann ich Dir nicht geben, nur mich selbst, mein Vertrauen, meine Nähe und meine Liebe. Ich werde nie etwas gegen Deinen Willen tun. Du musst mich nicht lieben. Erlaube mir nur, bei Dir zu sein, Dein Schutz zu sein..."

"Mein Schutz..." echote Ayco. Er versuchte seine Stimme abfällig klingen zu lassen, aber es gelang ihm nicht. Seine Stimme war schon brüchig, zitterte und brach schließlich ganz. Verzweifelt, verbissen, zornig auf sich selbst, schwieg er, senkte den Kopf weiter in Lucas Arme. An sich sollte er den Magier von sich stoßen, aber er konnte es nicht, denn die Nähe Lucas tat ihm so gut. Er weigerte sich zwar das zu akzeptieren, aber er spürte auch Friede und Entspannung und das allein bewog ihn dazu, sich noch enger an Luca zu schmiegen. Es tat gut, nicht mehr allein zu sein, und es war wunderbar, jemand so vertrauten, wunderbar sanften um sich zu haben. ,Oh Luca, mein Luca. Ich vertraue Dir doch, bitte höre nicht auf meine Worte, höre mich, wenn ich schweige, denn dann spricht mein Herz.' Der Junge barg sein Gesicht in Lucas Armen. ,Es ist so schön hier, so vertraut und Deine Nähe ist meine Verführung. Ich liege an deiner Brust, höre Deinen gleichmäßigen Herzschlag und atme den Duft Deiner Haut und Deines Haares... Wenn ich spreche, streicheln meine Lippen Deine nackte Brust und meine Worte ohrfeigen Dich dafür, dass ich Dich so sehr mag, dich schon lange liebe... Bitte vergib mir... Aber ich kann nicht... mein Körper ist voller Schmerz und Angst...'

"Was würdest Du für mich tun...?"

Luca streichelte sein Haar. "Alles. Dein Wunsch ist mein Befehl. Ich würde Dich auch mit meinem Leben beschützen, damit Dir nie wieder etwas vergleichbares wie in dem Gefangenenlager geschieht. Ich würde mein Leben für dich geben..."

"NEIN!!!" Ayco stieß nun Luca wirklich von sich. "Wie kannst Du behaupte, dass Du immer für mich da wärst und im gleichen Atemzug behaupten, dass Du sterben willst... Wie kannst Du dann Dein Versprechen halten?! Wie...?! Wie..."

Vor Wut weinend brach Ayco wieder zusammen. Er schlug die Hände vor das Gesicht. "Warum behauptest Du erst, du würdest immer für mich da sein und schwörst mir Deine verfluchte Liebe, sagst aber im gleichen Moment, dass Du sterben willst?!"

Luca schüttelte hilflos den Kopf entsetzt darüber wie Ayco seine Worte auslegte. Langsam hob er seine Hände, um Ayco wieder an sich zu ziehen... Aber der Junge wich geschickt und schnell aus, wirbelte dann aus der Bewegung hoch und lief weg. "Von allen Verrätern bist Du der schlimmste!!!"
 

Langsam erhob sich Luca und folgte Ayco. Er wusste einfach, das sein Freund nicht sehr weit weg gelaufen sein konnte, denn Ayco wollte, dass Luca in seiner Nähe war, ihm folgte, ihm bewies, dass der junge Elf das Wichtigste in seinem Leben war. Aber Ayco brauchte ein wenig zeit, soviel musste ihm Luca zugestehen...

Wortlos ging er an Lea, die ihm entsetzt hinterher sah vorbei, hielt seinen Arm kurz hin und meinte leise: "Verzeih, aber ich brauche meine beiden Drachen für eine Weile."

"Du... Du weißt, dass ich da bin?!" stammelte sie und sah zu, wie der sonst so alberne Tam ihm hinterher flog, ihn einholte und auf seinem nackten Arm landete. Goldy flatterte ebenfalls hinter ihrem großen, humanoiden Freund her. "ja," lächelte der Magier und drehte sich zu ihr um. "Seit Du Dich zum ersten mal gegenüber der Drachen gezeigt hast, weiß ich dass Du da bist. Ich muss Dich nicht sehen, ich kann Dich fühlen." Er ging einige Schritte zurück zu ihr, blieb vor ihr, neben dem Brunnen stehen und ging dann vor ihr in die Knie, sodass sein Gesicht auf Augenhöhe mit ihrem war. Er lächele lieb... Offenbar sah er sie doch...?

nun wurde sie auch für ihn sichtbar. In seinem Blick änderte sich gar nichts. Im Gegenteil. Er sah sie weiterhin so an, vergnügt, freundlich.

"Du musst mit Ayco erwandt sein. Solche Ähnlichkeit... Du bist zauberhaft, genauso süß wie er," sagte Luca leise.

Sie lächelte und wurde dann ernst. "Ich bin seine Zwillingsschwester."

"Was ist dir passiert, Kleines? Warum... Wer hat Dir das angetan?"

Lea lächelte mühsam, streckte ihre Hand nach Lucas Wange aus und glitt hindurch. "Das soll Dir Ayco erzählen, Luca," meinte sie nur leise. "Aber geh lieber, kümmere Dich um ihn, nicht um mich. Ich bin schon tot. Er aber lebt. Lass ihn nicht los. Er braucht Dich, sehr."

Luca nickte. "Ich denke es mir fast. Aber was ist mit Dir, wie kann ich Dir helfen?"

Sie sah ihn groß an. Dann lachte sie. "Du bist wirklich lieb. Würde ich noch leben, würdest Du mich nicht mehr los."

"Ich habe einen sehr lieben Freund, einen Priester. Er wird dich sicher aus dem Reich der Toten zurückholen. Dann wirst Du wieder an der Seite Deines geliebten Bruders sein. Das wird ihn und Dich glücklich machen."

"Aber ich bin ein Kind und Ayco..."

Luca sah sie nur aus riesigen sanften Augen an. ,Du wirst Aycos Glück sein,' wisperte seine Stimme in ihrem Herzen.

"Du willst sein Glück genauso sehr wie ich, und Du hast so jung Dein Leben verloren und ebenfalls eine zweite Chance verdient, kleines Mädchen... Mein armes, kleines Mädchen."

Er stand auf und lächelte ihr zu. "Ich versuche alles Justin und Ayco davon zu überzeugen." Er lächelte. "Verlass Dich auf mich, Kleines."

Lea sah ihm hinterher. Dieser Mann kannte ihre Wünsche, wusste was sie sich am meisten auf der Welt ersehnte, und sie vertraute ihm sofort darin. Wenn jemand die zwei stursten Männer auf ganz Äos zu überzeugen wusste, dann er.
 

Luca wusste nicht wo Ayco sich aufhielt. Er folgte einfach seinem Gefühl. Still schritt er durch die gewaltige, leere Ruine, die einst einmal sein Heim war... Seine Flügel und sein langes Haar zogen Spuren in den Staub auf dem Boden, wirbelten ihn auf und schleuderten ihn hoch. Ihm war gleichgültig, dass er zuvor gerade erst gebadet hatte.

Seine ziellose Wanderung schien trotzdem ein Ziel zu haben. Denn er sah sich in manchen Räumen gar nicht um. Sein Blick schweifte auch nicht ab... Luca ging zielstrebig auf die Halle zu und wendete sich dem eingestürzten Treppenhaus zu. Nach oben kam Ayco nicht ohne zu fliegen und Luca hätte das Rauschen der Flügel gehört. Der Keller war verschüttet, dass wusste der junge Magier. Aber es gab einen winzig kleinen Raum, ein zugemauerter Raum, der nur durch ein gut verdecktes Loch in der Wand zwischen Halle und Küche zu erreichen war. In diesem Raum hatte sich Ayco mit ihm verborgen, damals, als der Lynchmopp Lucas Mutter tötete, aber auch später war es oft das Versteck der Beiden...

Der Magier wendete sich zu den Resten der Treppe. Unter dem, auf der Höhe der sechsten Stufe gebrochenen Treppenlaufs, neigte sich Luca zur Wand und verwandelte sich zurück. Es tat diesmal furchtbar weh. Je mehr Luca selbst litt, je mehr sein Herz und seine Seele schrieen, desto schlimmer schmerzte die Verwandlung, gleichgültig ob die zum Seraph, oder die in einen Menschen.

Wortlos fiel er auf die Knie und kralle seine Hände in sein eigenes Fleisch.

Wortlos biss er sich auf die Unterlippe, bis sie blutete. Stumme Tränen rannen über seine Wangen und brannten wie Feuer auf seiner Haut und dem schmerzenden Körper... aber es war noch lang nicht das Ende des Schmerzes. Seine Haut, seine Knochen, seine Nerven, alles explodierte in einer Wolke aus unerträglichem Schmerz. Sein Gefieder fiel von ihm ab und gleichzeitig zogen sich die Knochenflügel in seinen Rücken, allerdings ohne die haut zu öffnen... Luca keuchte leise... Blut floss über seine Arme und sickerte in den Staub auf dem Boden. Der Druck in seinem Körper steigerte sich beharrlich, zugleich stieg seien Körpertemperatur. Sein Schädel pochte und hämmerte im Takt seines Herzens... Es erschien ihm, als würde er jeden Moment ohnmächtig werden! So schlimm war es noch nie! Selbst der Tot konnte nicht so schrecklich sein!

Äonen schienen zu vergehen, in dem er sich in einem Zustand jenseits des bewussten Denkens befand... Er wusste es nicht.

Langsam aber fing er sich wieder... Der Kopfschmerz, der sich zu reiner Raserei gesteigert hatte, nahm ab und verklang zu dumpfer Benommenheit. Schwankend richtete sich Luca auf und sank wieder auf die Knie zurück... Seine Muskeln konnten ihn nicht tragen, nicht im Augenblick. Seufzend lehnte er sich von außen gegen die Wand zur Küche, nahe des Loches. Er konnte Aycos Atemzüge hören, leise, verhalten. Der Junge bemühte sich so leise wie möglich zu sein, sodass Luca ihn gar nicht hörte.

Der Mager sah sich um und nahm eine seiner Federn, hob sie auf und spielte nachdenklich damit.

"Ayco," flüsterte er. "Ich bin kein Verräter. Ich will Dich auch nicht verlassen, niemals." Schweigen antwortete ihm, aber damit hatte Luca gerechnet. "Ich werde immer da sein, wenn Du mich brauchst. Auch der Tot kann mich nicht von Dir trennen..."

"Unsinn!" zischte Ayco. "Belüge mich nicht! Ich bin kein Kind mehr!"

"Das ist mir durchaus bewusst, Ayco," murmelte Luca. "Aber ich meine durchaus, was ich gesagt habe. Der Tot ist für mich leider nicht das Ende..." Lautlos schob Luca eine der Federn zum Eingang des Raumes hin. Er tat es, ohne überhaupt zu registrieren, was er da tat. Einer Feder folgte eine zweite, eine dritte, und so weiter.

"Ich bin wie Justin," murmelte Luca. "Ich bin ein Verfluchter."
 

Ayco schrak zusammen. Luca ein Vampir?! Nie! Er wandelte bei Tag umher. Er konnte kein Untoter sein!

"Du lügst," murmelte er. Irgendwie hatte der Junge aber das unheimliche Gefühl, dass Luca nicht log. Gleich wie sehr er es sich wünschte... Luca, warum antwortete er denn nicht? Luca...? "Wie... wie ist es passiert?" fragte er zaghaft, mit dieser unsicheren, sanften Stimme, die Angst vor der Wahrheit reflektierte.

"In einem der Kriege, nahe eines magischen Fokuses, eines bösen Artefaktes. Ich war schon so schwach und wäre Orpheu keine Hilfe mehr gewesen, fast schon tot... dann aber kam ich auf die Idee, einen nekromantischen Zauber anzuwenden, Magie, die alt und böse war. Ich entzog meinem Gegner Lebensenergie. Irgendwann wurde ich ohnmächtig. Als ich erwachte war mein Mund voll Blut. Ich war ein Vampir..." Er lachte tonlos. "Der einzige Vampir, der eine Blutphobie hat. Albern, nicht?"

Ayco antwortete nicht. Er konnte nicht lachen, nicht darüber. Aber ebenso wenig fürchtete er Luca.

"Hab' keine Angst vor mir, bitte," flüsterte Luca.

Ayco schwieg weiterhin.

"Ich bin den Fluch nicht völlig los geworden. Die Schmerzen bei der Verwandlung, erinnerst Du Dich? Aber ich brauche kein Blut, kein Leben. Auch wenn noch niemand je einen Magier des Sterns essen sah, so esse ich doch ganz normal, wie jeder andere, und ich trinke..." er lächelte still. "Am liebsten mag ich Tee, starken, schwarzen Tee und Käse."

Käse? Ayco musste unwillkürlich grinsen. Die Situation war doch völlig paradox... es gab keinen Grund zu lachen, und doch regte ihn der Tonfall Lucas dazu an, das was er sagte, wie er es sagte... Ein Vampir mit Blutphobie... die Vorstellung hatte auch ihren Reiz.

Er nahm eine der schwarzen Federn Lucas und drehte sie lange Zeit in den Fingern. Wie weich sie war, so schön, schimmernd und schwarz. Und sie duftete nach Luca. Ayco drückte die Feder an sich...

"Ayco, ich schwöre Dir hier und jetzt, dass ich immer ein Teil Deines Lebens bin und ich werde da sein, wenn Du meinen Schutz brauchst. Und wenn ich Dir wirklich so viel bedeute, dass Du Angst und Schmerz fühlst, sollte ich sterben, dann verspreche ich Dir, egal wie, am leben zu bleiben."

Ayco sammelte alle Federn vom Boden auf und drückte sie an sich. "Bitte... bitte lebe für mich."
 

Luca saß noch Stunden lang reglos da, gegen die Wand gelehnt. Seine Schwäche ließ langsam nach. Sie hatten wenig miteinander gesprochen. Wenn, dann war es Luca, der mit Ayco redete. Schließlich murmelte er: "Ayco, darf ich zu Dir kommen?"

Der Junge Elf saß zusammengekauert da, hörte Luca zu und umklammerte Lucas Federn. Etwas von ihm so nah... ,Ja, bitte, komm zu mir..."

Er wollte es nicht aussprechen, aber bevor er es sich versah, hatte er es ausgesprochen.

Überrascht hob Luca den Kopf und lächelte. Er kroch durch das Loch in der Mauer und drängte sich zu Ayco in den engen Raum hinein. Der Magier kauerte sich in eine Ecke, soweit wie möglich von Ayco weg, damit dieser sich nicht bedrängt fühlte. Er hielt auf der Enge mit beiden Armen seine langen Beine umschlungen und bettete sein Kinn auf die Knie. Als sie Kinder waren, hatten sie mehr platz hier drinnen, aber nun, als Erwachsene... Luca berührte mit seiner Schulter bereits Ayco...

Der Elf fühlte sich nicht bedrängt, im Gegenteil eher verletzt, weil Luca so weit von ihm weg saß... Er wollte, dass Luca ihn umarmte, er wollte sich an ihn kuscheln...

Zum ersten mal meldete sich Tambren zu Wort: ,Luca, rücke näher an ihn heran...'

,Ich will ihn nicht bedrängen.'

,Tust du nicht...'

Luca sah zur Seite, zu Ayco. Er löste seine Hände und tastete nach Aycos Fingern, seinem Haar. Auf dem Boden.

"Ich bin da," flüsterte er.

,Bitte halte mich... Versprich mir, dass Du nie stirbst. Ich brauche Dich doch!' Davon sprach Ayco nichts aus, aber er spürte, dass Luca ihn dennoch verstand.

Der Magier breitete seine Arme aus und wortlos ließ sich der Elf gegen ihn sinken.

Behutsam umschlang der Magier seinen Freund und drückte ihn an sich. "Ich bin da..."

Ayco flüchtete sich nun ganz in Lucas Geborgenheit, setzte sich zwischen seine Beine und ließ sich von seinem Freund halten und wiegen... und ganz behutsam, zögernd, erwiderte er die Umarmung. Sein gesamter Körper zitterte, vor Angst, vor Aufregung, vor Nervosität...

Was, wenn Luca die Situation nutzte und ihn hier und jetzt liebte, ihm Gewalt antat?

Was würde geschehen, wenn sie sich noch enger aneinander schmiegten, wenn sich ihre Körper ineinander verliebten? ... diesen ewigen Tanz verlangten, die Sehnsucht nach dem Geliebten zu stillen...

Was, wenn Ayco daran gefallen fand?

Luca streichelte seinen Nacken, so sanft, liebevoll... Ayco schloss die Augen, vertrauensvoll, zufrieden... und schlief ein. Wenige Minuten nach ihm dämmerte auch Luca weg...
 

Ob durch Lucas Tanz, oder seine momentane Nähe ausgelöst, konnte Ayco im Nachhinein nicht sagen, aber er spürte, wie schön es war den halb nackten Körper des Magiers zu spüren. Sein Kopf ruhte auf der unbedeckten Brust und er fühlte die körperliche Nähe und Wärme und den verführerischen Duft seiner Haut. Oh ja, Lucas Haut besaß ein ganz wundervolles Aroma, sein Haar, alles an ihm. Ein unheimlich schwerer, wollüstiger Duft nach Rosen und Zimt, der Ayco vom ersten Moment an wie die reine Verführung erschien.

Er erinnerte sich wieder an die langsamen, lasziven Bewegungen, den geschmeidigen Körper, den Schweiß, der Lucas Hemd wie eine zweite Haut am Körper kleben ließ... Das sanfte, schwarze Haar, was ihn zu verschleiern schien... Nie vorher empfand er solches Verlangen wie in dem Moment des Tanzes...

Leicht regte er sich in Lucas Armen, und der Magier umfing ihn fester... Schlief Luca denn nicht?

Ayco sah auf und blickte in das ebenmäßige Gesicht, die halb von dichten Wimpern verschleierten grün schimmernden Augen, die ihn beobachteten...

Erschrocken wollte Ayco sich von ihm lösen, aber Luca hielt ihn sanft zurück... Spürte der Magier denn nicht die pochende Lust zwischen Aycos Beinen, die sich gegen ihn drängte?

"Lass mich..." Luca legte einen Finger über Aycos Lippen und zeichnete diese langsam nach, sanft, zärtlich. Dann neigte er sich über den Elfen. Seine Lider schlossen sich und warmer Atem streifte Aycos Gesicht. Diese vollen, sanften Lippen kamen näher, berührten Aycos... begannen sie sanft zu streicheln... Dann fühlte der Elf wie Luca ihm leichte, zärtliche Küsse gab, harmlos und zugleich gefährlich, denn Lucas Mund stand einen Spalt weit offen, und seine Lippen fühlten sich Feucht an, als habe er sie eben erst angefeuchtet... Ayco schmeckt Lucas Küsse, die Süße in ihnen und die zaghafte Leidenschaft, die eigentlich in ihnen beiden bereits heiß brannte.

Ayco wollte weg, zurück, aber zugleich wollte er mehr, wollte, dass Lucas Zunge zwischen seine Lippen drang und seinen Mund vollkommen erforschte, seine Zunge streichelte, mit ihr spielte...

Als habe er es ausgesprochen, nahm der Magie plötzlich Aycos Gesicht zwischen seine Hände und sanft, wie wohl alles, was der junge Magier tat, begann er Ayco zu küssen, intensiv, liebevoll... Ayco spürte wie die Welt unter ihm wankte, wie sein Körper entflammte und leise Wellen des Verlangens durch seinen Körper fuhren, bis in seine Fingerspitzen...

Wie lang sie so dasaßen, sich küssten, konnte in letzter Instanz keiner der beiden sagen, aber beide waren außer Atem und fiebrig... Ihre Lust schien gerade erst wirklich zu erwachen!

In einem Anflug von Mut zog sich Ayco zu Luca hinauf und küsste ihn nun seinerseits. Dieser Kuss war nicht mehr zaghaft und sanft sondern verlangend und leidenschaftlich. Zugleich spürte er, als er sich mit gespreizten Beinen auf Lucas Schoß setzte, dass etwas gegen seinen Schoß, gegen sein Glied drängte, hart und groß. Ayco schmiegte sich leidenschaftlicher gegen Luca und bewegte sein Becken auf dessen Schoß... sofort reagierte der Magier. Wie elektrisiert bog er sich durch und seine Erektion wollte sich fast in Aycos Leib bohren. Der Elf stöhnte leise und ließ in wilder Vorfreude seine Hand nach unten gleiten. Wie zufällig berührte er Lucas Brustwarze, blieb daran sachte mit den Fingerspitzen hängen, verharrte und begann dann die kleine, feste, rote Knospe zu streicheln und zu massieren, leicht hinein zu kneifen und mit dem Nägeln zu umspielen... Lucas leise Lustschreie machten Ayco halb wahnsinnig vor Verlangen nach seinem Freund.

Der junge Magier warf den Kopf zurück, reckte sich ihm entgegen... Dann sah er Ayco wieder an, aus verführerischen, halb geschlossenen, Wimpern überschatteten Augen. Er streichelte mit seinen Händen unter das seidene Hemd Aycos, neigte sich etwas, küsste zugleich dessen Hals... und dann krochen seine Lippen, kleine, feuchte Spuren hinterlassend über Aycos Brust. Die Feuchtigkeit klebte das seidene Hemd an den schmalen Elfenkörper... Dann entrang sich seiner Kehle ein spitzer Schrei, als Luca durch den Stoff an seinen Brustwarzen knabberte, sachte mit den Zähnen darüber strich und immer wieder leicht daran hängen blieb, was Ayco jedes mal vor Lust aufschreiben ließ. Luca saugte an den Brustwarzen seines Freundes, nagte daran und biss ihn sanft...

Gleichzeitig explodierte in Aycos Leib ein Feuerwerk, als Lucas Rechte leicht über seine Hüfen strichen und direkt in Aycos Schoß versanken, ihn leidenschaftlich massierte und tiefer glitten.

Zugleich schob sich seine linke Hand von hinten unter den Hosenbund des Elfen und lediglich Lucas Fingerspitzen glitten über die seidig glatte haut Aycos.

"Steh auf," bat Luca leise.

Der Elf zögerte einen Monet, kam dann aber dem Wunsch seines Freundes nach. Er kniete sich über ihn... Luca ließ sich nun nach hinten sinken und zog Ayco ein Stück weit mit sich sich, sodass der Junge auf Ellenbogen und Knien über Luca lag. Fragend sah der Elf zu, wie Lucas Lippen tiefer glitten, er sich immer wieder aufrichtete, um ihn zu Küssen, seine Brust seinen Bauch, wobei er das Hemd immer weiter hinauf schob und immer öfter die nackte, vernarbte Haut küsste. Luca schien es völlig gleich zu sein, Teilweise steigerte es sein Verlangen nur noch weiter. Ayco zitterte am ganzen Körper während der Magier das tat, aus Scham, aus Angst, aus purer Lust... Er versteifte sich für einen winzigen Moment in mildem Schrecken und tiefer Lust, als Luca begann Aycos Schnallen an seinem Schoß mit den Zähnen zu öffnen, langsam, genüsslich. Wobei Lucas Lippen und seine Zähne immer wieder Aycos Glied berührten...

"Luca..." keuchte der Junge. Luca spürte seinen rasenden Herzschlag und beobachtete, während er es ganz langsam befreite, das wild pochende Glied Aycos... "Wunderschön," murmelte der Magier verzaubert von dem Anblick des Phallusses...

"Luca... ja, mach weiter..."

Lächelnd zog er Ayco die Hose aus. Er beobachtete dabei die Mimik des Junge, die unsäglich Anspannung und Lust in dem wunderschönen Gesicht. "Luca..." Der Junge atmete schneller, heftiger, als Lucas feuchte Zungespitze seine Eichel berührte, nur kurz, leicht, um seinen Geschmack in sich aufzunehmen. Ein Dünner Speichelfaden, silbrig glänzend, verband sie, als sich Luca zurückzog... Ayco stöhnte fiebrig auf... enttäuscht schon fast... Dann strich Lucas Zungenspitze wieder über die glatte, duftende Haut der Eichel, und Ayco schrie auf, als Luca den ersten Lusttropfen ableckte...

Die Selbstbeherrschung des Elfen bröckelte mit jeder Sekunde mehr, die Lucas langsames, erotisches Spiel voranschritt. Mit einem wilden Aufschrei stieß der Elf in Lucas warmen, feuchten Mund. Seien Stimme wurde Lauter, wilder, als Lucas Hände sein Gesäß spreizten und tief hinein strichen... Wortlos zog er den Jungen höher, bis er unter Aycos Schoß lag, seinen Geliebten mit der Zunge liebkosen konnte, ihn sanft beißen, küssen... mit seiner Zunge in ihn dringen konnte...

Ayco schrie auf, wieder und wieder, immer lauter und heftiger, fast ohne Pause...

"Nimm mich... bitte, Luca, nimm mich!!!" flehte der Junge nur noch.

Luca hob Ayco auf seinen Schoß. Der Junge fragte sich keine Sekunde lang, wie das geschehen konnte, dass der Magier nun völlig nackt war... Ihm war alles gleich, solang er nur bei Luca sein konnte. Er wollte keine Fragen mehr stellen, nicht jetzt, nicht in dem Moment. Ayco schaute einen Moment lang Lucas Glied an, groß und wahnsinnig schlank, wie der ganze Mann. Ayco würde keine Schmerzen haben... nicht, nachdem Luca ihn darauf vorbereitet hatte. Ayco lächelte sehnsüchtig und pfählte sich dann mit unsäglicher Gewalt auf Luca. Der Magier schrie vor Lust, der Elf allerdings fühlte einen Mix aus furchtbaren Schmerzen und wilder Lust.

Keuchend verharrte Ayco auf seinem Freund, seinem Geliebten. Dann ließ er sich nach vorne sinken und küsste Luca wieder. Der Magier erwiderte den Kuss und begann sich nun langsam, rhythmisch und tief in Ayco zu bewegen... Dieser Kuss, er war fast noch intensiver als der erste... Die Hände des Elfen klammerten sich in Lucas... Der Tanz, alles, was Ayco befürchtete, alles was er scheute und wollte, geschah... Und es war gut. Unglaublich intensiv, fast als wollten sich ihre Körper an etwas erinnern, etwas besonderes, wunderbares, etwas, dass nur sie teilen wollten und konnten...

Ayco bestimmte auf Lucas Schoß das Tempo, und er wusste genau, wie hoch er Luca treiben konnte. Der Magier war bereit ihn zu allem verführen, was der Elf von ihm wollte...

Ihrer beider Geist versank im vollkommenen Wunsch in dem Anderen aufzugehen. Es war, als glühten sie heller und heller, außer sich, beide nicht mehr Herr ihres Bewusstseins...

Dann war es Lucas Aufschrei, der Wunsch, der Befehl zu kommen! Und Ayco... in ihm löste sich etwas. Willenlos schon fast kam er Lucas Befehl nach... schon weil er es selbst keinen Moment länger hinauszögern wollte, warten konnte...
 

Ayco erwachte mit einem Aufschrei auf den Lippen, zwischen Lucas Beinen. Er war fast so weit zu kommen... Dann sah er Luca an, der gerade auch erwachte. Merkte er denn nichts? Er musste es doch spüren... Aber Luca streichelte nur still durch Aycos Haar und flüsterte: "Schlaf weiter, mein Engel."

Ayco sah überrascht von seinen Worten auf und direkt in diese liebevollen Augen...

Ihm wurde schwindelig, und er begann sich wieder in Lucas schönen Augen zu verlieren... Schließlich nickte er wortlos und vergrub sich wieder an der Brust seines Freundes... Alles war nur ein Traum... bis auf die schmerzhafte Lust in ihm, die hinaus wollte. Aber Ayco konnte darüber nicht mit Luca reden, sosehr er es auch wollte... Dann merkte er, dass er jeden Zeitpunkt dafür verpasst hatte, denn Luca schlief bereits wieder, beide Arme zärtlich um seinen Freund geschlungen.

Portrait

Der Junge führte, nachdem er sich halbwegs beruhigt hatte, Luca aus der Ruine und aus dem Patrizier-Viertel hinaus. Sie gingen schweigend nebeneinander her, aber wie alte Freunde, dicht, Seite an Seite, sodass sich manchmal ihre Hände berührten. Luca war immer wieder versucht Aycos Hand zu ergreifen und festzuhalten, aber er tat es schließlich nicht. Nur manchmal, wenn sich die Situation ergab, dass sie einander länger als einen winzigen Lidschlag berührten, hielt der junge Magier still und regte sich nicht, wagte nicht, zu atmen. Sein Herz raste und er spürte sein kochendes Blut, dass in wilden Stößen durch seinen Körper trieb.

Auch Ayco schienen die kleinen Berührungen nicht unangenehm zu sein, denn er hielt völlig ruhig und drängte sich sogar manchmal leicht gegen Luca... dann aber wieder, sobald es ihm bewusst wurde, nahm er abstand, und Lucas Herz brach jedes Mal in diesem Moment, seine Seele gefror und Trauer und Schmerz manifestierten sich in ihm, gerannen zu etwas so erstickend stofflichem, dass er Angst bekam, Angst vor seinen eigenen Gefühlen. Wie Empfand er wirklich für Ayco? Seit einer Weile brachte ihn der Junge vollkommen aus dem Gleichgewicht. Er kannte sich selbst kaum wieder. So war er bislang nie seinen Gefühlen untertan. Aber dennoch hatte er den Eindruck, dass ihn ein Ayco, der stille Ayco, der jenseits der Mauern des Bewusstseins lebte, ihn rief, ersehnte, lockte und verführte. Und Luca ging darauf ein. Er wollte es selbst, er verlangte danach, wollte diese Verführung am eigenen Leibe spüren.

Ayco, der noch vorgestern eher ein Gespenst war, als ein Lebewesen, sprühte jetzt vor Kraft und Leben... Wie das geschah konnte sich der Magier nicht erklären. Aber es verzauberte ihn und band ihn noch enger an Ayco. Eines wusste er. Dieser Junge würde auf immer und ewig seine einzige wahre Liebe sein, und niemand, gleich wer, dürfte ihm je etwas antun. Luca würde ihn beschützen, immer. Es galt für ihn noch immer, was er einst als kleines Kind zu Ayco gesagt hatte. "Ich liebe Dich."
 

Sie gingen nebeneinander die prachtvollen, gepflasterten Straßen entlang, Straßen, so breit, dass zwei Pferdekutschen aneinander vorbei konnten. Hier war alles groß und weit und prächtig und duftete... Allein der Anblick dieser Gärten war von solcher Pracht, dass die Palastgärten Mesallas dagegen verblassten. Die Villen, kleine Paläste, aus unterschiedlichen Epochen, teils überwuchert von duftenden Blumen, verwunschen wie ein Schloss, oder verspielt, mit Türmchen, Minaretten, und Balkonen, die schwindelnde Höhen überspannten...

Einige der Häuser allerdings besaßen den erschlagend kompakten Charme eines Marmorklotzes mit gewaltigen Säulen und der Länge des Gebäudes überspannenden Freitreppen... Und genauso vielschichtig und reizvoll erschien auch die Bevölkerung hier. Junge Damen, schön und schlank wie Lilien, führten hier auf den breiten, bepflanzten Alleen ihre teuersten Kleider und den edelsten, wenn auch oft nicht sehr schönen, Schmuck aus, untergehakt bei blässlichen jungen Männern oder begleitet von finster aussehenden, riesenhaften Kerlen in wattierten Wamsen, bewaffnet mit Rapieren und edlen Schwertern, die für den Kampf völlig ungeeignet waren.

Aus den Gärten drang helles Lachen von Gesellschaften und das Geschrei fröhlicher Kinder, die miteinander spielten, Gesang und Musik...

Ayco sah unwillkürlich Luca an. Musik und Gesang. Nachdem er vor einigen Stunden ihn hatte singen hören, tanzen sehen... Nie wieder würde er das vergessen... Der sanfte, warme Wind wehte eine dünne Stimme herüber, Fetzen von Musik untermahlten sie. Das Mädchen hatte eine klare Stimme, aber wesentlich zu schwach...

Einige Frauen gingen, in Begleitung ihrer Leibwächter an ihnen vorüber und sahen sich nach den beiden Männern um. Ayco konnte ihre Stimmen hören, ihr Lachen und das Tuscheln, als sie sich über Luca und ihn unterhielten.

Beide waren nicht mehr sonderlich gut gekleidet. Ayco recht einfach, was ihn nicht störte, sondern eher ein heimliches Vergnügen bereitete, alle bösen Blicke auf sich zu vereinen, und Luca, er trug nur noch seine langen Hosen und die Stiefel. Das Hemd, was er zuvor trug, zerriss, als sich Luca für Ayco verwandelte unter seinen Flügeln. Sicher, der Magier hatte nun wieder menschliche Gestalt, aber selbst in der größten Sommerhitze, mitten in der Stadt, ziemte es sich nicht, mit bloßem Oberkörper durch die Gegend zu gehen.

Ayco nahm bewundernd zur Kenntnis, dass Luca scheinbar die Konventionen völlig gleichgültig zu sein schienen, denn er ging hoch aufgerichtet, stolz schon fast, neben Ayco her. Einzig sein langes, offenes Haar flutete um seinen hageren, sehnigen Oberkörper.

Ayco konnte sich nicht verkneifen Luca aus den Augenwinkeln zu beobachten, ihn zu bewundern. Sicher, er war erheblich zu dünn, schön weil Rippen und Schlüsselbeine so deutlich hervorstachen, als wären es Waffen, aber zugleich sah es auch ästhetisch aus, ausgewogen und zerbrechlich. Luca hatte eine zarte, verletzliche Gestalt, aber dennoch eine recht breite, wenigstens für ihn breite, Brust und sehnig muskulöse Arme. Ayco gefiel es Luca anzusehen, schon weil er bei jeder Bewegung alle Muskeln sehen konnte, die sich unter der weichen, weißen Haut bewegten. Und das alles wurde umfangen von dem schwärzesten Haar, was es gab... Wieder kam er nicht umhin, Luca einfach nur zu bewundern. Alles an ihm war schön, dachte Ayco. Auch die winzige Tätowierung unter Lucas Schlüsselbein. Das L, um das sich Rosen und Peitsche wanden.

Der Magier schüttelte sein Haar nach hinten und drehte es sich über der Schulter zusammen, sodass eine Sturzflut Schwärze sich über seine rechte Körperhälfte ergoss...

Nun konnte Ayco beobachten, wie sich Lucas Brust hob und senkte, seine Haut dabei schimmerte, fast irisierte...

Und ihm fiel auf, dass Lucas Brustwarzen fest und rot waren, als hätte jemand sie berührt, geküsst. Offenbar war der Magier leicht erregt...?

Dann fiel ihm auf, dass auch Luca ihn die ganze Zeit still beobachtete, mit bewundernden, verträumten Blicken maß. Was sah er an?

Ayco errötete leicht und über Lucas Lippen huschte der Anflug eines Lächelns ob der Röte. Er wendete den Blick leicht ab, gab vor, nichts bemerkt zu haben... Das einzige, was er tun konnte, um Ayco nicht bloß zu stellen.

Dankbar sah der Junge weg und bemerkte erst jetzt, dass sein Hemd, als er sich etwas weiter aufrichtete, leicht an seinen erregierten Brustwarzen rieb und hakte. Ein Gefühl, was ihn in dem Moment noch mehr verzauberte, aber ihm auch peinlich war. Offenbar musste es Luca aufgefallen sein, denn man konnte diese beiden harten Knospen durch das einfache Hemd sehen...

Plötzlich stolperte Luca einen Schritt vor und ein überraschter Laut entrang sich seiner Kehle, in den sich ein keckerndes: "Hab' Dich!" von Goldy mischte.

Luca grinste und nahm die rote Drachendame, die wie ein Stein auf seiner Schulter gelandet war, herab. "Kann ich mich nicht dran erinnern," sagte er lächelnd, wobei er sie kraulte.

Ayco wollte im ersten Moment grinsen, verkniff es sich aber.

Dann stolperte er selbst 2 Schritt weit, strauchelte und fiel auf die Knie... Tam hatte sich ganz offensichtlich verschätzt mit seiner Landung und krachte mitten in Aycos Rücken...

Erschrocken versuchte Luca beide aufzufangen, Ayco und Tam. Der Drache schaffte es gerade noch, sich am Handgelenk seines "Menschen" festzuhalten, aber Ayco entglitt Luca, klammerte sich aber seinerseits an seinen Freund. Dass er schließlich Luca mit sich zu Boden riss, war ihm nur noch peinlicher. Der junge Magier setzte sich unsanft auf den Boden, fiel dabei nach hinten und Ayco lag in äußerst kompromittierender Weise zwischen seinen Beinen.

Aycos Gesicht nahm die Farbe einer überreifen Tomate an, während Luca schallend lachte.

"Was ist so Komisch?!" knurrte Tam.

Das fragte sich Ayco allerdings auch.

"Na ja," grinste Luca. "Das zum Thema beeindruckend finsterer Nekromanten."

Er half Ayco aufzustehen und richtete sich dann selbst auf, um sich den Staub von den Hosen zu klopfen.

Alles beobachtete sie... Ayco spürte wieder wie ihm das Blut in den Kopf schoss und ihm heiß wurde. Insgeheim suchte er nach dem nächsten Mauseloch, in dass er sich verkriechen konnte. Und er suchte nach irgendwem, dem er die Schuld dafür geben konnte. Tam, er war der Auslöser.

Ärgerlich, auch um seine Schamesröte zu verbergen, griff er nach Tam und nahm Luca den zweiten kleinen Drachen aus dem Arm. "Was sollte der Unsinn?! Willst Du uns beide mit aller Gewalt der Lächerlichkeit preis geben?! Luca hat einen Ruf zu verlieren, du dummes, kleines Tier!"

Er war wirklich wütend auf Tambren. Der kleine Drache sah ihn völlig verschreckt an und begann plötzlich zu schniefen. Eine Träne kullerte über das Drachengesicht.

Ayco bedauerte sofort seine Worte. Allein der Anblick brach all seine Wut.

"Entschuldige..." murmelte der Junge.

Luca legte ihm die Hand auf die Schulter. "Tammy ist es nicht gewohnt, dass ich ihn strafe," sagte er leise. "Es ist vielleicht falsch, aber ich kann es einfach nicht."

Gutherzig lächelte er Ayco an.

Der junge Elf senkte betreten den Blick und drückte ihm Tam in den Arm.

Ja, ein finsterer Nekromant bist Du wirklich nicht, dachte er und musste in sich hineinlächeln.

Wenn er Luca betrachtete erschien er ihm schon als eigentlich fröhliches und sanftes Wesen, dass niemandem lange böse sein konnte... Aber da war mehr. Lucas ganze Art, seine Ausstrahlung, darin war etwas besonderes. Auch die Finsternis, die Lucas Melancholie wiederspiegelte war ein essentieller Teil dessen. Der Junge Elf war völlig fasziniert von seinem schwarzhaarigen Freund, und Ayco konnte sich nicht erklären, warum. Gleich, was immer sie als Kinder zueinander waren, jetzt erschien es Ayco als ungleich mehr.

Erschrocken stellte er fest, dass er Luca grenzenlos bewunderte. Aber er konnte sich des Zaubers von diesem an sich unheimlich charismatischen Mann nicht entziehen. Alles was Luca sagte und tat erschien ihm bereits als gut... Im Moment wollte er gar nicht in Frage stellen, was Luca sagte oder tat. Vielleicht war das falsch, ganz sicher sogar, denn er gab in diesem Moment seinen klaren, unvoreingenommenen Verstand auf, seine Meinung, seinen Willen... In diesem Moment erwachte ihre gegenseitige Abhängigkeit.

Luca stand Ayco gegenüber und betrachtete seinen zauberhaften Freund. Er musste sich schon sehr zurücknehmen, um Ayco nicht in seine Arme zu ziehen und hier, auf offener Straße zu küssen und ihn festzuhalten, damit ihm der Elf für immer erhalten blieb.

"Ayco..." flüsterte Luca liebevoll und strich ihm sanft über die Wange. "Mein zauberhafter Ayco." Langsam neigte er sich zu dem Elfen, fasste ihn an den Schultern, nur ganz sanft, nicht fester, als wolle er ihn streicheln... Ayco errötete. Seine Wangen flammten richtiggehend auf, aber er legte dennoch fast automatisch den Kopf in den Nacken. Seine Lider senkten sich und fast automatisch klafften seine vollen Lippen einen Spalt weit auf... Er merkte kaum, dass er sich Luca auslieferte, sich ihm anbot. In diesem Moment war ihm alles egal, solang Luca nur...

"Ayco..." Luca zog den Jungen schließlich in seine Arme und drückte ihn an sich, um ihm einen sanften Kuss auf die Wange zu hauchen.

"Luca..." er schloss nun endgültig die Augen und lehnte sich an seinen Freund...

"Was ist mit ihm?" fragte eine Stimme in Aycos Welt hinein und zerbrach die Seifenblase, nahm aber Luca nichts von seinem Schillern und seinem "Duft". Ayco konnte diese gewaltige und zugleich schleichende Ausstrahlung nicht anders umschreiben. Es war eine Art Duft, die ihn umgab, ein schimmerndes, schillerndes Aroma, was alle Spektren durchlief, jede Facette seiner Persönlichkeit, von warmer, stiller Finsternis bis hin zu heller, kristallener, jauchzender Freude...

Wenn Ayco nur geahnt hätte, das Luca ihn kein bisschen weniger verehrte, ihn ganz ähnlich sah... nur zugleich in seiner Vorstellung Ayco zu einem silbrig schimmernden Engel machte, dann wäre der Junge vermutlich erschrocken...

"Was ist mit ihm?..."

Ayco blinzelte erschrocken und wollte Luca sofort von sich stoßen, hörte dann aber die Stimme des Magiers, die antwortete... "Nichts. Ihm ist nur schwindelig. Seid bedankt für eure Sorge."

Ayco blickte in das rundliche Gesicht einer Magd, edel gekleidet, und dennoch zu einfach und fröhlich für die teuren Stoffe... Ayco musste zugeben, dass das Mädchen das einzige sympathisch wirkende dieses Viertels zu sein schien.

Ihr gerötetes, freundliches und darin unheimlich hübsches Gesicht besaß mehr Leben und mehr Seele als all diese weißen Protzelanpüppchen in Tüll und Taft, Seide und Brokat.

Die Sorge in ihrem Blick war echt. Ayco mochte sie, von der ersten Sekunde an. Ihr Blick hüpfte zwischen dem zauberhaft schönen Elfengesicht und dem viel ruhigeren, sanfteren Magiergesicht hin und her. Sie konnte kaum ruhig bleiben , das viel Ayco sofort auf. Auch sie war fasziniert, allerdings von beiden Männern. Unterschiedlicher konnten zwei Männer kaum sein, und doch, zugleich waren sie einander ähnlicher als Zwillinge...

Schließlich haftete ihr Blick an der innigen Umarmung zwischen Ayco und Luca. Trotz der Worte des Magiers begriff sie sofort, dass Luca seinen silberhaarigen Freund liebte. Auch sie spürte die starke Ausstrahlung Lucas und reagierte fast automatisch auf die zwei schönen Männer. Für einige Sekunden konnte sie sich nicht ganz von den beiden lösen, ihren Blick abwenden, doch dann, nach einigen Sekunden schlug sie die Lider herab und trat zurück.

Luca ließ Aycos Schultern los und ergriff seine Hand.

"Komm, mein Engel."
 

Diesmal übernahm Ayco die Führung. Das Herz des jungen Elfen schlug laut und heftig bi in seinen hals hinauf, hatte er das Gefühl, so laut, dass er fürchtete, man könne das Pochen überall hin hören. Aber Luca ging völlig ruhig neben ihm. Die irrige Vorstellung, er könne Aycos Nervosität bemerken, schien sich nicht zu bewahrheiten. Der Elf seufzte unhörbar und senkte den Blick. Er war einerseits froh darüber, andererseits aber auch leicht verärgert, dass Luca diese Reaktion nicht doch irgendwie mit milder Erkenntnis respektierte und honorierte. Immerhin war es doch eine gewaltige Überwindung, dass Ayco ihm ein kleines Stück seiner Vergangenheit eröffnete und ihm zeigte. Er stellte sich damit bloß, zeigte ihm einen Teil des wahren Aycolén Amaro. Und Luca... er...

Dieses Funkeln in Lucas Augen, er konnte es sich nicht einbilden... Der Magier berührte leicht Aycos Fingerspitzen und drückte sie. "Beruhige Dich," flüsterte er. Der Kopf des Jungen flog herum und er starrte Luca entgeistert an. "Wie kommst Du darauf dass ich..." Seine Stimme klang viel zu laut, zu schnell... und allein das verriet ihn und er wusste es.

Luca lächelte ihn nur liebevoll an und drückte sanft seine Hand, als wolle er ihm Mut geben.

Ayco schluckte unsicher, starrte Luca einen Moment aus diesen riesigen Jadeaugen an und senkte dann betreten den Blick. Er wusste, dass er sich eben eine gewaltige Blöße gegeben hatte. Aber sein Vertrauen in Luca stieg dadurch nur weiter.

Langsamer und ruhiger ging er neben seinem Freund her. Nun, mehr denn je, spürte er, wie Luca auf ihn Einfluss nahm. Die Ruhe, die Gelassenheit des Magiers, all das, was Luca ausmachte, unterwanderte Aycos Mauer, die schon lang bröckelte und beeinflusste ihn immer stärker.
 

Er führte Luca aus dem Patrizierviertel im Norden der Stadt in das Künstlerviertel, an der gewaltigen, prachtvollen Kuppel des Opernhauses vorbei und unter den majestätischen Säulen der Freilicht-Theatrien und immer tiefer in das enge Straßengewirr zwischen den sonnenbeschienen zweistöckigen Häusern. Viele der Gebäude waren einst verputzt und von außen bemalt, doch das nackte Gestein das heraus... Dennoch besaß dieses Viertel das lebendige, fröhliche, farbige Flair derer, die dort lebten.

Die Fensterläden der meisten Häuser standen weit offen, und Leinen spannten sich von einer Straßenseite zur anderen, doch hingen keine Kleider daran, sondern farbige Wimpel und Fähnchen, Lampions und Windlichter... Gesang drang aus den Fenstern, Musik instrumentale Stücke... alle gleichzeitig und jeder für sich. Trotzdem klang es nicht disharmonisch sondern schön, verrückt und beschwingend, wie ein Lachen, ein schöner Gedanke... Hinter einigen Fenstern übten Schauspieler ihre Texte, Mädchen und Frauen tanzten über die Straßen, um ihre Schritte für Auftritte einzustudieren und gleichzeitig den täglichen Teil ihrer Arbeit zu erledigen... Hämmern der Bildhauer war zu hören, falsche Töne, aber auch zauberhafte Melodien und Gedichte...

Hinter einem der Fenster stand ein junger, nackter Mann Modell, der gerade seine Decke fallen ließ und von seinem Maler gegen die Wand neben dem Fenster gedrückt wurde. Luca sah wie er sich aufbäumte und auf Höhe seiner Hüften ein blonder Schopf auf und nieder ging...

Luca blieb kurz stehen und sah lächelnd hinauf. Der Künstler, ebenfalls ein Mann, jung, und interessant, nicht schön, aber ausdrucksstark, hob seinen Geliebten hoch und drang in ihn, begann sich in ihm wild auf und nieder zu bewegen...

Ayco packte den faszinierten Luca am Handgelenk und zog ihn weiter.

"Lüsterner Kerl!"

Luca grinste und nickte. "Irgendwie war das schön mit anzusehen, denn die Beiden sind einander verfallen. Das ist etwas besonderes, oder nicht?"

Ayco bemerkte, dass in Lucas Stimme Bewunderung mitschwang, echte, ehrliche Bewunderung. Der Blick seines Freundes... er traf im Moment wieder so tief, erweichte Aycos Herz. Er wollte dieses Gefühl, dem anderen zu gehören, sich ihm zu öffnen und alles für ihn zu Opfern. Das spürte Ayco allein in Lucas Verhalten heraus.

Er konnte seinen Freund sogar verstehen, er begriff Luca und sehnte sich selbst danach...

Nachdenklich senkte er den Blick und ging neben Luca her. Seine Gedanken machten ihm Angst, seine Gefühle verunsicherten ihn, und das Wissen, dass er sich nicht mehr des Zaubers entziehen konnte, den Luca besaß. Einen charismatischeren Mann als ihn hatte Ayco noch nie zuvor kennen gelernt, und allein diese so körperlich wahrnehmbare Anziehung war es vordergründig, die er für sein untypisches Verhalten verantwortlich machte. Aber er spürte schon jetzt, dass das nicht ganz richtig war. Auch wenn er die ganze Zeit diese Ausstrahlung gespürt hatte, so öffnete er sich doch mit jedem Moment mehr für Luca und ließ ungefiltert all die ganze eigenartige Magie, die die sanfte Persönlichkeit Lucas verströmte, an sich heran, in sein Herz. Und der Magier war wirklich eine auffallende Persona. Er konnte still, wortlos, über einen überfüllten Platz gehen, still irgendwo in einem Theatersaal sitzen, jeder würde ihn bemerken. Und wenn er sprach, so traf er mit seinen Worten immer die Gefühle seines Gegenübers. Eine Gabe, eine faszinierende, wundervolle Gabe. Er wusste schon, weshalb die Heere im Krieg auf seine stillen Ratschläge hörten, anstatt das Geschrei ihrer Führer zu akzeptieren. Luca besaß das Talent andere zu faszinieren, zu lenken, ohne sie zu zwingen. Er ließ ihnen die Zügel fahren und riet ihnen nur, wenn sie außer Kontrolle zu geraten schienen. Damit hatte er alle fester im Griff als jeder Tyrann, der seine Männer zwang und knüppelte.

Und das irre daran war, dass Luca es gar nicht bemerkte. Er handelte völlig natürlich, warf nie in die Waagschale, was ihn ausmachte... Im Gegenteil schien es ihm gar nicht bewusst zu sein, dass er diese Macht über andere besaß.

Er sah nachdenklich zu Luca. ,Schöner, verführerischer, zauberhafter, warmherziger und intelligenter Luca...'

Der Magier spürte Aycos Blick und beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Ein geheimnisvolles Lächeln umspielte seine Lippen. ,Ayco...' seine Finger schlossen sich fester um die Hand des Elfen. ,Wenn Du Dir nur andeutungsweise darüber bewusst wärest, was Du mit mir anstellst, mit meinem Herzen... Du bist außergewöhnlich und so verletzlich. Mein Wunsch Dir zu dienen, Dich zu schützen, ist bereits ein Drang. Ich will nur noch für Dich da sein. Ich gebe alles für Dich auf, trete für Dich aus diesem teuflischen Orden aus und diene dann nur noch dir!' Er lächelte versonnen. Lucas Herz sprang vor Freude über die Entscheidung. Sich ganz Aycos Nähe hinzugeben, sich ihm auszuliefern und ihm sein Herz als Opfer darzubieten war das einzige, an das Luca noch denken konnte und wollte. Ihm war klar, dass er alle Magie verlor, nicht mehr sein würde als ein kleiner Barde und stümperhafter Zauberer, denn wenn er dem Stern den Rücken kehrte, würde er alle Macht einbüßen, aber das war ihm Ayco allemal wert. Luca hatte sich vorgenommen sein altes Leben aufzugeben, um immer in Aycos Nähe zu bleiben und ihn zu beschützen. Und ihm war sein eigenes Schicksal gleich. Nur eines dürfte nicht passieren. Er musste Leben, um Ayco nicht unglücklich zu machen.

Auch würde er sich dann hier, im Künstlerviertel eine Unterkunft suchen, fern von Justin, und so nah er konnte bei Ayco... Nur, würde sein bisschen Talent als Sänger und Tänzer, Maler und Flötenspieler ausreichen, um Geld zu verdienen...?

Er dachte einige Sekunden lang nach. Wieder hatte er das schöne, junge Modell vor Augen und seinen Liebhaber. Er würde, wenn alles andere nichts einbrachte, seinen Körper verkaufen müssen. Ein Gedanke, der ihn ängstigte, nicht weil er sich schämte oder Schmerz oder Perversion fürchtete, aber weil es Ayco zutiefst verletzen würde. Ayco wollte ihn als Freund, als keusches Geschöpf, vor dem er nicht allen Respekt verlieren wollte, und davor fürchtete er sich mehr als vor allem anderen auf der ganzen Welt.
 

Ayco blieb vor einem einzeln stehenden, von allen Seiten vernagelten Haus stehen. Es war aus rohem Sandstein und schimmerte golden in der Sonne. An der rechten Seite, in einer schmalen Seitengase, führte eine hölzerne Treppe hinauf und endete unter einem kleinen Vordach aus Schiefer. Die Türe erschien Luca als wahninnig niedrig. Ayco konnte sie lediglich gerade bis zum Unterkiefer reichen, vermutete Luca von seinem Platz unten, auf der Straße. Aber dennoch gefiel dem jungen Magier das Haus. Es besaß das Flair des Verwunschenen. Efeu überwucherte die Stützen, die das Dach trugen und zugleich die Wand um den Eingang. Die Fensterläden lagen geschlossen vor...

"Dein Haus?" vermutete Luca und sah zu Ayco. Der Elf nickte stumm und ging vor ihm die Stufen hinauf...

Luca gefiel der Anblick. Sein Blick streichelte die zerbrechliche Gestalt Aycos, folgte den Linien, die fließend hinaufglitten. Allein die breiteren Schulten und die schmale Taille, diese Hüften und sein wundervoll festes Gesäß, diese endlosen Beine...und dann das Haar, der Silbermantel, der zum Zopf gebändigt über seiner Schulter lag...

Wunderschön...

Ayco erklomm die 12 Stufen und blieb auf dem Podest stehen. Seine Finger glitten über den steinernen Türsturz und griffen in eine Vertiefung im Schichtmauerwerk.

Als er die Hand zurückzog, sie öffnete, lag ein kleiner Schlüssel darin, leicht verrostet und schmutzig, voller Spinnweben und Steinstaub.

Er schob den Schlüssel langsam ins Schloss und zog die Tür ein wenig zu sich an einem eisernen Ring. Luca war in der Stimmung selbst in dieser einfachen Handlung etwas Laszives zu finden. Erschrocken über sich selbst und seine eigene Triebhaftigkeit verdrängte er den Gedanken und zog es vor lieber die Architektur des doch sehr einfachen Hauses zu bewundern. Allein das Wissen, dass das Aycos Haus war, verleih ihm etwas märchenhaftes, und Luca fühlte sich freudig erregt, neugierig ob des Unbekannten, was ihn erwartete. Und Ayco schien das nicht nur zu spüren, sondern kostete diese Reaktion bis zum letzten Moment aus.

Der Elf schob die Türe auf. Staub tanzte hoch, in die stickige Luft... Goldene Partikel im Sonnenlicht, Feenglimmer. Traumhaft, nur der spalt Licht, der in die Finsternis fiel, asymmetrisch, schon durch die zwei Männer, deren Silhouetten das perfekte Rechteck störten.

Der Boden schiene unter einer dämpfenden Schicht grauen Staubes verborgen. Ayco trat ein und unter seinen leichten Schritten wirbelte weiterer Staub hoch. Ihn hüllte stickiger Nebel ein, der erst in der Luft tanzte, nur um wieder herabzusinken.

Luca folgte Ayco. Nach einigen Sekunden gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit. Das Licht, die Sonne draußen gaukelte ihm völlige Nacht hier drinnen vor.

Der Junge wendete sich nach links, um die Fenster und die Läden zu öffnen...

Ein leises Geräusch, knirschend, dann klirrten die Scheiben in ihrer bleiernen Fassung und Ayco stieß die hölzernen Läden nach außen. Licht flutete den kleinen Raum und malte Schattenbilder und Sonnenflecken in den Staub über den hölzernen Bohlen. Luca sah sich nach dem nächsten Fenster um und half nun Ayco. Der Junge nickte ihm zu. Nach etwa einer Minute standen sie in einem kleinen, rechteckigen Raum, der ziemlich direkt unter dem Dach lag. Ein Stützpfeiler befand sich in ungünstiger Position inmitten des Zimmers und damit direkt vor einem langen, schmalen Tisch, aus dem eingestaubtes Werkzeug lag, eine Drehbank und etliche Staffeleien wiederum standen in den Ecken. Tücher und Lederlappen lagen herum und überall standen angefangene Gemälde, oder nackte Leinwände und Holztafeln. Mischpaletten lagen herum und auf Regalbrettern standen Becher mit Pinseln, tönerne Töpfchen mit farbigem Pulver und Phiolen in denen sich unterschiedliche Sorten gelblichen Öls befanden und etwas, dass sehr an eingetrocknetes Ei erinnerte...

Mit großen Augen sah sich Luca um. Er bewunderte Maler, ihre endlose Geduld, notfalls das gleiche Bild hundertmal zu überarbeiten, langsam, um es zu absoluter Perfektion zu treiben...

Das Angefangene, was Luca sah, die ersten Schritte eines Bildes, bis hin zu fast fertigen Gemälden, faszinierte Luca. Er trat an eine der Staffeleien heran. Das Bildnis eines Elfenmädchens mit silbernem Haar und fröhlichen, grünen Katzenaugen... Blumen steckten in ihrem Haar und sie trug ein einfaches Kleidchen. Lea. Luca erkannte sie sofort. Ein zauberhaftes kleines Geschöpf. Aycos Talent sprengte alles bislang da gewesene.

Allein der liebe Ausdruck in den Kinderaugen, die zarten Lippen und das feine Silberhaar... Fast glaubte er, sie würde gleich aus dem Bild springen und Luca umarmen... Lächelnd streichelte Luca über die gemalten Wangen und flüsterte unbewusst: "Ich werde Dir helfen, damit Du wieder lachen Kannst, mein Kind..."

Dann blinzelte ihm das Gesicht auf dem Bild zu. Luca grinste und einen Moment später schaute der Geisterkörper Leas halb aus dem Bild heraus. Es schien wirklich so, als wolle sie ihn umarmen. Sie lachte glücklich.

Luca drehte sich zu Ayco um, der wie versteinert dastand und Lea anstarrte. "Du bist ein wahnsinnig guter und talentierter Maler," sagte er leise und trat zu dem Elfen hinüber.

Ayco errötete wieder und sah zur Seite. Der Magier lächelte. Vergnügt nahm er die Hände Aycos in seine und betrachtete sie aufmerksam. "Das hätte mir von Anfang an auffallen müssen," sagte er leise. Solche zarten, schlanken Finger sind nicht fähig schwere Waffen oder Werkzeuge zu führen. Es sind die Hände eines Künstlers."

Aycos Wangen nahmen ein wesentlich tieferes Rot an. Sicher, er war Künstler, aber vor allem auch Dieb. Und das konnte Ayco Luca nicht sagen. Der ehrliche, ehrenhafte Magier würde erschrecken und ihn vermutlich bekehren wollen, oder ihn nicht mehr sehen wollen...

Er fälschte Gemälde und tauschte sie gegen die Originale aus...

Der junge Elf ahnte gar nicht, dass Luca davon wusste. Ihm entging völlig, dass man schon etwas verbrochen haben musste, um überhaupt ins Labyrinth zu kommen.

Luca war eine der Ausnahmen, die dort freiwillig lebten. Was Ayco nicht wusste, dass auch Luca seine Gründe hatte, sich bedeckt zu halten und im Labyrinth zu verbergen...

Lea lief um die beiden herum und scheuchte die beiden Drachen auf, die eines der Regalbretter für sich erkoren und es sich darauf gemütlich gemacht hatten.

Goldy hob ihre Brauen und stieß die Luft durch die Nüstern aus. "Oh dieses Mädchen...!"

"Ja," bestätigte Tam. "Man könnte annehmen, dass sie ein wirkliches Kind ist, aber nicht dass sie nur in dem Körper gefangen ist und eigentlich so alt sein sollte wie Ayco."

Lea drehte sich zu beiden um und streckte ihnen die Zunge heraus.

Der Elf beobachtete sie aus den Augenwinkeln und versuchte sie weitestgehend zu ignorieren.

Ihm war das alles nur peinlich. Zudem wusste Luca ja nichts von Lea, auch wenn er es Ahnte... So glaubte Ayco wenigstens. Luca beobachtete Ayco und Lea. Das Mädchen fuhr herum und lachte nun Luca breit an. Dann blinzelte sie ihm zu und verschwand.

Luca sah noch einige Sekunden lang vergnügt lächelnd dort hin, wo sie eben noch stand. Er liebte das Kind schon jetzt. Sie erinnerte ihn unheimlich an seine beiden Kinder.

"Das Kind auf Deinem Gemälde... Es sieht Dir wahnsinnig ähnlich." Luca sah Ayco an. Der Junge wurde, ohne es zu wollen traurig. Rasch befreite er seine Hände und ging hinüber zu dem Bildnis seiner Schwester. "Sie ist tot," murmelte er nur tonlos. Mit Leinentüchern verhängte er das Bild und senkte den Kopf. Seine Stirn lehnte sich gegen den Rahmen der Leinwand. Erst jetzt bemerkte er, dass Tränen über seine Wangen liefen. Wie sehr ihm selbst jetzt, nach hundert Jahren, seine Zwillingsschwester noch fühlte...

Lucas Hand ergriff behutsam seine Schulter und drückte sie liebevoll. ""Verzeih. Ich wollte Dich nicht traurig machen. Deine Erinnerungen an sie..."

"Schon gut," murmelte Ayco und wischte sich mit dem Handrücken über die Wangen. Dann fühlte er sich an der Schulter herumgedreht und wurde in duftendes, schwarzes Haar gedrückt und spürte bleiche, glatte, makellose Haut. Luca hatte ihn in die Arme genommen, einfach nur schweigend, um ihm zu zeigen, dass Ayco nicht allein war und er immer für ihn da sein wollte. Der Elf wollte ihn im ersten Moment wegdrücken, allein sein in seinem Schmerz. Das war wenigstens etwas, was nur ihm allein gehörte... Aber, was dachte er da, was war das für ein Unsinn? Er klammerte sich plötzlich an Luca fest und vergrub sein Gesicht in dem pechschwarzen Haar. Alles verkrampfte sich in ihm, sein Herz zog sich zusammen und er schluchzte unter tiefster Pein auf. Schmerz eroberte ihn, Erinnerung und das Grauen, was er an dem Tag spürte, als er sie fand...

Aycos Schmerz

Luca hatte seinen Freund in den anschließenden Raum getragen, der Küche, Atelier und Schlafraum in einem war, ihn auf das Bett gesetzt und hockte nun vor ihm auf der schmalen, unbequemen Pritsche. Der Junge lehnte immer noch an seiner Brust und weinte nun still, halb versunken in seinen Gedanken.

"Ayco, soll ich Dir Tee machen?" fragte der Magier leise. Der Junge reagierte nicht. Genau wie noch vor einigen Tagen. Luca bekam Angst. Es dürfte nicht sein, dass Ayco wieder in dieses schweigende Brüten verfiel, diese geistige Katatonie.

Luca neigte sich zu ihm. Seine Lippen berührten das Ohrläppchen des Elfen.

"Ayco, mein Engel, komm zu mir zurück," flüsterte Luca. Die Verzweiflung in seiner Stimme, mehr als seine Worte, drangen durch Aycos Schmerz und seine Isolation. "Bitte, rede mit mir, entlaste Dein Herz, erzähle mir einfach, was Dich belastet, was Dich verletzt. Lass mich dich auffangen und mittragen, was Dich zerstört..."

Langsam, schwerfällig, fast wie ein alter Mann, hob Ayco seinen Blick und sah Luca an. In dem Moment erstarrte Lucas Herz vor Schmerzen und Leid. Dieser Blick allein trug so viel unausgesprochene Pein, eine solche Trauer mit sich, dass Luca nur noch eines wollte, ihm dieses Leid zu nehmen.

Lange Zeit sah Luca ihn an. Er empfand die selbe Leere des Verlusts, die Angst allein zurückzubleiben... Und Luca konnte sich denken, dass Ayco seine Schwester sehr früh verloren hatte, da die beiden schlussendlich Zwillinge waren. Lea war ein Kind, adäquat eines vielleicht sieben oder acht Jahre alten Mädchens. Ayco konnte also nur ein Kind gewesen sein, als er seine Schwester verlor.

,Grauenhaft, wenn man jemand anderem so nah steht,' dachte Luca erschrocken.

Ayco sah ihm in die Augen, starrte ihn an und Luca begriff gar nicht weshalb.

Ihm fiel gar nicht auf, dass er Aycos Wange streichelte, ihn zärtlich kraulte...
 

Aycos Herz schrie vor Schmerzen, und zuerst wünschte er sich damit allein zu sein, Luca zu entgehen, aber nun... Allein der Blick Lucas zeigte ihm, dass der Magier litt, das selbe fühlte, wie er selbst. Dann fühlte er die Hand auf seiner Wange. Lucas Hand, sanft, leicht, liebevoll. Dieser Mann, er streichelte Ayco völlig geistesabwesend. Sein Blick ruhte in Aycos, er sah ihn, und zugleich wieder nicht... Ihm rannen Tränen über die Wange, aber Luca fühlte nicht die salzige Nässe. So viel Mitleid und Wärme und Verständnis hätte Ayco nie erwartet. Mitleid? Nein, Mitleid war es nicht, das würde Luca nie tun. Er schien viel mehr zu spüren, was in Ayco vor sich ging.

Nie vorher war ihm ein Mann begegnet, der ein solch mitfühlendes Herz besaß. Bis dahin hatte sich einzig Lucas Großvater so um den Jungen Ayco bemüht, und vielleicht noch der Elf, der ihnen damals geholfen hatte. Aber niemand war mit ihm zu vergleichen.
 

Luca betrachtete Ayco still. Er sah vor sich das zerbrechlichste, traurigste, reinste Geschöpf, dass mehr denn je seinen Schutz brauchte, seine Freundschaft und Zuneigung. Nichts auf der Welt wollte er nun noch mehr, als Ayco glücklich zu machen. Sein Herz sollte immer lachen können und nie wieder allein sein. Nie. Er schwor sich, Ayco alles Glück der Welt zu Füssen zu legen. Nie wieder sollte seine große Liebe so leiden. Er würde Ayco fragen, Lea wieder ins Leben zurück zu rufen... Er konnte nicht wollen, dass sie untot blieb, ein Geist, nur gesehen von besonders sensitiven Personen. Das Mädchen hatte ein Recht darauf auch ihr Glück zu finden und zu leben...

Und vielleicht war es das, was Aycos Herz wärmen konnte.

Luca lächelte aufmunternd. "Hab Mut," flüsterte er und schloss Ayco in seine Arme. "Stütze Dich auf mich und lass Dich fallen. Ich werde immer in deiner Nähe sein, um dich aufzufangen."
 

"Kennst... kennst Du Night's End?" flüsterte Ayco. Seine Stimme klang undeutlich, unsicher. Sein Herz hämmerte vor Angst, dennoch wollte er nun endgültig alles erzählen... dem einzigen, dem er traute wenigstens.

Luca nickte langsam. "Ja, sehr gut sogar." Auch sein Herz schlug hart und schnell. Night's End. Dieses winzige Holzfäller- und Bergbauerndorf lag ganz in der Nähe Valvermonts, gerade ein, eineinhalb Tagesreisen entfernt. Sicher kannte er Night's End, aber das wieder aufgebaute Dorf. Der Ort wurde vor etwa 100 Jahren von Söldnern geschleift und niedergebrannt...

Niedergebrannt... echote es in Lucas Schädel. Er ahnte, was Ayco ihm zu sagen versuchte, aber er schwieg. Ayco musste von selbst den Mut und das Vertrauen aufbringen, ihm alles zu erzählen.

"Ich komme aus Night's End. Meine Mutter war die..." seine Stimme versagte und ihn erfasste ein krampfhaftes Schluchzen. Luca schlang seine langen Arme noch fester um seinen Freund, versuchte ihm Schutz und Halt gleichzeitig zu sein, Trost und kraft.

Es sollte Minuten dauern, in denen sich Ayco einfach nur in Lucas Fleisch krallte, mit solcher Macht, dass seine langen Fingernägel die resistente Seraph-Haut aufrissen und tief in seinen Körper drangen. Dabei weite er, zog sich so eng er konnte an seinen Freund und presste seine Stirn gegen Lucas Schulter...

Der Magier nahm den betäubenden Schmerz zwar wahr, ignorierte ihn aber. Er sorgte sich eher um Aycos Kopf. Der junge Elf drückte sich seinen spitzen Schulterknochen direkt in den Schädel. "Nicht, mein Engel," flüsterte er. "Du tust Dir nur an meinem Körper weh. Bitte..."

Ayco schüttelte unter Qualen den Kopf und zwang sich noch enger an Luca. Der junge Elf schien nur noch den Wunsch zu haben sich in Lucas Körper zu verkriechen, wo er seinen Frieden finden konnte.

Der Magier zog den Elfen mit gespreizten Beinen auf seinen Schoß und barg Aycos Gesicht an seinem Hals, seinem Haar. Sein rechter Arm schlang sich um Aycos Taille, die linke Hand vergrub sich in den silbernen Wellen des Elfenhaars. ,Weine, schrei deinen Schmerz hinaus und verlasse Dich auf meine Kraft. Sie reicht für uns beide aus...'

Ayco ergab sich diesem stummen Wunsch Lucas. Er schrie seinen gesamten Schmerz hinaus. Bald war Lucas nackter Oberkörper Nass von Aycos Tränen und sein Haar wie die silbernen Wellen Aycos klebten an ihm.

"Sie haben meine Mutter und Lea ermordet!!!!" Schrie Ayco plötzlich. Mehr konnte er vorerst nicht sagen, denn er schluchzte so laut und verzweifelt, dass er kaum zu Atem kam...

Luca zog ihn sanft zurück und ließ sich mit im zurücksinken, auf die staubige, harte Pritsche.

Der Junge rollte sich auf dem Körper seines Freundes zusammen und klammerte sich an ihn, krallte sich in Lucas Haar... Der Magier fiel mit Ayco auf die Seite und legte sich halb über ihn, schützte ihn... lehnte seine Stirn gegen die des Elfen...

Zum ersten Mal schlugen ihre Herzen im Gleichklang, hörte einer die Seele des Anderen, verbanden sich ihre Gedanken und einer vernahm die Stimme des anderen.

Ohne dass einer von ihnen Sprach erfuhren sie beide alles übereinander...

Aycos Seele überschüttete Luca mit schmerzvollen Eindrücken. Der junge Magier musste sich schon sehr zusammennehmen, um nicht unter all dem grauen und der Angst Aycos zusammenzubrechen. Dennoch, er hielt stand, und versuchte noch immer Ayco aufzufangen und ihm Kraft zu geben.

Aycos Erinnerung flutete Lucas Bewusstsein und riss ihn mit sich in ein Night's End vor einem Jahrhundert.

Damals, als er und Lea noch Kinder waren, Ayco ein junger Zauberlehrling im Hause eines Magiers, des ehemaligen Barons von Night's End, damals... vor dem Überfall. Aycos Glück war beinah perfekt. Er hatte eine so zauberhafte und starke und blendend schöne Mutter, eine Priesterin, eine Kluge, umsichtige, sanfte und offene Frau, die nichts fürchtete, und Lea, Aycos weiblicher Zwilling, die wild und stark war wie ihre Mutter, unerbittlich und fröhlich zugleich, verträumt und so liebevoll...

Alles war perfekt, alles, bis auf...

Ayco vermisste seinen Vater den er verehrte und liebte, bewunderte, aber ihn nur alle paar Jahre für wenige Tage sah.

Dann kam der Tag, an dem sich Lea lachend a Waldrand von ihrem Bruder verabschiedete und ihn hoch, in das Herrenhaus zu seinem Meister schickte. Ein seltsames, unerklärliches Gefühl von Verlust beschlich den Jungen in dem Moment bereits. Er kehrte zurück. Ienel, sein Meister, bekam ihn an dem Abend gar nicht zu Gesicht. Der junge Elf eilte hinauf in seinen Turm und starrte über die Wipfel der Bäume hinüber wo Night's End verborgen lag...Die Sonne sank. Er starrte lange in das Abendrot... Aber... es schien nicht dunkel werden zu wollen. Der Himmel blieb rot...? Aber... Nein!

Ayco federte auf die Füße und rannte so schnell er konnte. Seine nackten Füße rissen auf, bluteten, er trat sich Dornen und Steine in die Haut, tief in sein Fleisch... Sein Herz raste vor Angst, die Lungen pfiffen und der Schmerz darin wurde immer unerträglicher für ihn, aber anstatt langsamer zu werden, rannte er noch schneller. Er wusste in dem Moment, er würde sterben, wenn er sich nicht noch mehr beeilte. Aber er wusste nicht, dass dieser Tot nicht körperlich von Statten ging. Sein Herz brach...

Als er endlich den Rand des Dorfes erreichte stand Night's End bereits in Flammen. Aber nicht das schockierte Ayco... der gepfählte Kopf Leas am Dorfeingang war es, der Ayco fast an den Rand des Wahnsinns trieb und der Anblick einer gewaltigen, schwarz gerüsteten Gestalt, in deren silbernem Haar sich der Feuerschein fing...

Ayco huschte ohne jede Deckung durch die Flammen und eilte zu dem Tempel, dem Haus seiner Mutter, dem einzigen, dass nicht brannte... Ihm war gleich, ob der gerüstete ihn sah. Alles war ihm egal! Seine Mutter und seine Schwester! Sie konnten nicht tot sein! Niemals!!!

Wie durch ein Wunder bemerkte ihn niemand.

Aber vielleicht wäre das besser gewesen, denn der Schock des Anblicks im Tempel verkrafteten Herz und Seele des Kindes nicht. Er zerbrach in dem Augenblick, als er den geköpften Torso seiner Schwester fand, geschändet und den Kopf Lyeth' seiner Mutter zwischen den Beinen. Der Leib der Priesterin aber wurde zerstückelt...

Welches Monster konnte das nur tun? Welches Monster konnte so was mit lebenden Wesen tun?!!!
 

Ayco hingegen bekam mit, was Luca geschah, während er als Junge in den Orden kam. Es war bei weitem nicht so schlimm, wenigstens war sein Herz nicht gebrochen. Aber sein Wille und sein Körper. Die 19 Jahre, die Luca im Orden studierte, litt er. Jede Nacht brachte ihm Schmerz und zugleich trieb ihn die Verzweiflung an den Rand eisiger Gleichgültigkeit. Mesalla, der Prinz von Valvermont hatte ihm zuerst die Unschuld genommen, als er ein Kind war. Sie taten nur ein übriges. Jede Nacht, 19 Jahre lang...

Luca hasste sich dafür! Justin hatte recht. Er war eine männliche Hure, die die Schenkel öffnete um andere zu sich zu lassen und es machte ihm nichts aus. Nichts...

Doch, seine Seele gefror und brach, jedes Mal, wenn er von Cyprian genommen wurde, Ihad, Damiano oder Mesh... oder irgendeinem der Anderen. Oder mehreren. Wenn sie zu viert oder fünft erschienen zog er nur noch die Decke zur Seite und wendete den Blick ab, wenn sie ohne ihn vorzubereiten bestiegen.

Er hatte aufgehört zu weinen, sich zu wehren, gegen sie zu kämpfen. Wenn er es tat, schlugen sie ihn zusammen, bis er nichts mehr spürte. Aber er kämpfte mit seinem Herzen gegen sie an und lernte noch mehr, schneller, härter. Das allein, der Wunsch sich magisch gegen sie aufzulehnen und ihnen überlegen zu sein, machte ihn zum jüngsten Großmeister den es je gab...

Und zum einsamsten Mann.

Luca wusste zu gut, wie seine Ausstrahlung andere anzog, Sie flogen wie die Motten zum Licht, in eine Kerzenflamme, die sie verbrannte, aber es gar nicht wollte. Er wollte niemals jemand anderen verletzen. Schützen, nicht verwunden... Liebe, nicht Hass...
 

Luca spürte plötzlich Aycos Hand, die seine Tränen trocknete, seine Fingerspitzen, die die Nässe auf seinen Wangen verstrichen, Muster in die Nässe malten, und sie aufnahmen, so liebevoll und behutsam, dass Luca erschauerte. Ihm war nicht klar, dass Ayco einen Teil seiner Vergangenheit gesehen hatte, er wusste nur, dass seine Tränen Aycos Schmerz waren. Und er war dankbar darum.

Lucas Versprechen

34. Kapitel
 

Lucas Versprechen
 

Stunden lang lagen sie so da, einander Gegenüber, nah aneinadergeschmiegt, in Studie und Betrachtung des jeweils anderen versunken. Ayco versank wieder in Lucas wundervollen, liebevollen Augen und Luca, er hatte etwas mehr von dem gesehen was Ayco zu diesem kristallenen Wesen machte, dass er war. Das Vertrauen, was ihm ein solches Wesen wie Ayco entgegenbrachte war tausendmal so viel wert wie das eines anderen, denn es war ein ganz besonderes Geschenk, was ihm der Junge damit machte. Es war so wunderschön. Luca hatte endlich Zugang zu Aycos Herzen gefunden und er schwor sich, nie das Vertrauen zu missbrauchen.

Dann, nach Stunden, die sie sich nur still beobachtet, gehalten hatten, schloss Ayco die Augen und der Elf schlief ein, seinen Kopf gegen Lucas gelehnt, seinen Namen auf den Lippen...
 

"Luca...!" Der Elf schrak hoch und glaubte den Magier zu sehen, doch der Platz, an dem der junge Mann gelegen hatte war leer und kalt.

Ayco schloss bitter die Augen. Hatte er ihn allein gelassen wie all seine Freunde, seine Zuneigung verraten...? War Luca überhaupt real? Was wenn der Schöne nur Bild seiner Träume und Wünsche war, seines Verlangens...? Was, wenn er nur den kleinen Jungen, den er einst so liebte, wieder zum leben erweckt hatte? Vielleicht hatte er alles nur geträumt, ein langer Traum, vom Krieg...

Er roch etwas... und einen Moment später fiel ein Schatten über Ayco.

Der Elf sah stil hoch. Oft flogen Vögel nah seines Fensters entlang und warfen solche Schatten...

Luca setzte sich gerade neben Ayco auf die schmale Pritsche. "Ich habe Dir Tee aufgebrüht," lächelte der junge Magier. Er stellte einen kupfernen Kessel und einen Tonbecher auf dem Boden ab und neigte sich über den Elfen. Behutsam richtete er den Jungen auf und schüttelte ihm das Kissen auf, lehnte es gegen die Wand und drückte ihn sanft zurück. Ayco war so verwirrt, dass er alles mit sich geschehen ließ.

"Luca... Wo warst Du...?" Eine stille Träne rann über Aycos blasse Wangen. Im Moment krampfte sich sein herz zusammen. Wie konnte er nur annehmen, dass Luca wie die anderen war und ihn zurückließ...? Luca war ihm treu und würde nie weggehen, nie!!!

Der Magier strich ihm behutsam die Träne von der Wange, als der Elf sich ihm in die Arme warf und sich an ihn klammerte. Ayco begriff selbst nicht, warum er Luca so verzweifelt wollte und brauchte, aber er fühlte sich nur noch wohl, wenn der Magier seine Arme um Ayco schlang und ihn festhielt. Luca strich Ayco über das Haar und den Rücken. Seine Finger vergruben sich in dem Hemd des Jungen und er presste Ayco an sich. "Ich liebe Dich! Ich liebe Dich so sehr, dass ich verbrenne," flüsterte Luca. "Mein Herz ist immer bei Dir Ayco, es gehört nur Dir und schlägt allein für Dich..."

Ayco schluchzte laut auf und krallte sich noch enger an Luca. Er vergaß völlig, dass Luca nichts trug außer seinen Hosen. Die Fingernägel des Elfen bohrten sich in Lucas weiche, glatte Haut. Der Magier allerdings ignorierte den Schmerz völlig und sagte auch nichts, als ihm Blut den Rücken herabrann... "Wo warst Du nur, Luca...? Wo...?!" Krampfhaft schluchzte er, konnte kaum reden, und erstickte fast vor Angst vor seiner Antwort.

"Ich war nur auf dem Markt, mein schöner Engel," flüsterte Luca und streichelte seinen Kopf. "Ich habe Dir frischen Tee gekauft und einiges, was ich zum Backen und Kochen brauche..."

"Backen und Kochen?" Aycos Augen wurden groß und er fühlte sich fast wie ein Kind. Was konnte Luca nicht? Zaubern, Singen, Tanzen, Kämpfen, Zeichnen... Lieben...

Ayco schmiegte sich an ihn. Sein klammernder Griff wurde immer sanfter und zärtlicher. "Tee..." Er schloss die Augen und kuschelte seinen Kopf an Lucas Schulter. "Danke Luca."

Der junge Magier spürte nur zu genau, dass Ayco ihn im Moment nicht zurückweisen würde, selbst wenn er ihn jetzt küssen wollte. Aber es wäre schäbig, Aycos Sehnsucht nach einem Freund dahingehend ausnutzen zu wollen. Deshalb schlang er einfach nur seine Arme um Ayco und hielt ihn sanft. "Ich gehe nicht weg. Nie von mir aus. Mich muss man schon von Deiner Seite reißen, Aycolén."

Aycos Tränen wurden heißer. Er spürte wie viel ihm Lucas Worte bedeuteten und wie sehr er den Jungen Mann brauchte und liebte. Was Luca ihm in diesem Moment gesagt hatte, begann Aycos Welt heller und schöner zu färben.

"Ayco, ich werde aus dem Orden austreten..." flüsterte Luca. "Nichts hält mich mehr dort. Dann kann ich immer bei Dir sein und dich beschützen."

"Aber dann..." Ayco war zu verwirrt um einen klaren Gedanken zu fassen... Luca wollte seinen Stand als Magier aufgeben? Aber warum? Für ihn? So würde sie nie wieder jemand voneinander trennen können...

Luca drückte ihn nur stumm an sich.

"Du bist Magier... Meistermagier... oder?" fragte er fassungslos. Sein Blick bohrte sich in den des Magiers.

Luca nickte. "Ich bin der jüngste Großmeister des Ordens. Aber das ist irrelevant."

Er lächelte und schüttelte den Kopf. "Das einzige was zählt ist, bei Dir zu sein."

"Dafür nimmst Du in Kauf alles aufzugeben, was Du hast? Ist es nicht so? Dein Orden, du verlierst alles was Du bis heute gelernt hast auf immer und wirst nur ein einfacher Mann sein..."

Luca legte seine Fingerspitzen über Aycos Lippen und flüsterte: "Dann bin ich nur noch ein wandernder Barde. Aber ich kann singen und tanzen und immer noch leichtere Zauber anwenden. Für Dich verliere ich gerne meine sogenannte Macht, Ayco. Du bist mir einfach wichtiger als alles andere auf der Welt..."

"Das bin ich nicht wert..." flüsterte Ayco leise. Tief in sich wusste der Elf, dass Luca nur seine Zustimmung brauchte um sein gesamtes bisheriges Leben aufzugeben. Er ahnte, dass der junge Magier sich völlig in seinen Gefühlen aufgab und nur noch für ihn leben wollte... Und im Moment war Ayco auch nur zu bereit dazu. Er verehrte Luca und wollte ebenso wie der Magier alles aufgeben wollen, nur für ihn. Dankbarkeit war das schon lange keine mehr. Er spürte zu genau, dass er alles tun würde, was Luca von ihm wollte und umgekehrt. Sie waren einander so nah und völlig abhängig vom anderen, aber es schien nicht schlecht zu sein, denn es weckte nur das Beste, ihre größten Stärken und Träume...

"Luca..." Der junge Elf kuschelte sich zufrieden in die Arme seines Freundes. ,Bleib immer bei mir...'
 

Der Elf wusste nicht, ob er diesen Wunsch laut geäußert hatte, aber es war ihm auch gleich. Luca sollte wissen, dass er ihn brauchte. Und der Magier hatte es gehört, auch wenn sich Ayco nicht laut geäußert hatte. Aber Luca hatte es gehört. Der Magier konnte Aycos bewusste Gedanken wahrnehmen, als habe er sie ausgesprochen.

,Ich werde immer da sein, solange ich lebe,' antwortete Luca still. Ayco verstand ihn auf die selbe unheimliche Art und Weise... Der junge Elf reckte seinen Kopf zu Luca hoch, legte ihn in den Nacken, völlig unbewusst senkte er die Lider und seine Lippen klafften auf. "Luca... ich brauche Dich..."

Der Magier neigte sich über den jungen Mann und betrachtete ihn. Es kostete Luca alle Überwindung nicht diese köstlichen Lippen, die sich ihm darboten, zu küssen. All seine Willenskraft bot er auf, zwang sich dazu nicht die leichte Feuchtigkeit von seinen Lippen zu trinken und zu kosten, welch weiche Süße sich dort verbarg... Schließlich verlor er den Kampf. Seine Lippen näherten sich Aycos und er hauchte einen leichten Kuss auf seinen Mund. Der Magier verlangte danach ihn richtig küssen zu dürfen, aber mehr als das, diesen Schmetterlingskuss würde Ayco ihm sicher nie zulassen, und selbst das konnte schon zuviel sein.

Ayco zuckte nicht zurück... er erwiderte die Berührung von Lucas Lippen unbeholfen, aber gierig...

Luca zwang sich zurück, bevor er ...

"Ayco, mein Schöner, trink' etwas Tee," bat der Magier atemlos. Sein Herz raste und sein gesamter Körper brannte nach dem Elfen, glühend heiß, schmerzhaft.

Er zitterte am ganzen Leib...

Aber Ayco schwieg... Fast schon enttäuscht sah er Luca an. Er schämte sich nicht... oder hatte es nicht realisiert, dass Luca ihn gerade geküsst hatte.

Warum hatte Luca ihn so gehalten, so angesehen? Ayco seufzte leise. Dieses Gefühl in ihm ebbte einfach nicht ab. Im Gegenteil, sein Verlangen nach Luca wuchs und zugleich wollte er, dass der Magier ihn küsste... aber allein der Gedanke daran ließ ihn erröten. Warum ließ er sich ständig aufs Neue von Luca so verführen, so faszinieren...?

Der schwarzhaarige Magier neigte sich nach unten und nahm einen Tonbecher vom Tablett, füllte ihn mit heißem Früchtetee und reicht ihn Ayco.

"Hier mein Schöner..."

Der Junge ergriff den Becher und hielt sich daran fest, sah nachdenklich zur Seite...

Luca hatte gesagt, er würde Ayco lieben. Waren das nur leere Worte, oder seine Art, Ayco zu sagen, dass er Freundschaft für ihn empfand?

Aber nein, das war doch völlig unmöglich!

Ayco konnte aus seinem gesamten Verhalten herauslesen, dass Luca sich tatsächlich in ihn verliebt hatte. So behandelte man keinen Freund sondern nur jemand, den man über alles liebte...

Diese Vorstellung hatte etwas bezauberndes, faszinierendes. Und wenn die Legende stimmte, so konnte sich Aycos sicher sein, dass Luca nie für einen anderen außer ihm Liebe empfinden würde...

Worüber dachte er denn nur nach?!

Bevor er recht den Gedanken erfassen konnte, stieg ihm der Duft frisch gebackenen Brotes in die Nase und frischen Obstes...

"Was hast Du denn alles gekauft?" fragte der junge Elf und schaute auf seinen Teller.

Luca lächelte verhalten. "Ich habe gelernt zu backen und zu kochen, Ayco. Und bisher ist noch niemand an meinen Versuchen eingegangen..." Er blinzelte Ayco zu. Der junge Elf zögerte. Er wollte nichts essen, aber allein das frische, warme Brot duftete so verführerisch, und Luca hatte ihm frischen Rahn dazu gestellt und Käse, Obst...

Aycos Magen knurrte. Der Junge hatte eine ganze Weile nichts mehr von sich aus gegessen und das alles duftete einfach nur verführerisch. Sein ganzer Körper schrie danach, endlich etwas an Nahrung zu bekommen... Aber eigentlich wollte er doch... Was eigentlich? Sterben? Ayco wollte vor allem Luca nicht enttäuschen, also probierte er vorsichtig etwas von dem warmen Brot... und war überrascht. Zuerst hatte er geglaubt, Luca würde übertreiben, aber der Magier konnte verdammt gut kochen und backen.

Und Aycos Hunger kam beim essen. Zu Anfang versuchte er noch zu genießen, schließlich schlang er, bis Luca ihm behutsam die Hand auf den Unterarm legte und den Kopf schüttelte. "Nicht zuviel auf einmal, Dein Magen ist nur das bisschen gewohnt, was ich Dir in den Nächten geben konnte..."

"Du hast mich doch gefüttert," murmelte er fast vorwurfsvoll... Lucas lächelnde, liebevolle Augen antworteten schweigend. Der Elf betrachtete Luca eingehend, musterte ihn, ohne rot zu werden. Er war ein so sanfter Mann, gutherzig und liebevoll... Eigentlich wie nur sehr langweilige Leute waren. Aber der Magier war nicht langweilig weil er sehr viel erlebt hatte und seine Persönlichkeit, dieses Gutmütige, aus seiner Überzeugung kam alles anders zu machen als die, die ihn verletzten. Zudem hatte er eine Ausstrahlung, die nun wirklich nicht harmlos und lieb war, sondern ziemlich erotisch und leidenschaftlich... Aber das konnte man nur unterschwellig wahrnehmen, und dennoch umgab dieser sexuelle Zauber ihn wie ein lustvoller Duft, kaum wahrnehmbares Parfum, dass trotzdem jeden erreichte und mitriss... Schließlich blieb sein Blick an Lucas ebenmäßigen, jungen Gesichtszügen haften, nachdem er eingehend diesen zerbrechlichen aber schönen Körper inspiziert hatte... Aycos Blicke versanken nun fast völlig in den großen, warmen, grünen Augen.

"Luca, warum?" fragte er leise. "Warum machst Du all das für mich? Warum offenbarst Du dich mir so selbstverständlich?"

Luca senkte dieses mal nicht den Blick. "Das weißt du doch, Ayco." Er sah ihn ernst an. "Ich liebe Dich. Ich habe mich in dich verliebt, schon als ich Dich das erste mal sah, in den wenigen Sekunden, die wir einander betrachteten... Seit dem Moment gehst Du mir nicht mehr aus dem Kopf. Seither konnte ich Dich nicht vergessen. Jeder schöne Mann, der mir begegnete verblasste zu einem Nichts, im Vergleich zu Dir, dem Bild, dass ich in meinem Herzen mit mir trug..." Luca verstummte. Ihm wurde klar, dass er sehr viel mehr gesagt hatte, als er wollte... Ayco starrte ihn aus brennenden Augen an und wusste nichts mehr zu antworten, aber mehr als diese sprachlose, atemlose Spannung wog sein Glück über Lucas Sicherheit ihn zu lieben. Nun war er sich ganz klar darüber, dass der Magier nie einem anderen Mann sein Herz geschenkt hatte. Dennoch war er eifersüchtig auf Justin...

Er nahm die Teetasse und nahm einen Schluck. Dann ließ er den Arm sinken. Er spürte, wie er sich immer weiter an Luca verlor.

Der Magier stand auf, streckte ihm die Hand entgegen und sah Ayco an. Sein Lächeln allein hypnotisierte Ayco schön völlig. Er stellte die Tasse ab und richtete sich auf. Große Katzenaugen musterten den schwarzhaarigen Mann. Nach Sekunden streckte er den Arm aus und ergriff Lucas Hand. Wortlos zog ihn Luca auf die Füße und nah an sich... So nah, dass Ayco Lucas nackten Oberkörper berührte. Die glatte, weiche Haut, seine harten, kühlen Brustwarzen und...

Ayco bemerkte überrascht, dass Luca ziemlich erregt war. Aber anstatt sich erschrocken zurückzuziehen, schmiegte sich der Elf enger gegen ihn drückte sich fest gegen Lucas zerbrechlichen Körper...

Der Magier sah ihn irritiert an, aber als sich Ayco immer wieder leicht gegen ihn drängte, in ziemlich eindeutiger Pose, sog er nur noch die Luft durch die zusammengebissenen Zähe ein und schloss die Augen. Er genoss den zauberhaften Elfen, seinen Duft, seinen geschmeidigen, muskulösen Körper und diese wundervoll zarte, bleiche Haut auf seiner... "Dein Haar..." flüsterte Luca. "Dieser Duft verzaubert mich... Du verzauberst mich... Deine ganze, unschuldige Art, dein Verlangen, deine Schönheit, schüren meine Sehnsucht nach dir."

Wortlos schlang Ayco seine Arme um Luca und kuschelte seinen Kopf an Lucas Schulter.

"Versprich mir, dass Du mich nie wieder verlässt. Schwöre es mir!"

Überrascht hielt Luca seinen geliebten Freund n seinen Armen. "Natürlich werde ich Dich nie wieder von mir weglassen... Solang' du mich nur in deiner Nähe willst, werde ich da sein..."

"Dann bleib', verlass mich niemals!" flüsterte Ayco. "Ich brauche Dich, ich will Dich nie wieder loslassen..."

Luca streichelte Aycos Haar. Sein Herz raste vor Glück, drohte fast zu zerspringen... Genaugenommen hatte ihm der Junge nichts anderes gesagt, als dass er Luca immer bei sich haben wollte, für immer...

Der Magier zog Ayco noch enger in seine Arme und vergrub seinen Kopf in den Silberhaaren des Elfen. "Ich verlasse den Orden, endgültig. Sollen sie mir alle Magie nehmen. Ich bin ohnehin nicht mit dem Herzen dabei. Das ist allein bei Dir, mein Schöner. Ich gehe zu Ihad, meinem Großmeister und dann..."

Er lächelte überglücklich und befreit. "Nichts auf der Welt kann mich je wieder von Dir trennen. Ich werde immer bei Dir sein, für dich da sein. Solang ich lebe."

Ein erinnerungsträchtiger Kuss

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Das schwarze Gemälde

36. Kapitel
 

Das schwarze Gemälde
 

Luca fühlte, dass der passende Moment, Ayco in seinen Armen zu halten und ihn zu lieben vorüber war. Aber es störte ihn nicht. Er hatte alle Zeit der Welt und es eilte nicht. Viel eher reizte ihn der Gedanke als einfacher Künstler mit Ayco zusammen zu leben und mit dem Elfen zusammen seine Kinder aufzuziehen. Sie beide als Paar und seine Kinder Sybilla und Kiél... Und außerdem war da noch Lea, Aycos Schwester, der er sein Versprechen gegeben hatte, sie zurückzuholen und er freute sich schon auf diese zeit, insbesondere, wenn er das Glück in Aycos Augen sehen dürfte und wie Lea und seine Kinder groß wurden...

Er saß auf dem Boden und war gerade dabei Aycos Gemälde zu sortieren und gegebenenfalls zu reinigen, da einige doch sehr unter der langen Abwesenheit des Elfen gelitten hatten und immer weiter zustaubten. Ayco holte aus den unterscheidlichtesten Verstecken immer mehr wundervoller Gemälde hervor... und nicht nur Gemälde. Auch Schmuck war darunter, filigrane, zarte Stücke, eine außergewöhnliche Mischung aus menschlicher und elfischer Arbeit. Perlen in einem sinnverwirrenden Gold- oder Silbergeflecht und feinst ziselierte Ringe, Blüten, winzig klein und von solch außergewöhnlicher Feinheit, dass es ein menschliches Auge nicht zu fassen vermochte.

Allein die in sich verschlungenen Anhänger und Fassungen waren nicht die üblichen, in sich verschlungenen Muster, die die Menschen bevorzugten. Sie waren in sich noch mehrfach verwunden und verschlungen, und jedes einzelne war von solcher bezaubernder Schönheit wie der Goldschmied selbst. Ayco hatte in jedes Schmuckstück und jedes Bild seine gesamte Seele und Persönlichkeit gebunden. Luca polierte ihm gerade eben einen Ring auf, einen feinen Silberring, in dessen Zentrum ein Mondstein schimmerte, aber so dezent, dass das leise Funkeln in den Silberschlingen unterzugehen drohte...

Er lächelte nachdenklich und versuchte das Muster mit seinen Blicken zu erfassen. Es war schwierig. Ayco verlangte von seinen Kunden Verstand und Phantasie... Luca konnte sehr leicht nachvollziehen, was Ayco mit dem Schmuckstück auszudrücken versuchte, aber mehr noch ergab das Muster für ihn verschiedene Möglichkeiten von Formen, die in sich perfekt waren... Er stand auf und legte den Ring zu den anderen auf den Tisch. Ayco hockte auf der Tischkante und sortierte aus einem Stoß Bilder einige aus. Er stellte die, die ihm nicht mehr gefielen, auf den Boden und legte die, die sich lohnten, verkauft zu werden neben sich auf den Tisch. Aber insgesamt schien Ayco der Auffassung zu sein, dass nichts gut genug war um noch verkauft zu werden.

Luca setzte sich nun zu seinem Freund auf die gegenüberliegende Tischkante und umarmte ihn vorsichtig von hinten, rutschte weiter zu Ayco und kuschelte sich von hinten an ihn. Er sah ihm über die Schulter. Der Junge legte gerade ein Landschaftsgemälde zur Seite, nachdem er es lange unschlüssig in den Händen gehalten hatte.

"Behältst Du es?"

Ayco nickte nachdenklich. "Es gefällt mir zwar nicht sonderlich, aber es ist eines der Bilder, was sich verkaufen lässt..." Er hob das nächste Bild hoch und sah es sich an.

"Lea..." murmelte er leise...

Luca betrachtete das Bild des Elfenmädchens. Sie saß im hohen Gras, mitten im hellen Sonnenschein und der Wind spielte mit ihrem Haar und den Blüten darin. Jemand hatte ihr unzählige Blumen ins Haar gebunden. Vögel und Bienen umringten sie, Schmetterlinge und Libellen...

Luca sah sich nach Lea um. Er spürte ihre Anwesenheit nur zu deutlich. Das Mädchen hockte seitlich von ihm auf dem Tisch, die Knie an den Leib gezogen und das Kinn auf die verschränkten Arme gelegt. Sie sah traurig zu ihrem Bruder. "Er leidet darunter, noch immer," flüsterte sie. "Das Bild... an dem Tag, als ich starb hatte er mir die Blumen ins Haar gebunden und wir spielten bis zum Abend auf dieser Lichtung."

Luca sah sie still an. ,Ich mache euch beide glücklich, das schwöre ich euch beiden.'

Lea nickte nur. Sie schien seine stillen Worte zu verstehen. "ich weiß, Luca. Ich weiß das ganz sicher. Und ich freue mich schon heute darauf."

Sie lächelte vergnügt und sah zu den beiden Drachen hinüber, die auf dem Kopfkissen Aycos lagen und schliefen. Dann wendete sie ich ihm wieder zu. "Dennoch tust du mir sehr leid, Luca. Du wirst noch viel Leid erfahren, und selbst verletzen, insbesondere den, den Du am meisten auf der Welt liebst."

,Wie meinst Du das, Lea?' Luca sah sie fast ängstlich an.

"Du tust mir leid, armer Luca... Mein armer Luca... Du wirst betrogen, und bist Spielball aller drei Mächte. Du bist Opfer und Preis aller. Traue nur Deinem Herzen, Deiner Liebe zu meinem Bruder. In einigen Stunden wird das dein einziger Halt sein. Luca..."

Sie lächelte traurig, als sich ihr Körper auflöste. "Und verlasse Dich auf mich. Bitte, Onkel Luca..."

Der Magier sah noch einige Minuten schweigend auf den Punkt, an dem sie gesessen hatte.

Er ahnte, dass Leas Worte eine Prophezeiung waren.

Er würde Ayco verletzen? Das schlimmste überhaupt für Luca. Diese Vorstellung machte ihm Angst. Was aber meinte sie damit? Und wieso Onkel Luca...?

Der Magier sah wieder Ayco über die Schulter und küsste leicht seine Wange.

Der Elf lächelte nur leicht und betrachtete ein weiteres Bild, ein dunkles Gemälde, fast nur bestehend aus Schwärze. Ein Hauch von Blau gab Kontraste und Grün, smaragdgrüne Augen, stachen fast wie ein Leuchtfeuer heraus.

"Ich habe so oft von Dir geträumt," flüsterte Ayco. "Das ist eines von vielen Bildern von Dir. Heißt es nicht, dass Seraphin, wenn sie aufeinander treffen, auch in einer anderen Form, voneinander träumen, es spüren?"

Luca nickte nur leicht und starrte das Bild vor sich an. Er sah nichts außer schwarzen, wogenden, nebelartigen Flügeln und fließenden Haaren, die über den Boden flossen... Aber es war so unverkennbar ein Gemälde von Luca, dass es den jungen Magier fast erschreckte.

Luca umarmte Ayco noch fester von hinten. Er zog ihn zu sich hinüber und schließlich auf seinen Schoß.

Im ersten Moment wollte der Elf protestieren, sah dann aber in die traurigen, großen Augen Lucas. Er ließ das Bild sinken und legte es neben sich nieder. Ayco würde das Bild nie verkaufen, auch nicht verschenken oder wegwerfen. Es war das erste fertige Bild dass der Elf von seinem Freund gemalt hatte...

"Luca, bist Du denn nicht glücklich?"

Der Magier betrachtete Ayco lange Zeit wortlos, bis er ihn mit der Nasenspitze anstupste und dann zärtlich lächelte. "Lea hatte etwas gesagt, fast wie eine dunkle Prophezeiung, die ich fürchte."

"Lea?" fragte Ayco leise. "Sie spricht mit Dir?"

Luca nickte leicht. "Ja. Manchmal zumindest."

Ayco sagte nichts dazu. In ihm stieg leise Eifersucht auf, aber er wusste nicht genau auf wen der beiden, denn bislang sprach Lea nur mit ihm und nun auch mit Luca? Er gehörte nicht zur Familie... aber zugleich bemerkte Lea ganz sicher die Schönheit Lucas und er allein wollte Luca haben, für sich allein...

"Was hat sie gesagt?" flüsterte Ayco schließlich doch.

"Dass ich Dich verletze. Wörtlich sagte sie: Du wirst noch viel Leid erfahren, und selbst verletzen, insbesondere den, den Du am meisten auf der Welt liebst."

"Sagte sie mehr?" Ayco schien nun doch allarmiert.

Luca nickte nur still.

"Bitte, Luca, sag es mir..."

Der Magier nickte nach einigen Sekunden. "Ihre Worte waren, dass ich Spielball der anderen sei, dass ich betrogen werde..."

"Abewr nicht von mir!" sagte Ayco bestimmt und funkelte ihn ärgerlich an. Der junge Elf sprach mit solcher Inbrunst, dass Luca nur sanft lächeln und ihn fest an sich drücken konnte. "Das weiß ich doch, Dummerchen. Ich weiß, dass Du loyal und ehrlich bist."

Ayco betrachtete ihn eine Weile und nickte dann. "Verzeih mir..."

"Da gibt es nichts zu vergeben, Ayco, denn Du kennst mich nicht so gut, als dass Du alles aus meinen Gedanken ablesen kannst... und doch..." er sah dem Elfen in die Augen und nickte dann. "Du bist er einzige, der alles über mich zu wissen scheint, nur schon, wenn Du mir in die Augen siehst..."

Ayco lächelte nur. Der Magier schlang seine Arme um die Taille des Elfen und zog ihn fester an sich. "Ich will dich nie aufgeben. Und das werde ich auch nie, aber was sie sagte... Ich habe Angst, dass wir getrennt werden... sie sage wörtlich: Du wirst betrogen, und bist Spielball aller drei Mächte. Du bist Opfer und Preis aller. Traue nur Deinem Herzen, Deiner Liebe zu meinem Bruder. In einigen Stunden wird das dein einziger Halt sein."

"Meinst Du es ernst damit, den Orden zu verlassen?"

Luca sah ihn nur schweigend an. Was glaubte Ayco von ihm?... Er hatte sich entschieden. Einzig und allein für seinen Geliebten.

"Was denkst Du?" fragte er leise.

"Dass Du hältst, was Du mir versprochen hast..." flüsterte Ayco stockend. Luca lächelte nur zärtlich und nickte dann... "Warum glaubst Du, sitze ich hier mit Dir zusammen und helfe Dir, alle Deine Bilder zu sortieren? Warum habe ich mich die letzten drei Monate so um Dich bemüht? Glaubst Du, ich würde nicht alles dafür tun, immer bei Dir zu sein? Ich liebe Dich, Ayco. Ich will mit Dir zusammen bleiben und arbeiten und leben... Und ich will Dir alle meine Träume schenken..."

Ayco lächelte nur sehnsüchtig und zog Luca näher zu sich, um sich von ihm einen Kuss zu stehlen. Der Magier wehrte sich dagegen nicht, sondern gab sich Aycos warmen, feuchten Lippen hin.

Er fürchtete sich am meisten davor, dass Lea recht haben könnte. Und scheinbar ging es Ayco nicht sehr viel anders. Der Elf schob das Bild behutsam von sich und setzte sich nun mit gespreizten Beinen auf Lucas Schoß, schlang seine Arme um seinen Nacken und klammerte sich an ihn. Der Magier betrachtete Ayco, während ihn er Junge mit dieser Hingabe, dieser Inbrunst küsste, als gäbe es keinen morgen mehr für sie beide. Nichts schien ihm nun noch peinlich.... Luca beobachtete die leicht flatternden Lider Aycos, dass er sich bereit war Luca hinzugeben spürte der Maier im Moment zu deutlich. Aber er wollte Aycos Körper nicht benutzen. Im Gegenteil sollte das ganz von selbst kommen, dann wenn Ayco tatsächlich bereit war, wenn er sich eingestand, Luca zu lieben...

Dennoch reagierte der Magier auf Ayco... Luca unterbrach keuchend den Kuss und schlug die Lider herab, als er bemerkte, dass sein Glied immer härter und schmerzhafter in seiner Hose pochte. Es war ihm peinlich dass Ayco es spürte, wenigstens für einen kurzen Moment... bis der Elf über Lucas Lippen strich und sie lächelnd nachzeichnete.

Dem Jungen gefiel der Gedanke von dem Mann geliebt zu werden, der ihn auf diese seltsame Art verzauberte, und Luca hielt ihn gefangen. Spätestens seit sie zusammen gebadet hatten und Luca ihn auf so unfaire Weise erregt hatte, war er dem Magier verfallen, doch bisher war er nicht bereit gewesen das zuzugeben. Doch nun drängte ihn diese ungewisse Angst Luca doch zu verlieren, ohne sich ihm offenbart zu haben...

"Luca... Luca..." er errötete und biss sich auf die Unterlippe. Seine Lider senkten sich über die Augen und der Elf begann unbewusst mit Lucas Haarsträhne zu spielen, um seine Nervosität zu bezwingen...

Wortlos schlang Luca seine Arme um Aycos Schultern und zog ihn enger an sich, beschützend. "mein schöner, wunderschöner Freund," flüsterte Luca und küsste Aycos Stirn. "Ich werde immer bei Dir sein, tief und fest in Deinem Herzen..."

"So also ist das..."

Der Blaue Stern

36. Kapitel
 

Der blaue Stern
 

Weder Ayco noch Luca hatten Justins erscheinen bemerkt, aber plötzlich trat er aus den Schatten und nickte nachdenklich. Seine Mimik drückte tiefen Schmerz und Zorn aus, aber zugleich auch eine gewisse Erleichterung, als sei er froh darüber endlich Gewissheit zu haben.

Sofort umschlag Luca Ayco enger und setzte sich auf, schob ihn auf den Tisch zurück und setzte sich vor ihn. "Justin... Was soll der Auftritt...?!"

Ayco klammerte sich an Luca und umschlang ihn nur noch fester. "Er bleibt bei mir! Er ist mein Partner! Wir arbeiten ab heute zusammen!" schrie er Justin wütend an.

"Ahhh," sagte der Vampir leise. "Du hast Dich für das Diebesgeschäft entschieden, Luca?" Er lächelte verächtlich. "Sicher nicht. Ayco ist ein Dieb und Fälscher. Bist Du als stolzer Magier bereit ein Leben in der Gosse zu führen, oder willst Du an meiner Seite lieber den Abschaum beherrschen?"

"Ich gehöre zu Aycolén, Justin. Vergib mir bitte, aber ich bin sein, immer."

Der Vampir zog nur still die Brauen zusammen und sah dann den Elfen an. "Willst Du diesen Mann zu einem solchen Leben zwingen?" fragte er Ayco ruhig. "Er ist wie ein Diamant, funkelnd und schön und zu gut um ein solch stilles Leben zu führen. Er kann alles, was er will. Ihm ist alles Talent geschenkt worden und das soll er aufgeben?"

Luca starrte Justin aus brennenden Augen an. "Sei still, wenn Dir irgendetwas an unserer Freundschaft liegt schweig endlich!..."

Unbeirrt redete Justin weiter. "Er ist der jüngste Meistermagier den es gibt, er ist gerade mal 31 und schöner als die nacht selbst und lustvoll, wenn er singt oder gar tanzt. Allein sein Körper ist dann seine stärkste Waffe und es gibt keinen, der sich seinem Zauber entziehen kann, denn er ist wie ich, ein Verfluchter, ein Vampir, der es versteht seine Reize ins unermessliche zu steigern und es für jeden anderen unerträglich zu machen, so dass dieser nicht mehr ohne ihn sein will..."

"Er hat recht," flüsterte Ayco benommen, verzweifelt. "ich darf es nicht. Du bist für höheres bestimmt, als hier, bei mir zu sein. Das muss Dich irgendwann langweilen, Luca. Du bist, was Justin sagt, ein Diamant, der in meiner Nähe nicht strahlen..."

Luca schüttelte nur den kopf. "Ich liebe Dich und werde Dich nie verlassen. Nie, Ayco. Du bist alles, was ich brauche und alles was ich will! Du hast vorhin in mein Herz gesehen und weißt mehr denn je, wie es um mich steht. Ich bin kein Magier, kein Künstler, nur ein liebender Mann..."

Justin beobachtete die beiden wortlos. Er konnte nur abwarten, was seine Saat ihm einbrachte...

Aber scheinbar hatte er sich verrechnet, denn Ayco umschlang nur Lucas Nacken und klammerte sich an ihn. "Wenn Du mir das sagst, dann glaube ich Dir."

Wortlos zog ihn der Magier an sich und lehnte seine Stirn gegen die Aycos.

Traurig senkte der Vampir seinen Blick und barg sein Gesicht in den Händen. Alles Leid über den Verlust Lucas schlug nun endgültig über ihm zusammen und unheilvolle Flammen begannen ihn zu verzehren. Als Luca nun Aycos Gesicht in seine Hände nahm und ihn sanft und behutsam küsste, wimmerte Justin leise und sank in sich zusammen, wendete sich ab.

"Luca..." In der Sekunde wuchs der Drang sich die Augen auszukratzen und zu sterben. Das wichtigste Wesen trat nun endgültig aus seinem Leben und war so grausam ihm noch vor Augen zu führen, wie wenig er ihm bedeutete...

Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter und weiche, warme Lippen, die seine Wange streiften. "Ich bin nicht verloren, Justin. Es hat sich seit dem ersten Tag, an dem wir uns begegneten nichts geändert," flüsterte Luca und küsste nun tatsächlich seine Wange. "Du bist immer noch meine einzige Familie, der Freund, der mich tief berührte und auf den ich mein ganzes Leben zählen konnte..."

Müde sah der Vampir auf. Seine blauen Augen versanken in Lucas grünen und er lächelte matt. Der junge Magier wischte ihm behutsam die Tränen von den Wangen und erwiderte sein Lächeln.

Auch Ayco trat nun zu Justin und legte ihm behutsam eine Decke um die Schultern.

"Es tut mir alles so leid..." flüsterte er. "Ich bin an allem schuld..."

"Nein," entgegnete Justin leise und sah dem Elfen in die Augen. "Nein." Er streichelte ihm vorsichtig über das Gesicht. "Dich trifft keine Schuld, Junge. Es hätte jeder sein können. Ich mache niemandem außer Luca einen Vorwurf daraus. Und selbst er kann nichts dafür, denn letztlich habe ich mich in ihn verliebt und dachte in ihm einen würdigen Gefährten in meinem endlosen Leben gefunden zu haben."

Er stand auf und wendete sich den beiden Männern zu.

Behutsam strich er nun auch Luca über die Wange. "Mein Luca, mein wunderschöner geliebter Luca. Du kannst Dir gar keine Vorstellung von meiner Liebe zu Dir machen, oder von dem, was in mir vorgeht, wenn ich Dich in den Armen eines anderen sehe. Sei es nun Mesalla, Kael, Trehearn oder du, Ayco. Aber bisher ist er immer wieder zurück gekommen, immer wieder in meine Arme und mein Bett zurück, weil er nicht ohne mich leben konnte. Doch mit Dir hat sich das geändert, mein kleiner Elfenbruder... Er liebt Dich und du ihn. Das allein wird alles ändern."

Ayco erwiderte Justins Blick, verschüchtert, denn er erkannte endgültig das Ausmaß dieser Dreiecksbeziehung und dass der, der auf der Strecke bleib, unglücklich würde, auf ewig. Er strich sich entsetzt durch das lange Haar und wich zurück. "Luca..."

Der Magier umarmte ihn behutsam, zog aber zugleich auch Justin an sich. Der Vampir seufzte, lächelte schmerzvoll und vergrub sein Gesicht in Lucas Haar...

"Bislang habe ich geglaubt, Du würdest ihn nur missbrauchen, Justin, aber dass Du ihn so liebst, das wusste ich nicht..." Mitleidig hob Ayco die Hand und streichelte über Justins Haar. "Es tut mir leid, vergib mir, bitte..."

Der Elfenvampir hob den Blick und sah ihn aus riesigen gütigen Augen an... Dann brach er bewusstlos in Lucas Armen zusammen.
 

"Luca, wie ist er so lautlos hierher gekommen?"

Ayco neigte sich über den bewusstlosen Vampir, der fast verloren wirkte in dem riesigen bett, den seidenen Laken...

Der Magier hatte Justin zurückgebracht, in das Labyrinth, in sein Heim...

Luca saß neben Justin auf der Bettkante und streichelte sein Haar. "Er ist ein Schattenläufer. Überall wo sich Schatten befinden kann er erscheinen. Er tritt hier in die Schatten ein und kommt bei Dir heraus..."

Luca zog seine Hand zurück und wendete sich um, erhob sich und umarmte Ayco fest. "Mein Platz ist an Deiner Seite," sagte der junge Mann leise. "Lass uns gehen."

Der Elf sah ihn lächelnd an und nickte dann.

Behutsam löschte Luca die Kerzen aus und blickte durch die Finsternis zu seinem Freund. "Träume süß, schöner Prinz und finde Dein Glück."
 

"Er sagte, Du seiest ein Verfluchter, wie er selbst... Was meint er damit, Luca?"

Ayco saß auf Lucas Bett und beobachtete ihn, wie er seine Sachen zusammensuchte und in seine Truhe stopfte.

Die beiden Drachen saßen bei Ayco und beobachtete ihren Freund, der im Gegensatz zu ihnen richtig zu arbeiten schien.

Der Magier sah ihn über die Schulter an. "Ich bin verflucht, ein Vampir, genau wie Justin einer ist. Aber meine Vorgeschichte dazu ist nicht so düster romantisch wie die seine, Ayco. Und ich bin beinah erlöst, im Gegensatz zu ihm..." Er legte seine Robe fertig zusammen und stand dann auf, um sich neben Ayco auf das Bett zu setzen.

Goldy sprang von Lucas Kopfkissen auf Aycos Schoß und sah ihn still an. Der Elf war es gar nicht von der kleinen Drachendame gewohnt, dass sie so schweigsam reagierte. Normal erzählte sie, wenn sie wach war ohne Pause...Luca nahm sich Tam und begann ihm den Kopf zu kraulen. "In einem der Kriege wurde ich verfluch, mein Schöner. Ich nahm ungerechtfertigt ein Leben, um selbst zu überleben... Es war die Schlacht an einem druidischen Steinkreis, einem schwarzmagischen Fokus und wir erwehrten uns einer gewaltigen Übermacht. In wenigen Minuten schon war ich mehr tot als lebendig. Und um meine Freunde zu beschützen wendete ich Magie an, die die Lebensenergie meines Gegners stahl und mir gab... geschwächt wie ich war verlor ich das Bewusstsein und erwachte mit dem Geschmack von Blut auf meinen Lippen. Ich kniete über meinem Opfer und hatte ihm mit meinen Zähnen die Kehle aufgerissen..."

Ayco sah ihn aus brennenden Augen an. Der junge Elf verurteilte ihn nicht, verachtete ihn nicht, fürchtete ihn nicht... Ayco neigte sich zu ihm hinüber, fasziniert von der bedingungslosen Offenheit Lucas.

"Wie wurdest Du den Fluch los? Du erscheinst jedem wie ein normaler Mensch..."

"Ich tat, was ein Gott von mir verlangte. Ich zeugte und gebar ein Kind, meine Tochter Sybilla. Ich gab unter allem Leid und allen Qualen einem Kind das Leben und fand dabei selbst fast den Tot..."

Ungläubig starrte Ayco ihn an. Sicher, Luca hatte schon einmal erwähnt, dass er zwei Kinder hatte, aber Sybilla sein eigenes Kind? Nur aus ihm selbst entstanden? Wie konnte so etwas funktionieren? Luca war ganz eindeutig ein Mann, das hatte gefühlt, als er auf dem Schoß seines Freundes saß und auch mehr als einmal zu deutlich gesehen...

"Wie?" echote der Magier. Ayco wurde bewusst, dass er seine Frage ausgesprochen hatte... Erschrocken legte er seine Finger über die Lippen und errötete wieder.

Luca nahm behutsam seine Handgelenke und zog sie herab. Er lächelte leicht, als er Ayco ansah. "Wir sind Seraphin. Es ist leicht, zwischen beiden Geschlechtern zu wechseln. Ich kann jederzeit eine Frau sein, genauso wie ich Mann sein kann..."

"Aber wieso, wenn Du einen Mann liebst, wirst Du dann nicht zu einer Frau? Macht es Dir das nicht leichter an ihn heranzu..." Er bemerkte wie Luca zusammenzuckte, realisierte, was er gesagt hatte und legte wieder erschrocken die Finger über die Lippen.

"Luca es tut mir..."

Der Magier sah ihn nur still aus riesigen, erschrockenen Augen an und nickte leicht. "Warum... ich weiß es nicht. Würdest Du mich lieben, wäre ich kein Mann?"

Ayco wusste die Antwort nur zu gut. Es war ihm egal ob Luca ein Mann oder eine Frau war, er liebte ihn, bedingungslos.

Aber das zu sagen... so weit war Ayco nicht. Er errötete anstatt dessen nur noch stärker.

Tam lächelte nur in sich hinein, und auch Luca, der genau spürte, was in seinem Drachen vor sich ging lächelte nun auch. Er streichelte Ayco über die Wange und neigte sich zu ihm. "Vergib mir diese Frage, mein zauberhafter Ayco," flüsterte Luca und sein warmer Atem streichelte die weichen, vollen Lippen des Elfen. Dann berührten sie ihre Lippen und er küsste behutsam seinen Freund, sanft und ausdauernd. Ihre Zungen streichelten einander und tanzten, spielten miteinander. Luca spürte, wie heiß und schnell der Atem seines Freundes wurde und wie intensiv Ayco seinem Kuss antwortete, wie gierig und verlangend...

Tam hüpfte aus Lucas Armen und krabbelte zu seiner Schwester. Luca umarmte Ayco nun endgültig und grub seine Hände in die Haare des Elfen. Der junge Mann schlang nun seine Arme um Luca und ließ sich mit ihm zusammen in die Kissen sinken.

Luca spürte zwar, dass es Ayco peinlich war, aber zugleich durchflutete den Elfen eine Woge von tiefer Erregung, einem Verlangen, wie er es nie zuvor erlebt hatte.

Beide Männer empfanden es und es gab nichts mehr, was sie noch davon abhalten konnte, einander zu lieben. Ayco wollte sich Luca hingeben und der Magier brannte vor zärtlichem Verlangen nach seinem elfischen Freund...

"Luca...?!" Tam sprang allarmiert vom Kissen hoch und zerrte unsanft an den Haaren seines Meisters. "Luca!!!!"

Der Magier hörte gar nicht auf seinen Drachen... keine Sekunde lang. Er war viel zu sehr mit Ayco beschäftigt, mit der Tatsache, dass der Elf ihn über alles verzauberte und auf eine Weise erregte wie niemand vor ihm und sicher niemals jemand nach ihm... Nach Ayco würde es niemals einen anderen geben. Das schwor sich der Magier. Niemals würde ein anderer ihn besitzen, niemand, bis auf Ayco...

"Luca!!!" Nun mischte sich auch Goldys Stimme in Tams Geschrei.

Ayco unterbrach den Kuss, unwillig und keuchend. Aber im ersten Moment glaubte er, Justin sei wieder da, und er wollte den Elfen nicht in der nähe seines Freundes. Luca gehörte ausschließlich ihm. Für immer! Er sah Luca noch einen Moment an und lächelte dann verheißungsvoll, aber zugleich flammend rot. Ihn erschreckte weniger der Gedanke, dass er mit Luca schlafen wollte als die Tatsache, dass er mit solchem Nachdruck danach verlangte.

Er richtete sich auf und sah sich um... Aber er entdeckte niemanden im Raum. Sie waren mit den Drachen allein... und auch die tiefen Schatten bargen keinen rothaarigen Elfen oder sonstige Schrecken, die sie noch voneinander abhalten konnten.

Dann verkrampfte sich Luca ruckartig in seinem Arm, krümmte sich zusammen und stöhnte leise auf... Dann brachen seine Schwingen aus seinem Rücken und sein gesamter Körper flammte blau auf!
 

Im ersten Moment bedauerte Luca die abrupte Unterbrechung und überlegte sich schon einige passende Worte für Justin, sollte er es sein, der gerade wieder dazwischenfunken wollte, aber es war kein Justin, kein stofflicher Störenfried... Nichts greifbares... Aber da war wieder die Kälte, die ihn gefrieren, seine Seele sterben ließ, der brennende Schmerz auf seiner Haut, wo Ihad ihn berührte und streichelte, schlug und küsste. Er spürte wie der Stern zwischen seinen Brauen von Elmsfeuern umspielt wurde, flammte und sich durch seinen Schädel brannte, in sein Gehirn und tiefer... bis in seine Seele. Der Schmerz wurde unerträglich, so heftig und alles beherrschend, dass Luca nur noch seinen Herzschlag vernahm, hart und schwer und brutal, als wolle es sich aus seiner Brust befreien und zu Aycolén... Das Blut rauschte in seinen Adern schwoll, verband sich mit dem etherischen, blauen Feuer zu etwas neuen und starkem und bösem. Das Blut, was ihn mit der Macht Ihads und seiner Gewalt nahm und missbrauchte, körperlich und geistig und ihn zu dem zwang, was der Großmeister des blauen Sterns von ihm verlangte, brach aus ihm heraus und veränderte ihn...

Luca kämpfte gegen Ihads Zwang an und gegen seinen Befehl, den Hass und die gleißende Liebe, die ihn knechtete, gegen seinen Ruf, der ihn auf das Feld drängte, hinaus, in einen unbekannten Magierkrieg, zu dem sich Luca am Tag seiner Initiation verpflichtet hatte...

,Nein, Ihad. Nein! Du kannst mich nicht mehr zwingen! Ich will fort von Dir! Ich verlasse Dich und Deinen Orden, für Immer!!!!'

Lucas Seele begann sich aufzubäumen und strebte zu seinem Geliebten, entzog sich Ihad...

Das blaue Feuer in ihm loderte heißer und heller denn je auf und brüllend toste Ihads Stimme in seinem Kopf. "Dich gebe ich nie auf! Du bist mein stärkster Schüler, mein Trumpf gegen meine Feinde, mein letzter fähiger Meistermagier!!!!"

Die kalten Flammen des Sterns wurden heißer und brutaler, trieben Luca fast in den Wahnsinn und verliehen den Schmerzen neue Nahrung, steigerten sie zu einer Agonie, die weit über alles Leid hinausgingen und gebaren das, was er wirklich war...

Die Flammen züngelten an seinem Körper hoch und umhüllten seine Schwingen, verzehrten sie, zwangen ihn in die Knie und knechteten ihn... dann erhob sich sein Wille und er erstarkte unter dem Schmerz. Allein Ayco war noch in seinem Herzen und seinem Bewusstsein und der Schwur, immer bei ihm zu bleiben...

Dann brach der Schmerz ab, der Zwang verschwand und Luca brach kraftlos, ohne Bewusstsein zusammen...
 

"Luca...?" Der Magier stöhnte benommen und hob mühsam die Lider. Es erschein ihm als beinah unmöglich, denn die Nebelfinger seiner Bewusstlosigkeit wollten ihn nicht wieder hergeben.

Allein das milde, warme Licht der Kerzen brannte in seinem Schädel und sorgte für solche Pein, dass Luca sofort den Wunsch verspürte, sich zu übergeben.

Er drehte qualvoll den Kopf und barg sein Gesicht in Aycos Schoß.

"Luca..." Der Junge weinte, das spürte Luca. Heiße Tränen fielen von Aycos Wangen in Lucas Gefieder und der Magier drehte sich mühsam um, hob die Hand und streichelte sanft über Aycos Wange. "Scht, nicht, mein Engel... Weine nicht..."

Allein das kostete Luca mehr Kraft, als er aufzubringen vermochte. Seine Hand fiel schwer in die Kissen zurück.

"Was... was ist nur mit Dir passiert?" flüsterte Ayco heiser und verschränkte seine Finger liebevoll in Lucas.

"Ihad... der Großmeister des Ordens... er wollte mich in den Stern zurückzwingen..."

Lucas Stimme erstarb...

Ayco betrachtete seinen geliebten Freund ängstlich und streichelte ihn sanft. Lucas Haut war Aschfahl und seine Wangen eingefallen, die Augen blutrot von der Anstrengung und seine Lippen zitterten, blasser als seine Haut... und die Adern an seinen Schläfen traten hervor und pochten. Das blaue Pentagramm zwischen Lucas brauen schwelte leicht und der gesamte Körper des jungen Mannes war angespannt und verkrampft... außerdem hatte sich Luca in einen Seraph verwandelt, aber seine Haut bleib weiß und seine Schwingen... auch... Blutig und verkrustet, überzogen mit einer feinen Schicht aus Fleisch und Haut, wie Geburtshaut.

Ayco starrte seinen Freund an, traurig, verletzt, nur weil man Luca verletzt hatte und zutiefst erschüttert, dass Luca es so ernst meinte, was er sagte.

"Luca... du willst wirklich bei mir bleiben?" hauchte der Elf erschüttert.

Stumm deutete Luca ein nicken an und merkte, dass sich einzig seine Pupillen noch bewegten...

"Dummerchen," flüsterte er tonlos. "Ich liebe Dich mehr als mein Leben."

"Luca..." Ayco weinte wieder. Es war ihm völlig gleichgültig, wie sein Freund aussah und umarmte ihn fest, kuschelte sich eng an ihn und klammerte sich an Luca.

Der Magier erwiderte die Umarmung fest und schloss glücklich die Augen... Leas Prophezeiung... sie war damit gegenstandslos.

Zwang

37. Kapitel
 

Zwang
 

Ayco lag in seinen Armen auf dem Bett, eingeschlafen, berauscht von dem tiefen Glück, nicht mehr allein zu sein. Er hatte bis zuletzt in seinen Armen geweint, aber nicht vor Angst oder Schmerz, sondern vor Freude. Es erschien Luca, als sei er nicht zu trösten. Und zugleich war es, als liefe sein Herz vor Liebe über, nur weil dieser Junge so sehr weinte.

Luca wusste, dass er einen Krieg gewonnen hatte, eine Schlacht gegen seinen Großmeister, ohne auch nur Magie anzuwenden und ohne ihm von Angesicht zu Angesicht zu begegnen... Er wusste sehr wohl, dass er Ihad gegenüberstehen würde und einen Schlacht gegen ihn gewinnen musste, um wirklich frei zu sein. Aber für den Moment hatte er ihn besiegt, auch wenn er selbst schwer darunter gelitten hatte. Aber sie lagen nun schon seit Stunden ruhig nebeneinander und sein Körper erholte sich schneller als erwartet...

"Ayco... mein geliebter Ayco, Du bist meine Kraft und mein größter Wunsch, mein geliebter Freund..." Er neigte sich sachte zu dem Elfen hinab und küsste behutsam und sanft seine Stirn. Der Junge drängte sich noch enger in Lucas Arme und kuschelte sich in seine Wärme und sein weiches, weißes Gefieder. "Ich könnte Dich ewig betrachten..."

Er küsste Aycos weiche Lippen. Der Junge erwiderte seinen Kuss sanft in seinen Träumen und reckte sich ihm weiter entgegen drängte sich intensiv an ihn und stöhnte leise...

"Wovon träumst Du nur, Geliebter..." hauchte Luca...

Aycos Schoß drängte sich eng gegen Lucas und bewegte sich sanft, gleichmäßig, eindeutig... Luca sog die Luft durch die Zähne ein und stöhnte leise. Sein Becken bewegte sich im selben Lustvollen Takt wie das Aycos. Er drängte sich intensiv an den Elfen, streichelte ihn mit seinem Schoß, seiner Härte. Er spürte wie Hitze seinen ganzen Körper durchflutete und ihn in Wellen der Lust immer weiter hinauf trieb. Luca küsste Ayco immer wilder und intensiver, atemlos... Er wagte es nicht den Elfen zu streicheln oder seinen Körper zu liebkosen... und zugleich spürte er, dass er Ayco einfach nur durch seinen Kuss und seine lasziven Bewegungen kommen lassen konnte...

In dem Moment wünschte sich Luca nichts anderes, als dass Ayco erwachte und ihn dabei sah, ihm gewährte, ihn zu lieben...

Aber der Elf schlief fest, gefangen in seinen erotischen Fantasien. Luca spürte, wie Ayco seine langen Beine um seine Hüften schlang und sich ihm entgegen bog. Seine Hände krallten sich in die weichen, sauberen Laken von Lucas Bett und er bot sich Luca dar. "Ja..." hauchte er leise und presste sich in heißen Wogen gegen den Magier...

Luca hielt ihn, umklammerte sein Becken und hob es immer wieder an... Er selbst spürte dass er es nur noch Sekunden aushielt. Es reichte allein schon, Ayco zu spüren, ohne in ihm zu sein... allein das... Dann spürte er das zucken von Aycos Glied und spürte die Feuchtigkeit, die heiße Wärme... Gleichzeitig mit ihm kam auch Luca... ihm war in dem Moment völlig egal, dass sie beide angezogen waren. Er wollte es spüren, sehen, dass Ayco auf ihn reagierte, wegen ihm kam... Dann sank der Junge seufzend zurück und kuschelte sich in die Kissen.

Luca beobachtete ihn lächelnd und biss sich dann auf die Unterlippe. In seinen Augen schimmerte erneutes Verlangen, aber auch der Wunsch, Ayco die vollkommene Befriedigung zu schenken. "Dir werde ich alle Lust und Freude bereiten, mein wunderschöner Engel..."

Luca löste seine Arme von Ayco und begann nun seinen Hals und seine Lippen mit unzähligen zärtlichen Küssen zu bedecken, wovon jeder fünfte oder sechste Kuss intensiv und Leidenschaftlich war, er sanft und zärtlich in Aycos duftende, bleiche Haut biss und seinen Geschmack mit der Zungenspitze kostete, sich an ihm fest sog. Es war ein Fest der Sinne für Luca. Er nahm alles tausend mal so intensiv und dicht wahr und er spürte mehr denn je zuvor. Selbst in seinen Träumen war es nicht so erfüllend und schön für Luca gewesen wie er es nun empfand.

Langsam entkleidete Luca Ayco. Der Junge ließ es nur zu bereitwillig zu und gab sich den sanften Händen, die seine Brust streichelten, seine Haut liebkosten hin...

Er schrie leise auf, als Luca an seinen Brustwarzen nagte, sie mit der Zungenspitze umspielte, streichelte, daran sog und sie leicht mit seinen Lippen zupfte... Er spürte das Glied des Elfen, was sich ungezügelt und leidenschaftlich gegen seinen Bauch drängte und kam nicht mehr umhin seinem Wunsch nachzugehen und es zu umgreifen und zu liebkosen, seine Länge und Stärke vollkommen zu spüren, auszukosten. Er stöhnte selbst leise vor Lust auf, als Ayco mit einigem Verlangen sein Becken hinauf trieb und sein Glied immer wilder in Lucas Hand stieß... Der Magier lächelte bei dem Gefühl, was der Elf in ihm auszulösen vermochte und küsste nun endgültig hinab und zu seinem Glied, nahm es gierig in sich auf, sog daran, streichelte es mit seiner Zunge, bis hinauf zu der köstlich glatten Haut der Eichel und kostete mit leisen, leichten, behutsamen Berührungen seinen Geschmack, diesen ersten Lusttropfen, der ihm die Sehnsucht nach mehr gab und Luca enthüllte, wie köstlich Ayco schmeckte. Der Elf schrie nun vor Verlangen, bog sich durch, spannte seine zerbrechliche Gestalt aufs Äußerste und stieß immer wilder in Lucas Mund.

Luca beobachtete Aycos Gesten, seine Lust, sein endloses Verlangen nach ihm und diesen gespannten, fast gequälten Gesichtsausdruck. Und er konnte sich selbst nicht zügeln, nicht bezwingen. Allein das reichte um seine eigene Lust anzutreiben...

Dann begannen Lucas Fingerspitzen Aycos Hoden zu streicheln, sanft zu liebkosen und endgültig zu massieren... Der Elf war nichts dergleichen gewohnt und konnte sich nun kaum noch bezwingen... Er schrie bei jedem Stoß in Lucas feuchten, heißen Mund... Seine Hände zerwühlten das Bett und Lucas Haar, drängten seinen Kopf hinab, in seinen Schoß...

Dann spürte er Lucas Fingerspitzen, die sachte sein Gesäß spreizten und ihn intensiv massierten, sanft streichelten... Luca ließ für einen winzigen Augenblick von Aycos Glied ab und feuchtete seinen Mittelfinger an, um Ayco endgültig zu seinem Gefährten zu machen.... der Junge stöhnte enttäuscht und schrie vor Lust und Schmerz und Gier, als der Magier Aycos Glied wieder in sich aufnahm und zugleich mit seinen Fingern zu ihm kam. Für einen Moment verharrte Ayco reglos, bevor er sich nun noch ungezügelter Luca hingab und sich endgültig zu verlieren schien. Luca spürte es, kurz bevor Ayco so weit war, und bemerkte zugleich, dass er selbst jegliche Selbstbeherrschung aufgab und gleichzeitig mit Luca kam...
 

Aycos wundervoller Geschmack erfüllt Lucas Mund und damit auch seinen Geist noch über Stunden in dieser Nacht. Der Magier war so unendlich glücklich und zufrieden... Er lag lange wach da, Ayco fest in seinem Arm, den er beständig streichelte und kraulte und der wie ein zufriedener Kater schnurrte. Er wollte nicht schlafen sondern einfach nur genieße und sich seines Glückes bewusst werden, was er genießen dürfte...

Doch irgendwann ermüdete er und nickte ein...
 

"Du wirst mir in diesen Krieg folgen, junger, unerfahrener Narr. Du bist es, den ich dort brauche, als Siegel meiner Macht, als Gefäß und Fokus. Deine Kräfte sind außergewöhnlich, weit jenseits allen Könnens Deiner Gefährten und Dein Talent, dein Wissen übertrifft sie bei weitem. Lysander... Luca, komm zu mir zurück!!! Sofort! Dein Schwur bindet Dich an mich!"

Luca kniete auf dem Boden vor dem Rund des Sees, im Herzen der Ordenshöfe, im Herzen des Pentagramms...

Der in den Boden eingelassene Stern... bläulich glühende Flüssigkeit zog die Einschnitte im schwarzen Granit nach und an jedem der Endpunkte fand sich ein Symbol für eines der Elemente... Feuer zu seiner Rechten, Wasser zu seiner Linken, Erde und Leere hinter ihm und Luft vor ihm. Er hockte zusammengekauert da, nicht verschüchtert, nicht ängstlich, aber er spürte die Gefahr hinter sich. Er fühlte Ihads Anwesenheit. Den Hauch des Bösen, die Aura eines Dämonen, eines Gehörnten... Das Knistern seiner Schwingen verriet ihn...

Luca spürte seine Nähe. Dann ergriff ihn die Klauenhand des Dämonenprinzen und Luca spürte, wie er hochgerissen und umgedreht wurde.

"Sieh mich an, Engel!" donnerte Ihad und seine Fange Schlugen dicht vor Lucas Gesicht zusammen. Der Magier allerdings zuckte nicht zusammen. Er sah ihn nur teilnahmslos an.

Das eigentlich wunderschöne, wenn auch brutale Gesicht des Dämonen verzog sich spöttisch. "Keine Angst mehr vor mir?"

"Ich habe Dich als Kind gefürchtet, schon immer wenn Du mich vergewaltigt hast, aber heute, Ihad, heute bist Du mir völlig gleichgültig."

Der Magier lächelte nur matt. Er wusste, dass er sich in Ihads Händen befand, auch wie wenige Chancen er gegen den Dämonenprinzen mit seinem Kupferhaar besaß, aber er würde sicher nicht aufgeben. Er hatte ein Ziel vor Augen... Ayco.

"Du hast mich heute schon einmal überlistet, Luca... Nicht noch einmal!" Der Dämon neigte sich über den nackten, jungen Mann und zog ihn an sich. Luca wehrte sich nicht dagegen. Als Kind noch kämpfte er gegen Ihad an, aber es war sinnlos. Der Maier war körperlich viel zu schwach für Ihad...

Der Dämon presste den schmalen Körper Lucas an sich und riss ihm den Hals mit seinen Fängen auf. Damit hatte auch der Magier nicht gerechnet. Wütend stemmte er sich nun doch gegen die Brust des Dämonen und versuchte sich loszureißen. Aber es war letztlich nur ein Traum, ein verdammter Traum, nichts reelles...

"Lass mich!!!" Er spürte den Schraubstockgriff, in dem er sich befand, die Gewalt Ihads, seinen Hass... Er konnte sich kaum bewegen und gleichzeitig drangen die langen Fänge seines Großmeisters tiefer in seinen hals und seine Schulter ein... Obszön langsam, aber auch brutal.

Er begann Lucas Blut zu trinken, riss seine Fänge aus dem Fleisch des jungen Mannes und biss wieder zu, fetzte ihm Fleisch aus der Schulter und leckte nun gierig das rote blut auf...

"Mehr, Bruder, Geliebter..."

Der Magier wand sich in Ihads Armen und versuchte, trotz aller Schmerzen noch mehr wieder frei zu kommen. "Nie...!"

Verdammt! Wie konnte ein Traum nur solche Schmerzen verursachen?!

"Soll ich Dir etwas verraten?" wisperte die Stimme Ihads neben Lucas Ohr. Er roch nach Lucas Blut... es troff von seinen Lippen... "Ayco, Dein Geliebter, er ist wie Du ein Blaustern gewesen, ein Ordensmagier... und er war mit Dir hier, bei mir, als Du ein Kind warst... er hat sich mir geopfert, seine Macht aufgegeben, um dich vor mir zu beschützen... Ich habe Dich und deinen Geliebten schon einmal getrennt und eure Erinnerung versiegelt. Du hast von dem Tag an nur noch mir gehört... Deine Magie, Deine gesamte unschuldige Macht... und du gehörst mir noch immer, Luca...!!!"

Der Magier versteifte sich in Ihads Griff und hielt für einen winzigen Moment ruhig. Dann füllten sich seine Augen mit Tränen und sein Herz mit schmerzvoller Wut. Seine Lippen formten stumme Worte und zugleich begannen Elmsfeuer den Stern auf seiner Stirn zu umspielen.

"Nicht so einfach, Luca... Wenn du Dich gegen mich wehrst, mir den Gehorsam verweigerst, töte ich Ayco endgültig."

Lucas Herz setzte einen Moment aus. Er starrte Ihad an... Im Moment lähmte die Angst um Ayco ihn. "Ayco... Du Monstrum!" Der Magier zitterte am ganzen Leib.

"Glaube mir das eine, Luca-Seraphin Veraldis, Du hast nichts gegen mich in der Hand und mir fällt es nur zu leicht in Aycos Träume einzudringen und ihn zu vernichten. Allein den letzten Traum hätte ich ihm zur Hölle machen können, als du ihn geliebt hast..."

Hilflose Wut flammte in Luca auf erneut, heißer denn je. "Traummagie..."

"Jaaaaaa..." flüsterte Ihad gedehnt und streichelte Lucas Gesicht, verteilte sein blut auf dem blassen Jungengesicht. "Ich bin kein Spezialist, wie Du... ich beherrsche alle Formen der Magie, alle!!!"

Luca drehte den Kopf so weit er konnte weg von Ihad. "Was willst Du von mir..."

"Gewinne meinen Krieg und herrsche an meiner Seite..."
 

Luca saß vor dem Pergament und starrte die Buchstabe an... Sie verschwammen immer wieder vor seinen Augen. Die Tränen machten es ihm unmöglich, sich auf seine eigene Schrift zu konzentrieren.

Er drehte sich herum und streichelte Ayco über das silberne Haar. Erschöpft wie der Junge nach seinem Erlebnis mit Luca war, schlief er friedvoll und tief.

Die Trauer im Herzen des Magiers schnürte ihm die Luft ab. Er weinte ohne Unterlass seit er erwachte und nichts auf der Welt konnte ihn beruhigen. Er war sich nicht einmal sicher, dass man nach allen Tränen, die auf das Pergament gefallen waren, noch die Schrift lesen konnte...

Er neigte sich nun hinab zu Ayco und küsste sanft seine Lippen. Der Junge erwiderte sanft den Kuss...

"Ich liebe Dich auch, Luca," flüsterte Ayco und rollte sich nun vollends zu dem Magier herum. Er umschloss Lucas Hand mit der seinen...

Dem Magier blieb fast das Herz stehen, als er das sah, fühlte...

"Ayco... mein geliebter Ayco... mein Engel. Ich liebe Dich mehr als mein Leben. Und ich schwöre Dir dass ich in jeder Minute bei Dir bin..."

"Ich bleibe bei ihm, dann weißt Du immer wie es ihm geht, Luca..."

Goldy saß neben Aycos Kopf auf dem Kissen. Sie wirkte so verloren und Klein und schwach... einsam, wie auch Ayco. "Ich will nicht weg!"

"Geh..." flüsterte Goldy und sah ihren ehemaligen Herren an. "Bitte, sonst tötet er Ayco."

Auch Lea materialisierte nun neben ihrem Bruder auf dem bett und sah zu Luca. "Wir bleiben bei ihm. Sorge Dich nicht, Luca," murmelte sie leise. "Achte lieber auf Dich, denn Du wirst gerade eben verraten..."

"Das alles ist mir gleich, Lea. Und wenn sie mich umbrächten wäre es gleich. Ich würde für ihn aus der Hölle selbst zurückkehren. Ich liebe ihn, mehr als alles auf der Welt."

Das Mädchen nickte nur noch matt. "Ja, das weiß ich, Luca..."

"Lass uns gehen, Luca... Du bist nicht allein. Du hast immer noch mich..." Tam krabbelte aus Luca bodenlanger, silbergrauer Magierrobe hervor und setzte sich auf die Schulter seines Freundes... Der junge man sog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, sagte aber nichts. Tams Krallen schlugen gerade dort in seine haut, wo Ihad Luca zweimal gebissen hatte... Die Stellen bluteten noch immer leicht und taten höllisch weh. Aber Luca hatte die Verbindung die ihm der Dämon angeboten hatte, verweigert. So nahm Ihad ihm Blut, aber Luca akzeptierte nicht das des Großmeisters.

Luca löste behutsam seine Finger aus denen seines wunderschönen Freundes und küsste ihn ein letztes Mal, ein über alle Massen zärtlicher Kuss. Es wurde ihm schwerer denn je, sich von diesen süßen Lippen zu trennen.

"Luca... mein Luca..."

Der Magier legte ihm den Brief in die Hand und seine Panflöte, deren Spiel er geliebt hatte... Im Moment schien bei Luca alle Erinnerung an den Inhalt des Briefes Gelöscht... er erinnerte sich nur noch, dass er es mit brennendem Herzen geschrieben hatte... Dann nahm er sich seinen Dolch und wand eine von Aycos Haarsträhnen um seine Fingerspitzen, schnitt sie ihm ab... Der Junge knurrte unwillig... Über Lucas Lippen huschte ein Lächeln. Traurig, unendlich traurig. Sein herz blutete und etwas brach in dem Moment, in dem er sich umwendete und sich zur Türe schlich. "Auch wenn Du es nie erfahren wirst, aber ich bin in jeder Sekunde bei Dir..."
 

"Du gehst?"

Luca stand am Rande des Labyrinthes zur Innenstadt Valvermonts... er verharrte reglos bei der Stimme. Justin trat, nachdem er sah, dass Luca nicht weiter ging, zu seinem Freund und schloss seine Finger um Lucas Hand. "Geh und kehre bald zurück, mein Liebster."

Der Magier drehte sich langsam, wortlos zu Justin um und sah ich aus roten, nassen Augen an. Er fiel ihm mit einem leisen Aufschrei um den Hals und drückte Justin an sich. Der Vampir hob die Brauen, akzeptierte es aber wortlos, denn es tat gut. Das war sein Geliebter, der Mann, dessen Herz immer wieder zu ihm zurückfand...

Es brannte ihm auf der Zunge, Luca zu sagen, dass er hier bleiben konnte, dass Ihad keine Macht über ihn besaß, schon weil der junge Magier längst sein Geheimnis, dass ihn einst an den Orden band, hinfällig war. Schließlich gab es das Geheimnis gar nicht mehr... Ihad konnte ihn zu gar nichts zwingen, mit nichts, denn Lucas Macht ging schon jetzt weit über die des Dämonen hinaus, zumal er, der Seraph schon lang kein schwarzer Engel mehr war sondern ein wirklicher Engel, der Ihad mit Leichtigkeit die Stirn bieten konnte...

"Luca ich..." Justin sah ihn lange an. Die Worte brannten wie Feuer auf seinen Lippen.

Dann aber sah er die nicht versiegen wollenden Tränen Lucas und begriff, dass sie nicht wegen ihm fielen.

"Geh mein Freund. Ich werde mich um Ayco kümmern. Es ist das vordringlichste, dass du deine Aufgabe erfüllst. Danach wirst Du freier sein... vielleicht frei von Deinem Orden, frei für immer..."

"Achte gut auf ihn. Er ist das wertvollste Geschöpf in meinem Leben."

Mache ich," lächelte der Vampir. "Das schwöre ich Dir bei allen Göttern, an die ich glaube..."

"Danke, mein Freund..."

Luca drückte Justin sanft an sich und küsste seine Wange, drehte sich dann um und ging...

Der Vampir sah ihm nach, bis seine zerbrechliche Silhouette im Nichts verschwunden war, verschlungen von den Schatten, mit denen seine graue Robe und das schwarze, nachwehende Haar, was ihn wie einen Mantel umgab, verschmolzen.

"Niemand soll Dich haben, wenn ich Dich nicht haben darf, Luca, Niemand, dann sehe ich Dich lieber tot."
 

Lucas Herz raste. Ihm viel plötzlich wieder ein, was er Ayco geschrieben hatte und sein herz brach in dem Moment endgültig...

Er umklammerte die Haarsträhne in seinen Händen und zog in den Krieg...
 

Mein Ayco,
 

wenn Du diese Worte ließt, werde ich nicht mehr in Valvermont sein.

Du hattest recht, ich bin Wertlos und ein Betrüger, das Monstrum was Dir endgültig das Herz gebrochen hat. Hasse mich, wenn Du willst, aber nichts dergleichen geschah freiwillig.

Ich wie nicht, wie ich mich erklären soll. Aber ich hätte dich ganz sicher nie verlassen, nicht von mir aus. Leider bin ich nicht Herr meines Körpers. Das bewies mir Ihad vom Blauen Stern sehr deutlich in dieser Nacht... Ein solch unzulängliches Geschöpf wie mich solltest Du schleunigst aus Deinem Herzen und Deiner Erinnerung streichen, denn ich bin Deine liebe nicht wert.

Ich habe meinen ersten Kampf gegen Ihad gewonnen, aber den Krieg gegen ihn verloren... fast.

Eines weiß ich zumindest, dass ich, gleich was geschieht, zurückkehren werde und dann, wenn Du willst, für immer bei Dir bleibe.

Sei Dir dessen gewiss dass ich sogar meinen Schwur halte. Ich bin bei Dir, aber nicht stofflich. Ich kann Dich in Deiner Einsamkeit nicht Trösten, Deinen Schmerz nicht lindern oder Dich jederzeit in meine Arme schließen und Dich beschützen... und dennoch bin ich da du weiß jede Stunde, was mit Dir ist. Ich bin in Deinem Herzen und Du in meinem.
 

Ich weiß nicht, was mir bevorsteht. Es ist ein Krieg unter Magiern, eine Schlacht gegen unbekannte Gegner an fremden Fronten in anderen Ländern... und ich habe furchtbare Angst. Nein, nicht vor meinen Gegnern... Du siehst, ich nenne sie nicht Feinde, weil ich nicht weiß, ob es Feinde sind. Jeder einzelne ist ein Individuum und ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Gegner mich automatisch ebenso als grausamen Feind sehen. Aber das ist nebensächlich. Meine einzige Angst gilt immer noch nur Dir, denn Du bist mein Leben, meine Hoffnung und mein einziger Wunsch.

Bitte, halte für mich durch und warte auf mich, auch wenn die Einsamkeit grausam sein kann.

Ich werde zurückkehren, gleich was auf dieser Welt geschieht... und nichts wird mich davon abhalten können. Mein Platz ist an Deiner Seite, mein Leben ist an Dich gebunden, mein Glück bist allein Du...
 

Irgendwann werden wir miteinander leben können, frei und glücklich und ich werde nie wieder zaubern müssen... nie wieder töten... Ich wünsche mir, Dein Partner zu sein, mit Dir zu arbeiten und zu malen, nur noch für Dich zu singen und zu tanzen...
 

Ich habe Dir noch so viel zu sagen, aber ich kann es nicht mehr, denn die Tinte verläuft unter meinen Tränen und ich sehe nicht einmal mehr die Buchstaben.
 

Ein Lebewohl wäre falsch. Wir werden uns wieder sehen und dann lege ich Dir alles zu Füßen, mein ganzes Sein...
 

Ich liebe Dich, mehr als mein Leben...
 

Luca
 


 

Ende Erstes Buch



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (125)
[1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11...20] [21...22]
/ 22

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Felinae
2006-07-23T10:38:51+00:00 23.07.2006 12:38
O_O
das wird immer besser und ergreifender.. T_T
Mein Gpott, ich hab ja tatsächlich nur totalen Blödsinn gezeichnet.. *abermals ein blatt zerknüll und dann in kleine fetzen zerreiß, in mülleimer werf und hineindrück*
Das kann man ja fast gar nicht zu Papier bekommen.. =/
Okay, das Bild wird dch mehr Zeit in Anspruch nehmen als gedacht... schon alleine die Vorbereitung dafür.. bevor ich überhaupt den Stift für die "Hauptzeichnung" ansetze.. fuh.

Und der arme Luca.. man, ich kann das voll nachvollziehen, wie er sich fühlt. Ich würde genauso handeln wie er , wenn es um meine Liebe gänge!
Wirklich traumhaft... -seufz-
Von:  Felinae
2006-07-16T15:47:01+00:00 16.07.2006 17:47
Kann mich da nur anschließen.
Dieses Kapitel ist genauso gut wie das Vorherige.
Sehr gute Wortwahl und einfach nur fesselnd.
Von:  Felinae
2006-07-16T11:38:20+00:00 16.07.2006 13:38
Was?
So wenig Kommentare?
Das fasse ich nicht - ein Glück, dass Koriko mich auf deinen bzw deine FFs aufmerksam gemacht hat und noch einmal Dank, dass ich auch wirklich hier drauf geklickt habe.

Ich finde es einfach nur wundervoll, wie du schreibst und erst Recht Luca und Ayco x3
Koriko hat Recht, dieses FF kann mir echt nur bei der Zeichnung der Beiden helfen - aber ich hoffe trotzdem stark, dass ich das so hinbekomme, dass es wenigstens annäherungsweise den Beiden ähnelt.

Und jetzt hab ich ja auch erst einmal nur die drei Seiten hier gelesen. Ich muss sofort auf das nächste Kapitel klicken und deine Worte in mich aufnehmen.

Herrje, einfach nur ein Dickes Lob!

Liebe Grüße
Alex S
Von: abgemeldet
2006-07-12T19:55:43+00:00 12.07.2006 21:55
*heult-sich-die -augen-aus* DER SCLUSS IST JA SO TRAURIG!!! ABER DIE STORY IST SO SCHÖN!!! (HAB ALLES AN EINEM TAG GELESEN)
Von:  RayDark
2006-06-18T14:44:54+00:00 18.06.2006 16:44
*sprachlos desu*
Das ist so traurig! Luka soll nicht gehen ><
Und was hat Justin blos vor?!

Du hast einen super Schreibstyl und die Story... dafür gibt es kein Wort! Die ist unbeschreiblich schön!!!
Ich habe die ganzen 40 Kapitel an einem Stück gelesen, da ich nicht aufhören konnte und immer wissen musste, wie es weiterging^^

Dann werde ich mir mal die nächsten Bände durchlesen ^.~
Von:  Silverslayer
2004-11-27T15:45:42+00:00 27.11.2004 16:45
Armer Luca!!!!
Warum is er auch so verdammt dickköpfig?!

By the way..schickst du mir bitte das adult-Kapi?
Von:  Silverslayer
2004-11-27T15:34:26+00:00 27.11.2004 16:34
hihihi
*räusper*
Also ich glaub Orpheu wird mir immer symphatischer
*g*
Von:  Silverslayer
2004-11-27T15:29:22+00:00 27.11.2004 16:29
Wow!

Deine Bilder sind ja schon der hammer, aber deine Storys sind noch besser. Die selben Gefühle, die du in deine Bilder elgst, kann man auch hier spüren.

Klingt jetztetwas (sehr) Kitschig, es is aber so......
Von:  Suzaku
2004-08-12T06:30:06+00:00 12.08.2004 08:30
Ich bin jetzt mit dem ersten Buch durch und kann es schon gar nicht erwarten, weiter zu lesen. (Wird bestimmt ne lange Nacht. ^^'')
Deine Texte sind so fesseln und die Gefühle so... so tiefgehend beschreiben, dass ich überhaupt nicht mehr von loskomme.
Von:  Cariad
2004-06-26T14:11:42+00:00 26.06.2004 16:11
Wahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh ich weiß so was macht man nicht aber jetzt bin ich mit dem ersten Teil durch und konnte ein paar Kapitel noch nicht lesen, wie lange dauert es denn noch bis ich endlich für die ü18-Sektion freigeschaltet bin! Hoffentlich bald! Och die Geschichte ist so toll, ich fieber total mit und aufs Lernen kann ich mich gar nicht mehr konzentrieren *seufz*

ganz viele liebe Grüße Cariad


Zurück