Interdependenz Buch 1 von abgemeldet (Die schweigende Lilie) ================================================================================ Kapitel 28: Wenn Träume Flügel kriegen -------------------------------------- Luca hatte die Welt um sich vergessen. Er merkte, wie sich Ayco ihm gegenüber immer weiter öffnete. Allein das ließ ihn nur noch Ayco sehn. Der Elf wurde zum Zentrum seines Bewusstseins, dem Licht, was Luca aus seiner eigen gewählten Isolation leitete. Es gefiel ihm, Ayco aus dieser Welt zu entführen und ihn in die Wolken mitzunehmen, die seine Träume beherbergten. Manchmal bemerkte der Magier, dass Aycos Gedanken abdrifteten, doch dann gelang es ihm die Phantasie des jungen Mannes wieder so mitzureißen, dass er Ayco auf die höchsten Höhen der Träume mit sich nahm. Der Junge, der zwischen seinen Beinen saß, wurde wieder zu dem Engel, diesem wunderschönen, zerbrechlichen Geschöpf, dessen Silberhaar wie Mondlicht über die Nachtschwarze Haut floss. Und mit jedem Wort, jeder neuen Geschichte, jedem neuen Gedicht, breitete er weiter seine Flügel aus. Funkelnd sprühte das Wasser, als er seine gewaltigen, weichen Schwingen bewegte, um hoch hinauf zu steigen. Nebel bildete sich und dann stob Ayco dem Himmel entgegen... Luca hatte Schwierigkeiten das Bild aus seinen Erzählungen herauszuhalten, denn es manifestierte sich immer weiter, zeitgleich mit der Erkenntnis, dass es das einzig stimmige Bild für einen solch zauberhaften Freigeist wie Aycolén war. Nur nahm der Junge in seinen Visionen die Gestalt des Elfen an, mit marmorner, schimmernd weißer Haut und silberweißem Gefieder. Ein wahrer Engel, stolz, unbeugsam, wild und schön. Luca bekam bei diesen stillen Überlegungen zum ersten Mal einen Eindruck davon, weshalb der Junge sterben wollte nach all dem, was man ihm angetan hatte. Der Gedanke schnürte ihm die Kehle zu... Keuchend unterbrach er sich in seinen Erzählungen und spürte Die Blicke Aycos verrieten Verwirrung, einen offene Frage. "Bitte, kannst Du mir vergeben...?" flüsterte der Magier leise. Ayco sah ihn aus riesigen Mandelaugen an. "Wofür?" fragte er, mit so viel Naivität und Unwissenheit in seiner Stimme. Hatte er denn schon alles schlimme vergessen, was ihm Luca angetan hatte? Konnte ein Man wie Ayco so schnell vergeben? Luca senkte still den Blick. "All das, was ich Dir schon angetan habe... Dabei wollte ich nur helfen, Dich nur am leben halten, um zu sehen, dass Du glücklich wirst." "Für mich gibt es kein Glück," murmelte Ayco ernst und setzte sich etwas auf den Stufen auf. "Doch!" rief Luca entsetzt. "Sicher wirst Du wieder glücklich sein können!" "Was versprichst Du Dir davon, Magier?! Was ist Dein Preis dafür?! So etwas ist nicht zu bezahlen, und nicht zu machen, ohne dass es falsch klingt!" Lucas Augen füllten sich mit Tränen. Ohne dass er es wollte, begann er zu weinen. Er bemerkte es auch gar nicht wirklich. Lange zeit sah er wortlos zu Ayco. Preis? Warum glaubte der Junge, er habe einen Preis? Dass Glück nicht käuflich war, wusste Luca zu gut. Jemand, der sein ganzes Leben hindurch so unglücklich war, wie Luca, fand nur selten Frieden. Aber er wollte wenigstens den Versuch machen dürfen, Ayco abzulenken, ihm ein wenig Hoffnung und Freundschaft zu schenken, ihm die Warme und das Vertrauen zu geben, dass ihm noch fehlte. "Was ist der Preis für mein Leben...?" fragte der Junge. In seine Stimme schlich sich ein kleines, leichtes Zittern, was er nicht kontrollieren konnte. Teils war es Wut, teils aber auch der Gedanke, Luca ein weiteres Mal weinen zu sehen. Der Magier zeigte ihm seine Schwäche. Er schien immer so offen und ehrlich zu sein. "Ist es mein Körper?!" zischte er herausfordernd, aber es klang nicht mehr echt. Diese Provokation war ein letztes Aufbegehren gegen die sanfte Geduld Lucas, die vielleicht nu ein Trick war... Aber daran glaubte Ayco selbst schon nicht mehr. "Ich kann Dich nicht zwingen, und ich will es auch nicht. Schon gar nicht zu Deinem eigenen Glück. Aber..." Er sah Ayco ernst in die Augen. "... dann möchte ich wenigstens für einen winzigen Moment Dein Lächeln sehen, eines ohne Ängste, Sorgen und Misstrauen. Das wird mir bis zum Ende meines Lebens reichen, Ayco. Das ist die einzige Bezahlung, um die ich bitte." Wortlos setzte er hinzu: ,Solltest Du mich dann nicht mehr brauchen, finde ich wenigstens in diesem Moment meinen Frieden.' Ayco starrte ihn verblüfft an. "Lächeln..." echote er. "Was für ein Spiel treibst Du?!" "Gar keins," entgegnete Luca nur still. "Ich versuche nur der zu sein, an den Du Dich lehnen kannst, wenn Dir die Kraft fehlt aus eigenem Antrieb zu stehen und zu gehen." Diesmal antwortete Ayco nicht sofort. Es dauerte lang, bis er murmelte: "Warum?" Luca hob vorsichtig die Hand und strich über Aycos Wange. Der Elf erstarrte kurz, ließ es aber über sich ergehen... und dann merkte er, dass er die langen, dünnen, warmen, sanften Finger mochte. Unbewusst kuschelte er seine Wange in Lucas Handfläche und schloss die Augen. Es lag so viel Liebe und Wärme in dieser Berührung. "Weil ich Dich in mein Herz geschlossen habe..." Luca zögerte leicht, schluckte dann aber hinunter, was er sagen wollte. Diese Worte hätten vielleicht dieses zarte Pflänzchen, diesen Keimling von Vertrauen sofort wieder zerstört... und dennoch wollten ihm die Worte nicht aus dem kopf gehen... diese vier kleinen Worte... ,Weil ich Dich liebe...' Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)