Interdependenz Buch 1 von abgemeldet (Die schweigende Lilie) ================================================================================ Kapitel 23: Stärke ------------------ Ein Kaleidoskop aus surrealen Bildern und Farben gerann nach und nach zu einem neuen Alptraum. Sprechende Drachen zerbissen den Traum von Leas Tot und riefen Gedanken und Gefühle wach, die Ayco ängstigten, die ihm vorgaben auf einem Meer von Blut zu treiben, einsam und verlassen... Und dennoch spürte er in seiner Angst, dass jemand nach ihm rief, ihn suchte, ihn brauchte. Aus dem Blutmeer erhob sich die blasse, blutige Schönheit Justins, dessen flammende Locken wie der rote Sonnenaufgang waren. Sadistisches Gelächter erfüllte ihn... quälte und peinigte Aycos feine Sinne. Das Rauschen gewaltiger Flügel, milde, warme Schwärze, weiche Federn... Und dann fühlte Ayco sich umarmt, umfangen von der tiefsten Schwärze, die ihm je begegnet war. Und dennoch war in all der Finsternis alle Liebe, alle Seele vertreten, die er sein ganzes Leben lang gesucht hatte... Dennoch erwachte er mit lautem Aufschrei... "Scht, ruhig." Luca drückte Ayco behutsam in die Kissen und deckte ihn behutsam wieder zu. Er lächelte sanft. "Ich bin bei Dir, Aycolén. Ich bin da. Ich lasse Dich nie allein." Ayco senkte die Lider, den Blick. Im Moment fühlte er sich schäbig, nervös, ängstlich, aber auch sehr wohl, den er wusste, dass er in Lucas Bett lag, und so lang Luca hier, bei ihm war, würde der Magier auch nur ihm gehören. Es tat zu weh, dass Justin ihn besessen hatte... Justin, er war nicht gut, er war ein Monster, der ihm nahm, was Ayco fast so sehr brauchte wie die Luft zum Atmen. Dieses Wissen machte Ayco wahnsinnige Angst. Angst vor seinen Gefühlen, Angst aber auch vor Justin, der ihm immer wieder Luca wegnahm. Es war mehr als nur ungerecht, wenigstens empfand Ayco es als absolut grausam, und es störte sich mit seinem übersteigerten Gerechtigkeitssinn... Außerdem war er wahnsinnig eifersüchtig. Er hatte alles vergessen, Was Luca ihm in seinen Augen angetan hatte. Das einzige, was für ihn noch zählte, war ein Luca, der nur für ihn da war. Ausschließlich für ihn! "Du hast mich gerettet," sagte Luca leise. "Danke." Er lächelte Ayco so lieb und sanft an, dass der Elf ihn nur noch ansehen konnte, ihn gar nicht mehr aus den Augen zu lassen im Stande war. Luca hatte immer noch die zerrissenen Kleider an und sah ziemlich zerschlagen aus, aber er war da... "Willst Du nicht endlich etwas essen? Du bist so dünn geworden." Ayco betrachtete Luca, der neben ihm auf der Bettkante saß. Im Moment sah er wieder wie dünn Luca eigentlich war. Unterernährt und knochig. Vermutlich wog der junge Magier keine 70 Kilo mehr, eher 60... Und er wirkte so zerbrechlich wie eine junge Elfenfrau. Je länger Ayco den fast nackten jungen Mann betrachtete, desto weniger menschlich erschien ihm Luca. Für einen normalen Menschen war Luca zu groß und zu zerbrechlich, sein Gesicht zu ruhig und klar... und die Augen zu weise und alt. Und jetzt, wo Ayco Luca zum ersten mal direkt betrachtete, direkten Augenkontakt zu ihm hatte, fiel ihm erst auf wie schön Luca war, wie warm und liebevoll der Blick des Magiers und wie gefühlvoll sein Lächeln waren. Die schmalen, langen Fingen des Magiers zupften sie Decke zurecht str4eichelten aus der Bewegung heraus über Aycos Wange... Im ersten Moment wollte der Elf zurückzucken, machte es aber nicht. Es tat gut, von ihm berührt zu erden, sehr gut. Ein Gefühl von absoluter Wärme durchflutete Ayco und es gelang ihm gerade noch so, sich nicht in seine Hand zu schmiegen. Luca wollte gerade aufstehen, als Ayco nach seiner Hand tastete und ihn festhielt. Der Griff schien schwach und leicht, entkräftet, aber dennoch hatte es etwas erschreckend ängstliches, panisches. "Ich gehe nicht weg." Er blinzelte Ayco zu. "Ich bleibe ja hier." Er machte eine Kopfbewegung nach unten. "Hier stehen Tee und Obst und ein wenig Brot für Dich." Ayco sah ihn nur verwirrt an. "Du bist so schwach geworden. Und außerdem bist Du mir sehr wichtig. Ich möchte, dass Du lebst, dass Du glücklich wirst." Er neigte sich zu Seite und zog sich dabei die Überreste seines Hemdes über seinen entblößten Schoß. Neben dem Bett goss er etwas kalten Tee in einen Tonbecher und nahm ihn auf. Als er sich aufrichtete sah ihn Ayco groß an. "Schau mal, mein kleiner Trick." Luca begann sich auf den Becher zu konzentrieren und murmelte ein paar Worte. Goldenes Licht schimmerte zwischen seinen Finger, umhüllte den Becher und dann stieg dampf auf und das Aroma des Früchtetees stieg Ayco in die Nase. Erst jetzt fiel ihm auf wie viel Durst er hatte, und dass sein Magen knurrte... Sehr deutlich knurrte... Peinlich berührt sah Ayco zu boden und errötete. Lächelnd betrachtete ihn Luca und reichte ihm den Becher. Mit zitternden Hände tastete Ayco danach. Halten aber konnte der Elf nichts. Selbst der Becher erschien ihm derweil wie Blei. Luca stellet den Becher ab, richtete Ayco behutsam auf, legte ihm ein Kissen in den Rücken und lehnte ihn behutsam gegen die Wand. Der Elf hatte Angst, das spürte er, aber mehr als das genoss Ayco auch Lucas Nähe, den warmen Körper, der ihm so nah war, dass sie sich kurz berührten. Und dann, als sich Luca wieder aufrichtete, berührten seine Lippen leicht die Ohrspitze des Elfen. "Gut so?" flüsterte Luca. Ayco saß wie elektrisiert da. Ein unglaublicher Schauer durchfuhr ihn, erfüllte ihn mit einem nie gekannten Gefühl von Verlangen... Sein Herz raste, seine Haut wurde wärmer und eine Welle sanfter Erregung durchfuhr ihn. Lucas Lippen waren so weich und warm. Solch volle und schöne Lippen... und Lucas heißer Atem, der ihn streichelte, seine Ohrspitze kitzelte... Unsicher, mit flammend roten Wangen saß Ayco da und schaute ins Leere. Er nickte schwach, ohne Lucas Worte richtig verstanden zu haben. Luca entfernte sich von ihm und die Kälte schlug wieder über Ayco zusammen. Auch wenn der Elf es nie zugeben würde, aber er wollte Luca so nah spüren, wollte, dass der Magier immer so dicht als möglich bei ihm war... Luca nahm den Tee wieder auf und sah zu Ayco. "Möchtest Du?" Ayco wollte den kopf schütteln, doch aller falscher Stolz war hier fehl am Platz. Er hatte furchtbaren Durst. Also nickte er schwach. Er spürte wie ihm Luca den Becher an die Lippen setzte und als die ersten Tropfen Tees seine Lippen benetzten, erwachte sein Durst brüllender und grausamer denn je. Gierig trank der Elf. Voller Sehnsucht und Genuss, fast wie ein obszöner Akt unaussprechlicher Leidenschaft empfand er dieses Verlangen nach etwas Flüssigem. Dennoch aber konnte er nicht anders. Er stöhnte enttäuscht, als der Becher leer war. Lucas Lächeln freute ihn irgendwie auch. Sofort füllte der Magier nach und erwärmte wieder den Tee. Ayco griff nach Lucas Händen und zog sie mit dem Becher an seine Lippen und trank wieder... Immer wieder und wieder füllte Luca nach, bis die Kanne leer war. Er fühlte sich danach besser, erfrischter, und irgendwie fast satt, ohne etwas zu essen. "Ich gehe dir gleich noch mal Wasser und Tee holen, aber jetzt iss erst." Ayco sah ihm eine Weile in die Augen. Luca legte irgendwann den Kopf schräg und lächelte wieder auf diese herzlich sanfte Art und Weise, die Ayco einfach nur als absolut arglos und lieb erschien. Offenbar lag Luca viel an ihm, viel mehr als er geglaubt hatte. Vielleicht nur aus diesem Grund begann er zu essen... Ihm viel aber auch auf, dass Luca nur ihm immer wieder kleine stücke Obst oder Brot mit Rahm und Käse in den Mund schob. Ayco empfand das als ungerecht, zumal Luca selbst so dünn war, dass er eher einem lebenden Skelett glich... Zwischendurch konnte Ayco immer wieder einen Blick auf Lucas Körper erhaschen, und es ängstigte ihn zutiefst, dass ein erwachsener Mann von solcher Körperlänge nicht mehr wiegen konnte als ein Mädchen, eine Halbwüchsige. Und selbst wenn in seinen Adern Elfenblut floss, selbst wenn er kein reiner Mensch war, so sah er doch absolut unterernährt aus... Ayco wurde einfach nicht bewusst, dass auch er unterernährt war. Und er konnte, ebenso wenig wie Luca, viel essen. An sich war der junge Elf schon lange satt. Irgendwann hob er die Hand und schüttelte den Kopf. Luca sah ich an und nickte. "Für den Anfang hast Du schon gut gegessen," lächelte er. Ayco war ganz einfach nur schlecht. Aber das wollte er Luca nicht zeigen, in dessen Augen so unheimlich viel Freude darüber schimmerte. Scheinbar konnte man den jungen Magier sehr einfach glücklich machen. Eine einfache und freundliche Seele, dachte Ayco bei sich. Und im gleichen Moment wusste er, dass das nur zum teil zutraf. Einfach war auch Luca ganz sicher nicht. Ein Mann, der die Magie studierte, der ein fertiger Söldner war, konnte in seinem Gemüt nicht einfach sein. Ayco hatte eine recht ausgefeilte Palette an Erfahrungen mit Persönlichkeiten aller Art vorzuweisen, die er im Lauf seiner 150 Jahre Lebens gemacht hatte, und als eine sehr einfache Persönlichkeit konnte er eigentlich nur sehr dumme Leute benennen, und Luca war alles, nur sicher nicht dumm. Wenn Ayco ihn ansah, ihn studierte, wie er oft die Leute, die er zu malen hatte, studierte, seine Mimik, Lucas Art ihn zu betrachten, sich zu bewegen, sein gesamtes Verhalten, so kam er zu dem Schluss, dass Luca ein sehr verschlossener, zurückgezogner Mann war, mit einer sehr komplexen Persönlichkeit, die absolut schwierig war... Offenbar aber war er sehr zugänglich und stellte seine eigenen Bedürfnisse hinten an. Ayco musste feststellen, dass ihm Luca immer sympathischer wurde, und dass er ihn auch nicht vergessen hatte, als sie sich vor etwa einem Jahr bei Justin zum ersten mal begegneten. Er erinnerte sich sogar zu gut daran, an Lucas Tränen. Zuvor schon war ihm der Magier ein Begriff, als Nekromant, als Söldner... und er hatte ihn auch öfter auf dem Schlachtfeld von Fern gesehen. Ein stolzer Mann, ein zäher Kämpfer. Körperlich vielleicht recht schwach, aber an Magie reich und mit einem unglaublichen Potential. Er hatte Luca von Fern bewundert, aber auch gefürchtet, bis ihm der Magier hier begegnet war, ihn im ersten Moment nicht sah, sondern nur von seinem Platz unter Justins Fensterbrett aufgesprungen war und dem Elfen weinend um den Hals gefallen war. Er, der große, gefährliche Nekromant, weinte um ein paar tote Kinder, um tote Personen, die er nicht kannte, und so intensiv, als wären sie alle seine Freunde gewesen, als hätte er jeden einzelnen vom ersten Moment seiner Kindheit gekannt. Er erfuhr aus den Worten Lucas, dass sein Auftrag war Vigilanten zu jagen, die Dörfer nach dem Krieg immer noch plünderten, schleiften, die Frauen vergewaltigten und alles töteten, was sich bewegte. Luca kannte niemanden von ihnen, aber er weinte für sie, für ihre verlorenen Träume. Das hatte sich sehr nachhaltig in Aycos Bewusstsein gebrannt, für immer. Nun, wo er begann über Luca nachzudenken, kam ihm diese Szene wieder in Erinnerung. "Aycolén?" Luca hatte sich zu dem Elfen geneigt und blickte ihm in die Augen. Der Magier war nur wenig von ihm entfernt, so nah, dass Ayco Lucas Atem fühlen konnte. Sorge sprach aus seinem Blick. Erst jetzt fiel dem Elfen auf, dass er Luca die ganze Zeit über aus großen Augen angestarrt hatte. Er senkte den Blick, schlug die Lider herab und errötete. Ihm war es unangenehm, dass Luca ihm so nah war. Nicht weil er es als unangenehm empfand, sondern weil es ihm gefiel. Er wusste zu genau, dass Luca im Moment nur ihm allein gehörte und er sehnte sich danach, dass Luca ihm immer gehörte. Das ängstigte ihn, mehr als alles andere, dieses Gefühl, dieses ganze fremde, was er für Luca fühlte... Alle Sympathie, das Vertrauen... Er wollte nie wieder einem anderen Vertrauen schenken... Nie! Sein bester Freund hatte ihn in die Situation gebracht, in der ihn wohl Luca gefunden hatte. Verrat... Allein der Gedanke ließ ihn den Mut verlieren je wieder einem anderen zu vertrauen. Es war sein Freund und Partner in dem Krieg, der ihn an den Feind verriet, der ihn in dieses Gefangenenlager brachte und ihn foltern ließ. Luca rückte näher zu ihm und schlang seine Arme um die Schultern des Elfen, zog ihn schweigend an sich, an seine Brust und streichelte ihm über die Haare. Ayco versuchte Luca von sich zu stoßen, befreite sich aus seinem Arm, mit einem leisen Aufschrei... woraufhin Luca seine Arme sinken ließ. Ayco hatte für einen Moment solch große Angst, dass sein Herz raste. Luca war für ihn in einem Moment sein alter Freund, alle Peiniger zusammen und der Mann, der ihn vergewaltigte... Dann erst merkte er, dass er weinte, schon eine ganze Zeit lang, und Luca ihn nur zu trösten versucht hatte. Aus flehenden Augen betrachtete der junge Elf den Magier und senkte dann den Kopf, als er sah, dass Luca neben ihm saß, ihn aus traurigen, großen Augen betrachtete und hilflos seine Hände im Schoß verschränkt hielt. Ayco senkte den Kopf und starrte lange auf die weißen Bettücher, die über seinen Beinen lagen. Immer noch spürte er den Blick des jungen Mannes auf sich, die sanften, lieben Augen... Ayco wagte es erst nach einer Weile, wieder aufzusehen. Luca lächelte ihn sanft an, streckte seine Finger nach Aycos Wangen aus, zögerte aber, ihn zu berühren. "Darf ich?" fragte er scheu. Ayco zögerte auch, doch dann nickte er, zaghaft. Luca berührte ihn nur mit den Fingerspitzen und strich ihm die Tränen von den Wangen. Ayco schmiegte seinen Kopf nun endgültig in Lucas Hand. Der Magier war da, wollte ihm helfen, wollte für ihn da sein... Und Ayco brauchte ihn, mehr denn je. Warum um alles in der Welt, sollte er sich nicht seinen Gefühlen und Hoffnungen hingeben. Er ließ sich in Lucas Arme sinken und kuschelte sich an seine Brust. Der schmale, warme Körper tat ihm gut. Er hielt sich mit aller Kraft an Luca fest und weinte, zum ersten Mal, zum ersten mal richtig, und der Schmerz aus den Tiefen seines Herzens stiegen hoch und es gelang ihm zum ersten Mal seit seiner Gefangenschaft, sich durch seine Tränen von allen Ängsten und Sorgen zu befreien... und als seine Tränen endlich trockneten, war er nicht allein, sondern lag in den Armen seines Freundes, der ihn einfach nur hielt und ihm alle Wärme und Nähe gewährte, die er sich ersehnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)