Interdependenz Buch 1 von abgemeldet (Die schweigende Lilie) ================================================================================ Kapitel 5: Verzweifeltes Hoffen ------------------------------- Luca arbeitete im Lazarett bis zur absoluten Erschöpfung. Ihm war wohl bewusst, dass es nicht nur Aycolén gab, der ihn brauchte, sondern unzählige andere Verwundete, Misshandelte und Geschändete, ebenso wie Kranke, die aus dem Labyrinth stammten, Seuchenopfer und einfach nur Verletzte... Luca verband sie, redete mit ihnen, munterte sie auf mit seinen Geschichten, die er sich ausdachte, seinen Träumen, mit denen er andere anzustecken vermochte, wusch die Männer, Frauen und Kinder, fütterte sie und heilte sie, so es in seiner Macht stand. Er wusste anschließend nicht mehr, wie lang er wach war und mit wem er wann gesprochen hatte. Jeder Begriff von Zeit hatte sich verkehrt in etwas irreales und ungreifbares. Sein Fieber war höher denn je und seine Erkältung präsenter als vorher. Dennoch wusste er, dass es ihm vergleichsweise gut ging gegen jeden der anderen hier. Irgendwann ließ er sich auf dem Boden nieder, neben dem Bett seines geliebten Freundes und nahm die Hand des schlafenden Elfen in seine. Zuvor schlief Ayco unruhig, wie eigentlich immer... Dann beruhigte er sich ein wenig. Aber das war für den jungen Magier nichts neues mehr. Lächelnd sah er über den Rand der Pritsche, legte den einen Arm unter sein Kinn und schaute verträumt zu Aycolén. Wieder und wieder bewunderte Luca Aycoléns schönes Gesicht, das silberweiße Haar und die unschuldige Reinheit des Elfen. Er streckte seine Hand nach der Wange des Elfen aus und begann ihn zu streicheln. "Morgen werde ich dich richtig baden müssen," flüsterte Luca. Behutsam strich er Ayco eine Haarsträhne aus dem Auge. "Eigentlich bist du gesund, Körperlich wenigstens... Aber deine Seele. Du willst nicht aufwachen. Du willst mich nicht sehen und vor dem fliehen, was dir andere antaten. Deine Angst spüre ich selbst jetzt, ohne dass du mich wirklich siehst." Traurig sah Luca zu Boden. "Wach auf, Aycolén. Wach auf. Du könntest es... Bitte. Gib nicht auf. Stirb nicht, mein Liebster..." Lucas Augen füllten sich mit Tränen. "Ich verlange viel, dazu gehört aller Mut, aber du wirst nicht allein sein, Ayco. Ich bin da und will bei dir sein, deine Stütze und deine Stärke werden. Du kannst Dich auf mich verlassen. Immer..." Luca spürte die Tränen, die über seine Wangen liefen und wie unangenehm die Feuchtigkeit sich auf seiner fiebrigen Haut anfühlte. Seine Augen brannten und seine Haut ebenfalls... "Auch wenn Du mich nie lieben wirst, bin ich doch der Freund, der immer bei Dir ist, wenn Du ihn brauchen solltest. Wenn Du mich brauchst..." Luca sah ihn wieder an. Es schien für einen winzigen Moment, als habe der Elf Lucas Hand leicht gedrückt. "Ich bin Deine Augen und Ohren, Dein Mund und Deine Hände, Deine Beine und Deine Kraft... Das Schutzschild, was immer vor dir sein wird, um Dich zu beschützen. Dir kann nichts geschehen, wenn Du nur anfängst, mir zu vertrauen..." Luca legte sein Kinn wieder auf seinen Arm und schwieg. Seinen leisen Worte schienen erst nach und nach zu verklingen, fast als hingen sie nun greifbar, stofflich im Raum. Luca streichelte wieder Aycos Wangen... solange, bis der junge Magier einschlief. Seine Hand glitt von Aycos Wange herab und fiel in das weiche Silberhaar des Elfen, während die andere fast krampfhaft um Aycos Finger schloss und ihn mit aller Macht festzuhalten versuchte. Nichts sehen, nichts fühlen, nichts hören...Nichts wissen... Stille, Leere, Finsternis... Er fühlte nichts. Nicht Wärme oder Kälte, nicht Angst oder Vertrauen, keine Freude, kein Leid. Die Schwärze war wie Blindheit, die Stille wie Taubheit, die Bewegungslosigkeit wie Lähmung, das Bewusstsein taube Bewusstlosigkeit. Ein kaum wahrnehmbarer Hauch von Angst überfiel ihn. Alles drang langsam an ihn heran, ganz langsam, quälend, wie durch zähe Nebel, die seinen Geist hemmten, ihn festhielten. Dann plötzlich fiel die Taubheit ab und tausende Eindrücke seiner Gefühle und Gedanken brachen über ihn herein. Er krümmte sich unter grauenhaften Qualen, in Agonie und Pein zusammen, versuchte es, konnte aber nicht. Sein Körper blieb reglos, steif, taub... Der Sturm an Erinnerungen und Eindrücken wollte nicht abebben, wollte nicht aufhören. Angst, Schmerz, Einsamkeit, Verwirrung, Unruhe, Ekel, Abscheu, Leid, Verrat, Sehnsucht, Lust, Sanftmut, Zärtlichkeit, Verlangen, Scheue, Kälte, Wärme, Hitze, Qual... All das trieb ihn an den Rand des Wahnsinns, der Verzweiflung und der Panik... Seine Fingerspitzen... Kribbelten sie? Zuckten sie nicht eben erst? Gefühl kehrte in seine Finger zurück... Mein, schlagartig in seinen gesamten Körper... Seine Muskeln schmerzten so grauenhaft, dass er schreiben wollte, aber seine Stimme blieb weg... Er schrie aus Leibeskräften, aber Niemand hörte ihn...Er riss die Augen Auf, sah aber nur Blindheit... Dann zeriss die ewige Nacht und er stand in gleißendem Licht... "Luca... LUCA!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!" Der unartikulierte Schrei ließ Luca hochfahren, entsetzt. Er war sofort hellwach... Und mit ihm jeder andere, der in dem großen, überfüllten Raum schlief. Einige beschwerten sich, andere fragte besorgt, was geschehen sei... die meisten aber drehten sich kommentarlos um und legten sich wieder hin. Luca starrte den jungen Elfen an, der kerzengerade im Bett saß und ihn aus riesigen, leuchtend grünen Katzenaugen anstarrte... Silberne Haarsträhnen hingen in seinen Augen. Sein wundervoller Mund, die vollen Lippen klafften ein winziges Stück auseinander. Seine Haut war so blass, hatte die Farbe von Alabaster. Schweiß perlte darauf... Seine Hand umschloss Lucas so fest, dass diesem vor Schmerz die Tränen in die Augen schossen. Dann erst sah er sich scheu um... Sein Blick tastete über alle Personen... Und blieb schließlich an Luca hängen, an seinem Gesicht, seinen Augen, die den Jungen glücklich und sanft beobachteten. "Du bist wach," flüsterte Luca. Er strahlte vor Glück. Ayco starrte ihn voller Entsetzen an, panische Angst spiegelte sich in seinen Augen... er riss seine Hand los und rutschte so weit weg, dass er fast vom Bettrand stürzte. Luca sprang unwillkürlich auf und umfing ihn, zog ihn auf das Bett zurück. "Tu Dir nicht weh..." Ayco versteifte sich in Lucas Armen und schien wie leblos, steif... bevor er ohnmächtig wieder erschlaffte. "Aycolén..." Luca starrte ihn aus großen Augen an. "Ayco..." Er wollte nicht weinen. Dennoch schossen ihm Tränen der Verzweiflung in die Augen. Er wollte Ayco nicht erschrecken, sondern beschützen... Erschrecken? Er hatte in dem Jungen solche Panik ausgelöst, dass der Junge sein Bewusstsein verlor. "Was ist mit ihm...?" Luca zuckte zusammen und sah über die Schulter, direkt in die dunkelblauen Augen Justins. Der Elf erwartete keine Antwort. Wortlos strich er Lucas Tränen aus den Augen leckte sie sich von den Fingern... Luca senkte still den Blick, niedergeschlagen... "Gib ihm Zeit, Luca." Er lächelte und strich Luca durch die langen schwarzen Haare. Luca schloss nun die Augen. "Komm mit mir, mein schwarzer Engel..." "Justin..." flüsterte Luca. Als er den Blick hob, noch immer den jungen, bewusstlosen Elfen im Arm, verlor er sich fast in Justins riesigen Mandelaugen. Willenlos schon fast erhob er sich und ließ sich von Justin umarmen. "Komm mit mir, zu mir, in mein großes, leeres Bett..." Justin erstickte jeden Widerspruch mit einem Kuss. Luca aber öffnete seine Lippen nicht, um Justins Zunge Einlass zu gewähren... "Luca... Du..." Der Magier senkte den Blick und schüttelte den Kopf. "Justin, Ayco braucht jemanden, der ständig bei ihm ist und sich um ihn bemüht, der für ihn da ist..." Wortlos stieß Justin Luca von sich und schlug ihm mit der flachen Hand zweimal ins Gesicht... "Merkst Du nicht, dass er Angst vor dir hat? Er hasst Dich, Luca-Seraphin! Er fürchtet und hasst Dich!!!" Justin packte ihn am Arm und wollte ihn mit sich zerren... "Ich bin der einzige Heilkundige überhaupt hier, und ich bin ständig da!" rief Luca aufgebracht. "Nicht nur Ayco braucht mich. Auch Thorn und Torben, Mara und Jerrick. Alle hier brauchen jemanden, der fast ständig bei ihnen ist..." "Du bist selbst krank, Luca!" schrie Justin ihn an. Seine eben noch so sanften, liebevollen Augen waren angefüllt mit Abscheu und Hass. "Luca! Du gehörst nirgendwo anders hin als in mein Bett, zu meinem Spaß, meinem Zeitvertreib und meiner Befriedigung." Luca erschrak, sah ihn aus großen Augen an, senkte dann den Kopf, ging n Justin vorbei, zur Türe, nahm die große Kupferkanne auf, mit der er Frischwasser aus der Küche holen konnte und sah Justin dann wieder an. Seine Augen waren immer noch weit von dem Schrecken über die Worte seines Freundes. "Bin ich wirklich nicht mehr als dein Spielzeug? Eine männliche Kurtisane?" Justin starrte Luca lange Zeit wortlos an. Luca sah sogar, dass ihm seine Worte leid taten, doch dann änderte sich etwas in der Art, wie Justin Luca betrachtete. Es schien fast, als sei die Lust zu Jagen in ihm erwacht. Wortlos senkte Luca den Kopf und verließ den Raum. Mit einem leisen Aufschrei setzte Justin ihm nach... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)