Creepypasta Extra: Umbra von Sky- (Schatten einer Tragödie) ================================================================================ Kapitel 5: Letzte Vorbereitungen -------------------------------- Mary hatte sich hingelegt, denn die Wunden schmerzten sehr, obwohl sie fast verheilt waren. „Dieser verdammte Mistkerl hat mir genau ins Bein geschossen. Wenn ich den in die Finger kriege, bringe ich ihn um!“ „Du hast gut reden. Mir hat er die Arme und den Kopf abgeschlagen“, gab Jackson wütend zurück und war gerade dabei, den Rest von sich wieder dem Vogelscheuchenkörper anzufügen, während seine zahme Krähe Edgar auf einer Stange hockte und ihr pechschwarzes Gefieder putzte. Sie beide waren vernichtend geschlagen worden, nachdem sie vorherige Nacht versucht hatten, Anthony zu überwältigen und in sein Haus einzubrechen, um die Dokumente seines Halbbruders zu stehlen. Zwar hatten sie mit Widerstand gerechnet, aber nicht mit einem ausgebildeten Profikiller, der sie beide so gnadenlos auseinandernehmen würde. Ohne Vorwarnung hatte dieser einfach das Feuer eröffnet und Mary war nichts anderes übrig geblieben, als in Deckung zu gehen. Zwar hatte sie versucht, diesen Schießwütigen zu manipulieren, aber er hatte ihren Zugriff auf sein Unterbewusstsein einfach abgeblockt. Das alles ließ nur einen Schluss zu: Es musste Thomas Stadtfeld sein. „Ich hätte nicht gedacht, dass er immer noch am Leben ist“, murmelte Mary und drückte sich ein Kühlkissen auf die Stirn. „Ich meine, ich habe doch selbst gesehen, wie dieser Hurensohn damals von den Russen niedergeschossen wurde, nachdem er mehrere Agenten der Stasi getötet hat. Aber anscheinend ist er doch nicht so einfach totzukriegen.“ Jackson schwieg, er war damit beschäftigt, seinen abgetrennten Arm wieder anzunähen und das war mit klingenbestückten Händen alles andere als einfach. Seine giftigen gelben Augen funkelten Mary heimtückisch an und dann fragte er „Kennt ihr beiden euch etwa?“ „Er war damals auch im Konzentrationslager und gehört zur Prototypenreihe wie ich. Er hat uns befreit, allerdings wurde ich sofort wieder eingesperrt, als die Nazis am Ende waren. Thomas Stadtfeld ist ein eiskalter Killer, der nicht zu unterschätzen ist. Da er seine Fähigkeiten als Konstrukteur nicht richtig einsetzen kann, konzentriert er sich auf sein physisches Können, bei mir ist es anders herum und da er sich gegen meinen Einfluss abschirmen kann, bin ich echt am Arsch.“ „Dafür bin ich ja da. Jeder hat seinen Schwachpunkt und den gilt es herauszufinden.“ „Problem ist leider, dass er keinen Schwachpunkt hat. Dem Kerl ist ein Menschenleben völlig egal und er ist nur darauf aus, seine Aufträge auszuführen.“ „Ihr beide würdet wirklich ein gutes Pärchen abgeben“, kicherte Jackson und grinste breit, wobei er seine rasiermesserscharfen und gelblich verfärbten Zähne entblößte. Mary verzog bei diesem Anblick angewidert das Gesicht und wandte sich von ihm ab. „Sag das noch mal und ich dreh dir den Hals um.“ „Versuchs ruhig, einen Toten kann man nicht noch mal umbringen. Hey, was ist denn mit unserem lichtscheuen Prince Charming? Haben die beiden nicht irgendwie etwas am Laufen?“ „Pure gegenseitige Abneigung höchstens. Soviel ich weiß, hat sich Thomas’ Schickse von Umbra fressen lassen und Anthony gibt Thomas die Schuld, weil er nichts unternommen hat.“ „Vielleicht war er sie leid und das war die Gelegenheit. So brauchte er wenigstens nicht die Sauerei wegzumachen.“ Jackson kicherte hämisch und war amüsiert. Mary hingegen lachte nicht, sie schloss die Augen und drückte das Kühlkissen fester gegen die Stirn und seufzte leise. „Was auch immer, ich würde nur zu gerne wissen, wer diese Frau war, die bei ihm war. Ich glaube, ich habe sie irgendwo schon mal gesehen. Mensch, da war doch etwas…“ „Wirst wohl langsam dement, alte Frau.“ Diese Stichelei ließ sich Mary nicht gefallen. Sie nahm eins der Messer, die sie bei sich zu tragen pflegte und schleuderte es in Jacks Richtung. Zielgenau traf sie sein Auge und mit einem giftigen Blick knurrte sie „Sag das noch mal und ich zünd dich an wie ein Streichholz.“ Lange dachte Mary noch nach, woher sie diese rothaarige Frau kannte bzw. wo sie sie schon mal gesehen hatte. Sie erinnerte sich sehr schwach an einen Hudson Hornet, den diese Frau zu fahren pflegte. Einen Oldtimer, den sie hütete wie ihren Augapfel. Dann aber fiel es ihr ein und es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter. Die Pfähle des Purgatoriums, eine bizarre Mordserie in den 80ern, die das Aufsehen der Medien erregt hatten. Ein Priester hatte Leute, die zu ihm in die Beichte gekommen waren, mit sieben Pfählen an die Wand oder an den Boden genagelt mit ausgebreiteten Händen wie Christus. Diese Pfähle sollten sowohl die sieben Todsünden als auch die sieben Schalen des Zorns darstellen. Dann hatte er seine Opfer, die zu dem Zeitpunkt noch gelebt hatten, angezündet und sie qualvoll verbrennen lassen. Das war das Purgatorium, also das Fegefeuer, in welchem die Sünder gereinigt werden sollten. Diese Fälle hatten Mary eine Zeit lang interessiert und sie selbst hatte den letzten Mord heimlich beobachtet und dann gesehen, wie diese rothaarige Frau erschien. Sie hatte ein Leuchten in den Augen, als würde das Fegefeuer selbst in ihnen lodern. Die Frau hatte den Pfarrer an der Kehle gepackt und ihn mit einer Kraft von den Füßen gerissen, die man ihr nicht zugetraut hätte. Der Pfarrer hatte geschrien, sie um Gnade angefleht und die Angst hatte ihm ins Gesicht gestanden, als spürte er, dass sie ihn gleich töten würde. Doch all dies hatte nicht geholfen. Nach und nach hatte sie ihm die sieben Pfähle in den Körper gerammt und ihm diese langsam mit den Füßen hineingestoßen. Mary hatte beobachtet, wie der Pfarrer grausame Schmerzen litt und um Gnade bettelte, während die Frau unheimliche Worte zu ihm sprach. Die Kirche, in der der letzte Mord verübt war und wo sich dieses Grauen abspielte, ging in Flammen auf, Mary schaffte es gerade noch rechtzeitig heraus und hatte das Geschehen von der Ferne aus beobachtet. Sie hatte die Schreie des Pfarrers gehört, die jedoch nicht von Schmerz und Qual, sondern von Entsetzen und nackter Todesangst zeugten. Was immer da auch am Altar geschehen war, es hatte den sterbenden Pfarrer um den Verstand gebracht. Mary konnte in den vielen Flammen nicht viel erkennen, sah aber einen riesigen, monströsen Schatten, der sie noch mehr schockiert hatte als die Zustände im Konzentrationslager. Sie hatte geschrien, genau wie der Pfarrer, als sie sah, wie dieses unbeschreibliche Grauen den Pfarrer mit sich nahm und die Kirche bis auf die Grundmauern niederbrennen ließ. Dieses unheimliche Ereignis hatte Mary gezeigt, dass diese Frau nichts Menschliches besaß, auch wenn sie äußerlich danach aussah. Es war eine teuflische Maskerade, um ihre Opfer zu täuschen. Der Gedanke, dass diese Frau wieder aufgetaucht war und nun an der Seite von Thomas Stadtfeld kämpfte, erschauderte Mary. Sie hatte keine Angst vor ihr, nein die Angst war ihr fast vollständig fremd geworden. Es war eher ein Unbehagen, ein schlechtes Gefühl. Sie hatte gefährliche Gegner, die sie keinesfalls unterschätzen durfte. Sie musste sich etwas einfallen lassen, um doch noch an ihr Ziel zu kommen. Schließlich setzte sie sich auf und legte das Kühlkissen beiseite. Jack hatte seinen Arm nun vollständig geflickt und betrachtete Mary neugierig. „Ich sehe nicht ein, warum ich mich von einer rothaarigen Nutte und einem Pseudokiller aufhalten lassen soll. Ich bin so nah an meinem Ziel, dass ich jetzt keinen Rückzieher machen darf.“ „Hast du eine Idee?“ Mary lachte spöttisch und ihr Gesicht verzerrte sich zu einem manischen Grinsen. „Na was denkst du denn wohl?“ Beide brachen in ein schauriges Gelächter aus und sahen sich verstohlen an. Sie waren fest entschlossen, sich nicht von einer dahergelaufenen rothaarigen Kampftussi, einem Säbelrassler oder einem lichtscheuen Stubenhocker unterkriegen zu lassen. Dazu hatte Mary damals zu viel erlebt. Als sie noch Marie Lena Johann hieß, hatte sie Dinge gesehen, die andere um den Verstand brachten und Zustände miterlebt, die nur dem kranken Hirn eines menschenverachtenden Wahnsinnigen entspringen konnten. Um sie herum hatte es nur Leid, Elend, Angst und Terror und Tod gegeben. Sie hat im Konzentrationslager und im Forschungslabor von Dr. Helmstedter die Hölle erlebt, nun war sie selbst die Hölle geworden. Die Erinnerung war selbst nach all der Zeit noch so deutlich präsent und immer, wenn sie daran dachte, wie grausam die Menschen damals zu ihr und ihrer Familie waren, loderte der blanke Hass in ihr. Sie schaute auf ihr Handgelenk, wo eine Zahlennummer tätowiert war. Da man ihnen allen damals die Köpfe kahl geschoren und sie nackt und abgemagert in die Kammern oder Gefangenenzellen geschickt hatte, waren sie mit Zahlen gekennzeichnet worden. In Marys Augen war sie gebrandmarkt worden mit diesen winzigen Zahlen, die für Unwissende aussah wie eine einfache Zahlenkombination mit Kugelschreiber geschrieben. Nie wieder wollte sie eine Nadel an sich heranlassen oder sonst irgendjemanden. Um diese Tätowierung zu verbergen, trug sie normalerweise das rote Seidenband, welches Vincent ihr zum Versprechen geschenkt hatte, dass sie sich wiedersehen und für immer zusammen sein würden. Doch er hatte sie einfach im Stich gelassen, nur weil ihr scheißegal war, wer alles krepieren musste, damit sie ihr Ziel erreichte. Jackson beobachtete sie aufmerksam und bemerkte, dass diese Tätowierung Mary zu schaffen machte. „Kleines Andenken von damals?“ „Eher mein persönlicher Fluch. Sie erinnert mich immer wieder daran, was damals geschehen ist und wie grausam die Menschen doch sind. Deshalb werde ich alles versuchen, um den Dream Weaver in meine Gewalt zu bringen und dann selbst der neue zu werden. Dann wird diese Welt zu einem lebenden Alptraum werden.“ „Erklär mir doch mal bitte, was genau dieser Dream Weaver eigentlich ist.“ Mary legte sich die Armbanduhr wieder um, die sie jetzt ersatzweise am Handgelenk trug und seufzte. „Der Dream Weaver ist ein Wesen, dessen Ursprung nicht ganz geklärt ist. Tatsache ist, dass seine Träume unsere ganze Welt beeinflussen können. Er ist in der Lage, Realität und Traum miteinander zu verweben und Dinge zu erschaffen, oder zu vernichten. Durch seine Träume wurden so einige Monster, wie zum Beispiel der Traumfresser auf die Menschheit losgelassen. Dr. Helmstedter, der damals als KZ-Arzt für die Nazis gearbeitet hat, konnte so einiges über ihn herausfinden und hat versucht, seine Fähigkeiten auf Menschen zu übertragen. Sein Ziel war es, einen menschlichen Dream Weaver zu erschaffen, jedoch war er nur in der Lage, den Menschen die Fähigkeit zu geben, das Unterbewusstsein zu beeinflussen. Ich gehörte damals zu den Prototypen, zusammen mit Thomas Stadtfeld. Er wurde jedoch bewusst dorthin geschickt, damit er in der Lage war, Hitler zu töten und die Diktatur zu beenden. Daraus wurde aber wohl nichts, dafür konnte ich dank seiner Hilfe fliehen. Pech nur, dass mich die Amis schnappten und gleich wieder einsperrten, obwohl sie uns allen die Freiheit versprochen hatten.“ „Echt ne miese Tour. Zu beneiden bist du nicht. Nun ja, zumindest musst du nicht in einem Vogelscheuchenkörper leben, in dem das Ungeziefer haust.“ Während Jackson sprach, kroch eine Tarantel aus seinem Ärmel hervor und ließ sich auf seiner Hand nieder. Jackson öffnete seinen Mund, klappte den Unterkiefer so weit runter, dass er ihn beinahe ausrenkte und ließ die Tarantel hineinfallen. Die Spinne blieb zuerst an seinen haifischartigen Zähnen hängen, dann aber begann sie langsam seine Kehle hinunterzukrabbeln. Jackson legte seinen Kopf in den Nacken und streckte seinen Hals, während die Spinne sich ihren Weg durch seinen Hals bahnte. Mary rümpfte angewidert die Nase, denn Jackson atmete einen so bestialischen Gestank aus, dass sie fast einen Würgreiz bekam. „Das ist ja widerlich. Wie schaffst du es nur, so ekelhaft zu stinken?“ „Es ist meine Seele, die hier verrottet…“, gab Jackson mit einem Krächzen zurück, das dem seiner zahmen Krähe nicht so unähnlich klang. „Alles in mir verrottet langsam. Meine Seele, mein Innerstes, mein Verstand… Meine Leiche ist auch schon Würmern zerfressen und ich spüre es, wie sie zerfällt. Ich hab es damals gespürt, wie sie mir zur Nase reingekrochen und zu den Augen wieder rausgekommen sind. Sie haben sich in meinem Magen eingenistet, in meinem Hirn, in meinem…“ „Ich will wirklich keinen Lehrvortrag darüber anhören, wie Leichen in Gräbern verrotten“, unterbrach Mary ihn gereizt. „Du kannst es ja gerne deinem Freund Edgar erzählen, aber verschon mich damit!“ Sie sah aus dem Fenster und bemerkte, dass die Sonne langsam unterging. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Umbra aktiv wurde und dann würden mit Sicherheit auch Anthony und die anderen in Aktion treten. „Jackson, wir machen uns auf den Weg. Es wird Zeit, dass wir denen zeigen, wer hier die Stärkeren sind. Und dieses Mal werde ich nicht davonlaufen.“ Christine war es wie durch ein Wunder gelungen, die beiden Streithähne zu beruhigen und die Lage ein wenig zu entspannen. Doch Thomas strahlte immer noch diese unmenschliche Kälte aus, die jeden sofort auf Abstand hielt und Anthony beäugte beide mit einem deutlichen Misstrauen. Er hatte sich bereit erklärt, die beiden bei ihrer Suche nach Umbra zu unterstützen, aber er behielt dieses ominöse Gespräch im Hinterkopf, welches die beiden hinter geschlossener Salontür geführt hatten. Viel hatte er nicht in Erfahrung bringen können, wohl aber, dass Thomas mit Christine eine Vereinbarung getroffen hatte und er nun von ihr verlangte, dass sie ihren Teil erfüllte, nachdem er selbst abgeschlossen hatte. Und dabei würde er sich nicht aufhalten lassen, weder von Christine noch von ihm. Anthony fragte sich, was das wohl für eine Vereinbarung war und was für Pläne die beiden eigentlich verfolgten. Fakt war, dass Umbra eine ungeheuer große Rolle spielte. Und er würde schon noch herausfinden, was sie vorhatten und er würde bereit sein, wenn sie ihn hintergehen sollten. Inzwischen war es fast vier Uhr nachmittags und draußen wurde es allmählich dunkel. Den Vormittag und den Mittag hatte Anthony geschlafen, da diese Tageszeiten ihn sowieso im Haus festhielten. Das Dienstmädchen war für den Rest des Tages entlassen, da sie eine alte Freundin wiedertreffen wollte und langsam öffnete Anthony die Vorhänge, um das sehr spärlich gewordene Tageslicht hereinzulassen. Es war ihm immer noch zu hell, aber es war zumindest erträglich und seine Angst hielt sich in Grenzen. Seine Zeit war sowieso der späte Nachmittag, die Nacht und der frühe Morgen und genau um diese Zeit wurde auch Umbra aktiv. Passte also perfekt. Da sie sich vorbereiten mussten, auf Umbra zu stoßen und von ihm angegriffen zu werden, mussten sie sich für den Ernstfall ausrüsten. Waffen waren Pflicht, wobei Thomas auch hier wieder ein Schwert dabei hatte, welches an einer merkwürdigen Apparatur angeschlossen war. Auf eine Frage Anthonys hin erklärte er „Das Schwert hier ist im Grunde wie ein großes Elektroskalpell. Über den Generator wird ein Hochfrequenzwechselstrom in die Klinge geleitet, wodurch sich Gewebe viel besser zerschneiden lässt, ohne dass zu viel Blut austritt. Ich kann Blut auf der Haut oder Kleidung nicht leiden.“ „Dann hast du dir als Auftragskiller wohl den falschen Beruf ausgesucht.“ Diesen Seitenhieb ignorierte Thomas und widmete sich wieder seiner Ausrüstung. Schließlich kam Christine und drückte Anthony eine große Taschenlampe in die Hand, die eigentlich mehr ein transportabler Scheinwerfer war. „Wenn Umbra auftauchen sollte, wirst du ihn damit blenden. Da dies sein einzig bekannter Schwachpunkt ist, ist es auch gleichzeitig unsere einzige Chance, ihn zu erwischen, ohne dass er sich wieder in Luft auflöst. Das kriegst du doch wohl hin, oder?“ „Kein Problem, solange ich nicht ins Rampenlicht muss.“ Christine lächelte und begann nun ihre Waffen zu kontrollieren. Schließlich fragte sie ganz nebenbei „Könnte ich eine Frage stellen?“ „Na klar doch.“ „Wenn Konstrukteure doch in der Lage sind, das Unterbewusstsein und damit sämtliche Körpervorgänge zu kontrollieren, könntest du deine Krankheit doch selbst heilen, oder nicht?“ „Nicht wenn es genetisch bedingt ist. Wenn ich da was verändern würde, könnte mich das sofort töten oder alles nur verschlimmern. Eigentlich komme ich ganz gut zurecht, mir macht nur meine Phobie zu schaffen.“ Christine sagte nichts dazu, sie nickte nachdenklich und verabschiedete sich kurz, weil sie den Wagen noch mal prüfen wollte. Anthony und Thomas waren allein und frostiges Schweigen herrschte zwischen ihnen. Sie sahen sich zwar kurz aus den Augenwinkeln an, wechselten aber nicht ein Wort miteinander. Schließlich aber gab sich Anthony einen Ruck und murmelte „Ich wollte mich für die Vorwürfe letztens entschuldigen. Es war nicht gerade fair, dass ich gesagt habe, du hättest Hannah an die Sowjets verkauft.“ Thomas sah ihn nicht an, er sagte auch nichts dazu und es war schwer festzustellen, ob er noch wütend darüber war, oder ob ihm die Sache eigentlich komplett egal war. Rein gar nichts war in seinem Gesicht zu lesen. Anthony war sich nicht sicher, was er davon halten sollte und nun sah er den so ausdruckslosen Menschen an, der nie die Beherrschung verlor und niemals Freude oder Trauer zeigte. Mit ruhigen aber festen Worten fragte er „Hast du Hannah wirklich geliebt?“ Aber zugleich bereute er seine Frage wieder, denn es kam nur ein eisiger Blick von Thomas zurück und die abweisende und kalte Antwort „Das spielt keine Rolle mehr. Vergangenheit ist Vergangenheit, ich beschäftige mich nicht mit so etwas.“ „Das ist keine Antwort. Ich will nur wissen, ob Hannah sich nur etwas vorgemacht hat.“ Aber Thomas schwieg, als hätte er Anthonys Frage ignoriert. Es war nichts zu machen, mit diesem Kerl war einfach nicht zu reden. Für ihn war dieses Thema abgeschlossen und er wirkte auch nicht, als wolle er sich auch nur ein einziges Mal damit befassen. Und da Anthony keine Lust hatte, sich schon wieder mit ihm zu streiten, schwieg er nun auch. Christine kam zurück und war sichtlich erleichtert, dass sich die beiden nicht gegenseitig die Köpfe eingeschlagen hatten. Trotzdem war die frostige Stimmung zwischen den beiden deutlich spürbar. Schließlich unterbrach ein Donnern in der Ferne die Stille und alle drei sahen aus dem Fenster. „Kommt da etwa ein Gewitter auf uns zu?“ fragte Anthony und versuchte, etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Thomas Miene verdüsterte sich und leise murmelte er „So klingt kein Gewitter.“ „Wie bitte? Und was war es…“ Anthony sprach den Satz nicht zu Ende, denn nun erinnerte auch er sich an dieses gewitterähnliche Geräusch, welches ihm nur allzu vertraut war. Damals in Deutschland hatte er dieses Donnern und Krachen gefürchtet und sich immer versteckt, um sich in Sicherheit zu bringen. Es war das Geräusch einer fernen Detonation. „Wer zum Teufel sprengt denn hier?“ Thomas antwortete nicht, sondern schnappte sich seine Ausrüstung und verließ den Salon. Christine und Anthony folgten ihm und der Weg führte sie zu einem Oldtimer, einem 54er Hudson Hornet. Dieser Wagen war Christines Augenstern und treuer Begleiter. Nirgendwo fuhr sie ohne ihn hin. Thomas wartete auf sie und schließlich stiegen sie ein. „Ich verstehe das nicht. Wer sprengt denn hier rum?“ „Wahnsinnige“, erklärte Thomas knapp und ruhig. Zwar verstand Anthony, was er ihm damit sagen wollte (nämlich, dass es Mary und Jackson waren), aber wieso sollten die beiden jetzt Bombenleger spielen? Doch dann leuchtete es ihm dann schließlich ein: Natürlich! Wenn sie Sprengsätze auf der Straße platziert hatten, würde dies automatisch einen Unfall bedeuten. Und wo Unfälle waren, gab es Verletzte, die sich kaum rühren konnten. Mary und Jack präsentierten Umbra die Opfer quasi auf dem Silbertablett, um ihn anzulocken. Hinterhältig, aber effektiver, als in der Gegend herumzusuchen. Demnach mussten sie hier irgendwo auf der Lauer liegen. Christine raste die Straße entlang, während im Hintergrund das Radio lief. Eine zweite Detonation war zu hören, dieses Mal näher. Plötzlich explodierte etwas dicht neben ihnen und der Wagen wurde zur Seite geschleudert. Christine riss das Steuer rum und versuchte, den Hornet unter Kontrolle zu halten, doch er kam von der Straße ab und prallte direkt gegen einen Baum. Anthony wurde durch die Wucht nach vorne geschleudert, der Gurt hielt ihn aber weitestgehend zurück, jedoch schlug er sich so heftig den Kopf, dass er das Bewusstsein verlor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)