Creepypasta Extra: Umbra von Sky- (Schatten einer Tragödie) ================================================================================ Kapitel 4: Zwei Fronten, ein Scherbenhaufen ------------------------------------------- Gleich am nächsten Morgen kam Christine alleine zu Besuch, um sich in aller Ruhe mit Anthony zu unterhalten. Nach einem langen, klärenden Gespräch kamen sie beide zu der Ansicht, dass es das Beste wäre, Vincent und Viola aus der Schusslinie zu holen und sie in Sicherheit zu bringen. Er weigere sich aber, an eine Zusammenarbeit mit Thomas überhaupt zu denken. Christine gab sich mit diesem Teilsieg fürs Erste zufrieden und versprach ihm, dass sie ihr Wort halten werde und seinen beiden Freunden nichts passieren würde. Das genügte ihm fürs Erste und so wurden Vincent und Viola von einer schwarzen Limousine mit getönten Scheibe abgeholt und weggebracht. Danach setzten sich Anthony und Christine in den abgedunkelten Salon (denn es war inzwischen hell geworden), um einige Dinge klarzustellen. Die rothaarige Schönheit hatte schon sehr früh gespürt, dass sich im Laufe der Jahre wohl sehr viele Emotionen bei Anthony aufgestaut hatten und da sich ja gezeigt hatte, dass Thomas nicht gerade eine große Hilfe war, das alles ein für alle Male zu klären, wollte sie das übernehmen. „Hör mal Anthony, ich möchte ja nicht Partei für irgendjemanden ergreifen, aber findest du nicht, dass deine Vorwürfe sehr ungerecht und hart waren? Ich meine, Thomas hat es sich damals nicht aussuchen können, er wurde von klein auf dazu erzogen, Menschen zu töten und hat nie etwas anderes gelernt.“ „Das weiß ich ja und ich gebe auch zu, dass ich überreagiert habe. Aber ich war einfach nur wütend über seine Worte. Hannah war ein so liebenswerter Mensch gewesen und ich hatte mir einfach nur gewünscht, dass sie glücklich wird. Aber all das wurde durch Umbra und die Sowjetunion zerstört und Thomas war nicht in der Lage, sie zu retten. Das kann ich ja noch verstehen, ich bin ja auch nicht allmächtig, aber ich kann ihm diese Worte einfach nicht verzeihen. Es kommt mir so vor, als hätte Hannah ihm nie etwas bedeutet.“ „Thomas reagiert so, weil er es nicht besser weiß. Für ihn hatten Menschenleben nie den gleichen Wert wie für dich und da er nie gelernt hat, was Trauer bedeutet, konnte er die Sache eben anders abschließen als du. Im Grunde ist Thomas kein schlechter Mensch, aber er sieht viele Dinge anders. Nur weil er das alles gesagt hat, bedeutet es noch lange nicht, dass Hannah ihm nichts bedeutet hat.“ Anthony schwieg und dachte über Christines Worte nach. Sie schien ihn schon eine ganze Weile zu kennen. „Sag mal Christine, wie lange kennst du Thomas bereits?“ „Schon eine ganze Weile. Ich hab ihn am 12. Dezember 1955 kennen gelernt. Daraufhin haben wir recht viel Zeit miteinander verbracht.“ „Dann bist du also…“ „Nein, ich bin kein Konstrukteur“, gab Christine kichernd zurück und war amüsiert darüber, dass Anthony tatsächlich dachte, sie wäre wie er. Er seinerseits war verwirrt, denn dieses Mädchen sah nicht danach aus, als wäre sie sie schon so alt. Was zum Teufel war sie dann, wenn sie nicht alterte? „Ich bin kein Mensch“, erklärte sie schließlich. „Und Christine ist auch nicht mein richtiger Name. Aber ich benutze ihn in der letzten Zeit fast immer, um Komplikationen zu vermeiden.“ „Und wer oder was bist du dann?“ „Ich bin schon als vieles bezeichnet worden. Als Hexe, Ausgeburt des Teufels, als Bote Gottes, als Rachegeist, als Eumenide und sogar schon als Gott oder Teufel in Person. Die Menschen neigen oft dazu, Dinge bei völlig bescheuerten und abwegigen Namen zu nennen, die sie nicht verstehen können.“ „Und als was bezeichnest du dich?“ „Ich sorge dafür, dass Verbrechen nicht ungesühnt bleiben. Je nach Härte der Verbrechen steht es mir frei zu entscheiden, wie ich verfahren soll. Und manchmal fällt es auch in meine Aufgabe, gewisse Dinge in eine bestimmte Richtung zu lenken, damit alles seinen vorbestimmten Weg gehen kann. Meine primäre Aufgabe ist es, alles im Gleichgewicht zu halten.“ „Klingt ein wenig nach dem Film „Der Plan“.“ Christine lachte und schenkte sich einen Kaffee ein. „So in der Art, allerdings ist nicht alles vorherbestimmt. Jeder Mensch hat die Freiheit, sein Leben entweder zu verwerfen oder sinnvoll zu nutzen. Aber ich sorge dafür, dass er die Konsequenzen für seine Handlungen zu spüren bekommt. Meine Methoden mögen manchmal unkonventionell sein, aber Hauptsache ist, dass das Ergebnis stimmt.“ Während Anthony sie so betrachtete, glaubte er etwas in ihren Augen zu erkennen, das wie ein loderndes Feuer aussah. Ja, in ihren Augen schien ein unheimliches Höllenfeuer zu lodern und in diesem Moment kam sie ihm nicht ganz geheuer vor. Doch ihr Lächeln war so ehrlich, dass sich gar nicht an ihren guten Absichten zweifeln ließ. „Also gut“, sagte er schließlich. „Könntest du mir dann vielleicht verraten, was ihr beide miteinander zu schaffen habt?“ „Wir haben einen Deal“, erklärte Christine und bediente sich schließlich an den Snacks, die das Dienstmädchen gebracht hatte. „Thomas unterstützt mich ein klein wenig bei der Arbeit und ich helfe ihm, sein Ziel zu erreichen.“ „Und was ist sein Ziel?“ „Tut mir Leid, aber ich bin zur Verschwiegenheit verpflichtet. Aber momentan verfolgen wir sowieso dasselbe Ziel: Umbra vor Mary zu finden und diese Kreatur aufzuhalten, noch mehr Menschen zu verschlingen.“ „Wenn du kein Mensch bist, könntest du ihn nicht alleine ausschalten?“ „Wenn das mal so einfach wäre. Fakt ist leider, dass Umbra ebenfalls nichtmenschlich ist und nicht so einfach zu töten ist wie ein normales Lebewesen. Das gleiche Problem stellte sich ja auch mit dem Traumfresser. Da er vom Dream Weaver erschaffen wurde, war er nicht an die üblichen Naturgesetze gebunden. Ähnlich ist es bei Umbra: Er kann sich den Naturgesetzen entziehen, da er in Verbindung mit dem Dream Weaver steht. Leider weiß ich nicht viel über Umbra, deshalb wollte ich auch die Forschungsunterlagen deines Halbbruders näher durchlesen.“ Als Anthony hörte, dass sie von seiner Verwandtschaft zu Hinrich Helmstedter wusste, zuckte er zusammen und umklammerte seine Tasse fester. Doch Christine lachte und klopfte ihn auf den Rücken und versprach ihm, dass sie sein Geheimnis für sich behielt. Ihr wäre es sowieso herzlich egal, wer wie mit wem verwandt sei. Schließlich holte sie die Forschungsunterlagen, die sie gestohlen hatte und nun begannen sie beide, nach Hinweisen zu suchen. Die Dokumente waren alle in Plattdeutsch geschrieben, ein Trick, um zu verhindern, dass die Sowjets oder die Amis sie schnell entschlüsseln könnten. Zwar war dieser Dialekt in der damaligen Zeit sehr verbreitet, jedoch fiel es Ausländern sowieso schon schwer genug, die deutsche Sprache zu übersetzen. Plattdeutsch stellte einen noch höheren Schwierigkeitsgrad dar. Auch Anthony hatte des Öfteren damit zu kämpfen, seine eingerosteten Plattdeutschkenntnisse wieder aufzuwärmen. Die Berichte waren sehr detailliert und mit Namen und Krankendaten versehen. Es war schon ein seltsames Gefühl zu lesen, was da über ihn selbst und seine Freunde geschrieben stand. Sie fanden einige Forschungsergebnisse über Operationen am Gehirn und inwieweit das Unterbewusstsein eines Individuums Einfluss auf die Handlungen anderer ausüben konnte. Aber Informationen über ein Wesen namens Umbra fanden sie nicht. „Was weißt du eigentlich über Umbra?“ „Es ist ein Wesen, das ausschließlich in der Dunkelheit lebt und bei Licht seine Kraft verliert. Unter seiner Kleidung verbirgt sich nur Leere, man könnte Umbra auch mit einem schwarzen Loch vergleichen. Solange es in der Dunkelheit lebt, kann es alles absorbieren, sogar Angriffe. Das erste Mal haben wir es gesehen, als Umbra gerade dabei war, einen Obdachlosen zu absorbieren. Als wir ihn versuchten herauszuziehen, fehlte die komplette obere Hälfte, dabei gab es keine offenen Wunden. Richtig unheimlich aber wurde es, als ich ihn mit einer Brechstange angegriffen habe. Sie ist einfach absorbiert worden.“ „Dann wird es ja richtig schwierig, ihn zu töten.“ „Wir vermuten, dass Lichteinwirkung ihn verletzlich machen kann. Deshalb wollte Thomas auch nicht, dass du dabei bist. Es war nichts Persönliches aber aufgrund deines… Problems… kannst du da leider nicht viel ausrichten.“ Da hatte Christine leider nicht ganz Unrecht. Wenn Umbras einziger Schwachpunkt tatsächlich das Tageslicht war, dann würde es äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich für ihn sein, ihn zu bekämpfen. Aber eines beschäftigte ihn noch. „Woher kommt Umbra eigentlich? Ist er tatsächlich eine weitere Kreatur, die vom Dream Weaver erschaffen wurde?“ „Ich weiß es noch nicht hundertprozentig, aber ich vermute, dass es mit diesem Experiment der Sowjets zusammenhängt. Diese hatten nämlich im Gegensatz zu den Amerikanern gezielt nach einer Möglichkeit gesucht, Dinge aus Traumwelten in die Realität zu holen und einen neuen Dream Weaver zu erschaffen. Ich vermute, dass Umbra das Endprodukt dieser Versuchsreihe ist, aber dass er nicht vollständig ist. Umbra ist ein leerer Traum ohne Inhalt, vermutlich absorbiert er deshalb alles, was ihm zu nahe kommt. Und Mary will wohl versuchen, Umbra zu vervollständigen und sich dann seine Kraft anzueignen, sollte er dann wirklich zu einem neuen Dream Weaver werden. Kaum auszudenken, wenn sie diese Macht tatsächlich erlangen sollte. Das würde böse enden. Es würde viel schrecklichere Ausmaße haben als die Tragödie von Backwater oder der Alptraum von Shallow Graves, die Sally damals verursacht hatte. Insbesondere, weil wahnsinnige Menschen an sich schon gefährlich sind. Hitler ist ja bis heute noch das perfekte Beispiel.“ Dem stimmte Anthony mit einem Nicken zu und gab einen Würfel Zucker in den Kaffee, da dieser nicht süß genug nach seinem Geschmack war. „Der Wahnsinn hat schon viele Katastrophen und Tragödien hervorgerufen. Erst letztlich las ich von einem Fall, wo ein verwitweter Mann Porzellanpuppen verkaufte, die er aus den Knochen der Kinder gefertigt waren, die er ermordet hatte. Einen solch bizarren Fall hab ich seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt.“ „Du wirst dich wundern, was ich schon alles erleben musste“, entgegnete Christine und lehnte sich etwas zurück in die Lehne. „In den Zeiten, wo Seuchen die Menschheit geplagt hatten, wurden die Kranken ausgestoßen, sodass sie elendig verreckten oder man verbrannte oder vergrub sie lebendig, um somit die Seuchen zu bekämpfen. Wenn die Menschen in einer aussichtslosen Lage sind, fällt es ihnen nicht sonderlich schwer, ihre Menschlichkeit über Bord zu werfen, um am Leben zu bleiben. Das war mit Sally so, mit Jackson Cohan alias Scarecrow Jack und auch Mary Lane. Sie ist zu dem geworden, was sie war, weil sie sonst genauso im Konzentrationslager gestorben wäre wie ihre Familie.“ Das wusste Anthony nur zu gut, auch er hatte in aussichtslosen Situationen Dinge getan, auf die er nicht sonderlich stolz war. Die Menschlichkeit war eben keine Selbstverständlichkeit, sie war ein Schein, den es so lange aufrecht zu erhalten galt wie unbedingt nötig. Sie war eine Selbstlüge, weil niemand wahrhaben wollte, dass jeder eine genauso kaltblütige und grausame Ader besaß wie diese unzähligen Diktatoren und Serienmörder. Kinder, die Tiere und Insekten aus einem reinen Vergnügen heraus quälten, waren das perfekte Beispiel, nur waren sie sich noch nicht im Klaren darüber, was sie da überhaupt taten. „Was genau will Thomas eigentlich? Was verspricht er sich davon, Umbra zu finden?“ „Er will die Vergangenheit auslöschen. Weißt du, Thomas ist nicht ohne Grund Mitglied der Stasi geworden. Er hatte der Sowjetunion nur unter der Bedingung die Treue geschworen, wenn sie den Kindern aus den Instituten Hilfe zukommen ließ und sämtliche Forschungsunterlagen vernichtete und versprach, dass es solche Experimente niemals geben würde. Aber sie haben ihr Wort gebrochen und so verriet Thomas die Sowjetunion und ist bis heute noch damit beschäftigt, die letzten Spuren dieser Experimente auszulöschen. Damit will er verhindern, dass sich diese Geschichten jemals wiederholen könnten.“ „Und warum tut er das alles?“ „Er war damals im gleichen KZ gewesen wie Mary und wurde ebenfalls zu einem Konstrukteur gemacht. Damit gehört er zu den ersten Prototypen, deshalb konnte er auch so jung bleiben. Aber er kann seine Fähigkeiten nicht gegen andere einsetzen, zumindest nicht so wie du, Mary und Vincent. Thomas wurde schon kurz nach seiner Geburt den Eltern weggenommen und zu einem Attentäter ausgebildet, um Hitler zu töten. Er lernte alles darüber, wie man einen Menschen töten konnte, aber nicht, wie man mit ihnen lebte. Als er zufällig erfuhr, dass seine Ausbilder vorhatten, Hitler zu stürzen und selbst an die Macht zu kommen, tötete er sie und tauchte unter, bis ihn die Sowjets fanden und anheuerten.“ So war das also, dachte Anthony und starrte nachdenklich auf seinen Kaffee. Er hatte sich schon immer gefragt gehabt, wie ein kleines Mädchen wie Mary es damals fertig bringen konnte, über 100 Gefangene aus dem Konzentrationslager zu befreien und zu fliehen. Aber jetzt ergab das einen Sinn: Thomas hatte ihr geholfen und die Wachen getötet, sodass sie alle fliehen konnten. Trotzdem verstand er nicht, wie Thomas so viele Menschen retten konnte, aber nicht in der Lage war, Hannah davor zu retten, von Umbra absorbiert zu werden. Es wollte ihm einfach nicht einleuchten. „Ich verstehe gut, dass du um Hannah trauerst, du hast sie geliebt. Aber geh von Thomas’ Verhalten nicht davon aus, dass sie ihm völlig egal war. Er wirkt nur so kalt und abweisend, aber er ist nicht wirklich so.“ „Das verstehe ich ja, aber…“ Anthony seufzte und senkte den Blick. Christine sah ihm an, dass ihm etwas auf der Seele lastete. Etwas sehr Trauriges, das er nicht auszusprechen wagte und lange für sich behalten hatte. Für einen Moment sah es danach aus, als wolle er es zumindest ihr anvertrauen, doch da überlegte er es sich anders und schüttelte nur den Kopf mit einem leisen Murmeln „ach nichts“. Wenig später wurde die Tür geöffnet und Thomas Stadtfeld kam mit festen Schritten herein, sodass das Dienstmädchen ihm kaum zu folgen vermochte und verzweifelt versuchte, ihn aufzuhalten. „Moment, Sie können doch nicht einfach…“, stammelte sie und eilte ihm noch hinterher, aber er machte nicht die geringsten Anstalten, ihr zuliebe stehen zu bleiben und ihr wenigstens eine Antwort zu geben. Er ignorierte sie einfach. Anthony warf Christine einen stummen Blick zu, der so viel sagte wie „Wie war das noch mal gerade mit „er wirkt nur so abweisend, aber in Wahrheit ist er nicht so“, hä?“ und sie schickte einen verlegenen Blick zu Thomas, der wohl sagen sollte „Bitte sei doch nicht ganz so kaltschnäuzig.“ Aber diese Botschaft schien ihn nicht zu erreichen. Nein, er überging das Dienstmädchen einfach und baute sich vor Christine und Anthony auf wie ein Drill Sergeant, der die neuen Rekruten gleich nach allen Regeln der Kunst wortwörtlich zur Sau machen wollte. „Die Forschungsunterlagen“, sagte er tonlos und sah Christine mit einem eisigen und zugleich tödlichen Blick an. „Wir haben uns geeinigt, sie mitzunehmen.“ „Nun sei doch nicht so“, sagte Christine und stand nun auf. Da sie mehr als zehn Zentimeter größer war als Thomas, wirkte dieses Bild irgendwie merkwürdig verkehrt. „Anthony könnte uns durchaus helfen und ich bin gerade dabei, euer beschissenes Verhältnis wenigstens ein bisschen zu kitten.“ „Darum habe ich dich nicht gebeten.“ „Fall mir bloß nicht dankend um den Hals. Jetzt mal im Ernst, wir haben leider nicht die besten Karten. Mary ist absolut gefährlich und unberechenbar, genauso wie Scarecrow Jack und der ist ein Toter im Körper einer Vogelscheuche. Du kannst ihm die Arme abschlagen, aber leider ist er trotzdem ein Stehaufmännchen. Ich bin in meiner jetzigen Position auch nicht befugt, alles auf meine Weise zu lösen und du kannst nur auf deine Kampfkunst vertrauen.“ „Ich will ihn nicht dabei haben, das ist nicht seine Angelegenheit.“ „Es ist sehr wohl meine Angelegenheit, wenn es um die Dream Weaver Experimente geht“, entgegnete Anthony und stand nun ebenfalls auf. Die Sache sah deutlich danach aus, als würde die Situation eskalieren und wieder in einer handfesten Auseinandersetzung enden. Thomas beachtete ihn kaum, er sah ihn nur aus den Augenwinkeln an und hob eine Augenbraue und diese Geste hatte etwas leicht Arrogantes an sich. „Und was willst du schon ausrichten? Jemanden, der nur aus dem Haus kann, wenn es stockfinster ist, kann ich nicht gebrauchen. Weder Umbra noch Hannah oder die sowjetischen Experimente gehen dich in irgendeiner Weise etwas an. Du hattest nichts damit zu tun, deshalb wirst du dich da auch raushalten.“ Das war es, nun war Anthony wieder genau da, wo er gestern war. Alles Verständnis, das er empfunden hatte, war fort. Dass dieser unverschämte Mensch sich jetzt auch noch über seine Krankheit lustig machte, war zu viel. Er musste es jetzt sagen, egal was auch als Konsequenz folgen mochte. Mit einem finsteren aber bestimmten Blick packte er Thomas am Kragen und schaute ihm in diese von dunklen Schatten umringten Augen. „Mach dich noch ein Mal über mich lustig und du wirst dein blaues Wunder erleben. Ich kann nichts dafür, wie ich geboren wurde, lass dir das gesagt sein. Aber soll ich dir mal etwas sagen? Ich werde dir mal ein Geheimnis verraten, mein lieber Thomas: Hannah hat dir damals eine Kleinigkeit verschwiegen, als sie bei mir gelebt hat.“ Christine ahnte Schlimmes und ging zu Anthony hin, um die beiden wieder voneinander zu trennen, denn sie befürchtete, dass er gleich von einer heimlichen Liebesaffäre mit Thomas’ Verlobten sprechen würde, um ihn zu provozieren. Das würde kein gutes Ende nehmen. Doch statt, dass so etwas kam, erklärte Anthony „Hannah hat es mir damals anvertraut, als sie bei mir gelebt hat: Sie war schwanger mit deinem Kind! Sie hatte mich gebeten, die Patenschaft zu übernehmen, wenn es auf der Welt sein sollte und sie wollte dir davon erzählen, wenn ihr wieder zusammen wärt.“ Für einen kurzen Moment war etwas in Thomas’ Augen zu sehen, was nicht von Härte oder Kälte zeugte. Es war ein merkwürdiger Ausdruck, den man nicht zu deuten vermochte. Für den Bruchteil einer Sekunde begann dieses ausdruckslose und hartherzige Gesicht zu bröckeln, aber das alles war nur so kurz zu sehen, dass es niemand außer Christine bemerkte. Thomas stieß Anthony von sich, sodass dieser nach hinten fiel und richtete seinen Kragen neu. „Dann ist das eben so. Da sie tot ist, hat sich diese Sache ja auch erledigt, aber mein Entschluss steht fest: Du hältst dich aus der Sache raus.“ „Das kannst du vergessen!“ „Nun hört endlich auf, alle beide!“ rief Christine und stellte sich zwischen die beiden. Während wir hier streiten, kommen Mary und Jackson immer näher an Umbra heran und wir treten immer noch auf der Stelle. Anthony, bitte entschuldige uns kurz, wir müssen etwas miteinander bereden.“ Christine ergriff Thomas am Arm und verließ mit ihm den Salon. Der Hausherr folgte ihnen unauffällig und lauschte neugierig an der Tür, um herauszufinden, was da eigentlich beredet wurde. Er konnte nicht viel aus dem Getuschel herausholen, sodass er sich den Rest zusammenreimen musste. „Das war so nicht abgemacht.“ „Ich weiß, aber wir müssen jetzt umdenken. Die Situation hat sich geändert.“ „Nichts hat sich geändert. Wir bleiben bei unserem Plan, ganz egal was auch kommt.“ „Ich krieg das schon hin, Thomas. Wenn wir Umbra vor Mary fangen wollen, müssen wir uns beide auf Kompromisse einlassen.“ „Da gibt es keine Kompromisse. Wir hatten eine Abmachung und ich habe meinen Teil erfüllt. Nun wirst du auch deinen erfüllen.“ „Das tue ich auch, mach dir da keine Sorgen. Aber du musst endlich mal deine verdammte Sturheit ablegen und einsehen, dass wir Unterstützung brauchen. Aber sag mal, wegen dem Kind…“ „Daran ändert sich nichts, okay? Wir werden einfach weiter verfahren, wie bisher. Mich interessiert nur Umbra, sonst nichts. Die Sache ist für mich abgeschlossen und ich interessiere ich auch nicht für die Vergangenheit.“ „… du kannst mir nichts vormachen, Thomas. Das müsstest du nach all der Zeit eigentlich wissen.“ „Ich habe keine Lust, mir dein sentimentales Geschwätz anzuhören. Also gut, dann werden wir mit Anthony zusammenarbeiten. Aber wenn er mir im Weg stehen sollte, wird er schon sehen, was er davon hat.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)